WOLFGANG STRAUSS / DER ZWEITE WELTKRIEG BEGANN AM 19. AUGUST (1)

Jahrelang versorgte ein Filmemacher namens Born das deutsche Fernsehen flächendeckend mit Fälschungen. Ku-Klux-Klan im Schwarzwald und Katzenjäger, Rechtsradikale auf dem Marsch nach Bonn und Sextourismus am Plattensee, exotische Bombenbastler und Strahlenopfer irgendwo, er ließ keinen Schocker aus, erfunden von A bis Z, gedreht mit kostümierten Komparsen für ein paar Kröten hinter der nächsten Spelunke. Die Produkte gingen weg wie warme Brötchen, ausgestrahlt von Politmagazinen. Neben ARD-ZAK, Stern TV, RTL, Pro Sieben, Tele 5, SAT1, SpiegelTV auch das Fernsehmagazin der SZ. Sie kauften Michael Born, den die Hereingelegten heute als schmierigen Typen schildern, alles ab, lag doch der Lügner ideologisch auf ihrer Linie. Der Fanatiker des Political Correctness Undergrounds ist nur die Spitze des Eisbergs, Kind einer Mafia, die seit 50 Jahren Dogmen und Doktrinen fabriziert, die der geschichtlichen Wahrheit ins Gesicht schlagen. In letzter Zeit erleben wir eine Invasion von Fälschungen der dritten Art. Sie tauchen auf aus gespenstischem Nebel einer Welt, wo schwarz weiß ist und weiß schwarz. Ein aktuelles Beispiel.

Ilja Ehrenburg (1891-1967) war kein echter Russe, doch seine Haßpamphlete erschienen in russischer Sprache im Armee-Organ Krassnaja Swesda (Roter Stern): "Tötet, Ihr tapferen Rotarmisten, tötet! Es gibt nichts, was an den Deutschen unschuldig ist ... Brecht mit Gewalt den Rassenhochmut der germanischen Frauen, nehmt sie als rechtmäßige Beute. " Für diesen "kosmopolitischen Intellektuellen" (Manfred Zeidler vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden) galten die Deutschen als "Anthropoiden, Präbarbaren, animalische Vorläufer des Neandertalers", "durch Raub, Laster, Grausamkeit verdorbene Wesen" noch unterhalb des Untermenschenniveaus.

Weiß wusch den Schreibtischtäter Karl-Heinz Janßen, Historiker und Redakteur der Zeit, verantwortlich für die Rubrik "Zeitläufte". Janßen behauptet in Nr. 2 vom 5. Januar 1996, Ehrenburg habe die Ausschreitungen der Roten Armee verurteilt, sei bei Stalin denunziert und dann zum Schweigen gebracht worden. Ehrenburgs letzter Artikel "Genug vom 11. April 1945 (danach verbot ihm Stalin die deutschenfeindliche Kampagne in der Armeezeitung) schließt mit den Sätzen: "Es gibt kein Deutschland. Es gibt nur eine riesige Gaunerbande." Mitte Mai erschien ein Gegenartikel des Parteipublizisten Georgij Alexandrow in der Prawda: "Genosse Ehrenburg vereinfacht." Die "Ehrenburg-Linie" sei nicht identisch mit der Sowjetmeinung, Hitlerregime und Deutschland dürften nicht gleichgesetzt werden. Am 16. Mai 1945 veröffentlichte das deutschsprachige SMA-Organ, die Tägliche Rundschau, Alexandrows Klarstellung. Diese Ausgabe ist in jedem Zeitungsarchiv deutscher Universitäten einzusehen, auch in Hamburg.

Meinen nicht veröffentlichten Leserbrief vom 10. Januar beantwortete Janßen am 18. Januar: "Es stimmt, daß Ehrenburgs letzter Artikel im Kriege am 11. April 1945 im Roten Stern erschien. Eine Woche später ließ Stalin in der Prawda Alexandrows berühmten Artikel veröffentlichen. Jedoch schon am 29. März 1945 hatte der Chef der Anti-Spionage-Hauptverwaltung (Smersch), Viktor Abakumow, den Schriftstellerin einem Brief an Stalin wegen 'verleumderischer Aussagen über die Rote Armee' denunziert. Nach einem Besuch, an der ostpreußischen Front habe Ehrenburg vor Offizieren in der Frunse-Akademie 'das niedrige Niveau' der Rotarmisten beklagt. Weiter wurden ihm 'falsche Aussagen' über Soldaten der Roten Armee vorgeworfen. Zum Beispiel soll er ihnen am 3. März 1945 nachgesagt haben, daß sie 'plündem, zerstören, rauben, saufen und die Liebenswürdigkeit der deutschen Frauen nicht zurückweisen'."

