Die Grenze zwischen Krieg und Frieden ist nicht eindeutig festgelegt; im allgemeinen gehen die beiden Zustände ineinander über.
Während Frieden das Einhalten der allgemeinen anerkannten Regeln, das Respektieren von getroffenen übereinkommen, bedeutet, ist Krieg ein Zustand, in dem sich die Teilnehmer die Entscheidung, ob sie die Regeln einhalten wollen und wann sie die getroffenen übereinkommen zu mißachten gedenken, selbst vorbehalten. Allerdings werden, wie der Gang der Dinge in der Geschichte zeigt, meistens weder im Frieden alle Konventionen eingehalten, noch werden sie im Krieg alle mißachtet.
Das hat zur Folge, daß sich die beiden Zustände für gewöhnlich nicht scharf voneinander abheben und daß es oft genug der Interpretationskunst überlassen bleibt, ob ein Zustand nun noch Frieden oder bereits Krieg genannt werden soll. Die betroffene Bevölkerung leidet oft im einen Fall ebenso wie im anderen.
Nun gibt es aber Menschen (Staaten, Völker), die für klare Verhältnisse sind, die den Krieg definieren, indem sie ihn erklären und den Frieden, indem sie ihn schließen. Dabei sehen sie Krieg keineswegs als einen Zustand totaler Gesetzlosigkeit an, sondern als eine Art Kampfgeschehen, das nach festen Regeln ausgetragen werden soll, nach Grundsätzen, die sich "aus den unter gesitteten Staaten geltenden Gebräuchen . . . herausgebildet haben".
Unter denen, die ernstlich bemüht sind, die aufgestellten Kampfbestimmungen einzuhalten, befinden sich zunächst einmal alle diejenigen, die so schwach sind, daß sie gar nicht imstande wären, sie zu mißachten, ohne ihr Überleben zu gefährden; zudem aber auch die Deutschen, und früher die Germanen.
Es gibt aber auch Staaten, die sich für solche Vereinbarungen nur dann interessieren, wenn sich der Gegner daran hält und sich dadurch in der Wahl seiner Mittel einschränken muß, während sie selber von vornherein niemals einen derartigen Vertrag unterzeichnen würden, falls sie ihn nicht jederzeit und ohne Zeitverlust brechen könnten. Sie behalten sich also zu jeder Zeit und für alle Zeiten (insgeheim) die Entscheidung vor, ob sie die allgemein verbindlichen Regeln einhalten oder brechen, so daß für sie Frieden eigentlich nur ein Kriegszustand ist, bei dem sie es eben gerade einmal nicht nötig haben, die Konventionen zu mißachten (u. a. Römer, Briten, Bolschewisten, Angloamerikaner).
Nach ihrem Sieg allerdings schlagen sie dem Besiegten dann genau diese Konventionen um die Ohren, halten ein strenges Gericht über jede seiner Verfehlungen und überzeugen dabei auch gleich die übrige Welt, daß Verträge doch unbedingt eingehalten werden müssen - was ihnen deshalb einen Wettbewerbsvorteil verschafft, weil sie sich selbst nicht daran halten - verbitten es sich aber energisch, nach den gleichen Grundsätzen gerichtet zu werden, nach denen sie die Ohnmächtigen richten (IMT Nürnberg).
Dieses herrenmenschliche Verhalten der Sieger löst bei den Unterlegenen dann jedesmal ein anhaltendes Gejammer aus, das bei den Deutschen schon fast krankhaft zu nennen ist: Hier habe der Sieger diese oder jene Konvention mißachtet und sich dadurch einen (unlauteren) Wettbewerbsvorteil verschafft! Dort habe er durch Lüge, Betrug, Verrat und Meuchelmord die Auseinandersetzung, wie schon so oft, zu seinen Gunsten entschieden, usw. usf. Sonst noch was? Ja, seit wann denn steigt man bei einem Kampf um Macht und Überleben in ein genau abgemessenes Geviert, in dem man dann, von festen Regeln behütet, ritterlich kämpft wie ein Ritter im Turnier? Seit wann läßt sich in der Politik (Krieg) eine Großmacht, die ein festes Ziel vor Augen hat, das sie, koste es was es wolle, unbedingt erreichen will, von Wettkampfregeln und Ritterlichkeit leiten (Sie würde bald aufhören, eine Großmacht zu sein!)? Wozu also das Geflenne ?!
