JOSEF SCHUSSLBURNER / LIBERALEXTREMISMUS

Der gesamte Liberalismus hat einen Todfeind; einen unüberwindlichen Gegensatz, wie Gott und Teufel: dem Menschen steht der Unmensch… stets zur Seite (Max Stirner).[1]

Der Sonderweg Bundesrepublik, "the German way of democracy" (The Economist)[2], ist vor allem gekennzeichnet durch die Existenz von Behörden, die sich zunehmend, zumindest im "Kampf gegen rechts", als Ideologiekontrollinstanzen (Gedankenpolizei) verstehen und sich dabei einer Begrifflichkeit bedienen, die von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht abgedeckt ist.

Ein Blick ins Gesetz, bekanntlich der Rechtsfindung förderlich, etwa in das Bundesverfassungsschutzgesetz (BGBl. 1990 I S. 2 954), zeigt, daß den auf der Grundlage dieses Gesetzes handelnden Behörden nicht die Befugnis eingeräumt ist, den "Extremismus" zu analysieren[3] und diesen Begriff in ihrer Öffentlichkeitsarbeit (vulgo: Propaganda), welche tief in den Prozeß des demokratischen Parteienwettbewerbs und der freiheitlichen Meinungsbildung eingreift, daher nur unter Verletzung des für einen Rechtsstaat grundlegenden Gesetzmäßigkeitsprinzips verwenden können.

Mittlerweile ist der Begriff des "Extremismus", den die kluge FAZ wohl zur Vermeidung des Vorwurfs eines "Rechtsstaatsextremismus" nicht als rechtswidrig, sondern nur als "verkürzt" zu kritisieren[4] wagt, für die bundesdeutsche Sonderwegsentwicklung so kennzeichnend wie "Vergangenheitsbewältigung" und "Volksverhetzung". Will man unter diesen geistesgeschichtlichen Bedingungen Gefährdungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entgegentreten, wird einem (vorerst) nichts anderes übrig bleiben, als sich auf diesen herrschaftlich prädeterminierten Diskurs einzulassen, um bestimmten Tendenzen im politischen Dialog mit dem Vorwurf des Extremismus entgegenzutreten.

VORWÜRFE GEGEN SCIENTOLOGY

In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn der Verfasser jüngst die Auffassung vertreten hat[5], daß die größte Gefährdung der Verfassungsordnung von politischen Strömungen wie Verfassungspatriotismus[6], Antifaschismus und Europafanatismus[7] ausgeht, die sich insgesamt unter dem Begriff des "Liberalextremismus" subsumieren lassen. Zwischenzeitlich ist dieser Begriff auf dem Weg der Sache nach offiziös, ja offiziell anerkannt zu werden, auch wenn seine Verwendung noch krampfhaft vermieden wird und statt dessen "neuartige Formen des politischen Extremismus"[8] ausgemacht werden.

Ungeachtet der hier nicht interessierenden Frage, ob die entsprechenden Vorwürfe zutreffend sind[9], ist in der wenngleich zögerlichen Anerkennung der Kategorie des Liberalextremismus die Bedeutung des jüngsten Streits um Scientology begründet. Legt man die Broschüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, "Die Scientology-Organisation - Ziele, Praktiken und Gefahren" vom Januar 1996 zugrunde, dann lautet der relevante Extremismusvorwurf, daß die Scientology-Organisation keine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft sei, "sondern ein weltweit operierendes, hemmungslos auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen".[10] Als "menschenverachtend" wird es angesehen, daß diese Organisation zum Zwecke der Gewinnerzielung ihre Mitarbeiter ständig zu neuen Höchstleistungen antreiben wolle. "Die bekannten Arbeitsverträge machen deutlich, daß die Gewinnmaximierung zentrales und beherrschendes Ziel der scientologischen Ideologie ist."[11] Diesen zentralen Vorwurf kann man, bringt man ihn in die verfassungsschutzpatriotische Begrifflichkeit des "Extremismus", in der Tat nur als "liberalextremistisch" kennzeichnen, da Gewinnmaximierung bekanntlich das zentrale Kriterium und Steuerungselement einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung darstellt, die den wesentlichen ideologischen Kern des Liberalismus ausmacht.

Natürlich soll und kann damit nicht gesagt werden, daß der Liberalismus per se extremistisch sei, sondern es soll nur in Übereinstimmung mit regierungsamtlichen Erkenntnissen im anderen Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß auch Elemente des Liberalismus durch Übertreibung und mögliche (pseudo-)religiöse Pervertierung eine verfassungsfeindliche Tendenz annehmen können. Nimmt man nämlich den Extremismusbegriff, wie er bei gewöhnlichem Verstand nur gemeint sein kann, dann bedeutet er, daß ein an sich legitimes politisches Anliegen (das der "Mitte" zugerechnet wird), wie das Eintreten für eine marktwirtschaftliche Ordnung in äußerste (= extreme) Ansichten und Formen getrieben werden kann.[12] Warum sollte daher für die polit-ideologische Strömung des Liberalismus nicht gelten, was etwa für den Sozialismus schon längst offiziell anerkannt ist, nämlich daß sich eine ideologische Strömung politisch sowohl grundsätzlich, z. B. als "Sozialdemokratie" verfassungsgemäß[13] äußern, aber eben auch, z. B. in Form des Hitler-Sozialismus[14], grundlegende verfassungsrechtliche Prinzipien verfehlen kann.

Das Besondere am Phänomen des Liberalextremismus besteht jedoch darin, daß er wie keine andere Form des Extremismus in der bundesdeutschen Gesellschaft verankert ist, was wohl das lange Zögern der Regierungen erklärt, im Zusammenhang mit "Scientology" auf die richtige Begrifflichkeit zu kommen. Macht man sich die Mühe, nicht nur die regierungsamtliche Einschätzung, sondern die politischen Aussagen von Scientologen in deren eigenen Schriften[15] zu lesen, dann werden Thesen deutlich, die einem ganz offensichtlich bekannt vorkommen. Da wird etwa vor der Tendenz steigender Fremdenfeindlichkeit in Deutschland gewarnt, auf das Aufleben des "Neonazismus" wird hingewiesen, sowie darauf, daß deutsche Behörden "auf dem rechten Auge blind" seien. Richard v. Weizsäcker gilt als einer der "wenigen prominenten deutschen Politiker, die gegen die subtile Rückkehr zum Faschismus die Stimme" erhoben hätten.

Als weiterer Held von Scientology wird Simon Wiesenthal angeführt, der meinte, es käme darauf an, wieviele Leute mit Wohlwollen dasein werden, um den "Nazis oder Faschisten oder Radikal-Nationalisten oder Weiße-Vormachtstellungen" entgegenzutreten, wobei sich Scientology natürlich in die antifaschistische Schlachtordnung einreiht; denn "die Augen der Welt sind auf Deutschland gerichtet".

"Es liegt an uns, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und religiöse Diskriminierung zu beenden und die Menschenrechte in unserem Lande wiederherzustellen." Derartige Vorwürfe wurden dieser Organisation ebenfalls als extremistisch vorgeworfen[16], weil ja ein Idealstaat wie die Bundesrepublik nur von Extremisten kritisiert werden kann. Allerdings ist der Fehler der Scientologen insoweit nur dann zu sehen, daß sie die Bundesrepublik und damit deren politische Klasse und nicht das deutsche Volk kritisiert haben, da gegenüber diesem etwa der Vorwurf der "Fremdenfeindlichkeit" durchaus als verfassungskonform, ja als für die politische Mitte geradezu verpflichtend anzusehen ist.[17]

Also stellt sich Scientology als Extremismus aus der "Mitte der Gesellschaft" dar? Es fällt in der Tat auf, daß CDU und FDP, die selbsterklärten Vertreter der politischen Mitte, die Parteien darzustellen scheinen, welche für Scientologen offensichtlich attraktiv sind, da sich nur diesen Parteien und nicht etwa den Republikanern und der PDS das Problem stellte, Unvereinbarkeitsbeschlüsse zu treffen und Parteiausschlußverfahren durchzuführen.[18] Was läßt aber die Parteien der Mitte für den regierungsamtlich unterstellten Extremismus der Scientologen so attraktiv erscheinen?

Wenn der Extremismus von Scientology, wie zu lesen war, etwa auch darin besteht, daß sie sich an Ideen "des absoluten heldischen Übermenschen" orientiert[19], so ist damit wieder eine Pervertierung des liberalen Individualismus ins Extremistische angesprochen, die in den genannten Parteien nun wirklich vorkommt. Man denke nur an deren Eintreten für die sog. "multikulturelle Gesellschaft", wo unterstellt wird, der einzelne sei trotz der Kürze des menschlichen Daseins und der häufig doch sehr beschränkten (intellektuellen) Fähigkeiten bei unermeßlicher Gutheit in der Lage, allgemeiner Kulturvermittler zu sein. Da diese Annahme ganz offensichtlich falsch ist, aber trotzdem mit extremistischer Verbohrtheit nicht von diesem Projekt abgelassen wird, muß konsequenterweise den Deutschen mit "Volksverhetzung", "Vergangenheitsbewältigung", "Fremdenfeindlichkeit" der ideologische Kampf erklärt werden, damit durch Umwandlung des deutschen Volks, des Subjekts der Volksherrschaft in Deutschland, in eine "Gesellschaft" der Traum vom (undemokratischen) Weltstaat, den auch Scientology pflegen soll, verwirklicht werden kann.

Seine tödliche, zentral gegen die Menschenwürde gerichtete Konsequenz haben die gesellschaftlich verankterten individualistischen Selbstvergöttlichungen bisher in der Propagierung eines "Rechts" auf vorgeburtliche Kindstötung erfahren, welches - wie in Verfassungsgerichtsurteilen referiert[20] - mit Schwierigkeiten der (narzistischen) "Selbstdarstellung" begründet worden ist und auf der menschenverachtenden und voraufklärerischen, d. h. hinter das Preußische Allgemeine Landrecht zurückzuführenden Auffassung beruht, wonach der menschliche Fötus eine Art Blinddarm sei.

Selbstvergöttlichungstendenzen zeigt auch die offiziös propagierte deutsche Zivilreligion, welche dem deutschen Gutmenschen aufgibt, "historische Schuld" auf sich zu laden, womit er in die Position eines demokratischen Privatheilandes gedrängt wird. Daß dieser demokratische Selbsterlösungsansatz mit der Attitüde des über Leichen gehenden Herrenmenschen einhergehen kann, ergibt sich aus der Geringschätzung des Gutmenschen für deutsche Opfer etwa der Massenvertreibung, was sich gerade auf der Grundlage der Bewältigungslehre besonders ominös ausnimmt. Bekanntlich soll ja "bewältigt" werden, damit sich ein verdammenswerter Vorgang nicht wiederholt; bleibt daher die Vertreibung der Deutschen "unbewältigt", bedeutet dies, daß sich ein entsprechender Vorgang - da Deutsche als mit dem "Kainsmal" des Holocaust versehen konstitutionell "schuldig" sind - sehr wohl Wiederholen darf![21]

Diese zu unterstellende Annahme der Privatheilande wird durch das Versagen der deutschen Justiz abgestützt, gegen die für die (Durchführung der) Vertreibungsverbrechen verantwortlichen Personen, wie etwa den polnischen Juden Salomon Morel, Ermittlungen durchzuführen[22] und droht sich fortzusetzen in der strafrechtlichen Privilegierung antifaschistischer Kriminalität, welche dann bis zu Relativierung des Lebensrechts deutscher "Faschisten" gehen kann.[23]

Soll der Extremismus der Scientologen darin liegen, daß ihr Exklusivitätsanspruch zu einen ausgesprochenen Freund-Feind-Denken führe[24], dann hat dies seine Parallele in den bedenklichen sonderweglichen Denkstrukturen, die etwa in deutschen Verfassungsschutzberichten deutlich werden, welche auf einer im Grundgesetz nicht auffindbaren Unterscheidung zwischen sog. "Demokraten"[25] und anderen beruhen. Die Dialogunfähigkeit der "politischen Kultur" im Kampf gegen rechts besteht gerade darin, daß eine Auseinandersetzung - alles andere als menschenwürdekonform, d. h. die Meinung der Andersdenkenden achtend - allenfalls durch das Medium des Meinungs- und Gesinnungsstrafrechts, insbesondere mit der Volksverhetzungskeule erfolgt.