Sind damit die von mir erwähnten Fakten widerlegt worden? Keineswegs. Ehrenburg widerrief nicht seine antideutsche Polemik, er distanzierte sich nicht von seiner Germanophobie, änderte kein Jota an seinem Ethnozid-Plädoyer, im Gegenteil, er bekräftigte und verteidigte seinen Deutschenhaß. Und er hatte die Chuzpe, die Massenvergewaltigung Liebenswürdigkeiten deutscher Frauen zu nennen…

Der Fall Janßen erinnert an den Fall Jäckel. Dieser, eine Koryphäe antifaschistischer Historiographie, wurde kürzlich von russischen Revisionisten als Fälscher entlarvt. 1958 hatte Eberhard Jäckel in den Vierteljahresheften für Zeitgeschichte, Nr. 4, eine Abhandlung über die Stalin-Rede vom 19. August 1939 veröffentlicht. In französischer Sprache brachte Jäckel den Text der "angeblich" von Stalin gehaltenen Rede, über die im September 1939 die Pariser Nachrichtenagentur Havas berichtet hatte. Jäckel schloß, daß es sich um eine billige antikommunistische Fälschung handle (S. 381-382). Die angebliche Fälschung war indes so heiß, daß Stalin sich nach der Havas-Veröffentlichung zu einem Dementi in dem berühmten Interview in der Prawda vom 30. November 1939 genötigt sah, schließlich hätten England und Frankreich Deutschland den Krieg erklärt und nicht umgekehrt ("das sind die Fakten"). In der Sowjetunion wurde weder die Stalin-Rede noch der Havas-Text veröffentlicht.

Kernsätze der Stalin-Rede vom 19. August 1939, gehalten vor Mitgliedern des Politbüros und der Komintern, lauten: "Unsere Wahl ist klar. Wir müssen den deutschen Vorschlag annehmen und die anglo-französische Mission höflich nach Hause schicken. Unser erster Vorteil besteht in der Auslöschung Polens und der Gewinnung eines Teiles von Polen bis nach Warschau, einschließlich des ukrainischen Galizien."

"Frieden oder Krieg? Diese Frage ist in ihre kritische Phase gekommen. Die Lösung hängt vollkommen von der Position ab, die die Sowjetunion einnehmen wird. Wir sind absolut überzeugt, daß, wenn wir ein Beistandsabkommen mit Frankreich und England schließen, Deutschland sich gezwungen sehen wird, Polen gegenüber zurückzuweichen und einen modus vivendi mit den Westmächten zu suchen. Auf diese Weise könnte ein Krieg vermieden werden, allerdings kann die weitere Entwicklung dieses Standes der Dinge für uns einen gefährlichen Charakter erhalten. Andererseits, wenn wir die Vorschläge Deutschlands annehmen, nämlich einen Nichtangriffspakt abzuschließen, dann wird Deutschland sicherlich Polen angreifen, und die Intervention in diesem Krieg wird von Seiten Englands und Frankreichs unausweichlich. Unter diesen Umständen haben wir große Chancen, uns aus diesem Konflikt herauszuhalten, und wir können gespannt unseren Zeitpunkt abwarten. Das ist genau das, was in unserem Interesse liegt."

"Es ist nicht schwierig, die Entwicklung vorherzusagen, wenn wir uns in dieser Weise verhalten. Für uns ist klar, daß Polen ausgelöscht sein wird, ehe England und Frankreich Maßnahmen treffen können, um Polen zu Hilfe zu kommen. In diesem Fall übergibt Deutschland uns einen Teil Polens, bis in die Gegend von Warschau und auch das ukrainische Galizien. (…) Daher müssen wir die Möglichkeit abschätzen, die sich aus einer Niederlage oder einem Sieg Deutschlands ergeben können."

"Prüfen wir den Fall einer deutschen Niederlage. England und Frankreich sind stark genug, um Berlin zu erobern und Deutschland zu zerstören, und wir sind nicht in der Lage, in diesem Fall wirkungsvoll einzugreifen. Jedoch unser Ziel muß sein, daß Deutschland den Krieg solange wie möglich führen kann, bis England und Frankreich ermüdet und soweit geschwächt sind, daß sie nicht mehr in der Lage sind, Deutschland allein zu schagen. Was unsere Lage betrifft: Indem wir neutral bleiben, unterstützen wir Deutschland wirtschaftlich durch die Lieferung von Rohstoffen und Nahrungsmitteln; aber wir werden dafür Sorge tragen, daß unsere Hilfe nicht eine bestimmte Grenze überschreitet, es darf also nicht unsere eigene wirtschaftliche Situation erschweren und darf nicht die Schlagkraft unserer Armee schwächen. Zur gleichen Zeit müssen wir, ganz allgemein, eine aktive kommunistische Propaganda betreiben, besonders im anglo-französischen Block und ganz besonders in Frankreich. Wir müssen uns klar darüber sein, daß in diesem Land unsere Partei gezwungen sein wird, im Falle des Krieges die Legalität aufzugeben und zur Arbeit im Geheimen überzugehen. Wir wissen, daß eine derartige Aktivität viel Geld kosten wird, aber wir müssen, ohne zu zögern, zu Opfern bereit sein … So können wir zur Sowjetisierung Frankreichs gelangen."