Was hilft es, im Krieg (Machtpolitik) die Auseinandersetzungen vom Standpunkt des Rechts und der Rechtschaffenheit zu beurteilen, wenn man doch genau weiß, daß es ja das Wesen des Krieges (Machtpolitik) ist, Recht außer Kraft zu setzen?
Der edle Siegfried war allen Gegnern im Kampf überlegen - sofern er nach festen Regeln geführt wurde - konnte also nur durch Regelwidrigkeiten besiegt werden, und wer es sich zum Ziel gesetzt hatte, ihn und seine Überlegenheit auszuschalten, der mußte zu regelwidrigen Mitteln greifen.
Genau das aber hat Hagen getan, das haben in kritischen Situationen die Römer getan, die Briten, wenn sie ihre Kolonialvölker befriedeten, (right or wrong - my country), das tun die Angloamerikaner heute ohne Skrupel und das wird auch in Zukunft jede Großmacht tun, weil sie ihren Herrschaftsbereich ja fortlaufend abrunden muß.
Soll das etwa heißen, sich von Siegfried ab- und dem Hagen zuzuwenden? Meuchelmord, Lüge und Verrat zur Maxime zu erheben? Keineswegs, denn wir Deutschen können den Fachleuten auf diesem ihrem Spezialgebiet ja doch das Wasser nicht reichen, würden bei dem Versuch aber den einzigen Vorteil einbüßen, den wir ihnen gegenüber noch haben, indem wir uns selbst untreu und so werden wie sie, so daß wir dann keine Identität mehr haben, für die es sich zu kämpfen lohnt. Wir würden sozusagen "Schaden nehmen an unserer Seele".
Nicht um die Beweggründe des Hagen also, nicht um seine Seele, sollten wir uns Gedanken machen - mag sie doch derTeufel holen, je eher desto besser - sondern es gilt, zu erkennen, welches seine Möglichkeiten, auf seine Weise wirksam zu werden, denn eigentlich sind.
Wir müssen aufhören, ihn als Unperson zu betrachten, von der man sich voll Abscheu abwenden sollte, sondern als eine unveränderbare Gegebenheit, deren Niedertracht man sachlich analysieren, deren Listen und Tücken man auf ihre Wirksamkeit untersuchen muß. Als ein Reptil mit Giftzähnen, sozusagen, dem man ohne eigene Giftzähne begegnen muß!
Damit sollten wir allmählich anfangen, und zwar indem wir zuerst einmal aufhören, unsere politischen und militärischen Mißerfolge als Ergebnis eigener Tugenden und gegnerischer Schurkereien zu deuten; indem wir unsere der Niederlage zugrundeliegenden Schwächen immer streng von unseren Vorzügen fernhalten und sie für sich bekämpfen ; indem wir unsere Aufmerksamkeit nicht allein auf die unübersehbare Niedertracht des Siegers richten, sondern vor allem auf diejenigen seiner Eigenschaften, die es ihm ermöglichten, ein von ihm ins Auge gefaßtes Ziel gegen alle materiellen und ethischen Widerstände dann jedesmal auch zu erreichen.
Solch eine Selbstbesinnung würde allerdings Hand in Hand gehen mit der Revision unseres öffentlich-rechtlich propagierten Geschichtsbildes, was in der BRD aber mit polizeistaatlichen, vom Steuerzahler aufgebrachten Mitteln verhindert wird.
Also muß diese innere Umkehr vom Einzelnen bei sich oder aber in so kleinen Gruppen vollzogen werden, daß jede von ihnen das Frühwarnsystem der auf Siegerinteressen eingestimmten allgegenwärtigen Meinungskontrolle zu unterfliegen vermag.