Diese reduktionistische Vorgehensweise der "in der Mitte" etablierten Verfassungsschutzpatrioten, die mit rechts = rechtsradikal = rechtsextrem operieren, findet sich gespiegelt im Vorwurf an Scientology, wonach "simple Techniken zur scheinbaren Problemlösung", "den Blick für die Vielseitigkeit des menschlichen Lebens" verstellen würden. "Beim Umgang mit Kritikern ist daher kein Platz für Dialog und sachliche Auseinandersetzung. Vielmehr muß der Kritiker verfolgt und bedroht werden…".[26] Diese Kritik an Scientology paßt gut zur Beschreibung des offiziellen wohl als liberaldemokratisch zu verstehenden Vorgehens gegen diese Organisation:

Daß in einer für Art und Weise des politischen Dialogs der Bundesrepublik kennzeichnenden Geisteshaltung Mitglieder dieser Organisation als "In-Sekten" bezeichnet werden, welche im biologistischen Sprachgebrauch (der bekanntlich auf eine gewisse Strömung zurückgeht) als "Geschwür" "auszumerzen" seien[27], ist allenfalls insofern bemerkenswert, als derartiges Vokabular nur bei "rechts" als "Volksverhetzung" geahndet und in VS-Berichten als kennzeichnend für "extremistisch" festgehalten wird, während für links und Mitte die Diffamierungslizenz der unbewältigten liberalen Besatzungszeit zu gelten scheint.[28] Letzteren wird derartiges Vokabular denn auch eher als Ausweis einer besonders militantdemokratischen Einstellung zugerechnet.

Bemerkenswert ist auch der Kommentar eines klugen Blattes, welches die Ministerin Nolte für die Politik der vollendeten Tatsachen lobt, weil sie ihre Aufklärungsbroschüre "schon vor ihrer Vorstellung breit verteilt" habe, so daß ein offenbar für möglich erachteter Prozeßerfolg für Scientology "dagegen den Warneffekt praktisch nicht mehr vereiteln kann".[29] Handelt so die Behörde eines Rechtsstaates? Ist es für einen Rechtsstaat kennzeichnend, daß er über ein Staatsunternehmen wie die Postbank aus ideologischen Gründen Konten kündigen läßt und bei einer im Interesse des Steuerzahlers vorzunehmenden Ausschreibung aus ideologischen oder strafrechtlich nicht belegten Verdachtsgründen die Abgabe billigerer Angebote nicht zuläßt?[30]

Hier sind Elemente des realpolitischen Systems der Bundesrepublik zum Vorschein gekommen, über die man ansonsten nur - durchaus straftechtlich riskante - Vermutungen anstellen kann und die zum Beispiel erklären, warum wirklich oppositionelle Presseorgane im Anzeigenmarkt keine Chance haben.[31] Zwischenzeitlich gibt es in der Tat die Aufforderung des Polit-Magazins "Panorama" (vom 12.9.1996), einen "rechten" Bauunternehmer, welcher der NPD Spenden macht und sich für die Amnestierung der wegen "Holocaustleugnung" Verurteilten einsetzt, von städtischen Bauausschreibungen, wenn schon nicht aus rechtlichen, dann aus "moralischen" Gründen auszuschließen (wobei mögliche Arbeitslosigkeit und Mehrausgaben an Steuergeldern nicht zu interessieren scheinen). Die "starke politische Dimension", die der baden-württembergische Innenminister Schäuble in der "Unterwanderung von Unternehmen" durch Scientology sieht[32], kann nur in der Befürchtung bestehen, daß die offenbar existierenden privatwirtschaftlichen Kontrollen gegen den "Extremismus" nicht mehr greifen könnten, falls es einer derartig eingestuften Organisation gelänge, sich selbst effektiv privatwirtschaftlich zu finanzieren. Die CDU-Verfassungsschützer offenbaren sich hierbei als Anhänger einer Variante der sog. Stamokaptheorie, an der demnach, wenngleich in anderer Form als von DKP und Jusos geglaubt, etwas dran sein muß.

IMMUNISIERUNG DER MITTE

Die nicht ganz verständliche Hysterie gegen Scientology, die an antijüdische Verschwörungstheorien gemahnt - betrachtet man etwa die Befürchtung, Scientologen könnten (mit wieviel Geld und Personen?) trotz gewerkschaftlicher Mitbestimmung die Wirtschaft unterwandern - kann nur aus dem Geiste der bundesdeutschen militant democracy begriffen werden, bei der die Extremismuskeule angesichts der mangelnden Problemlösungsfähigkeit, die an der katastrophalen Haushaltssituation abgelesen werden kann, sich gewissermaßen gegen sich selbst wendet.

Man beginnt zu ahnen, daß die wirkliche Gefahr für die Verfassungsordnung vom Phänomen des Liberalextremismus ausgeht[33], will aber, da man diesem selbst zu nahe steht, dieses Phänomen nicht wahrhaben und schlägt deshalb auf Verwandtes ein. Die intellektuelle Dürftigkeit der Keulenverwendung ergibt sich daraus, daß deutschen Politikern[34] und bewältigungsgläubigen Journalisten bei Problemen nur noch Verfassungsschutz einfällt, während in einem freien Land eigentlich die allerdings nicht regierungsamtlich auszusprechende Empfehlung angemessen wäre, zum Beichten, oder die Glaubensfreiheit respektierend, zum Psychoanalytiker zu gehen.

Es ist auch möglich, daß mit Scientology ein Versuch gemacht werden soll, den weitgehend in Form der Politik der vollendeten Tatsachen importierten religiösen Fundamentalismus als neuartigen Extremismus in den Griff zu bekommen[35], wobei man sich instinktiv Scientology ausgesucht hat, um den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit aus dem Weg zu gehen, welcher beim Vorgehen etwa gegen islamische Organisationen gemacht werden könnte (Amerikanisches wie Scientology gilt gewissermaßen als "inländisch"); sollte dies die Motivation des Vorgehens sein, dann wäre auch dies eine Offenbarung, weil damit deutlich wird, daß die "gegen rechts" verwendeten Parolen langsam auch die Mitte treffen, oder diese zur politischen Untätigkeit bzw. zum Ausweichen in letztlich irrelevante Nebenkriegsschauplätze verurteilen.

Sollten, wie behauptet, tatsächlich wirtschaftskriminelle Delikte der Scientology-Organisation zugeschrieben werden können, dann gibt es dafür Strafverfolgungsbehörden, die sich für derartige, in der Tat schwer aufklärbare Delikte mehr Zeit widmen könnten, müßten sich die Behörden nicht vorwiegend mit Volksverhetzung, damit verbundenen Pressebeschlagnahmungen und mit der Auslieferung alter Männer wegen über 50 Jahre zurückliegender Delikte beschäftigen, um eine angeblich unbewältigte Vergangenheit anstatt bedrängende Gegenwartskriminalität zu bewältigen. Das wirkliche Versagen der deutschen Justiz bei der "Bewältigung" liegt ohnehin anders gelagert, als offiziell verkündet.

Allerdings ist es mehr als wahrscheinlich, daß schon aus eigennützig-ideologischen Gründen im Falle von Scientology vernünftige Verfassungsschützer[36] und Journalisten, Religionsfreiheit und ihre Toleranz sich selbst und ihnen nahestehenden gegenüber zelebrierend sich durchsetzen und die Hysterie wieder abgeblasen wird, will man doch vermeiden, daß in der breiten Öffentlichkeit der Extremismus von Scientology, so er existiert, seine richtige Kennzeichnung erhält. Schließlich sind Scientologen, wie deren Schriften ergeben, wirklich nicht rechtsextremistisch[37], so daß man auf der Basis der auch im Interesse des Großen Bruders liegenden Toleranz um so überzeugender gegen rechts vorgehen kann, wozu auch Scientology mit ihren guten Verbindungen zur Schutzmacht sich einbringen wird können müssen.

Bekanntlich ist der Verfassungsfeind an sich rechtsextrem, weshalb linke Gewalttäter nur noch "autonom" (sic! d. h. sich von der Rechtsordnung selbstvergöttlichend emanzipierend) sind, so daß eigentlich bereits der Begriff linksextremistisch als ähnlich verfehlt eingestuft werden müßte, wie es wohl der Begriff liberalextremistisch schon von vornherein ist. Selbst wenn die politische Mitte, schon zur Selbstverortung vom allerdings im Zweifel für Bombenleger reservierten und nicht für Gedankentäter anwendbaren Begriff des Linksextremismus nicht wird abgehen wollen, Wird sie empört den Begriff des Liberalextremismus zurückweisen, da der Liberalismus, gerade weil er die Mitte verkörpert, nicht extremistisch sein kann, weil sonst ja keine "Mitte" vorläge. Der Begriff Liberalextremismus kann aus dieser Sicht daher nur bösartig und polemisch gemeint sein.

In der Tat riskiert man bei dieser Begriffsverwendung als Verfassungsfeind ausgemacht zu werden, denn ein Verwaltungsgericht hat den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit einer politischen Partei der Sache nach mittels ihrer Nähe oder Distanziertheit zum Liberalismus festzumachen versucht[38], obwohl das Wort liberal[39], anders als sozial und (früher) national im Grundgesetztext nirgends vorkommt.

Nun hat, wie nicht nur die Lektüre des Grundgesetzes, sondern auch der wohl noch maßgeblicheren Verfassungsschutzgesetze zeigt, weder der Begriff der Mitte noch der des Extremismus eine normative Qualität. Vielmehr wird rechtsirrig mit dieser politischen und politologischen (d. h. letztlich besatzungsideologischen) Begrifflichkeit operiert, um sich die im Rechtsstaat notwendige juristische Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale einer gegen die grundgesetzliche Ordnung gerichteten Haltung zu ersparen und damit gleichzeitig etablierten politischen Strömungen vor einer Überprüfung auf deren Verfassungskonformität zu immunisieren, da diese ja von vornherein feststeht.

Versucht man, sich auf die rechtsfremde politologische Begrifflichkeit einlassend, den Begriff des Extremismus juristisch operabel zu machen und ihn dabei wieder ansatzweise in das normative Gerüst der demokratie-theoretisch an sich schon bedenklichen Verfassungsschutzgesetze zurückzuführen, dann muß man sich vielleicht die Frage stellen, ob es eine Diktatur der politischen Mitte, die man im Zweifel als liberal wird einstufen müssen, gegeben hat. Dabei müßte es sich um mehr als eine kurzfristige Notstandsdiktatur handeln, sondern es müßte zumindest die extremistische Absicht vorliegen, durch diktatorische Maßnahmen so etwas wie irreversible Bedingungen zu schaffen, die vielleicht einmal wieder die Abkehr von der Diktatur rechtfertigen, ähnlich wie ja selbst die marxistische Diktatur theoretisch nur als Übergangserscheinung konzipiert war (wenngleich sie, da auf Unmögliches, nämlich extrem Liberales wie die Abschaffung des Staates gerichtet, sich selbst notwendigerweise perpetuiert hat).

Kann die Frage nach der Existenz einer in diesem Sinne liberalen Diktatur als Gegenbegriff zur Demokratie bejaht werden, wird wohl nichts dagegen sprechen, den Begriff des Liberalextremismus als legitime politologische und für deutsche Verfassungsschutzberichte verwendbare präterlegale Kategorie zu verwenden.

Ein gewisses Problem besteht darin, daß sich bei der Diktaturanalyse die Immunisierungsstrategie zugunsten der politischen Mitte und damit im Zweifel zugunsten des Liberalismus fortsetzt. Es wird dann im konkreten Fall mit der Prämisse gearbeitet, daß eine Diktatur der politischen Mitte von vornherein nicht möglich sei, so daß entweder nur eine Links- oder Rechtsdiktatur als Ausprägung des entsprechenden Extremismus vorliegen könne. Allenfalls religiösen, d. h. fundamentalistischen oder neuartigen Extremismus wird man etwa bei außereuropäischen Herrschaftssystemen zugestehen.

Als erstes Beispiel sei jedoch etwa die Diktatur von Ferdinand Marcos auf den Philippinen angeführt, welche sich schon selbst dadurch als Diktatur der Mitte eingestuft hat, als die Ausrufung derselben mit der (angeblichen) Staatsgefährdung durch sowohl linke als auch rechte politische Kräfte gerechtfertigt wurde.[40] Objektiv lag auch deshalb eine Diktatur der Mitte vor, weil die Diktatur aus einem nach US-Vorbild konstruierten Herrschaftssystem hervorging und dabei von einem Präsidenten ausgerufen wurde, der zweimal im Rahmen dieses Regierungssystems als Kandidat einer Mittepartei demokratisch gewählt worden war.

Man hat diese Diktatur als "Kleptokratie" beschrieben, da ihr wesentlicher Zweck darin zu bestehen schien, den weiteren Marcos-Clan bei der Vermögensbildung behilflich zu sein, womit eine extremistische Anwendung eines zentralen Motivs des Liberalismus gegeben wäre, also genau das, was deutsche Verfassungsschützer der Scientology vorwerfen, nämlich gewinnorientiert zu sein.[41] Hält man jedoch eine Diktatur der Mitte schon definitionsgemäß nicht für möglich, muß man die Marcosdiktatur wohl als Rechtsdiktatur beschreiben, die aufgrund eines Rechtsrucks der Mitte erfolgt sein könnte, wobei dann allerdings noch immer aufklärungsbedürftig bleibt, unter welchen Bedingungen damit zu rechnen ist, daß die Mitte rechtsextrem wird (eine interessante Aufgabe für den deutschen Verfassungschutz - Dienstreise zu den Philippinen eingeschlossen).