"Prüfen wir nun die zweite Hypothese, nämlich einen Sieg Deutschlands. Einige sind der Ansicht, daß diese Möglichkeit für uns die größte Gefahr bedeuten würde. Es ist klar, daß darin viel Wahrheit steckt. Aber es ist ein Irrtum, anzunehmen, daß diese Gefahr schon so nahe und so groß wäre, wie manche annehmen. Wenn Deutschland siegt, dann wird es so geschwächt sein, daß es während der nächsten zehn Jahre keinen Krieg gegen uns führen kann. Sein Bestreben wird sein, England und Frankreich so zu schwächen, daß sie sich nicht mehr erheben können. Andererseits wird ein siegreiches Deutschland über gewaltige Kolonien verfügen. Deren Anpassung mit germanischen Methoden wird Deutschland für Jahrzehnte beschäftigen. Es ist offenkundig, daß Deutschland zu stark in Anspruch genommen sein wird, um sich gegen uns zu wenden."

"Es gibt noch außerdem einen Faktor, der unsere Sicherheit garantiert. In einem besiegten Frankreich wird die Kommunistische Partei zu einer starken Kraft anwachsen, unausweichlich vollzieht sich dann die kommunistische Revolution. Diesen Umstand können wir ausnutzen, indem wir Frankreich zu Hilfe kommen und es zu unserem Verbündeten machen. Später werden alle Völker, die unter den 'Schutz' des siegreichen Deutschland fielen, zu unseren Verbündeten."

"Genossen, im Interesse der Sowjetunion, des Vaterlandes der Werktätigen, liegt es, daß der Krieg zwischen dem Reich und dem kapitalistischen anglo-französischen Block ausbricht. Es ist entscheidend für uns, daß dieser Krieg so lange wie möglich andauert, bis zur Erschöpfung der beiden Seiten. Das sind die Gründe, aus denen wir den von Deutschland vorgeschlagenen Vertrag annehmen müssen, und daß wir alles dafür tun müssen, daß dieser Krieg, ist er erst einmal erklärt, so lange wie möglich dauert. Wir müssen unsererseits unsere Wirtschaft verstärken, so daß wir am Ende des Krieges gut vorbereitet sind."

Stalins Rede vom 19. August war eine politisch-ideologische Kriegserklärung an Deutschland mit dem Kriegsziel einer Bolschewisierung. Nur: ein siegreicher kapitalistischer Westen konnte das Erreichen des Endzieles erschweren, verzögern. Stalins Hauptargument: "Im Falle einer deutschen Niederlage erfolgt unausweichlich die Sowjetisierung Deutschlands, es kommt zur Bildung einer kommunistischen Regierung. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Sowjetisierung Deutschlands einer großen Gefahr ausgesetzt ist, wenn diese Sowjetisierung als Folge einer Niederlage Deutschlands in einem kurzen Krieg über die Bühne geht. England und Frankreich werden immer noch stark genug sein, Berlin zu erobern und ein Sowjetdeutschland zu zerschmettern. Und wir werden nicht in der Lage sein, unseren bolschewistischen Genossen in Deutschland zu Hilfe zu kommen."

Wichtiger noch waren die Beschlüsse, die das Politbüro auf der Geheimsitzung am 19. August 1939 nach der Rede faßte. Um ihre Aufschlüsselung bemühte sich Viktor Suworow: Abbruch der Verhandlungen mit der Militärdelegation Englands und Frankreichs, Abschluß eines Nichtangriffspaktes mit Deutschland auf der Grundlage des von Molotow ausgearbeiteten und nach Berlin übermittelten Vertragsentwurfes; Befehl an General Schukow, am Chalschyn-Gol in der Mongolei gegen die 6. japanische Armee vorzugehen, um sie an einem weiteren Vormarsch nach Sibirien zu hindern (Schukows Offensive erfolgte am 20. August 1939 um 5.45 Uhr und hatte vollen Erfolg); eine geheim durchzuführende Mobilmachung der Roten Armee. Als erste Maßnahme beschloß der Oberste Sowjet am 1. September 1939 ein Gesetz über die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht.

In seinem neuen Buch "Der Tag M" (Klett-Cotta 1995) schreibt Viktor Suworow über die Folgewirkungen des 19. August: "Es war die heimliche Mobilmachung. Die sowjetische Führung bereitete die Rote Armee und das gesamte Land auf die Eroberung Deutschlands und ganz Westeuropas vor. Die Eroberung Westeuropas war das Hauptziel, weshalb die Sowjetunion den Zweiten Weltkrieg entfesselte. Der endgültige Entschluß, den Krieg zu beginnen, wurde von Stalin am 19. August 1939 gefaßt."

