WOLFGANG STRAUSS / FORTSCHREITEN DES REVISIONISMUS UM DEUTSCHLAND HERUM (3)
Totalitäre, despotische Systeme gedeihen bekanntlich auch in der Demokratie - bestimmen höchstrichterlich, ob sich die Erde um die Sonne oder die Sonne um die Erde dreht.
Zar Alexander I. (1801-1825) hatte einen Ukas erlassen, der allen russischen Schulen verbot, die Lehren des Kopernikus und Newton vorzutragen, weil sie der orthodoxen Kirche widersprachen.
In Solschenizyns "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" verkündete ein Häftling seinen Leidensgenossen, wenn die Sonne im Zenit stehe, sei es nicht zwölf, sondern ein Uhr; auf die ungläubige Frage, seit wann das so sei, erklärte er, die Sowjetmacht habe ein Dekret erlassen, wonach die Sonne um eins am höchsten stehe.
In den alten Reichen der Chinesen war es Brauch, am Anfang einer neuen Dynastie die Jahre von neuem zu zahlen.
An der Schwelle zum 21.Jahrhundert hat Nordkorea auf Parteibefehl einen neuen Kalender eingeführt, der im Geburtsjahr des verstorbenen Großen Führers Kim II Sung, 1912, beginnt.
Der Wahn der neuen Zeitrechnung ist aber keineswegs auf asiatische Despotien beschränkt. Dazu bedarf es nur einer Werkstatt (mit dem Auftrag, beispielsweise, eine zweitausendjährige deutsche Geschichte auszuradieren und die neue Zeitrechnung, den demokratischen Kalender mit dem Jahr 1949 beginnen zu lassen). Als "bekannte Fälscherwerkstatt" bezeichnete kürzlich Theo Waigel den WDR in Köln.
Womit der Minister vermutlich nicht einen Beitrag des Professors Hans-Erich Volkmann gemeint haben wird, den dieser in der WDR-nahen Zeitschrift Die Zeit veröffentlicht hatte (Nr. 25, 1997). Danach waren die Verteidiger der Präventivkriegsthese "Geschichtsfälscher" und alle revisionistischen Bemühungen "Geschichtsfälschung". Auch dieser Wahn ist wiederum so neu nicht. Wer Revisionismus betreibt, ist geisteskrank, schizoid, pervers, ein Psychopath mit hysterischen Zügen. Die Pathologisierung des Revisionisten gipfelt im Ruf nach dem Psychiater.
Eine antirevisionistische Musterleistung war die Behandlung des russischen Philosophen Peter Tschaadajew (1794-1856). Nachdem dieser seine in ganz Europa berühmt gewordenen, den orthodoxen Cäsaropapismus dekuvrierenden "Philosophischen Briefe" veröffentlicht hatte, befahl Zar Nikolaj I. dem Moskauer Generalgouverneur, dem Revisionisten täglich einen Irrenarzt zur Behandlung zu schicken.
Als Generalmajor Pjotr Grigorjenko, Inhaber des Lehrstuhls für Kybernetik an der Frunse-Militärakademie, sein revisionistisches Werk "Der sowjetische Zusammenbruch 1941" dem Samisdat übergab, 1967, liegen ihn die bolschewistischen Führer degradieren, aus der Armee ausstoßen und ins Irrenhaus einliefern.
Ein ähnliches Schicksal widerfuhr dem tiefgläubigen, slawophilen Dichter Andrej Sinjawski (1925-1997); sieben Jahre im GULag und in psychiatrischen Folteranstalten. Ein gesunder Revisionist unter kranken Kriminellen. Ein Horrorszenario von Gehimwäsche, Seelenmord, Teufelsaustreibung.
Das vorläufig jüngste Beispiel einer politisch motivierten Pathologisierung von Revisionisten liefert der Fall Andreas Röhler. Für den Angeklagten, Herausgeber der Zeitschrift Sleipnir, ordnete eine Richterin vom Amtsgericht Berlin am 7. Juli 1997 eine psychiatrische Untersuchung an.