Allerdings müßte man bei offener Begrifflichkeit, die auf die Selbstimmunisierungsstrategie der politischen Mitte Deutschlands keine Rücksicht nimmt, zahlreiche Diktaturen, die als rechts eingeordnet worden sind, eher als liberalextremistisch beschreiben. Zu nennen ist dabei etwa die Diktatur von General Pinochet in Chile, deren wesentlicher ideologischer Zweck die Einführung einer konsequent kapitalistischen Wirtschaftsordnung war, und dabei von sog. Chicagoboys, den Schülern des Ökonomen Milton Friedman beraten wurde. Die Errichtung der Diktatur war schließlich nur möglich gewesen, aufgrund des Hilferufs der linksgerichteten christdemokratischen Mittisten, welche mit ihrer Kongreßmehrheit die Armee zum Handeln aufriefen, da sie sich anders des marxistischen Verfassungsumsturzes nicht mehr zu erwehren wußten. Diese Diktatur wurde jedoch in der Folgezeit parteipolitisch von der politischen Rechten abgestützt, so daß offen bleiben muß, ob eher eine Rechts- oder mehr eine Mittediktatur vorlag.

Eine gewisse Parallele hat die Pinochet-Diktatur in der amerikanischen Besatzungsherrschaft in Deutschland, zumindest als diese zu den Wirtschaftsreformen - Einführung einer neuen Währung, Marktwirtschaft etc. - überging, dabei aber die klassische Aufgabe des deutschen Obrigkeitsstaates übernehmend, den demokratischen Kräften eine vernünftige Wirtschafts- und Haushaltspolitik abzunötigen.[42] Dieses diktatorisch-interventionistische Element der amerikanischen Besatzung kann sicherlich nicht als rechts beschrieben werden, sondern muß wohl unter Mitte, d. h. Liberalismus abgebucht werden.

LIBERALISMUS - TOTALITÄR UND DIKTATORISCH

Mit dem erwähnten Chile ist man auf einem (Halb-)Kontinent angelangt, dessen Geschichte und Gegenwart man allerdings ohne den Begriff des Liberalextremismus kaum begreifen kann und dessen politische und ideologische Problematik man genau dann verfehlt, wenn man Diktaturen als "rechts" oder "rechtsextrem" einstuft, für die "liberalextremistisch" die adäquate Kennzeichnung (gewesen) wäre. Zu behandeln ist Lateinamerika, für das insbesondere im 19. Jahrhundert, aber durchaus noch in diesem Jahrhundert Diktaturen kennzeichnend waren, die sich selbst dem liberalen Anliegen verpflichtet fühlten. Zusammenfassend heißt es bei einem Lateinamerikaexperten im Falle Honduras, daß die beherrschende Figur des Landes General Francisco Morazán darstellte, "der es verstand, die im nationalen Großbürgertum aufkeimenden Ideen des Liberalismus für seine eigenen diktatorischen Machtansprüche zu nutzen", "eine Kombination, die in ganz Lateinamerika üblich wurde".[43]

Wenn die Kombination von liberaler Ideologie und diktatorischer Praxis jedoch von diesem Verfasser darauf zurückgeführt wird, daß es in Lateinamerika keine der französischen vergleichbare bürgerliche Revolution gegeben habe, dann ist diese auf liberalem Revolutionsromantizismus beruhende Einschätzung, die zudem ein rein manipulatives Verhalten der lateinamerikanischen Politiker gegenüber dem Liberalismus unterstellt, schon deshalb verfehlt, weil gerade die glorreiche Französische Revolution gezeigt hat, daß der Liberalismus unter bestimmten Bedingungen zum terreur übergehen muß. Ja man muß grundsätzlicher feststellen, daß der moderne Totalitarismus aus dem französischen Revolutionsliberalismus hervorgegangen ist und sich erstmals im terreur des Menschenrechtsregimes manifestiert hat.

Totalitarismus entsteht dann, wenn den Werten der Aufklärung, d. h. letztlich dem Liberalismus zu perfektionistisch nachgekommen werden soll[44], wobei mit den Gegnern dieses Perfektionismus, den Feinden der Freiheit alles andere als spaßig umgegangen wird; denn Liberalismus steht für das Menschliche, die Menschheit, womit der Gegner automatisch zum Menschheitsfeind, zum Un-Menschen erklärt wurde, dem im Zweifel kein Menschen-Recht zustehen konnte. Die Gefahr des Liberalextremismus war in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts noch so stark, daß Stirner davon schreiben konnte, man befände sich jetzt (1844) in einer Situation, wo "Mensch und Unmensch streng geschieden als Feinde gegeneinander stehen «.[45]

Die Revolution von 1848 ist nicht zuletzt an der Furcht vordem Liberalextremismus gescheitert, anders als heutigen Beschönigern war damals der Horror der Französischen Revolution und des daraus hervorgegangenen verwüstenden französischen Imperialismus noch gegenwärtig. Der Liberalismus mußte erst durch die Reaktionsphase und durch seine Einbindung in das aristotelische Verfassungssystem der konstitutionellen Monarchie gezähmt werden und konnte in diesem Rahmen insbesondere als Nationalliberalismus jene Position der aristotelischen Mitte[46] erreichen, von der er noch heute seinen guten Ruf ableitet.

Der gute Ruf des Liberalismus in der Bundesrepublik wurde schließlich auch dadurch erreicht, daß man sich der Schriften führender deutscher Liberaler, wie von Max Weber nur sehr selektiv erinnerte[47], und auch noch heute nicht wahrhaben will, daß er liberale Reformen, wie etwa die Parlamentarisierung des Kaiserreiches deshalb anstrebte, damit Deutschland sich im erwarteten kriegerischen Ringen mit anderen liberalen Imperialmächten besser behaupten könne. Im Gegensatz dazu muß ja die Bewältigungslehre unterstellen, es hätte gar keinen Weltkrieg gegeben, wenn eine Parlamentarisierung Deutschlands eher stattgefunden hätte, weil "Demokratien" (war das zaristische Rußland und selbst Großbritannien der damaligen Zeit wirklich eine?) nie gegeneinander Krieg führen würden.

Sollte, wie bewältigungspolltisch unterstellt wird, Deutschland die (Haupt-)Schuld am Ausbruch des 1. Weltkrieges, in der Tat die wirkliche Jahrhundertkatastrophe treffen, dann wäre diese, gewissermaßen intern, bei weitem weniger den sog. obrigkeitlichen Elementen des Kaiserreichs zuzuordnen, sondern liberalen Strömungen[48], wie sie von Max Weber vertreten wurden, die in Übereinstimmung mit anglosächsischem Liberalismus der damaligen Zeit davon ausgingen, daß sich wie ein erfolgreiches Unternehmen auch ein erfolgreicher Staat ausdehnen müsse, wobei in der Fähigkeit zur Expansion gerade der erfolgreiche Charakter eines politischen Systems demonstriert werden könnte. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Völker bedürften des (machtpolitisch zu verstehenden) Wettbewerbs, so daß im Interesse der Menschheit die bessere Rasse (von engl. "race" = Wettlauf) als "Herrenrasse" (Max Weber) den Sieg davon trägt. Der deutsche Imperialismus/Kolonialismus, der natürlich anders als der britische, am Ausbruch des Weltkrieges auch schuld sein soll, war daher im wesentlichen eine Erscheinungsform des Liberalismus und mitnichten des "Obrigkeitsstaates", was sich ja noch aus Art. 6 Nr. 2 der liberalen Weimarer Reichsverfassung entnehmen läßt, welcher dem Reich die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über "das Kolonialwesen" eingeräumt hat. Der deutsche Liberalismus hatte schon in der Zeit vor der Reichseinigung auf den allgemeinen europäischen Krieg zur Erreichung seiner revolutionären Ziele gesetzt und mußte sich daher Preußen als dem militärisch mächtigsten deutschen Staat annähern, was zur Zähmung des Liberalismus führte. Wenn Bismarck davon sprach, daß große Fragen "durch Eisen und Blut" entschieden würden, dann kam damit nicht obrigkeitliches Denken zum Ausdruck, sondern stellte ein versöhnlich gedachtes Aufgreifen eines liberalen Arguments dar.[49]

Insgesamt ist jedoch festzustellen, daß der domestizierte Liberalismus Europas seine extremistischen Anstöße an andere, letztlich aus ihm hervorgegangene Ideologien abgab, wobei an prominentester Stelle der marxistische Sozialismus zu nennen ist, der mit dem bolschewistischen Staatsstreich ("Revolution") von 1917 in Rußland den extremistischen Faden von 1789 wieder aufgreifen sollte.

Anders stellte sich die Situation auf dem lateinamerikanischen Halbkontinent dar, wo sich der Liberalismus nicht genötigt sah, sich in die traditionelle politische Überlieferung (West-)Europas einordnen und mit den Elementen des Ancien Regimes einen Kompromiß eingehen zu müssen. Im Unterschied zu den USA, deren Verfassung von 1787 sich in eine Tradition einordnete, welche bis zu den Sektentheokratien Neuenglands des 16. Jahrhunderts zurückreicht, machte der lateinamerikanische Liberalismus mit der Unabhängigkeit von der spanischen Monarchie tabula rasa[50] und verkündete die "Stunde Null": Die Nation sollte (anders als in den USA) per Gesetzesdekret und nicht als Ergebnis eines längeren Prozesses entstehen. Lateinamerika stand mit Beginn der Unabhängigkeit im Zeichen eines künstlichen Verfassungspatriotismus. Dieser mußte schon in den Person des "Befreiers" Simon Bolivar Abstriche von den die USA formell imitierenden liberalen Positionen machen.[51] Der Vorkämpfer des Liberalismus und der Unabhängigkeit als Voraussetzung der Freiheit mußte Diktator werden, womit der politische Fehlschlag Südamerikas[52], welcher insbesondere im Vergleich mit dem monarchisch-konstitutionell regierten Europa deutlich wird, eingeleitet war.

Wie dies wohl für den Verfassungspatriotismus kennzeichnend ist, ging er mit erheblichen Mißtrauen, ja Haß gegen die einheimische Bevölkerung einher, wobei das einheimische Element für Entstehen und Notwendigkeit der Diktatur verantwortlich gemacht wurde. Die Liberalen waren daher Anhänger der Masseneinwanderung von Europäern, da mit der "germanischen Rasse" langfristig die Freiheit gesichert werden könnte. Um Anreize für die Einwanderung zu geben, sollten durch autoritäre Maßnahmen Recht und Ordnung, d. h. Eigentum und Ehre der Einwanderer geschützt und damit gleichzeitig die kapitalistische Ordnung gewährleistet werden.

Der Liberalismus in seiner lateinamerikanisch extremistischen Variante kann daher als verfassungspatriotisch, immigrationistisch und inländerfeindlich beschrieben werden.

Dem (damals mit germanischen Rassenmerkmalen versehenen) Einwanderer als dem verfassungspatriotischen "Menschen" stand der rückständige, diktaturbedürftige Inländer, der (liberale) Unmensch gegenüber, welcher im Aufkommen des mit liberalen Doktrinen durchaus verschmelzbaren Rassismus[53] Züge des Untermenschen annahm. Die einheimischen Bewohner Amerikas, "Indianer" genannt, waren die Hauptopfer der Unabhängigkeit[54] und des amerikanischen Liberalismus. Die Unabhängigkeit bedeutete den Wegfall des sozialen, rechtlichen und machtpolitischen Schutzes, den die europäischen Monarchien für die Indianer darstellten. Allerdings wurden die Indianer mehr durch den US-Liberalismus, denn in Lateinamerika ausgerottet. Nach US-Präsident Andrew Jackson war dieser Vorgang mit "wahrer Menschenliebe" (Philanthropie) durchaus vereinbar, da das Erlöschen einer Generation eben Raum schaffe für die andere.[55]

Und letztlich sind wir ja alle Menschen, die durch - vor allem für Einwanderer geltende - Menschenwürde ersetzt werden, zumal es in dem von Liberalen erkennbaren Weltenplan lag, daß "die in Verfall geratenen Rasse" zum Wohle der Menschheit "durch eine edlere und stärkere Rasse ersetzt werden" müßten; so die Bemerkung von Beveridge[56], dem Vater des US-amerikanischen Progressismus (Liberalextremismus), welche etwa an die vom deutschen Liberalen Max Weber geäußerten Auffassung vom Kampf ums Daseins, der es den Deutschen möglich machen sollte, die "Last einer großen Nation" zu tragen, erinnert.