Nach Suworow lauteten die Optionen Stalins im Sommer 1939: "Der Zweite Weltkrieg hätte auch nicht stattfinden müssen. Die Entscheidung lag bei Stalin. Stalin hatte zwei Möglichkeiten. Erstens: Unabhängig von der Haltung Großbritanniens, Frankreichs oder Polens offiziell zu erklären, daß die Sowjetunion das polnische Territorium wie ihr eigenes verteidigen würde. Die polnische Regierung will keine sowjetischen Truppen auf polnischem Staatsgebiet? Kein Problem. Sobald Deutschland die polnischen Truppen geschlagen und die Regierung gestürzt hat, wird die Rote Armee polnisches Territorium betreten und gegen Deutschland kämpfen. Erst kurz zuvor hatte die Sowjetregierung offiziell erklärt: 'Wir werden die Grenze der Mongolischen Volksrepublik wie unsere eigene verteidigen' (Prawda, 1. Juni 1939). Die Worte widersprachen nicht den Taten. Am selben Tag, am 1. Juni 1939, wurde der Stellvertreter des Befehlshabers Schukow aus Minsk nach Moskau beordert. Am Morgen des 2. Juni wurde Schukow von R.P. Chmelnizki, dem Beauftragten für Aufträge von besonderer Wichtigkeit, beim Volkskommissar für Verteidigung empfangen, der ihm mitteilte, daß Marschall K. Woroschilow ihn bereits erwarte. Nach einer kurzen Instruktion führte Schukows Weg in die Mongolei, wo er das Territorium der Mongolei gegen den japanischen Angriff so verteidigte, als handele es sich um sowjetisches Territorium. Genauso hätte Stalin an seinen Westgrenzen handeln können, indem er offiziell und deutlich erklärte, ein Angriff auf Polen werde zu einem erbitterten und langen Krieg führen, auf den Deutschland nicht vorbereitet war. Stalin hatte im August 1939 noch eine andere Möglichkeit - das Hinauszögern der Verhandlungen mit Großbritannien und Frankreich, denn auch das wäre für Hitler einer Warnung gleichgekommen: Greifst du Polen an, dann bedenke, daß du ganz Europa gegen dich haben wirst, wir sitzen hier in Moskau beisammen und halten Rat, wir brauchen nur eine Blockade über Deutschland zu verhängen… Doch Stalin wählte einen dritten Weg: Fall du, Hitler, ruhig in Polen ein, ich werde dich unterstützen. Hitler griff an… und bekam die Kriegserklärung von Großbritannien und Frankreich. Das, was Stalin brauchte."

Muß die Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges neu geschrieben werden? Nach dem Urteil russischerRevisonisten: ja.

Einer der Gründe, wenn nicht der Hauptgrund, ist die Veröffentlichung der vollständigen Stalin-Rede vom 19. August 1939, die sowjetische wie westliche Geschichtsschreiber als "Fälschung" ausgaben. Entdeckt wurde die Strategierede Stalins, gehalten vor Politbüromitgliedern und russischen Vertretern der Komintern, vier Tage vor der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes, von T. S. Buschujewa im geheimen Beute-Fundus des Sonderarchivs der UdSSR, jetzt "Aufbewahrungszentrum der historisch-dokumentarischen Sammlungen", Registriernummer 7/1/1223. Versehen mit Analyse und Kommentar der Buschujewa, publizierte das renommierte Moskauer Literaturmagazin Nowij Mir (Neue Welt) den sensationellen Fund 1994, Nr. 12, S. 232-233. Sensationell auch deshalb, weil über Jahrzehnte hinweg das Stattfinden einer geheimen Politbüro-Sitzung am 19. August 1939 bestritten wurde. Auch in nachsowjetischer Zeit leugnete man sie ab, bis 1993 der Kriegshistoriker Dmitrij Wolkogonow, kürzlich verstorben, die Sitzung mit Unterlagen verifizierte (Iswestija vom 16. Januar 1993).

Auf der Grundlage der Veröffentlichung in Nowij Mir starteten Historiker der Universität Nowosibirsk eine Untersuchung der gesamten Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges. Ihre Forschungsergebnisse erschienen am 16. April 1995 unter der Überschrift "1. September 1939 - 9. Mai 1945. Aus Anlaß des 50. Jahrestages der Vernichtung des faschistischen Deutschland im Kontext mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges. Materialien des Wissenschaftlichen Seminars".

Einer der Verfasser der Nowosibirsker Schrift, W. L. Doroschenko, bezeichnet die Stalin-Rede als einen "phänomenalen Text", der nun endgültig die Behauptung der Sowjethistoriker, eine solche Sitzung habe gar nicht stattgefunden, als "Lüge" entlarve. Doch sei dies nicht das Herausragende, meint Doroschenko. Das Wichtigste bestehe in der Anerkennung einer Tatsache: Auf die Anklagebank in Nürnberg habe auch Stalin gehört, "er und sein kommunistisches Regime und sein Staat, die UdSSR". Der Hauptschuldige an der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges, der Kriegsbrandstifter sui generis, hieße Stalin.

"Nicht nur, daß er Hitler half, es lag in Stalins ureigenem Interesse, den Krieg zu entfachen, einmal mit dem allgemeinen Ziel der Machteroberung in Europa, zum anderen mit einem unmittelbaren Gewinn, der sich aus der Vernichtung Polens und der Eroberung Galiziens ergab. Das wichtigste Motiv Stalins war aber der Krieg selbst, …, der Sturz der europäischen Ordnung und die sich daraus ergebende Möglichkeit, unter solchen Bedingungen seine Diktatur zu etablieren, wobei er sich zunächst aus dem Konflikt heraushalten wollte, um dann in einem günstigen Moment in den Krieg einzutreten. (…) Mit anderen Worten, der Nichtangriffspakt machte Hitler die Hände frei, provozierte Deutschland zur Kriegsauslösung. Als Stalin den Pakt schloß, stand für ihn fest, das Abkommen zu brechen, beabsichtigte er doch von Anfang an, dem Konflikt nicht fern zu bleiben, sondern, im Gegenteil, zu einem für ihn vorteilhaften Zeitpunkt in den Krieg einzugreifen." (S. 10 f.)