Mit ihren Denk-, Sprech- und Druckverboten seien die Nachkriegsdeutschen ein "Herdenvolk" geblieben, urteilte Universitätsprofessor Hans Maier, unter Goppel und Strauß sechzehn Jahre lang Staatsminister für Unterricht und Kultur. Mit Blick auf Ernst Nolte (dessen psychiatrische Untersuchung vorläufig noch nicht beantragt worden ist) erklärte der politologische Kultur- und Religionshistoriker Maier:
"Im Verhalten vieler deutscher Intellektueller zu einem Wissenschaftler wie Nolte zeigen sich die miserabelsten Eigenschaften der Deutschen, nämlich ihre Intoleranz, ihre Unduldsamkeit gegenüber einem vielleicht lästiger Andersdenkenden."[1] Ernst Nolte lebt im weiten Berlin. Ob Maiers Blick auch einmal auf die Staatsbriefe im nahen München fällt?
In Sinjawskijs "Eine Stimme im Chor" liest man: "Das verstehe ich nicht", sagte der Offizier zu den Gefangenen im GULag, die ihn auf die Deklaration der Menschenrechte ansprachen, "das ist nicht für euch, das ist nur für die Neger."
Revisionismus, das ist nicht für die Deutschen, sagen unsere Fouchés, die Ankläger der Nolte, Röhler, Sander. Daß die Kriegsschuldfrage immer noch offen, die Präventivkriegsthese immer noch diskutabel ist, weil das Verbrecherische der Stalinschen Genozidpolitik im Krieg wie im Frieden längst noch nicht ausgelotet worden ist, spiegelt sich in der Flut revisionistischer Schriften in Rußland, in Osteuropa generell.
Was vor acht Jahren der inzwischen verstorbene Kriegshistoriker Dimitrij Wolkogonow über die historisch einmalige Erbarmungslosigkeit Stalins gegenüber den eigenen Soldaten publiziert hatte, ist heute offizielle Lesart bei der von Jelzin 1995 ins Leben gerufenen Kommission für Rehabilitierung der Opfer politischer Repression. So haben die Militärtribunale der Sowjetarmee allein in den Jahren 1941 bis 1945 ca. eine Million Gerichtsverfahren gegen die eigenen Soldaten angestrengt und 157 000 Todesurteile vollstreckt. 157 000 Exekutierte, nach sowjetischen Maßstäben sind das rund 20 Divisionen oder sechs Armeen. Zwischen 1942 und 1947 wurden ca.70 000 deutsche Kriegsgefangene entweder zu langjähriger Zwangsarbeit oder zum Tode durch Erschießen bzw. Erhängung verurteilt[2].
Mit immer neuen Terrorzahlen warten russische Revisionisten auf; dabei stehen Erforschung und Aufarbeitung all der Zahlenkolonnen aus Sonderarchiven erst am Anfang, eine Herkulesarbeit im Labyrinth der Geheimarchive von ZK, Politbüro, Armee, Geheimpolizei, GULag, Innenministerium.
In Workuta, dem nördlichsten Kohlenrevier Rußlands, entsteht gerade ein unterirdisches "Museum des Bergmanns", gewidmet den drei Millionen Gefangenen, die seit den vierziger Jahren hier Zwangsarbeit leisten mußten, darunter nicht nur Angehörige der Völker der UdSSR, sondern auch Deutsche, Polen, Slowaken, Rumänen, Finnen. Die meisten jener, die in der Tundra Schächte in den ewig gefrorenen Boden trieben und Anthrazitkohle mit nackten Händen förderten, überlebten nicht die Eishölle.[3]
Über den GULag sind inzwischen ca. 10 000 Bücher erschienen, in Rußland ebenso wie in den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR. Memoiren, Tagebücher, Sterbelisten, wissenschaftliche Untersuchungen. Von Wolkogonow stammen relativ exakte Angaben über das Verschwinden von Millionen ehemaliger Rotarmisten im GULag (Kriegsgefangene, Heimkehrer, Deserteure[4].