Die lateinamerikanische Variante des Liberalismus ging in den sog. Positivismus über[57], der sich an den Lehren Comtes ausrichtete und unter Aufnahme konservativer Elemente zur eigentlichen Staatsdoktrin Südamerikas von den 80er Jahren des vorigen bis in die 30erjahre dieses Jahrhunderts wurde. Die lateinamerikanischen Positivisten waren Liberale, aber gegen die anarchistischen Zustände, die ihrer Ansicht nach durch die freiheitlichen Verfassungen der Unabhängigkeit begünstigt worden wären. Sie sahen sich in der Tradition des Liberalismus, wollten jedoch Freiheit mit Ordnung verbinden. Übertragen: Sie wollten so etwas wie die Weimarer Reichsverfassung durch so etwas wie das Grundgesetz ersetzen, welches ja in antifaschistischer Gesinnung des Übergangscharakters entkleidet tatsächlich noch in Anlehnung an die Herrschaftsform des liberalextremistischen Positivismus ausgelegt und praktiziert werden könnte. Die Positivisten Lateinamerikas gingen in der Regel davon aus, daß in Anbetracht der sozialen und kulturellen Situation ihrer Länder die Diktatur am ehesten geeignet sei, den liberalen Endzustand herbeizuführen. In Venezuela wurde ein demokratischer Cäsarismus, d. h. eine Entwicklungsdiktatur im Interesse des Allgemeinwohls propagiert. Das Buch von Laureano Vallenilla Lanz, Cesarismo democratico, das der langdauernden liberalextremistischen Diktatur von Juan Vicente Gomez (1908-1935) die ideologische Grundlage lieferte, ist auf Anweisung Mussolinis unter größten Ehren ins Italienische übersetzt worden. Da die liberalen Endvorstellungen verpflichteten Positivisten glaubten, einem (sozial-)wissenschaftlichen Programm zu folgen, nannten sie sich "cientificos". Dieser Ideologiekomplex erhielt in Brasilien ein metaphysisches Element. "Der Positivismus wuchs sich zu einer Form des Glaubens an die 'science' aus"[58], der als "cientifismo" bezeichnet wurde, was sich im Amerikanischen ziemlich exakt mit Scientology wiedergeben läßt. 1897 wurde in Rio de Janeiro von einer positivistischen Sekte eine eigene Kirche gegründet, die einen "Tempel der Humanität" einweihte. Hiermit bestätigt sich, daß die Kennzeichnung der Scientology als liberalextremistisch auch historisch fundiert ist, selbst wenn sich kein Anhänger dieser Gruppierung der eigenen geistesgeschichtlichen Voraussetzungen seiner Lehre/Leere[59] bewußt sein sollte.

Seine vollendste, da bisher stabilste Form hat die liberalextremistische Herrschaftsform in Mexiko erfahren.[60] Das 1917 dort errichtete Regime leitet sich vom Liberalismus der Herrschaft Benito Juarez (Mussolini erhielt dessen Vornamen, der auf Italienisch Benedetto hieße) ab, welcher in den letzten Jahren seiner Herrschaft (1867-1871) eine "aufklärerische Despotie" errichtet hatte. Dieser wurde fortgeführt von der Diktatur Porfiro Diaz (1877-1880,1884-1911), unter dem die "eigentlichen Positivisten", welche bereits vom liberalen Biologismus Spencers beeinflußt waren, als "Wissenschaftler" die Macht ausübten. Diese gingen davon aus, daß Mexiko noch nicht den Entwicklungszustand erreicht habe, der die Freiheit, der sich die "Wissenschaftler" verpflichtet fühlten, zulasse.

Nach einem horrenden Bürgerkrieg ("Revolution") der liberalextremistischen Fraktionen wurde dann das heutige Regime errichtet, welches im wesentlichen formal das US-Regierungssystem adaptiert, aber in der Praxis die Diktatur eines informellen Zirkels darstellt, wobei jedoch, soweit es die Umstände des Machterhalts erlauben, der Demokratie formal weitgehend Rechnung getragen werden soll. Deshalb gewinnt die Staatspartei der "Institutionalisierten Revolution" nicht die absurd-totalitären 99 % der Stimmen, sondern die völlig ausreichenden ca. 70 %, und man ist an der Existenz durchaus genuiner linker und rechter Opposition - es handelt sich also um ein mittistisches Regime - interessiert. Hauptinstrument der informellen Herrschaft ist das angenommene Recht des auf sechs Jahre gewählten Präsidenten zur privatwirtschaftlichen Nötigung, die deshalb effektiv ist, weil ultima ratio derselben der politische Mord ("Autounfall") darstellt. Mit den so erworbenen Mitteln kann zu gefährlich werdende Opposition und ihre Presse bei Bedarf aufgekauft werden, sofern andere Mittel sich nicht als ausreichend darstellen.

Entsprechend dem inhaltlos gewordenen Liberalismus sind die Ideologien nihilistisch zur bloßen Funktion der politischen Propaganda degeneriert, so daß sich in der liberalextremistischen Staatspartei die in Hakenkreuzen ausgedrückte Sympathie für den deutschen Nationalsozialismus mit Antirassismus verschmelzen läßt. Dieser Antirassismus als nunmehr eigentliche Ideologie stellt eine bemerkenswerte Metamorphose des immigrationistischen Rassismus des Liberalismus der ersten Unabhängigkeitszeit dar; denn unter dem Vorzeichen des Antirassismus soll nunmehr, dem ursprünglichen Ansatz des Rassismus nicht unähnlich, eine "kosmische Rasse" entstehen, die ihre Geburt in Lateinamenka erfährt und sich im längerfristigen weltgeschichtlichen Prozeß für weltpolitische Aufgaben qualifiziert, für die sie als Abkömmlinge menschheitlicher Menschen besonders legitimiert wäre.

Daß der Liberalismus in Lateinamerika die Tendenzen, welche in Europa auf andere politische Strömungen übergingen, mit einer gewissen inneren Schlüssigkeit selbst zur Entfaltung brachte, ergibt der Sonderfall Argentinien[61], wo der Liberalismus nicht in den Positivismus überging, sondern ein verwandter Sozialismus an dessen Stelle trat[62]. Auch dieser war immigrationistisch orientiert, da es nach José Ingenieros, dem führenden sozialistischen Intentellektuellen Lateinamerikas um die Jahrhundertwende, aufgrund der durch Einwanderung erfolgenden "Substitution" der rückschrittlichen Rassen Amerikas durch die höherwertige weiße Rasse möglich sein würde, durch natürliche und biologische Evolution den Übergang zum Sozialismus zu schaffen. Der argentinische Sozialismus stellt sich daher als positivistisch/ szientistische, d. h. liberalextreinistische Synthese von Spencerschen Biologismus und Marxscher Klassentheorie dar.[63]

Ähnliche Vorstellungen wurden in Nicaragua direkt in den Liberalismus aufgenommen. Die Ideologie der Somozas, die von 1936-1979 mit Hilfe der Liberalen Partei (und der USA) ihre Diktatur ausübten[64], kann als liberalextremistischer Kollektivismus beschrieben werden.[65] Diese Version des Liberalismus wurde 1935 von Horacio Espinoza präsentiert, wonach der Liberalismus, der Ökonomischen und rechtlichen Individualismus hervorhebe, im Zeitalter des Kollektivismus abgelöst werden müsse durch einen Liberalismus des Volkes und seiner Rechte. Nur so könne der Liberalismus seine führende Position behaupten. Somoza fand den hierzu notwendigen, mit dem Kapitalismus vereinbaren Staatssozialismus zunächst in Hitlers neuem Deutschland und im Italien Mussolinis verwirklicht, entschied sich dann aber für Roosevelts New Deal als Modell einer liberalextremistischen, weil im Falle Nicaraguas und anderer lateinamerikanischer Staaten mit Diktatur einhergehenden liberalen Ordnung.

LIBERALEXTREMISMUS IN DER BUNDESREPUBLIK

Während die lateinamerikanischen Staaten in jüngster Zeit verzweifelt versuchen, dem liberalextremistischen Autoritarismus weitgehend (noch) künstlicher Völker zu entkommen und zu einem demokratischen, d. h. genuinen Nationalismus zu gelangen[66], teilweise allerdings unter dem Konzept der "kosmischen Rasse" des jeweiligen Landes, um endlich auf der Grundlage einer wenigstens kulturellen Homogenität die politökonomischen Voraussetzungen für einen über die multikulturelle Armutsverteilung hinausführenden Wohlstand zu schaffen, versucht man in der Bundesrepublik den umgekehrten Weg zu gehen. Da hierfür keine objektive Notwendigkeit besteht, kann man die entsprechenden Projekte nur als verbohrt und fanatisch bezeichnen.

Der zumindest virulente, wenn nicht gar fest etablierte Liberalextremismus beruht auf der stillschweigenden Annahme, daß der Deutsche aufgrund seiner bewältigungsbedürftigen Tradition und wohl auch Abstammung wenig demokratiefähig sei, so daß er nicht mehr wie noch bei Hitler zum Zwecke der Sozialismusfähigkeit "aufzunorden"[67], sondern zum Zwecke der Liberalismusfähigkeit eher "aufzusüdeln" sei. Letzteres soll paradoxerweise durch Einwanderung aus Ländern erreicht werden, deren Tradition sich wohl auch nicht als besonders demokratiekonform ausgewiesen hat. Es könnte allerdings sein, daß der Türkei und den Türken die lange positivistische, d. h. liberalextremistische Herrschaftsordnung des Kemalismus - Atatürks Lieblingslektüre stellten die Schriften Comtes dar - zugute gehalten wird, deren Wesen in der Tat darin besteht, die Türken mit diktatorischen Mitteln zu verwestlichen, um sie damit langfristig für die liberale Demokratie reif zu machen.

Zu den Instrumenten der kemalistischen Herrschaftsordnung gehört allerdings die Befugnis des Militärs, wertewidrige Fehlentwicklungen des demokratischen Prozesses zu korrigieren, so daß die Infusion der türkischen politischen Kultur vielleicht doch geeignet wäre, der deutschen militant democracy noch handfestere Züge zu verleihen.

Letztlich soll allerdings der aus der "Stunde Null" hervor gegangene "Bundesrepublikaner", welcher doch immer noch als Deutscher erkennbar ist, als solcher überhaupt abgeschafft werden und durch einen artifiziellen "Europäer" ersetzt werden. Als auf der tabula rasa einer "Stunde Null" zu konstruierende Europäer sind (Ein-)Wanderer, wie Zigeuner, ohnehin geeigneter als die Deutschen, so daß jene bereits vom Verfassungspatrioten und Separatisten Güter Grass[68] als echte Europäer eingestuft werden. Diese und andere echten Europäer sollen die Deutschen schließlich verdrängen, wie sich aus der Frage an den Babyloniker Cohn-Bendit ergibt[69], wonach er doch klarmachen müßte, daß "Deutschland den Deutschen" bereits so absurd sei, wie "Amerika den Indianern". Schon der Liberalextremist Theodore N. Kaufman hatte dieses Schicksal der (nordamerikanischen) Indianer vor Augen, als er meinte, die Umsetzung seiner Sterilisierungsvorschläge und das dadurch bewirkte allmähliche Verschwinden der Deutschen aus Europa würde auf diesem Kontinent keine negativere Wirkung haben als das allmähliche Verschwinden der Indianer in (Nord-)Amerika.

Den intelligenteren "Multikulturalisten" (Liberalextremisten) ist dabei klar, wie hoch die Kosten eines entsprechenden Gesellschaftstypus sind, die man schon daran ersehen kann, daß Vielvölkerstaaten eher zur Armut verurteilt sind.[70] Stellt man daher die Frage, warum dann eine Politik der Unterentwicklung = "Lateinamerikanisierung" Deutschlands betrieben wird, dann können Liberalextremisten, ihre verfassungsfeindliche Gesinnung offenbarend, nur rechtsnihilistisch auf vollendete Tatsachen und auf eine angebliche sozialreligiös sanktionierte geschichtliche Entwicklung verweisen[71], die -von wem auch immer vorherbestimmt (vielleicht vom Scientologen-Tetan?) - für demokratische Entscheidungen keinen Raum mehr zu lassen scheint.

In seiner Stoßrichtung ist daher der Liberalextremismus auf eine Delegitimierung der nationalstaatlichen Demokratie ausgerichtet, welche er denn auch in den Herrschaftstypus einer menschheitlich bestimmten Soziokratie überführen will. Da den Liberalextremisten klar ist, daß sie für diese demokratiefeindliche Haltung keine Unterstützung bei der großen Mehrheit der Deutschen haben, wird allerdings noch nicht die liberalextremistische Diktatur etwa im Sinne des türkischen Kemalismus ausgerufen, vielmehr scheint die Überlegung Walter Ulbrichts maßgebend zu sein, wonach alles demokratisch aussehen müsse.