Doroschenkos Fazit steht im Widerspruch zu der Behauptung Augsteins, Stalin hätte sich als "Schiedsrichter" gesehen. In der "Barbarossa"-Titelgeschichte (Spiegel 6/1996), gegen die Historiker Viktor Suworow ("Der Tag M", Stuttgart), Joachim Hoffmann ("Stalins Vernichtungskrieg 1941-1945", München) und Walter Post ("Unternehmen Barbarossa", Hamburg/Berlin/Bonn), nähert sich Rudolf Augstein in manchen Punkten revisionistischen Thesen an, ohne jedoch auch nur mit einem einzigen Satz auf den Inhalt der Stalinschen Politbüro-Rede vom 19. August einzugehen - die nach dem Urteil der Historiker von Nowosibirsk zu den "grundlegenden Dokumenten" zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges gehört. "Stalin als Provozierer des Zweiten Weltkrieges", lautet Doroschenkos Beitrag. Eine Erkenntnis, die professionellen Vergangenheitsbewältigern dieser Republik zu weit geht, denn sie stellt die Dogmen des Nachkriegssystems in Frage und damit die raison d'être der deutschen Nachkriegsstaaten (von denen einer bereits verschwunden ist).

Ein halbes Jahrhundert lang wären Parteihistoriker damit beschäftigt gewesen, bemerkt I.W. Pawlowa in dem erwähnten Werk der sibirischen Eliteuniversität, Vorgeschichte und Verlauf des Zweiten Weltkrieges zu manipulieren, zu fälschen, unter einem Berg von Lügen zu begraben, Tatsachen abzustreiten (Stalins 19. August-Rede, die geheimen Zusatzprotokolle zum Nichtangriffspakt u. a.), was den volkstümlichen Schriftsteller Viktor Astafjew in der Glasnost-Ära zu dem ironischen Einwurf veranlaßte, er sei wohl nicht in jenem Krieg dabei gewesen, den die Sowjethistoriker schildern. Der Sibirjake Astafjew, heute ein Parteigänger der Solschenizynschen "Wiedergeburts"-Philosophie, war Frontsoldat, wurde schwer verwundet. Der Artikel der Pawlowa heißt "Versuche des Ausbruchs aus dem Lügen-Labyrinth".

Stoßrichtung und Leitmotiv der Stalin-Rede am Vorabend des Zweiten Weltkrieges und ihre Ausdeutung durch junge russische Historiker leiten eine Wende in der Geschichtsforschung ein. Halten wir fest:

Stalin wollte den Weltkrieg, der Nichtangriffspakt diente ihm als Initialzündung.

Stalin beabsichtigte die Vernichtung des polnischen Staates und seine territoriale Zersplitterung. Eroberung, Okkupation, Annexion hießen die Etappen der Westerweiterung des Sowjetimperiums.

Stalin strebte den gesamteuropäischen Krieg an - ein Abnutzungs- bzw. Erschöpfungskrieg, in dem sich die Staaten und Systeme zugrunde richten sollten.

Stalin programmierte den Kriegseintritt mit dem Ziel, auf den Trümmern des kapitalistischen Europa die Sowjetisierung per Diktat, KP-Subversion und mit militärischer Gewalt durchzuführen. Der Schlüsselbegriff "Sowjetisazija" taucht mehrmals in seiner Rede auf.

Stalin setzte auf eine kommunistische Revolution in Deutschland für den Fall, daß das Dritte Reich von den Westmächten besiegt wird und die nationalsozialistische Gesellschaftsordnung zusammenbricht, wörtlich: "Im Falle einer Niederlage Deutschlands wird Deutschland sowjetisiert und erhält eine kommunistische Regierung."

Die Historisierung des Bolschewismus weiß sich frei von "politisch-pädagogischen" Erwägungen, "volkserzieherischen" Effekten. Es geht schlicht und einfach um eine Generalrevision überholter Ansichten über die Rolle Stalins am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Im Gegensatz zur bisherigen Geschichtsdeutung geschah nach Ansicht russischer Ansichten das weltgeschichtlich Relevante nicht im Krieg, sondern in der unmittelbaren Vorkriegszeit. Die Würfel fielen am 19. August 1939.

Dieser Tag stand unter dem stählernen Gebot der Konspirativität, interner Sitzungen, Beratungen, Beschlußfassungen. Selbst während des Krieges erteilte Stalin mündliche Anordnungen, Befehle ohne Unterschrift. Was er befahl, trug Ukas-Charakter. Vorgelegte Pläne und Skizzen paraphierte Stalin selten. Von Operationsplänen existierte jeweils nur ein Exemplar. Entscheidende Besprechungen fanden in einem sehr engen Teilnehmerkreis statt.