In diesem terroristischen Wirtschaftstrust waren Arbeit und Tod Synonyme. Die KZs des GULag waren keine "Arbeitstraferziehungslager", wie es offiziell hielt; es waren Statten der gezielten Massenvernichtung durch Zwangsarbeit. Das Massensterben war eingeplant, es wurde von Technokraten des Todes generalstabsmäßig herbeigeführt. Es gab Arbeitsvernichtungslager für Männer, Heranwachsende, Frauen ohne Kinder, Frauen mit Kindern, für 10- bis 15jährige, Invaliden, Greise. Förderung von Kohle, Nickel, Uran, Kupfer, Eisenbahn- und Straßenbau - ganze Industriezweige, technische Großprojekte und Städte entstanden buchstäblich auf den Knochen der Lagersklaven, im Gleichklang von Terror, Hunger, Arbeit und Tod. Und das lange noch nach dem Großen Vaterländischen Krieg. Leben und Arbeitskraft waren nichts wert, es gab ja Millionen. Starb ein Sklavenlager weg, wurde es wieder aufgefüllt. Erschießungen waren an der Tagesordnung, den Toten wurde der Schädel eingeschlagen, bevor man sie ins Massengrab kippte.[5]
Schon die Verurteilung zu 15 oder 25 Jahren Sklavenarbeit bedeutete meistens ein Todesurteil. Die Schätzungen über die Zahl der Zwangsarbeiter in den Jahren 1936 bis 1954 schwanken zwischen 30 und 40 Millionen, ca. ein Viertel der SU-Bevölkerung in Stalins Todesjahr 1953. Die Zahl der Ermordeten - getötet durch Hunger, Kälte, Arbeit, Seuchen, Kannibalismus, Exekutionen, Folterungen - belaubt sich auf mindestens 15 Millionen, aber diese Zahl dokumentiert nur einen unteren Stand, da wichtige Geheimarchive des früheren Innenministeriums NKWD noch nicht voll ständig aufgearbeitet sind.
Die Frage nach der Etablierung einer neuen Monarchie beginnt heute immer mit der Frage nach den Totengräbern der alten Monarchie im Februar und März 1917. Neueste Forschungen der Revisionisten beantworten diese Frage mit einer makabren Erkenntnis: die Romanows selbst gruben sich, ihrer Dynastie und letztlich auch Rußland das Grab, durch jene Eigenschaften, die den letzten Zaren auszeichneten: persönliche Unentschlossenheit und Wankelmütigkeit, politische Kurzsichtigkeit, schwankenden Geist, fehlenden Willen zur Macht, auch Gefühllosigkeit, Gleichgültigkeit, Arroganz.
Bürgerkriege, Revolutionen und 74 Jahre Bolschewismus waren dem russischen Volk erspart geblieben, hätte Rußland in jenen schicksalhaften Tagen einen petrinischen (oder friderizianischen) Monarchen an der Spitze gehabt. Zu diesem Resultat gelangt in einem brillanten Essay der Historiker Genrich Joffe[6]. In den deutschen Medien wurde dieser wegweisende Beitrag weder notiert noch kommentiert. Als erstes Organ in Westeuropa publizieren die Staatsbriefe die Hauptthesen des Revisionisten Genrich Joffe:
Am 2. März 1917 verzichtete Nikolaj II. zugunsten seines Bruders Michail Alexandrowitsch (1878-1918). 24 Stunden später verzichtete auch dieser auf den Thron, obgleich die führenden Vertreter der neuen bürgerlich-liberalen Macht den Grobfürsten gedrängt hatten, die Nachfolge unbedingt anzutreten. Zwölf einflußreiche Köpfe der eben gebildeten Provisorischen Regierung, unter ihnen Kerenskij, appellierten in einem mehrstündigen, leidenschaftlichen Gespräch an das "patriotische Verantwortungsgefühl, den patriotischen Mut" des Unschlüssigen. Man sicherte ihm nicht nur die vollste Unterstützung der Staatsduma und der neuen Regierung zu, man war sogar bereit, den neuen Kaiser als "nationalen Führer Rußlands" anzuerkennen und ihm mehr Vollmachten zu geben, als eine konstitutionelle Monarchie dies gestattet. Kein Geringerer als der Erzliberale Pawel Miljukow (1859-1943), Führer der Kadettenpartei, Mitglied der Dritten und Vierten Staatsduma und ab März Außenminister der Provisorischen Regierung, ein Zarenhasser, beschwor den Großfürsten, den Thron zu besteigen und den "Lebensfaden der Romanows" nicht abreißen zu lassen, da, so Miljukow, die "neue Macht ohne einen Monarchen einem leckgeschlagenen Schiff gleicht, das im Ozean einer aufgewühlten Volksstimmung untergehen muß." Michail zauderte immer noch. Persönlich ein tapferer Charakter, Frontoffizier mit schweren Verwundungen, beliebt im jüngeren Offizierskorps, zuletzt Generalinspekteur der Kavallerie, war Michail alles andere als ein Staatsmann. An diesem Schicksalstag befand er sich in schlechter physischer Verfassung - infolge blutender Kehlkopfverletzung konnte er kaum sprechen. Michail begriff nicht die Bedeutung der Stunde, oder er fürchtete die von ihm verlangte Entscheidung, ein klares Ja oder Nein, statt dessen flüchtete er in eine Bedingung, die rein theoretischer Natur war: nur dann, wenn eine verfassungsgebende Versammlung ("Konstituante") für die Monarchie stimmen sollte, wäre er zur Thronübernahme bereit.