Dazu wird die besondere Form der militant democracy gebraucht, bei der der Deutsche an sich Verfassungsfeind zu sein scheint.[72] Und für den "Verfassungsfeind" gilt bekanntlich der liberalextremistische Grundsatz der glorreichen Französischen Revolution: "Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit." Der Deutsche soll nur dann etwas zu sagen haben, wenn er im zivilreligiösen Akt der Bewältigung Schuld auf sich geladen hat und sich damit von seinem Deutschsein selbstvergöttlichend erlöst. In der liberalextremistisch fehlverstandenen, weil deutschfeindlich interpretierten Menschenwürde kommt dann der (heilandsmäßige) Mensch wieder zum Vorschein, dem der Logik der Werteordnung entsprechend der Un-Mensch/Unter-Mensch, die Nazibestie zur Seite tritt, als der sich der (unbewältigte) Deutsche darstellt. Die Angehörigen anderen Völker, demokratienotwendig als Ausländer abstrahierend zusammengefaßt, werden dabei in den Status des eigentlichen Menschen mit Menschenwürde erhoben.

Den Deutschen wird dagegen durch § 130 StGB bescheinigt, daß sie insgesamt ein verhetzbares/aufhetzbares Volk seien (Volksverhetzung), das bereit ist, gegen die menschenwürdeberechtigten "Teile der Bevölkerung" vorzugehen. Letztere sollen in der die Demokratie ablösenden Soziokratie als echte/bessere/eigentliche "Europäer" die politische Macht ausüben. Deshalb wird den Deutschen im liberalextremistisch dominierten Parteifernsehen bedeutet, daß sie eigentlich Ausländer, d. h. mit ungesichertem Aufenthaltsstatus in Deutschland seien, während den "Menschen" aufgrund der ihnen kraft Menschenwürde zustehenden Doppelstaatsangehörigkeit[73] die "Bundesrepublik" zur Verfügung steht. Parolen wie "Ausländer bleiben, Faschisten (d. h. Deutsche) vertreiben!" sind denn auch, anders als die sicherlich verfassungskonformere umgekehrte Parole, erlaubt.

CHANCEN DES LIBERALEXTREMISMUS

Man muß befürchten, daß die Chancen für die Verwirklichung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen des Liberalextremismus ganz gut stehen, weil es sich hierbei um einen Ideologiekomplex handelt, der mehr oder weniger stark im beschriebenen Sinne ausgeprägt, in fast allen wesentlichen Gruppierungen der bundesdeutschen Gesellschaft verbreitet ist.

Woher aber kommt die Veranlagung dieser Gesellschaft für einen derartigen Extremismus? Dies liegt, übersetzt in die offiziöse Sprachregelung, an der mangelhaften Vergangenheitsbewältigung (VB). Der offizielle VB-Betrieb[74] besteht darin, nach dem Vermächtnis der alliierten Besatzungsherrschaft, einer als liberalextremistisch zu kennzeichnenden Diktatur, den sog. Rechtsextremismus zu bewältigen, worunter bereits die normale und legitime, auch demokratienotwendige Selbstbehauptung des deutschen Volkes, des Subjekts der Volksherrschaft in Deutschland verstanden wird, welche jedoch den Interessen der Siegermächte entgegengerichtet sein könnte.

Diese VB ist in ihrer Absicht, die Deutschen irreversibel einzubinden, demokratiefeindlich, sie ist zudem verlogen und damit wohl schon extremistisch, weil die Hitlersche Ideologie, deren Geist offensichtlich über allen Wassern schwebt, bei weitem mehr linke als recht Züge aufweist.[75] Bedeutsamer ist jedoch, daß Hitler, der sich nie als rechts eingeordnet hat, in seinem Bestreben, sich selbst extremistisch jenseits von links und rechts zu verorten[76], notwendigerweise als Extremist der Mitte in Erscheinung tritt.

Diesen mittistischen Extremismus muß man sich etwa wie folgt vorstellen: Während Mitte normalerweise in etwa um die Schnittstellen oszilliert, an der sich die Ideenprismen der unterschiedlichen politischen Strömungen überlagern und "extrem" mehr oder weniger weit außerhalb dieser Schnittstellen angesiedelt ist, legt sich der mittistische Extremismus um die extremistischen Spitzen der jeweiligen (nicht notwendigerweise aller) Ideenstränge als alternative Mitte. Hätte sich Hitler, wie etwa sein vorübergehender Bewunderer Somoza, als so etwas wie ein (kollektivistischer) Liberaler eingestuft, könnte die Einordnung als Extremist der Mitte wohl nicht in Abrede gestellt werden.

Das Rooseveltsche "New Deal" hatte auch in den USA eine immanente Umwertung des Begriffs des Liberalismus zur Folge, was dazu führt, daß noch heute in den USA die sozialdemokratischen Parteien Europas dem amerikanischen Fernsehpublikum als the liberals verständlich gemacht werden. Wenn in Abgrenzung dazu die Kommunisten als linksextrem eingeordnet werden, müßte man folgerichtig Formen des extremistischen nicht- oder antikommunistischen Sozialismus als liberalextremistisch einordnen.

In der Tat scheint die größte ideologische Affinität von Hitlers Auffassungen mit lateinamerikanischen Formen des Liberalextremismus zu bestehen, genauer - da auch begrifflich besser übereinstimmend - mit der dem positivistischen Liberalextremismus verwandten Form des biologistischen Sozialismus Argentiniens! Dieser unterschied sich von Hitlers Ideologie lediglich dadurch, daß er trotz rassistischen Entwicklungsbiologismus am Ökonomistischen Marxismus festhielt, den Hitler als solchen überwunden hatte.

Aufgrund der parteipolitisch-ideologischen Entwicklung Europas verbot sich vor dem 2. Weltkrieg ein derartiger Bedeutungswandel des Liberalismus wie er etwa im Somozismus und sogar bei Roosevelt seinen Ausdruck fand. Daß diesem Bedeutungswandel jedoch ein Bedürfnis von Liberalen entsprach, also doch Ausdruck einer möglichen Entwicklung auch des europäischen Liberalismus darstellte, ergibt sich daraus, daß zumindest arithmetisch betrachtet, Hitler in der Zeit zwischen 1924 und 1933, neben den wohl in der Mitte der Gesellschaft angesiedelten Nicht-Wählern die Stimmen für die liberalen Parteien zuwuchsen. Während nämlich KPD, SPD und Zentrum (incl. BVP) beim Vergleich der Wahlresultate von 1924 mit den von 1933 etwa die gleiche prozentuale Stimmenzahl aufwiesen, waren die liberalen Parteien, wie die linksliberale DDP von 5,7 auf 0,9 und die rechtsliberale DVP von 9,2 auf 1,1 % gesunken, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß auch die etwa zur Hälfte als rechtsliberal einzustufende DNVP von 19,5 auf 8 % der Stimmen zurückging, wobei im letzteren Falle vieles dafür spricht, daß der konservative Teil bei seiner Partei blieb, während der liberale Teil zur NS DAP abwanderte. Mit der letztlich von liberalen Mächten erzwungenen und durch Verfassungsbruch (Revolution) herbeigeführten Weimarer Republik, in deren Rahmen Hitler zur Macht kam, hat Deutschland "verspätet" die lateinamerikanische Entwicklung nachgeholt, welche darin besteht, den Liberalismus sich ohne Einbettung in die Tradition des Ancien Regimes (wie es im vorbildlichen Großbritannien selbst heute noch gegeben ist), zur Entfaltung bringen zu lassen. Dabei sollte sich die Warnung eines konservativen Abgeordneten des Paulskirchenparlaments bewahrheiten, welcher sich der möglichen Folgen des Liberalextremismus bewußt, die Einführung einer deutschen Republik als Unglück betrachtete, "das uns in unabsehbaren Wirrwarr stürzte und uns zuletzt einem Despoten überlieferte, wobei wir uns noch glücklich schätzen müßten, wenn er nur ein deutscher Napoleon wäre"[77]. (Hitler war daher der SPD immer dankbar, daß sie ihm durch den Sturz der Monarchien den Weg frei gemacht hatte.)

Als alternative Mitte ist die extremistische Mitte in der Lage, auf ihre Weise den Anliegen der ursprünglichen Mitte Rechnung zu tragen, kann aber bei Bedarf wieder in die eigentliche Mitte transformiert werden. Dieser Mechanismus stellt wohl die Erklärung dafür dar, daß es nach 1945 so einfach war, die NSDAP-Anhänger und Wähler auf SPD, FDP und CDU aufzuteilen. Der frühere Pressesprecher Goebbels', Werner Naumann, den die britische Besatzungsdiktatur 1953 verhaftete, um die FDP vor innerparteilicher Demokratie zu schützen[78], erklärte diesen Transformationsprozeß wie folgt: "Die NSDAP war ein Sammelbecken der verschiedenartigsten Kräfte… überzeugte Sozialisten, unternehmungsfreudige Kapitäne der Wirtschaft und Künstler von ausgeprägter individualistischer Art, Vertreter des Liberalismus und Anhänger von kollektivistischen Anschauungen wurden von ihr durch eine starke Führung zusammengehalten… Beim Untergang der Führung im Jahr 1945 zerriß deshalb auch das alle zusammenhaltende Band."[79]

Die Tatsache, daß der totalitäre Impuls, der sich spätestens 1933 in Deutschland etabliert hatte, noch immer nicht gebrochen ist, erklärt sich aus den (nicht bewältigten) liberalextremistischen Zügen der Hitlerdiktatur. Damit soll diese nicht auf jene Züge zurückgeführt werden, vielmehr ist eindeutig, daß sich die negativsten Züge des Hitlerregimes, wie der auf den französischen Frühsozialismus zurückgehende Antisemitismus auf den linksextremistischen Charakter zurückführen lassen[80], während das Hitlerregime sich gerade dort am angenehmsten etwa von kommunistischen Diktaturen unterschied, wo es als rechts eingestuft werden kann.[81]

Die (auch) vom Liberalismus übernommenen und ins Extremistische fortgeführten Elemente des Hitlerregimes - man vergleiche die Aussagen Max Webers - stellen sich im nachhinein, d. h. mit Blick auf die Bundesrepublik allerdings als entscheidend dar, da sie den (West-)Deutschen den wohl doch zu nahtlosen Übergang von Hitlerdiktatur zur liberalextremistischen Besatzungsherrschaft und militant democracy ermöglicht haben. So konnte etwa ohne große Probleme die rassenideologisch bedingte Westidolatrie Hitlers in die normativ-kollektivistische Lehre von der westlichen Wertegemeinschaft transformiert werden. Betrachtet man die 11beralextremistische Metamorphose Lateinamerikas vom immigrationistischen Rassismus zum Konzept der "kosmischen Rasse", dann wird deutlich, daß sich der Transformationsprozeß der Hitlerschen Ideologie noch weiter treiben läßt, wobei "multikulturell" nur ein Zwischenschritt zu einem "Rassismus der höheren Art" darstellte, welcher als "umgekehrter Rassismus" als in der Deutschen Frage moralisch alternativlos bereits linksgrün verkündet wurde.[82] Diesen "umgekehrten Rassismus" schreibt gerade unter den Bedingungen einer multirassischen Einwanderung die Bewältigungsdoktrin verfassungspatriotisch fest, weil die Bewältigungslast erkennbar nicht den Ausländern, sondern bei deren Einbürgerung nur denjenigen Deutschen obliegen kann, welche sich entsprechend Hitlerscher Kategorisierung als - wohl in Zukunft nicht nur "moralisch", sondern auch rechtlich ("affirmative actions") zu diskriminierende - "Arier" darstellen. Im Extremfall werden diese bereits jetzt zum (gegenseitigen) Abschießen freigegeben.

Hitler, der sich die Ausdehnung des arischen Fortschrittes nach Osteuropa durch die Deutschen noch als Vorgang vorgestellt hatte, für den die Ausdehnung der USA in die Indianergebiete Vorbild hätte sein sollen[83] - sein (germanisch-arischer) Emigrationismus ist die Kehrseite des liberalextremistischen Immigrationismus (Latein-)Amerikas - konnte ja nicht mehr mitbekommen, daß seine anglosächsischen Brüder die Idee, daß Fortschritt und democracy durch die Vorherrschaft: der anglosächsisch-arischen Rasse mittels Kolonialherrschaft und Verdrängung weniger demokratiefähiger Völker zu bewerkstelligen sei, in die Idee internationaler Organisationen mutiert hatten, welche von den demokratischen Anglosachsen dominiert würden. Dagegen war es für die Deutschen auf dieser Grundlage ziemlich leicht, Einbindungsbereitschaft zu entwickeln.