Auf den permanenten konspirativen Charakter der Entscheidungsebene im Machtmechanismus Stalins verweist im Nowosibirsker Papier die Pawlowa. Sie zitiert den Luftwaffen-Generalmajor A. S. Jakowljew, einen der Militäradjutanten Stalins. "Bei den Zusammenkünften mit Stalin im engsten Kreise waren weder Stenografen, Stenotypistinnen noch Sekretäre anwesend, und es wurden auch keine Protokollnotizen angefertigt." Auf den von Stalin persönlich geleiteten Sitzungen und Beratungen seien Erörterung und Annahme der von ihm gefaßten Beschlüsse weder protokolliert noch sonst in schriftlicher Form festgehalten worden, erinnert sich Marschall D. F. Ustinow (S. 29).

Viele Entscheidungen des Politbüros wären nach dem Prinzip einer totalen Geheimhaltung behandelt worden, mit dem Stempel "Osobaja papka"(Besondere Akte) in Geheimarchiven verschwunden, schreibt die Popowa. "Was die Kardinalfragen der UdSSR betraf, so wurde darüber nicht auf Politbürositzungen entschieden, sondern im kleinsten Kreise mit Stalin an der Spitze… Am Vorabend des Krieges waren es nur zwei, die in allen Fragen sowjetischer Außenpolitik die Entscheidung fällten - Stalin und Molotow."

Diesen "prinzipiellen Fakt" bestätigt nach Ansicht der Popowa sogar ein Antirevisionist, der sowjetische Militärhistoriker Generalmajor J. A. Gorjkow; den operativen Aufmarschplan habe man Stalin und Molotow "in einem einzigen Exemplar" zur Bestätigung vorgelegt (S. 31). Gorjkows Anti-Suworow-Text erschien in der Moskauer Zeitschrift Neue und neueste Geschichte, 3/1993, betitelt: "Bereitete Stalin 1941 einen Präventivschlag gegen Hitler vor?"

Doch zurück zum 19. August. Wie konnte da die kriegsauslösende Rede Stalins an die westliche Öffendichkeit gelangen? Handelt es sich um ein inoffizielles, nachträglich angefertigtes Erinnerungsprotokoll? In Westeuropa sei dieser Auftritt Stalins schon im Herbst 1939 bekannt gewesen, meint Doroschenko - dank der Veröffentlichung durch die französische Nachrichtenagentur Havas. Im Prawda-Interview vom 30. November 1939 habe Stalin seine eigene Rede abgestritten. Nach dem Abdruck des Havas-Textes in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte (4/1958) habe sich die deutsche Slavistin Ingeborg Fleischhauer dem Urteil Eberhard Jäckels angeschlossen, wonach es sich bei dieser Rede um eine billige antikommunistische Fälschung handeln würde, wörtlich: "Nach Überprüfung erweist sie sich als Falsifikation." (Erschienen 1991 im Moskauer Verlag Progress unter dem Titel: "Der Pakt. Hitler, Stalin und die Initiative der deutschen Diplomatie 1938-1939" Ingeborg Fleischhauer, geboren 1942 in Erfurt, promoviert 1970 in Konstanz, ist Mitarbeiterin der Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte und des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, zeitweilig Dozentin an der Hebräischen Universität Jerusalem.) Doroschenko: "Überprüfung - welche denn, durch wen? Etwa auf Betreiben von KGB-Geschichtenschreibern?" Die "hochverehrte Deutsche" könne keine Fakten nennen, keine Prüfungsinstanz. "Ihre Bezugnahme auf Band 2 der Sowetischen Kriegsgeschichte, zur traurigen Berümtheit gelangt durch die Fälschungen vor allem im 12. Band, erweist sich als kontraproduktiv, kompromittiert nicht nur Eberhard Jäckel, sondern Ingeborg Fleischhauer selbst." (S. 8)

In Stalins Erwiderung im Prawda-Interview taucht nur ein Satz aus dem Havas-Text auf: "Der Krieg muß so lange wie möglich dauern, damit sich die beiden Seiten erschöpfen." In der Wiedergabe der Stalin-Rede durch die Buschujewa taucht dieser Satz viermal auf. Doroschenko schlußfolgert: "Dieser Satz bildet das Leitmotiv des vorliegenden Rede-Textes." Es geht um die inhaltliche, das heißt essentielle Authentizität der Motive, Logik, Absichten, Pläne des Mannes, den die Historiker der Nowosibirsker Universität als den "Provozierer des Zweiten Weltkrieges" bezeichnen.

In der Einleitung zu ihrem Stalinrede-Report schreibt T. S. Buschujewa: "Im geheimen Beutefonds des Sonderarchivs der UdSSR fand man den Beweis dafür, daß am 19. August 1939, vier Tage vor der Unterzeichnung des sowjetisch-deutschen Nichtangriffsabkommens, Stalin das Politbüro und Komintern-Führer eiligst zu einer Sitzung einberief. Auf dieser Sitzung hielt er eine Rede, deren Text bei uns niemals veröffentlicht wurde. Fünfzig Jahre nach diesem Ereignis stellt Suworow fest: 'Der genaue Tag, an dem Stalin den zweiten Weltkrieg BEGANN, ist der 19. August 1939.'" Die Versalien wählte die Verfasserin.