Zu spät. In Rußland stand es bereits fünf Minuten nach Zwölf. "Nicht die Abdankung Nikolajs II., sondern erst der Verzicht Michails auf den Thron bis zu einer Entscheidung der Konstituante zerstörte faktisch die Monarchie in Rußlands, schreibt Genrich Joffe. "Indem er sich der Macht verweigerte, zerriß Michail das gesetzmäßige Glied der Nachfolgeschaft Nach dem Scheitern des Kornilow-Putsches am 1. September 1917 proklamierte die Provisorische Regierung die Republik, ohne die Weichenstellung der Verfassungsgebenden Versammlung abzuwarten. Und bald darauf ergriff der bolschewistische Oktober die Macht." Was geschehen wäre, wenn Großfürst Michail den Plan Miljukows angenommen und den Thron bestiegen hatte, gehöhre ins Reich der Spekulationen, meint der Historiker Joffe. "Wir wissen nur, was tatsächlich geschehen ist, nachdem Michail abgelehnt hatte - das Hineinschlittern Rußlands in revolutionäre Anarchie, in den bolschewistischen Umsturz, den Bürgerkrieg, und zu den Folgen gehörten auch die Ermordung der Zarenfamilie " Liquidiert wurde Großfürst Michail Alexandrowitsch im Juni 1918, in einem Wald bei Perm. Hingerichtet mit mehreren Schüssen aus einem Browning. Die Namen der Mörder konnten russische Revisionisten ermitteln: die TschekaKommissare Mjasnikow, Schuschgow, Markow. Ausnahmsweise nur Russen.
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Kaum mehr zu überschauen ist die Flut revisionistischer Veröffentlichungen in der Ukraine. Eine Chronologie des alltäglichen oder gewöhnlichen Revisionismus wurde Bande füllen. Warum in Nürnberg alle Versuche des sowjetischen Chefanklägers Rudenko scheiterten, die Ukrainische Aufständischen Armee (UPA) mit ihren exilierten oder noch im Untergrund tätigen Führern auf die Anklagebank zu setzen, dokumentiert der Schriftsteller und Historiker Iwan Grischin-Grischtschuk.[7]
Ganze Zeitschriftenserien und ca.25 Buchneuerscheinungen enthüllten im Frühjahr heuer die Bestialitäten bei der Heimatvertreibung von 430 000 Ukrainern aus den westlichen Gebieten Wolhyniens und Galiziens zwischen 1944 und 1947, die sogenannte Aktion Weichsel. Gleich nach dem Einmarsch der Stalinarmee wurden die Ukrainer aus dem Südosten des kommunistischen Polen kollektiv enteignet, verboten wurde ihnen, ihre Muttersprache zu benutzen. Außgelöst wurde die unierte (griechisch-katholische) Kirche, wie schon zuvor in der UdSSR.
In Polen übernahm die römisch-katholische Kirche den Besitz der Unierten. Ukrainophobie blieb bis heute eine raison d´être von Nachkriegspolen, trotz gemeinsamer Nato-Manöver unter amerikanischem Schirm. Im Mai 1947 begann die Massendeportation, die Zwangsumsiedler kamen nach Schlesien, Pommern, Ostpreußen, wo zuvor die Deutschen vertrieben worden waren. Heimatvertriebene am noch warmen Herd von Heimatvertriebenen einer anderen Nation. Polnische Ethnozidlösung.