In gewisser Weise erfüllte die "Einbindung" die Funktion des Obrigkeitsstaates": So wie dieser den Liberalextremismus von 1848 zähmte, so zähmten und transformierten jene den mittistischen Extremismus des Hitlerregimes. Entscheidend war für den letztgenannten Transformationsprozeß das aus dem inhaltlos gewordenen Liberalismus hervorgehende nihilistische Mitläufertum, das mit einem Kult gegenüber einer siegreichen Bewegung oder Macht einhergeht. So verwundert deshalb nicht, daß einer der wenigen 1933 übriggebliebenen Liberalen, welcher dem sog. Ermächtigungsgesetzt zugestimmt hatte, sich zum ersten Bundespräsidenten qualifizieren konnte. Letztlich erklärt das ins "Demokratische" mutierte liberale Mitläufertum die erstaunliche Interessenharmonie, die sich ziemlich schnell zwischen der westdeutschen Bevölkerung und den diktatorisch intervenierenden liberalen Besatzungsmächten ergab. Bei diesem, in vielem durchaus ideologisch konsequenten Übergang von Hitler- zur Besatzungsherrschaft konnte natürlich der totalitäre Impuls nicht entschieden gebrochen werden. Wie stark dieser totalitäre Impetus noch virulent ist, kann man daran erkennen, daß nunmehr der Beginn von Vertreibung und Besetzung mit wohl 5 Mio. nicht kriegsbedingten deutschen Opfern als Befreiung angesehen werden muß, wobei in der liberalextremistischer Herrenmenschenattitüde des "umgekehrten Rassismus" deutsche Opfer nicht interessieren, da sie ja zugunsten der höheren, weil militärisch siegreichen Werteordnung erbracht worden sind.

Der verfassungsfeindliche Charakter dieser Einstellung ergibt sich neben der Unvereinbarkeit mit dem Prinzip der Menschenwürde auch daraus, als Art. 139 GG deutlich macht, daß Befreiung nicht die Freiheit meint, welche am Ende des Grundgesetzes stehen soll, sondern eine von Dritten unter Bedingungen und Auflagen mit Widerrufsvorbehalt eingeräumte Freiheit eines Lizenzierungssystems. Das Befreiungsrecht, dem Art. 139 GG noch Vorrang vor Rechtsstaat und Demokratie geben mußte, ist zu Recht als Recht des kalten Bürgerkriegs gekennzeichnet worden, das erlaubte, weite Teile des deutschen Volks als Feind zu ächten.[84] Dementsprechend wollen Liberalextremisten im Zweifel das deutsche Volk an sich ächten, sofern es sich noch demokratiekonform als Subjekt und nicht als Objekt der Außenpolitik geriert.

Wie weit unter das politische Niveau z. B. der Inder die deutschen Befreiungsfanatiker gefallen sind, ergibt sich daraus, daß sich die Inder genau zu der Zeit die Unabhängigkeit von einer der Mächte erkämpften, als diese als Besatzungsmacht in Deutschland noch diktatorische Machtbefugnisse wahrnahm. Wären die Liberalextremisten konsequent, müßten sie - durchaus in Übereinstimmung mit Hitler[85] - die Unabhängigkeit der Inder von den "Befreiern" bedauern, oder dürften ihr nur unter der Bedingung zustimmen, daß durch die verfassungsrechtliche Verankerung von ideologiepolitischen Vereins- und Parteiverboten, Grundrechtsaberkennungsverfahren und Etablierung von Verfassungsschutzbehörden zur Ideologiekontrolle dafür gesorgt würde, daß kein "Nationalismus" entsteht, der sich gegen die Interessen der "Befreiungsmacht" richten könnte.[86]

Gerade das deutsche Befreiungssyndrom, das mit einem vollständigen Mangel an Sensibilität gegenüber deutschen Opfern einhergeht, hält den totalitären Impetus am Leben, welcher sich als Liberalextremismus gänzlich unsanktioniert bemerkbar machen kann. Selbst Proteste der liberalen Vormacht USA, etwa gegen die Strangulierung der Meinungsfreiheit durch Volksverhetzung und gegen antisektiererische Hysterie[87] scheinen nicht zu beeindrucken, was folgende totalitäre Logik des deutschen Liberalextremismus ergibt:

Da die USA, der Westen, Freiheit bedeutet, ist der Freiheit gedient, wenn eine pro-westliche Politik im Zweifel mit (quasi-)diktatorischen Mitteln im Inneren einzelner Staaten der Wertegemeinschaft durchgesetzt wird; d. h. ist nur die allgemein-abstrakte Freiheit, d. h. im Zweifel das Interesse der USA gesichert, dann darf es im einzelnen schon einmal weniger freiheitlich zugehen! Der nationalsozialistische, von VS-Behörden als völkisch eingestufte Kollektivismus: "Du bist nichts, Dein Volk ist alles", wird transformiert in die universalistische Vorstellung: "Du (insbesondere als Deutscher) bist nichts, die Menschheit ist alles!"[88] Um der Menschheit, dem Fortschritt, der Freiheit zu dienen, d. h. im Interesse der Macht, die in der Lage ist, die Definition über diese Begriffe auszuüben, zu handeln, darf die konkrete Freiheit schon einmal etwas zurücktreten. Bei dieser letztlich von einem Machtkult determinierten politischen Mentalität würde das Grundgesetz keine Freiheitsgarantie mehr darstellen. Die deutschen Verfassungsschützer ahnen, daß der Geltungsgrund des Grundgesetzes, das Rechtsbewußtsein der "Bevölkerung", völlig liberalismuskonform in der fragwürdigen Gleichsetzung: Wohlstand = Grundgesetz besteht. Sollte diese Diagnose zutreffend sein, wäre die Bundesrepublik das gefährdetste Staatswesen (West-)Europas, da in keinem anderen Staat in derart liberalextremistischem Reduktionismus die Legitimität der Verfassung als Funktion des Wohlstandes angesehen wird. Man muß dann damit rechnen, daß funktional zum Grad einer größeren Wirtschaftskrise das ohnehin nur als transitorisch gedachte Grundgesetz genauso zur Disposition gestellt wird wie seine Vorgängerverfassungen. Jedoch scheint man zu hoffen, daß der Notstandsfall durch "Einbindung" eingefangen wird (weshalb wohl die NATO noch immer nicht aufgelöst wird).

Die Verformung des lateinamerikanischen Liberalismus ins evolutionär-kollektivistische ist auch aus der außenpolitischen Konstellation zu erklären, daß sich auf den Liberalismus stützende Regimes den Interessen der USA, dem offenen oder heimlichen Vorbild verpflichtet sahen und im Interesse der freien Welt dazu bereit wäre, diktatorisch die Macht auszuüben. Aufgrund der Selbstimmunisierungsstrategie des Liberalismus und der politischen Mitte, werden diese Diktaturen als rechts - wo entgegen der Etymologie alles Böse angesiedelt sein soll - eingestuft, während häufig die sachadäquate Bezeichnung liberalextremistisch lauten müßte, zumal sich eine Reihe dieser Diktaturen, wie etwa die Somozas, selbst als liberal verstanden.

Selbst dort, wo die Interessen des freien Westens, anders als zuletzt in Algerien, nicht zur Ausrufung einer (liberalextremistischen) Diktatur führten, wurde der demokratische Prozeß zugunsten der USA erheblich deformiert. Besonders deutlich ist dies etwa im Falle Kolumbiens[89], wo sich Liberale und Konservative blockparteilich die Macht sicherten, indem abwechselnd nur ein Liberaler oder ein Konservativer Präsident werden konnte. Dieses das Volk extrem mediatisierende Parteienkartell ging dann eine Interessenkoalition mit der Drogenmafia ein, welche nun das politische Hauptproblem nach dem Übergang in eine normale Form der Demokratie darstellt. Wenn nunmehr alle 25 Minuten ein Mord geschieht, ist das Leben langsam wirklich nichts mehr wert ("la vida no vale nada")[90]. Die Indienstnahme krimineller Subkulturen, wie etwa der von der amerikanischen Befreiungsmacht in Italien wieder zu Einfluß gebrachten Mafia[91] könnte sich, bei Aufrechterhaltung einer formal-demokratischen Fassade, als zukunftsträchtige Ausgestaltung der universal-liberalen Herrschaftsordnung darstellen, welche in lateinamerikanischen Herrschaftformen der "Privatisierung" politischer Verfolgung ihre Konkretisierung erfahren hat.

Werden nämlich alle Menschen überzeugte Anhänger des Liberalismus, wird sich Politik (wieder) weitgehend auf Ökonomische Verteilungskämpfe reduzieren, deren extremistische Erscheinung dann notwendigerweise in wirtschaftskriminellen Formen des (außen-)politischen Machtkampfes läge. Während die liberalextremistische Diktatur dann die Form einer offenen Kleptokratie, etwa im Sinne der Herrschaft von Ferdinand Marcos auf den von der amerikanischen Kultur und vom spanischen Liberalismus tief geprägten Philippinen annehmen würde, wären extremistische Übergangsformen z. B. dadurch gekennzeichnet, daß Parteien- und Wahlkampffinanzierung etwa wie in Kolumbien zugunsten der regierenden Liberalen Partei zur Geldwäsche illegaler Geschäfte benutzt würden, wobei mit diesen Spenden (faktische) Immunität vor Strafverfolgung erkauft werden könnte.[92] Politische Verfolgung als solche müßte es dabei nicht geben, weil diese durch private Kommandos (etwa den ehemaligen "Autonomen") betrieben würde, deren Taten leider nicht aufgeklärt werden könnten.

Die Endstufe einer derartigen liberalextremistischen Entwicklung wäre die Ablösung Öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen durch privatrechtliche Formen, wie etwa die Verpfändung des Wahlrechts, eine Entwicklung, die dadurch begünstigt wird, daß in einer "Menschheitsdemokratie" die einzelne Wahlstimme so unbedeutend wird, daß man sie wirklich am besten verkaufen sollte. Im Ergebnis würde man dadurch zur feudalistischen Gesellschaftsordnung zurückkehren. Nur wäre dieser Feudalisierungsprozeß von einem kriminellen, d. h. liberalextremistischen Nihilismus geprägt. In dieser Form dürfte er am ehesten in den Staaten in Erscheinung treten, die den Weg von der Gemeinschaftlichkeit des Volks, in der das Rechtsbewußtsein und damit die Normativität der Normen verankert ist, zur "Gesellschaft" zurückgelegt haben, bzw. denen es wie den meisten lateinamerikanischen Staaten nicht gelungen ist, die Gesellschaftlichkeit in die normativ-demokratische Qualität des Volks zu überführen. So sollte nicht verwundern, daß organisierter krimineller Sexkonsum mit polit-kriminellen Verwicklungen sich in Europa jüngst gerade in dem Staat zeigten, der eben doch nicht aus einem Volk besteht, aber als Sitz europäischer Institutionen einen gewissen Vorbildcharakter für europäische Entwicklungen beanspruchen kann.

Aus dem liberalen Dilemma lateinamerikanischer Konstellation, die Freiheit gewaltsam verbreitend eine Diktatur errichten oder zumindest absegnen zu müssen, erklären sich auch die Entstehungsvoraussetzungen der Bundesrepublik Deutschland, welche auf die liberalextremistische, schließlich aufgrund der außenpolitischen Konstellation konservativ gemäßigte Besatzungsherrschaft zurückgeht, unter der die (West-)Deutschen bei Verletzung ihrer demokratischen Verfassung, der Weimarer Reichsverfassung, die noch heute rechtsnihilistisch beseite geschoben ist, zur Freiheit gezwungen wurden (forced to be free); daß dieser Prozeß gerade im Zeitalter der Entkolonisierung nicht als besonders bedrückend empfunden wurde, kann nur mit den liberalextremistischen Zügen der Hitlerzeit erklärt werden, an die anknüpfend den Deutschen ein harmonisches Auskommen mit der demokratischen Besatzungsherrschaft möglich war.

Die Deutschen fühlten sich dabei so wohl, daß es bis 1968 gedauert hat, die potentielle Diktaturgewalt der Alliierten, welche andererseits durch ihre Bedingung diese Notstandsverfassung erzwangen, durch Grundgesetzänderung abzulösen.[93] Die Deutschen willigten in eine Verteidigungsdoktrin ein, welche ihnen im Zweifel als erste zugunsten der westlichen Wertegemeinschaft die totale Vernichtung garantiert hätte.

Entfernt erinnert dies an den kambodschanischen Liberalextremisten General Lon Nol, im Interesse der USA, d. h. der Freiheit, sein schwaches Land in den Krieg zu führen, den die USA für sich beenden wollten. Dazu war es erforderlich, mit parlamentarischer Absicherung zunächst eine Diktatur zu errichten, welche ganz offensichtlich, da gegen ein traditionelles Regime gerichtet, nicht als "rechts" eingestuft werden konnte, auch wenn dies die übliche Einstufung war, welche deutsche Bewältigungsjournalisten vornahmen. Die USA überließen jedoch Kambodscha dem Horror der 68er, die sich unter Pol Pot vorübergehend gar als Bündnispartner der westlichen Wertegemeinschaft qualifizieren konnten.[94]

So wünschenswert es daher erscheinen mag, daß die USA freiheitsbedrohende Tendenzen der BRD zensierend in Schranken weisen, der totalitäre Impetus kann nur von den Deutschen selbst zum Verschwinden gebracht werden. Dazu gilt es, die Besatzungsherrschaft "eine Tyrannei, gemildert durch Massenungehorsam" mit einer viel größeren Anzahl an Bücherverboten als in der Nazizeit[95], zu bewältigen.