Die Buschujewa nimmt an, daß die von ihr entdeckte "Variante" der Stalin-Rede identisch sei mit dem Havas-Text und daß die Rede "wahrscheinlich" von einem an der Politbüro-Sitzung anwesenden Komintern-Führer nachträglich niedergeschrieben worden sei. Die Autoren der Nowosibirsker Publikation teilen nicht diese Auffassung. Ihrer Meinung nach ist Stalin selbst der Urheber, und in Stalins Auftrag wurde der Text abgefaßt und Havas zugespielt, mit der Absicht, die französische Öffentlichkeit zu demoralisieren, desorientieren, die Regierung in Paris in Panik zu versetzen und, schließlich, die KPF nach ihrem Verbot in den illegalen Kampf gegen die Regierung zu treiben.

Diesen Schachzug habe Stalin keineswegs aus Sympathie zu Deutschland getan, schreibt Doroschenko. Das Gegenteil treffe zu. "Die Hauptfrage lautet: Warum wollte Stalin den Krieg mit Hitler, für welche Ziele?" Wofür; aus den Vertragsverhandlungen gehe das natürlich nicht hervor, selbst Hitler habe damals die Gedanken Stalins nicht erraten können. Die Frage müsse so beantwortet werden: Stalins Ziel habe in der Eroberung Deutschlands und Frankreichs bestanden.

"Unterliegen wir hier nicht einer Selbsttäuschung? Zeigte Stalin tatsächlich einen solchen Appetit? Ja, er hatte ihn." Doroschenko erwähnt Stalins Schlüsselwort von der "Sowjetisierung", erinnert an die Passage: "In einem besiegten Frankreich wird die Kommunistische Partei zu einer starken Kraft anwachsen. Unausweichlich vollzieht sich dann eine kommunistische Revolution. Diesen Umstand können wir ausnutzen, indem wir Frankreich zu Hilfe kommen und es zu unserem Verbündeten machen. Später werden alle Völker, die unter den 'Schutz' des siegreichen Deutschland fielen, zu unseren Verbündeten." Seite 19 der Nowosibirsker Publikation.

"In diesen Maßstäben äußerte sich Stalins Appetit. Für diesen Zweck ließ Stalin Mitte 1941 an der sowjetischen Westgrenze seine Streitkräfte konzentrieren, die stärkemäßig die Wehrmacht um fünf- bis sechsmal übertrafen, bezogen auf die Zahl der Panzer, Flugzeuge, Artilleriewaffen, Granatwerfer. Mit diesen Kräften wollte er nicht etwa Osteuropa vom Krieg fernhalten, mit diesen Kräften beabsichtigte er Deutschland zu erobern und die kommunistische Revolution in Frankreich zu unterstützen. Das heißt, Stalin bereitete sich vor, bis zum Ärmelkanal vorzustoßen - mindestens bis La Manche. (…) So betrachtet, enthüllt der vorliegende Text (der Rede Stalins vom 19. August 1939, WS) nicht nur die provozierende Rolle Stalins bei der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges, er verdeutlicht auch die Ziele Stalins in diesem Krieg". (S. 12 f)

Sämtliche Autoren der Nowosibirsker Materialiensammlung, erarbeitet vom Wissenschaftlichen Seminar und abgeschlossen im April 1995, verstehen sich als Antistalinisten, nicht jedoch als Antipatrioten oder westlich inspirierte Demokraten. Der Große Vaterländische Krieg sei solange sinnvoll gewesen, als es um die existentielle Verteidigung der Völker Osteuropas gegangen sei. "Als diese Voraussetzung… wegfiel, spätestens im Jahre 1944, verlor dieser Krieg aus der Sicht der Menschen in der UdSSR seinen vaterländischen Charakter." Ab 1944, so die Quintessenz, verwandelte sich der Krieg der Sowjetunion in einen Eroberungskrieg mit imperialistischem Charakter ("in den eroberten Ländern trat der Stalinsche Totalitarismus an die Stelle des Hitlerschen Totalitarismus").

Selbst im nachkommunistischen Rußland, unter Jelzin, existieren noch geschlossene Geheimarchive, Dokumentensammlungen, aus denen, so Doroschenko, "die Aggressivität der Politik der UdSSR" am Vorabend des Zweiten Weltkrieges hervorgeht. So werden beispielsweise Stalin-Akten in einem speziellen "Archiv des Präsidenten Rußlands" verwahrt - off limits für Geschichtsforscher (S.36). "Am Vorabend des 50.Jahrestages des Sieges tauchte ganz plötzlich die Frage nach den Kriegsschuldigen auf", konstatiert T. S. Buschujewa in ihrem Beitrag "Kriegsvorbereitungen der WSSR in den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren. Neue Archivdokumente" (S. 47 ff.). "Verstärkt wurde das Interesse an diesem Problem durch die Bücher Viktor Suworows - 'Der Eisbrecher', 'Dcr Tag M' -, in denen der Nachweis für die Hauptschuld der UdSSR an der Kriegsentfachung nachgewiesen wurde. Viele Behauptungen des Autors erschienen fremdartig, ja absurd. Doch wer will sich heute zum Richter aufwerfen, wer Suworow Irrtümer vorwerfen… angesichts der Tatsache, daß immer noch, wie früher, wichtige Dokumente in Geheimarchiven verschlossen bleiben."