In einer Fünfteiligen Serie beschreibt Geschichtsprofessor Wolodymyr Sergitschuk, Kiewer Schewtschenko-Universität, die Greuel im polnischen Todeslager Jaworzno, unweit von Kattowitz, errichtet 1946 in einer ehemaligen Außenstelle des KZ Auschwitz.[8]
Im alten Auschwitz hatten auch Ukrainer gelitten, Nationalisten; was sie im neuen Auschwitz erleben mußten, überstieg alle Horrorphantasien eines Vernichtungslagerhäftlings. So Wolodymyr Sergitschuk anhand der Zeugenaussagen von Überlebenden des polnischen Auschwitz.
Publikationen russischer wie ukrainischer Revisionisten widerlegen auch eine der Kernthesen der Anti-WehrmachtAusstellung, wonach der Partisanenkrieg erst durch die "Verbrechen der Wehrmacht" aufgeflammt sei. Das Gegenteil trifft zu. Partisanenkrieg war nicht von der slawischen Bevölkerung, sondern von Stalin gewollt, als eine Strategie des Vernichtungsprozesses gegen ein fremdes Volk, das deutsche und gegen das eigene Volk, das zu einem nicht unerheblichen Teil die Eroberer als Befreier begrüßt hatte, wie Solschenizyn bezeugt.[9]
Der diesbezügliche Stalin-Ukas Nr.0428 stammt vom 17. November 1941, also zu einem Zeitpunkt, da russische und ukrainische Bauern nicht aufgehört hatten, deutsche Soldaten mit Brot und Salz und dem Kreuzeszeichen zu empfangen. Der Stalin-Ukas ist im Nationalarchiv Washington unter der Kennzeichnung "Archiv Serie 429, Rolle 461, Generalstab des Heeres, Abteilung Fremde Heere 0st, II H 3/70 Fr. 6439568" gelagert. Stalin am 17. November 1941:
"Die Stawka des Obersten Befehlshabers befiehlt: 1. Alle Siedlungspunkte, an denen sich deutsche Truppen befinden, sind bis auf 40 bis 60 Kilometer ab der Hauptkampflinie in die Tiefe zu zerstören und in Brand zu setzen, 20 bis 30 Kilometer nach rechts und links von den Wegen. Zur Vernichtung der Siedlungspunkte in dem angegebenen Radius ist die Luftwaffe hinzuzuziehen, sind Artillerie- und Granatwerfer großflächig zu nutzen, ebenso die Kommandos der Aufklärung, Skiläufer und Partisanen-Divisionsgruppen, die mit Brennstoff-Flaschen ausgerüstet sind. Die Jagdkommandos sollen, überwiegend aus Beutebeständen in Uniformen des deutschen Heeres und der Waffen-SS eingekleidet, die Vernichtungsaktionen ausführen. Das schürt den Haß auf die faschistischen Besatzer und erleichtert die Anwerbung von Partisanen im Hinterland der Faschisten. Es ist darauf zu achten, daß Überlebende zurückbleiben, die über ,deutsche Greueltaten' berichten können. 2. Zu diesem Zweck sind in jedem Regiment Jagdkommandos zu bilden in Stärke von 20 bis 30 Mann, mit der Aufgabe, Sprengung und Inbrandsetzung der Siedlungspunkte durchzuführen. Es müssen mutige Kampfer für diese Aktionen der Vernichtung von Siedlungspunkten ausgewählt werden. Besonders jene, die hinter den deutschen Linien in gegnerischen Uniformen Siedlungspunkte vernichten, sind zu Ordensverleihungen vorzuschlagen. In der Bevölkerung ist zu verbreiten, daß die Deutschen die Dörfer und Ortschaften in Brand setzen, um die Partisanen zu bestrafen."[10]
Den Charakter des Stalinschen Vernichtungskrieges bestätigen heute auch Kriegshistoriker, die nicht als Revisionisten gelten. In seinem Werk "Die Deutsche Armee. Geschichte der Wehrmacht 1935-1945" bezeichnet der Franzose Philipp Masson die Wehrmacht als "beste Kampftruppe der Welt" (was nicht nur waffentechnisch oder militärstrategisch gemeint ist), während Stalins Soldaten sich in unvorstellbarem Maße zu Mord, Vergewaltigungen, Plünderungen hinreißen ließen - die Rote Armee eine entfesselte Soldateska.[11]
Nach Nomman M. Naimark (Stanford-Historiker) versank Stalins Eroberungsammee nach dem Überschreiten von Weichsel und Oder in einer barbarischen Siegesorgie von Raub, Frauenschändung, Mord.[12]
Attribute, die von russischen Nationalhistorikern den Mongolenheeren des 13. Jahrhunderts zugeschrieben werden.