Die mangelnde Bewältigung der westlichen liberalen Militärherrschaft und die dadurch mögliche Transformation totalitärer Impulse des Hitlerregimes stellt die Grundlage des Liberalextremismus dar, welcher derzeit die Hauptgefahr für die Verfassungsordnung der Bundesrepublik darstellt.

Zum Schutze der Grundprinzipien der Verfassungsordnung ist es erforderlich, der demokratischen Kategorie des Deutschen Volkes wieder den angemessenen grundlegenden Rang (Wert) einzuräumen. Damit wird auch dem Prinzip der Menschenwürde Rechnung getragen; denn nur ein die Menschheit gegen den konkreten Menschen ausspielender Liberalextremist wie der SPD-Landtagsabgeordnete Weimer ist in der Lage, folgenden Ausspruch über ein anderes Landtagsmitglied, das wohl einer un-menschlichen Partei angehört, zu machen: "Wieso Kollege? Das ist doch kein Mensch!"[96]

Anmerkungen

  1. "Der Einzige und sein Eigentum": hier zitiert von Hanno Kesting "Öffentlichkeit und Propaganda", 1995, S. 68, Fn. 250.
  2. vom 29. April 1995, S. 36.
  3. insofern geht die Klage der JF gegen NRW nicht weit genug, da es nicht darum gehen sollte, daß man zu Unrecht als rechtsextremistisch eingestuft wird, sondern daß die Bezeichnung völlig irrelevant ist; desgleichen sollte es nicht darum gehen, daß man zu Unrecht beschuldigt worden sei, für ein Großdeutsches Reich einzutreten, sondern daß dieser Vorwurf völlig irrelevant ist, da im Zeitalter der europäischen Einigung wohl niemand etwas gegen die Geltungserstreckung des Grundgesetzes nach Österreich analog der DDR wird haben wollen.
  4. vom 13.8.1996, S. 2; die FAZ irrt, wenn sie meint, nur die politische Diskussion "verkürze" (was unschädlich wäre), sondern entscheidend ist, daß Behörden und gar Strafgerichte "verkürzen"; rechts sein war bisher nur zur Zeit der "Antirechtskampagne" in der Volksrepublik China strafbar.
  5. s. "Demokratie oder Soziokratie", in: Staatsbriefe 5-6/1996, S. 37 ff., insbs. S. 43 f.
  6. zum Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit verfassungspatriotischer Strömungen, s. "Die deutsche Freiheit erdrosselt vom Verfassungspatriotismus", in: Staatsbriefe 8-9/1995, S. 21 ff.
  7. s. "Europa als Reichsersatzideologie", in: Staatsbriefe 7/96, S. 23 ff.
  8. s. FAZ vom 16.1.1996, "Kniola: Scientology Gefahr für Demokratie"; aufgrund der Ermittlungen des VS-Experten Jaschke.
  9. Bewertet wird hier die Kritik an dieser Organisation, weniger diese selbst.
  10. So das eigenhändige Vorwort von Frau Ministerin, S. 3 der Broschüre.
  11. ebenda, S. 9.
  12. was zum Vorwurf führt: "Ethisch ist, was Scientology nützt", s. Die Welt vom 15.1.1996, was nur eine Radikalisierung des herrschenden Utilitarismus (ökonomistischen Reduktionismus) bedeutet, auf den etwa die Europaideologie lange Zeit begründet war, s. (7)., S. 23.
  13. Trotz der zahlreichen verdienstvollen Personen, die in dieser Partei tätig sind, möchte der Verfasser insgesamt ihr, der er selbst einmal angehört hatte, keinen Blankoscheck in diesem Sinne ausstellen.
  14. Zur Einordnung des deutschen Nationalsozialismus, s. den Aufsatz des Verfassers: "Der Nationalsozialismus als Abart des Sozialismus ", in: Deutsche Annalen 1996, S. 171-216.
  15. Zitiert wird aus der Ausgabe des Heftes "Freiheit" mit "Psychiatrie" als Titelthema, welche mit einer Auflage von 1 Mio. zu Werbungszwecken kostenlos verteilt wurde und daher als repräsentativ gelten kann.
  16. s . Nolte "Scientology beleidigt NS-Opfer", in: Die Welt vom 15. 8.1996, u. a. als Reaktion auf die Beschwerden dieser Organisation an internationale Menschenrechtsorganisationen zu verstehen, was als "Kampagne" beschrieben wird; seit der Radikalenentscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs ist das Nervenkostüm dünn geworden; man erkennt, daß der befürwortete Universalismus der Menschenrechte den bundesdeutschen Sonderweg einebnet und auch etwas kostet, nämlich z. B. 222 639,- DM "Entschädigung für (ein) Berufsverbot", s. FAZ 3. 9.1996, S. 4.
  17. z. B. wird deshalb derzeit krampfhaft versucht, der Schrift Goldhagens eine seriöse Reputation zu verschaffen.
  18. Seit 1991 gibt es in der CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluß, s. "Umgang mit Scientology", FAZ vom 8. 8. 96; dagegen scheint nach Auskunft des Scientologenblattes, s. (15), S. 19, ein FDP-Parteigericht einen entsprechenden Parteiausschluß mißbilligt zu haben; s. auch Stern Nr. 39/96 S. 162. Gegen Scientologen als Parteimitglieder sind CDU und FDP machtlos; hilft deshalb nur VS-Überwachung dieser Parteien?
  19. s. (8) ibid.
  20. BVerfGE 88, 203, insbs. S. 248; zur aufkommenden Euthanasiedebatte s. "Tödliche Selbstbestimmung", in FAZ vom 10. 8. 96, S. 1.
  21. s. dazu den Aufsatz des Verfassers "Staatsangehörigkeit und Einwanderungsproblematik angesichts der unbewältigten Vertreibungsverbrechen an Deutschen", Veröffentlichungen der Gesellschaft für Freie Publizistik, XI, 1995, S. 59 ff.
  22. s. dazu die Leserbriefe in der FAZ vom 15. 8.1996, "Seit fünfzig Jahren immer dasselbe" und "Nur Nazi-Deutsche strafbar".
  23. s. dazu den Aufsatz des Verfassers "Verfassungsumsturz mit der Volksverhetzungskeule", in: Staatsbriefe 12/95, über das Strafverfahren wegen des Verdachts der Ermordung Kaindls.
  24. s. (10), S. 17 f.
  25. Eine Definition findet sich in Art. 6 Abs. 2 DDR-Verfassung von 1949, wonach ein demokratischer Politiker jemand sein muß, gegen den man (ermordend) "hetzt", falls man als Nichtdemokrat ausgemacht ist.
  26. s. (10), S. 18.
  27. s . dazu den Kommentar von Rainer Zitelmann, "Umgang mit Scientology", in: Die Welt vom 15. 8.1996, S. 2.
  28. Das OVG Münster hat Minister Blüm erlaubt, Scientology als verbrecherische Geldwäscheorganisation zu bezeichnen, da der Herr Bundesminister nicht Geldwäsche i. S. des Strafgesetzbuches gemeint habe, s. FAZ vom 5. 6.1996.
  29. s. FAZ vom 11. 1. 1996; danach ist die Organisation gefährlich, weil sie "rabiat und virtuos die Möglichkeiten des Rechtsstaates ausgenutzt hat"; also Prozeßerfolg Beleg für Extremismus? Bei "Rechtsradikalismus" = im Recht verwurzelt, wohl allemal.
  30. So ganz stolz Bayerns Verfassungs(schutz)minister Beckstein: "Bayern nimmt den Kampf auf", in: FAZ vom 15. 8.1996, allerdings - die FAZ distanziert sich - unter "Fremde Federn". Die verfassungspatriotischen "Grünen" sind zwar gegen VS-Überwachung, aber dafür, daß Scientology von der Vergabe Öffentlicher Aufträge ausgeschlossen wird, JF 3 8/96, S.4.
  31. s. (6), S. 26 ff. unter "Verfassungspatriotische Herrschaftsstrukturen"
  32. s. FAZ vom 4.9.1996, "Verfassungsschutz wird Scientology beobachten".
  33. bezeichnend ist, wenn ein einschlägiger Artikel der Zeit vom 23. 8. 1996, S. 1 wie folgt abschließt: "Die Grenzen des inhaltsleeren (!) Besitzindividualismus werden jedenfalls immer deutlicher."
  34. s. FAZ vom 8. 8.96, "Der Umgang mit Scientology, CDU-Innenpolitiker: Verfassungsschutz soll sie beobachten."
  35. Bezeichnend insoweit die Überschrift des einschlägigen FAZ-Kommentars "Die Anziehungskraft des Fremdartigen" vom 14. 8.1996, S. 1.
  36. s. den FAZ-Beitrag der Ex-Bundesjustizministerin Leutheuser-Schnarrenbergervom 5. 9.1996, S. 14, dessen Scheinheiligkeit bei der Verteidigung der Scientologen in der Überschrift: "Scientology und Populismus" zum Ausdruck kommt, womit sie sich von einem Eintreten etwa für die "anders denkenden" Reps dispensiert; denn Republikaner ist rechter Populismus (= richtige Volksbezogenheit), den man nicht unterstützen kann; im übrigen verkennt die diffamierende Formel Populismus, daß nach Umfragen eine erhebliche Mehrheit des deutschen Volks die Institution des Verfassungsschutzes abzulehnen beginnt.
  37. Der FAZ ist es allerdings gelungen (s. Ausgabe vom 3. 9. 96, S. 33), in den Schriften des Scientologygründers L. Ron Hubbard doch etwas in diesem Sinne zu entdecken, da dieser Hitler als Marionette feindlicher, ungeschoren davon gekommener Mächte ausgemacht hat, welche 12 Mio. Deutsche abgeschlachtet hätten; außerdem scheint sich Hubbard gegen die Abtreibung ausgesprochen zu haben.
  38. s. dazu Klaus Kunze "Die Verfassungsschutzprozesse und ihre politische Funktion für den Parteienstaat", in: Deutsche Annalen 1994, S. 77 ff., insbs. S. 103 "Liberalismus als Staatsdoktrin?"
  39. Allerdings kommt "freiheitlich-demokratisch" vor, eine Kombination, der eher die FPÖ, denn die FDP entspricht.
  40. s. Rüdiger Siebert"3 mal Philippinen", 1989, S. 206.
  41. s. WaS vom 14. 1. 1996; Gutachten: "Scientology ist gewinnorientiert" (und damit, sofern politisch, extremistisch!).
  42. Die Tendenz zur säkularen Staatsverschuldung ist in Deutschland eindeutig auf die Abschaffung der konstitutionellen Monarchie zurückzuführen, s. etwa Blankart "Öffentliche Finanzen in der Demokratie", 1991, S. 169 f.; man muß einräumen, daß keine so erfolgreiche Wirtschaftspolitik möglich gewesen wäre, wäre (West-)Deutschland schon 1948 "souverän gewesen.
  43. s. Leo Gabriel "Aufstand der Kulturen, Konfliktregion Zentralamerika", dtv 1988, S. 17; Hervorhebungen hinzugefügt.
  44. J. L. Talmon, "The Origins of Totalitarian Democracy ", 1985, S. 249.
  45. s. (1) ibid.; Stirner war wohl der erste, welcher die diskriminierende Wirkung, die die humanitären Logik innewohnt, aufgedeckt hat.
  46. Dazu Aristoteles "Politik", Reclam Ausgabe 1989, S. 224 ff; Die Mitte als Richtlinie der besten Staatsverfassung; im Sinne von Aristoteles dürfte von allen deutschen Verfassungen die Bismarcksche Reichsverfassung dem Ideal der Mitte entsprochen haben; in der Tat ist es kaum denkbar, daß Hitler bei ihrer Geltung eine Chance gehabt hätte; äußerstenfalls wäre ein deutscher Faschismus möglich gewesen, was Deutschland viel erspart hätte.
  47. Es erstaunt das Erstaunen der FAZ vom 12. 10. 1994, "Die Last einer großen Nation - Max Weber als Nationalist und Rassentheoretiker."
  48. Es darf nicht vergessen werden, daß für die Sozialdemokratie der Krieg die Lösung aus einem grundlegenden ideologischen Dilemma bot; er stellte die ersehnte Weltrevolution dar, die sich sonst nicht mehr einstellen wollte; s. daher die Schrift von MdR Paul Lensch, "Drei Jahre Weltrevolution", 1917. Sieferle: "Die Konservative Revolution", 1995, S. 45 ff., ordnet Lensch der "konservativ-revolutionären" Richtung zu, obwohl er eher sozialdemokratischer Vorläufer des Nationalsozialismus war.