Die Revisionisten in Nowosibirsk berücksichtigen nicht nur einheimische, d. h. russische Unterlagen. Ihr Interesse gilt auch ausländischen Geschichtsforschem, dem Deutschen Joachim Hoffmann und dem Polen J. Zamoiski. Vom ersteren erschien in der Moskauer Zeitschrift Otetschestwennaja Historija (Vaterländische Geschichte) in Nr. 3 vom Jahre 1993 der Artikel "Vorbereitungen der Sowjetunion zu einem Angriffskrieg". Der Pole publizierte seinen Beitrag 1994 in Moskau unter dem Titel "Das schwarze Loch. September 1939 - Juni 1941. Zur Frage der sowjetischen Politik in der Anfangsperiode des Konflikts", enthalten im Sammelband "Rußland im XX. Jahrhundert. Internationaler Historikerstreit"

Die Kardinalthese von "nachweisbaren" Vorbereitungen Stalins zu einem Angriffskrieg (russisch: "nastupatelnaja wojna") untermauert Zamoiski mit diesen "Zeugnissen":

a.) Die Ernennung Schukows zum Generalstabschef;

b.) Auffüllung der Heeresstreitkräfte in den westlichen Militärbezirken;

c.) Ein gigantisches Aufrüstungs- und Umrüstungsprogramm, u. a. mit dem Ziel, die technische Überlegenheit der deutschen Luftwaffe zu brechen;

d.) Heranführung von fünf Armeen (16., 19., 21., 22., 25.) aus dem Inneren des Landes und ihre Dislozierung in den Westgebieten zu operativen Zwecken;

e.) Schaffung einer starken operativen Faust in Stärke von 60 Divisionen in der Ukraine;

f.) Umwandlung von vier Schützendivisionen in Gebirgsdivisionen im westukrainischen Frontbogen, bestimmt für Operationen in der Tschechoslowakei und in österreich, ferner die Aufstellung eines Luftlandekorps als Offensivinstrument;

g.) Beschleunigung des Ausbaus von Flugplätzen und Bombendepots in unmittelbarer Nähe der Westgrenze;

h.) Auffrischung militärischer Reserven und Nachschubbasen entlang der sowjetisch-deutschen Grenze, auf Befehl Stalins, was sich bei Beginn des Krieges als Fehler erwies, doch im Hinblick auf die Planung eines Angriffskrieges als logisch erschien;

i.) Stalins Rede am 5. März 1941 vor Absolventen der Kriegsakademien, in der er einen Krieg mit Deutschland als unausweichlich bezeichnete, ein Krieg nicht mit Verteidigungs-, sondern Präventivcharakter, auf den man sich bis 1942 vorbereiten müsse;

j.) Am 6. Mai 1941 Stalins Selbsternennung zum Regierungschef, was der öffentlichkeit signalisieren sollte, daß die UdSSR in eine Entscheidungsphase getreten sei.

Zum Beweis seiner These zitiert Zamoiski einen Schlüsselsatz Schukows in dessen Erinnerungen: "Hitler beeilte sich, und nicht ohne Grund…" Schon 1938 habe Stalin beschlossen, ein "gewaltiges Falschspiel" einzufädeln, eine Operation mit "weitreichenden Zielen", in der Absicht, im kommenden Konflikt das "entscheidende" Wort zu sprechen (S. 425 ff. in dem angegebenen Sammelband).

Und die revisionistischen Thesen Hoffmanns? Sie werden von I. W. Pawlowa ausführlich dargelegt, auf Seite 33 zitiert sie: "Stalin schloß den Pakt vom 23. August 1939, um den Krieg in Europa zu entfachen, an dem er nach 17. September 1939 als Aggressor teilnahm… Die militärischen und politischen Vorbereitungen der Roten Armee zum Überfall auf Deutschland erreichten ihren Kulminationspunkt im Frühjahr 1941." Gedruckt im Moskauer Historikerjournal Otetschestwennaja Historija (Vaterländische Geschichte), Nr. 4/1994, S. 29.

In Jelzins Moskau herrscht noch Meinungsfreiheit, eine Revisionistenhatz findet nicht statt. Historikerstreit ja, Historikerverleumdung nein. Glückliches Rußland.

Das unglückliche Deutschland bereitet sich, wenn man Flüsterparolen glauben kann, darauf vor, nach der "Auschwitz-Lüge" mit der "Kriegsschuld-Lüge ein zweites strafwürdiges Gedankenverbrechen einzuführen.


Quelle: Staatsbriefe 7(2-3) (1996), S. 6-11


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