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In Italien zerstörte der Revisionismus den Resistenza-Mythos und damit das Antifa-Monopol über die italienische Geschichte.
Im Zusammenhang mit dem Priepke-Prozeß entschied am 28.Juni der römische Untersuchungsrichter Maurizio Pacioni, die Ermittlungen der Justiz über den heimtückischen Bombenanschlag kommunistischer Partisanen in der Via Rasella nicht abzuschließen. Damals waren 33 Südtiroler Soldaten und zwei italienische Zivilisten ermordet worden. Der Bruder eines der italienischen Attentatsopfer hatte Anzeige erstattet und mit Hinweis auf einen "illegitimen Kriegsakt" die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die Attentäter verlangt. Daß nach Meinung vieler Italiener der Partisanen Anschlag als ein nicht verjährtes Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu werten ist, berichteten übereinstimmend aus Rom Die Welt und die FAZ (24. Juli).
Unitá, ehemals Organ der KP Italiens, deckte alliierte Verbrechen während der Kämpfe um das Kloster Monte Cassino auf. Es geht um die Massenvergewaltigung italienischer Frauen durch marokkanische Söldner. Unita, heute den Linksliberalen nahestehend, forderte die Anerkennung des Kriegsopfer-Status für die Frauen der Kampfzone Cassino.
Monica Luongo konstatiert: "Die Vergewaltigungen von 1944 sind ein Verbrechen gegen die Menschheit. Der Militärsoziologe Fabrizio Battistelli meint, daß es Indizien für eine gerichtliche Anklage gegen die französische Regierung gibt, die die marokkanischen Truppen einberief Drei Tage lang plünderten die Marokkaner (der Einheiten ,Guons' unter dem Kommando des Generals Alfonse Juin). Vor allem vergewaltigten sie Frauen; elf bis 86 Jahre alt. Viele Frauen starben oder wurden wahnsinnig, und fast alle zogen sich Geschlechtskrankheiten zu, von denen die Marokkaner befallen waren."
Rom-Korrespondent Heinz-Joachim Fischer ergänzt: "Es hieß damals sogar, so der angesehene Militärsoziologe Battistelli, in dem Einberufungsvertrag für die Marokkaner seien Plünderung und Vergewaltigung vorgesehen gewesen oder als Prämie für die Überwindung der strategisch wichtigen deutschen Gustav-Linie ausgesetzt worden."[13]
Eine "vergleichende Genozidforschung" - gleichbedeutend mit Historisierung des Nationalsozialismus - verlangt der amerikanische Historiker Christopher Browning, ein internationales Ass in der Holocoust-Forschung. Man könne "vergleichende Geschichte" nicht mit einem Tabu belegen, man dürfe als Wissenschaftler nicht davor zurückschrecken, den Holocoust in einem "vergleichenden Rahmen" zu untersuchen, argumentiert Browning, auch wenn einem vorgeworfen werde, man versuche, den Holocoust zu relativieren, zu minimalisieren oder herunterzuspielen. Wahrheitsfindung in der Geschichte könne nur auf "vergleichender Basis"[14]
Für die Osteuropäer war der GULagismus der extremste Genozid in ihrer bisherigen Geschichte. Die Effizienz, die Planung, die Grausamkeit fand man sonst nirgendwo. Das sind, aus der Sicht der Völker in der untergegangenen UdSSR, die Faktoren, die am GULag einzigartig waren, die ihn zum schlimmsten Fall des Völkermordes überhaupt machten.