  49. s. die FAZ-Rezension: "Revolution in der Form des Krieges - Die Vorstellungen der liberalen deutschen Elite in den Jahren 1857 und 1868", vom 31.1.1995.
  50. s. dazu FAZ vom 28.11.1995, "Verfassung ohne Land und Volk, Revolution aus dem Geist der spanischen Klassik: Simon Bolivars Rede von Angostura als politischer Entwurf für Lateinamerika".
  51. Dazu das grundlegende Werk von Nikolaus Werz, "Das neuere politische und sozialwissenschaftliche Denken in Lateinamerika", 1992, S. 48 ff.
  52. Die Entwicklung war aber nicht zwingend; um 1860 hatten manche Länder des südlicheren Lateinamerika ein höheres Einkommen als die USA; die auf der Grundlage des beschränkten Wahlrechts regierenden liberalen Oligarchien waren Ökonomisch durchaus erfolgreich.
  53. Gerade beim Rassismus ist die Immunisierungsstrategie des Liberalismus am erfolgreichsten gewesen; so findet sich im Werk von George L. Mosse, "Die Geschichte des Rassismus in Europa", 1990, nicht das Stichwort "Liberalismus"; bereits der Titel führt zu einer verzerrten Perspektive, weil das behandelte Phänomen auch im europäischen Kontext ohne Amerika und seinen Liberalismus nicht verstanden werden kann.
  54. s. Frank Tannenberg, "Ten Keys to Latin America", 1960, S. 73; auch dieses immer noch empfohlene Buch kennt das Stichwort "Liberalismus" nicht.
  55. Zu den amerikanischen Indianerkämpfen, s. die Aufsätze des Verfassers "Beseitigung menschlicher Hindernisse", in: JF 26/95, S. 16 und "Doktrin der Manifest Destiny", in: JF 2/96, S. 18.
  56. Dirk Bavendamm, "Roosevelts Weg zum Krieg", 1989, S. 31 kommentiert dies erstaunt mit "ausgerechnet"; jedoch waren derartige Äußerungen jeher typisch für das progressive, d. h. (in den wilden Westen) "voranschreitende" liberale Denken um die Jahrhundertwende; man sieht auch hier, wie wenig der Liberalismus "bewältigt" ist.
  57. s. dazu (51), S. 63 ff.
  58. s. (51), S. 67.
  59. zur "Lehre und Leere des Liberalismus", s. Armin Mohler, in: FS für Hans-Joachim Arndt, 1993, S. 207 ff.; wie leer der Begriff des Liberalismus sein muß, ergibt ein Leserbrief in derjF Nr. 38/96, S. 23, welcher die Kennzeichnung "liberalextremistisch" für Scientology durch den Verfasser kritisiert, weil Gewinnstreben ein kapitalistischer Wert sei; mit Liberalismus scheint Kapitalismus offenbar nichts zu tun zu haben!
  60. s. das im wesentlichen noch immer zutreffende Werk von Chr. Graf v. Krockow; Mexiko, Serie Piper, 1974, insbs. S. 51 ff; dieser liberale, wenngleich um Ausgewogenheit bemühte Preußenkritiker legt großes Verständnis für die liberalextremistische Herrschaftsform Mexikos an den Tag, welches er für das in jeder Hinsicht vorteilhaftere Preußen nicht aufzubringen bereit ist.
  61. s. (51), S. 70-72.
  62. zu diesem auch Eduardo A. Zimmermann "Racial Ideas and Social Reform: Argentinia 1890-1916"; in: Hispanic American Historical Review 1992, S. 23 ff.
  63. Daß dies allerdings keine allzu außergewöhnliche Synthese darstellte, s. (14), insbs. S. 183 ff., Sozialistischer Rassismus, mit zahlreichen, wohl überzeugenden Nachweisen.
  64. Beides ist Gerd Langguth, "Wer regiert in Nicaragua?", 1989, S. 21 und 227 durchaus aufgefallen, was aber keinen Grund darzustellen scheint, gründlicher über den Liberalismus zu reflektieren.
  65. s . umfassend Knut Walter, "The Regime of Anastasio Somoza 1936-1956" 1993, insbs. S. 44 ff.
  66. s. (51), S. 144.
  67. Eine Vorstellung, die sich aus der Tradition sozialdemokratischen eugenischen Denkens ableitet, S. (14), insbs. S. 178-183.
  68. s. Rede vom Verlust, in: Süddt. Zeitung vom 21./22. 11. 1992, S. 13
  69. s. Theater heute 11/93, S. 6.
  70. zum Ökonomischen Erklärungsansatz s. (5), insbs. S. 41 ff.
  71. s. etwa Adrian Kreye, "Aufstand der Gettos, Eskalation der Rassenkonflikte in Amerika", 1993, Einleitung, wo es heißt: "Die multikulturelle Gesellschaft ist ein Luxus, den sich nur wenige leisten können", um fortzufahren, "Da aber auch Deutschland ein Einwanderungsland ist und sich Deutsche, ob sie wollen oder nicht, mit den neuen Realitäten abfinden müssen…"; also spricht ein Liberaler!
  72. Deshalb heißt es im Herzog-Grundgesetzkommentar, Rdnr. 6 zu Art. 18 denn auch, daß "der Grundrechtsterror auch von den Bürgern als Grundrechtsinhabern her droht, also von uns", womit sich Dürig als "rechts" outet; denn nur Rechte machen (Grund-)Rechtsterror, während die Linke zu Terror neigt. Der mittistische Extremismus neigt eher zur gewöhnlichen Kriminalität und ist daher ideologisch schwerer faßbar.
  73. Der von Scientology gelobte v. Weizsäcker hatte ja die Kühnheit, aus der Menschenwürde das (moralische) Recht auf deutsche Doppelstaatsangehörigkeit abzuleiten, ohne daß dies bei der "liberal" dominierten Zunft der Verfassungsjuristen Kopfschütteln hervorgerufen hätte.
  74. Sicherlich eine verfassungsfeindliche Abkürzung; aber wenn bald VW-Betriebe schließen, muß es wenigstens VB-Betriebe geben, gegen deren Subventionierung die EU-Kommission nichts einzuwenden haben dürfte; die Beschäftigung von Parteisoldaten und sonstigen Politologen wäre deshalb gesichert.
  75. So auch R. Zitelmann, "Hitler - Selbstverständnis eines Revolutionärs ", 1987, S. 462 allerdings mit der falschen Einschränkung, daß "schon die rassistische Komponente" verböte, Hitler "der politischen Linken zuzuordnen"; vielmehr ist richtig, daß "auch Sozialismus und Rassismus von Zeit zu Zeit zusammengehörten", s. (53), S. 85.
  76. Hitler erstrebte vielmehr eine Synthese von links und rechts, "eine Überwindung beider Extreme" (sic! s. (75), S. 457), war also extremistischer Antiextremist. "Unsere Bewegung muß sich aus beiden Extremen, von links und rechts, zusammensetzen. Hie Spartakusmann, hie Offizier. Beide sind Idealisten" (Hitler am 26. 2. 1923, s. S. 453).
  77. s. Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung, 90. Jahrgang 1989, S. 208.
  78. s. dazu Friedrich Grimm"Unrecht im Rechtsstaat - Tatsachen und Dokumente zur politischen Justiz dargestellt im Fall Naumann ", 1957.
  79. s. Werner Naumann "Nau-Nau gefährdet das Empire?", 1953, S. 159; Hervorhebungen hinzugefügt.
  80. Zum sozialistischen und weniger nationalistischen Charakter des Hitlerschen Antisemitismus, s. (14), S. 192-195.
  81. Hitler hat allerdings sein schließliches Scheitern darauf zurückgeführt, beim Kampf gegen die linken Klassenkämpfer vergessen zu haben, "auch einen Schlag gegen rechts zu führen. Das ist unsere große Unterlassungssünde" (s. (75), S. 457); man sieht, wie der bundesdeutsche "Kampf gegen rechts" historisch einzuordnen ist; es soll liberalextremistisch nachgeholt werden, was Hitler versäumt hat.
  82. zitiert bei Zitelmann, "Antigermanen", in: Die Welt vom 15.12.1990: "In der Deutschen Frage gibt es zum umgekehrten Rassismus keine moralische Alternative", sowie: "Nein, wenn überhaupt geschossen werden muß, dann auf Deutsche beziehungsweise, wenn von einem Deutschen noch jemals geschossen werden darf, dann nur auf seinesgleichen".
  83. s. dazu Enrico Syring "Hitler - Seine politische Utopie", 1994, s. S. 269 ff; ähnlich hat sich der Zionist Ben Gurion die Verdrängung der Palestinenser durch Juden als "natürlichen Prozeß" vorgestellt, s. Simcha Flapan "Die Geburt Israels", 1988, S. 15 1.
  84. s. 0. Koellreuther, "Das Wesen der Spruchkammern und der durchgeführten Entnazifizierung", 1954, S. 2f.
  85. Dem Strasser deshalb vorwarf, sich endgültig "von einer völkischen Politik losgesagt und sich zum kapitalistischen Rassenimperialismus europäischen Stils" bekannt zu haben, s. Zitat bei. Sieferle "Indien und der Arier in der Rassentheorie", in: Zeitschrift für Kulturaustausch, 1987, S. 457; d. h. Strasser wollte Hitler Liberalextremismus vorwerfen!
  86. da derartiges in Indien, anders als in der BRD, nicht existiert, erstaunt, daß "Freedom House" Indien nur als "teilweise frei" einstuft (s. FAZ vom 19. 12. 1995, S. 6).
  87. s. WaS vom 11. 8. 1996, Gerster weist amerikanische Kritik an Bekämpfung von Scientology zurück - Hartes Vorgehen gegen Sekte gefordert.
  88. Die NS-Umkehrung: "Du (scientologisch und sonst liberalextremistisch vergöttlichtes Individuum) bist alles, Dein Volk ist nichts", scheint nur Übergang, weil auch Liberalextremisten an der Gemeinschaftsbezogenheit des Menschen nicht vorbeikommen können, was Wörter wie "Wertegemeinschaft", "internationale Gemeinschaft", "Risikogemeinschaft" einer Währungsunion etc. deutlich zeigen; nur "nationale Gemeinschaft" ist danach verwerflich.
  89. s. Heinz Mayer, "Kolumbien: Der schmutzige Krieg, Zwischen Kaffeebaronen und Drogenmafia - ein Land im Ausnahmezustand", 1990, insbs. S. 3 8 ff.
  90. s. dazu FAZ vom 17.9.1996, "Der Rauschgifthandel hat die Gesellschaft moralisch zersetzt."
  91. s. Peter Müller, "Die Mafia in der Politik", 1990, insbs. S. 62 ff; man muß davon ausgehen, daß die Mafiosi "überzeugte Europäer" sind.
  92. In den USA werden 77% der Wahlkampfspenden von 1% der Bevölkerung gestellt; s. Charles Lewis, "The Buying oft the President", 1996, S. 222; ungefähr die Hälfte der Amerikaner sieht deshalb keinen Sinn mehr in der Ausübung des Wahlrechts; auch dies läßt sich als democracy beschreiben. Es muß nicht sein, daß sich - wie erhofft - das liberalextremistische Regime Mexikos an die Praxis des US-Verfassungssystems annähert, wofür in der Wahl einer Handvoll konservativer Governeure ein Anzeichen besteht; es kann auch sein, daß sich umgekehrt das US-Verfassungssystem der liberalextremistischen Praxis Mexikos annähert.
  93. s. Bekanntmachung der Erklärung der Drei Mächte vom 27. Mai 1968 zur Ablösung der alliierten Vorbehalte gemäß Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages (BGBl. 1968 1 S. 714).
  94. s. dazu den Aufsatz des Verfassers "Das Genozid der 68er - Umerziebungsextremismus in Kambodscha", in: Criticón Nr. 141, S. 33 ff.
  95. dazu Jochen Arp, "Auch Nietzsche und Bismarck verboten - Vor 50 Jahren erließ der Alliierte Kontrollrat seine Zensurvorschriften", in: JF 5/96, S. 14.

s. (38), S. 94; in der redigierten Fassung des Landtagsprotokolls allerdings gestrichen; jedoch ist im stenographischen Wortprotokoll vom 23. 9.1993 dieses Bestreiten des Menschseins auf S. 14 eindeutig festgehalten; bisher war dies in keinem Verfassungsschutzbericht nachzulesen, da die Kategorie des Liberalextremismus ja noch nicht amtlich entdeckt worden ist.


Quelle: Staatsbriefe 7(9-10) (1996), S. 5-18


Zurück zum Staatsbriefe-Menü