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Bruchstückhaft sickert Revisionistisches auch in die Spalten revisionismusfeindlicher deutscher Gazetten. Bei der zwischen Berlin und Moskau 1940 vereinbarten Umsiedlung der Bukowina-Deutschen seien auch Juden aus Czernowitz nach Deutschland gelangt, recherchierte Johann Georg Reißmüller für eine Reportage in der FAZ (8.Juli 1997).
In einer Buchbesprechung zum Thema Völkermord im 20.Jahrhundert (Yves Ternon: "Der verbrecherische Staat") gelangt Jörg Friedrich zu der kaum haltbaren Erkenntnis, daß der moderne Genozid "jenseits des Holocausts" in der bundesrepublikanischen Geschichtsforschung überhaupt nicht vorkommt. "Der Genozid ist für den heimischen Leser inexistent", schreibt Friedrich. "Infolgedessen ist auch der Holocaust nicht von dieser Welt. Er ist in einer germanophoben Seelenlandschaft verschottet. Die Untat wird angesiedelt in einem exterritorialen Loch dämonischer Idioten. Hingegeben ihrem obsessiven, sinnverlassenen Trachten, getrennt von jeder Verbindung zur zeitgenössischen Gesellschaft."[15]
Im eingangs zitierten Maier-Interview sagt der bayerische Ex-Kultusminister, das Schlimmste sei der "Denkzwang" ein anderes Wort für der Revisionismusfeinde. "Manchmal finde ich im Ausland bei Franzosen, Italienern und Polen nur ein Kopfschütteln über die Deutschen". Darum freue er sich, so Hans Maier, "daß von Italien und Frankreich her ein wirklich zu Unrecht stigmatisierter Forscher und Denker wie Ernst Nolte nun wieder glänzend rehabilitiert wird."[16]
Rehabilitiert jedoch nicht nur von Franzosen und Italienern, von Deutschen wie Hoffmann, Post, Topitsch, Maser, Markus Wehner, von Autoren der Staatsbriefe und des Sleipnir, rehabilitiert vor allem von russischen Revisionisten, von Um- und Querdenkern wie Solschenizyn, Schafarewitsch, Iwanow, Sokolow, Suworow, denen es gelungen ist, in die Kriegsursachenforschung eine fundamental neue Erkenntnis einzubringen: daß die Sowjetarmee im "sowjetisch-deutschen Krieg" (Solschenizyn) die Armee einer Diktatur, einer Despotie, eines Genozidregimes war, objektiv das Instrument Stalins zur Erweiterung des GULag-Systems, insofern das Instrument eines Angriffskrieges gegen Völker, Rassen, Klassen, Religionen, Kulturen. Die Armee eines ideologisch bedingten Imperialismus. Diese Erkenntnis schmälert nicht den Opfermut, die Tapferkeit und Hingabebereitschaft jener Russen, die im "großen Vaterländischen Krieg" unter Stalins Fahne kämpften, weil sie im äußeren Feind den gefährlicheren sahen.
Im Notizbuch des Johannes Groß liest man: "Es ist mißlich, wenn eine Herrschaft, eine Gesellschaftsverfassung dazu einlädt, beinahe alles in Frage zu stellen, Tabus zu brechen, und nur sich selber ausnehmen, sich selber für unangreifbar erklären will."[17] An wen wohl wird Johannes Groß dabei gedacht haben? An die Minister Beckstein, Kanther, Kniola, an die anonymen Verfasser diverser Verfassungsschutzromane, an eine gewisse Richterin am Amtsgericht Berlin, an die Verfolger von Staatsbriefe und Sleipnir, an einen Professor Hans-Erich Volksmann, der die Präventivkriegsthese durch einen Zeit-Artikel widerlegt haben will (s. Staatsbrief 6/1997, s.17)?
Sich für unangreifbar zu erklären, die eigene Ideologie von jeglicher Revision auszunehmen, heißt, aus der Geschichte auszusteigen, heißt, dem Beispiel der unbesiegbaren Sowjetunion zu folgen. Guillotiniert würde sie im heißen August einundneunzig, aber das Fallbeil der Geschichte befindet sich noch nicht im Museum.
Kürzlich predigte Kardinal Joseph Ratzinger in seinem Geburtsort Marktl wider den "Rausch des Nationalismus". Predigte er damit wider den Rausch nationaler Wiedergeburt? Was ist der moderne Befreiungsnationalismus anderes als metaphysische Wiederauferstehung eines ethnischen Kollektivs, dessen Auszug aus Babylonischer Gefangenschaft? Ein Christ, gleich welcher Kirche, mußte das Arkanum ahnen. Der von Ratzinger angeprangerte "Rausch des Nationalismus" ist das Geheimnis des Revisionismus; er verwandelt sich in eine Lebenshaltung, einen Wertekodex, eine Erlösungshoffnung.
Als nach der Russischen Augustrevolution von 1991 eine junge Abtissin nach Samara - in der bolschewistischen Ära "Kujbyschew" - geschickt wurde, fand sie gerade ein Dutzend Nonnen vor. Heute sind es Hunderte im Kloster der Muttergottes von Iwerien, und der Zustrom hält an. Die Jüngste ist sechzehn. "Die junge Generation sucht ihren russischen Gott", sagt Johanna. Siebenhundert Nonnen lebten 1917 im Samara-Kloster. 1918 ertränkten die Bolschewiki die Frauen in der Wolga. Die Abtissin vergleicht die Finsternis des Bolschewismus mit der mongolischen Schreckensherrschaft im 13.Jahrhundert. 1997 ist Samara zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt, im Rausch des russischen Nationalismus und russischen Christentums: kein Dekolleté, keine aufgeknöpfte Soldatenbrust ohne Kreuz. Bei der Bürgermeisterwahl in der Wolga-Stadt Samara, Juli 1997, siegte Grigorij Limanskij, ein Gefolgsmann Lebeds.
Der Antichrist aber ist nicht gewichen; nach den Tataren und den Bolschewiken trägt der neu-alte Feind ein westliches Gesicht, was erklärt, daß das revisionistische Rußland im katharsischen Kampf mit dem atheistischen Liberalismus samt seinen geistigen und politischen Grundlagen steht. Ein apokalyptisches Szenario.
Rußlands Neu-Intelligenzija - Nationalkommunisten, Slawophile, Monarchisten, Liberale -fordern, im Blick auf den 80.Jahrestag des Leninschen Oktoberputsches, ein Versöhnungsmal der im Bürgerkrieg Gefallenen und Ermordeten, für "Rote" und "Weiße", ein Nationalsymbol nach spanischem Vorbild.
Im Valle de los Caidos (Tal der Gefallenen), nördlich von Madrid, entstand unter Franco das Nationaldenkmal für den Bürgerkrieg, und hier wurde der Caudillo in einer unterirdischen Basilika begraben. Für Franco gab es nur einen Tapferen - den Spanier, gleich auf welcher Seite. Franco starb 1975, seine Gedenktage - 17. April ("Tag der Vereinigung"), 29. Oktober ("Tag der Gefallenen") wurden aus dem Kalender der sozialistischen Nachfolgeregierungen nicht gestrichen, und keine Verfassungsschützer treten mit Gummiknüppeln in Aktion, wenn die alten Falangegarden den gestreckten Arm zum Gruß heben und ihre Hymne singen. "Cara al Sol" "Im Angesicht der Sonne".
Wie überhaupt der Faschismus, nach Seymour Martin Lipset ein "Populismus der unteren Schichten", keineswegs der Vergangenheit angehört. Sein Wiedererscheinen im verkapitalisierten Osteuropa steht unter günstigen Vorzeichen, will man Analysten aus Prag, Budapest, Bukarest, Moskau Glauben schenken.
War der welthistorische Umbruch von 1989/90 eine Revolution gegen den Kommunismus und für den Kapitalismus? Der Tscheche Thomas Nowotny und der Rumäne Vladimir Tismaneanu verneinen das. Beide veröffenlichten ihre Prognosen in wissenschaftlichen Blättern diverser US-Universitäten.[18] Die Revolution gegen den marxistisch-leninistischen Staatskapitalismus ("Hungerkapitalismus") sei zugleich, von der Idee her, eine Kampfansage an den westlichen, das heißt liberalistischen Multikapitalismus gewesen, mit dem Resultat, daß die Entwicklung im nachbolschewistischen Osteuropa intensivst von "gegenaufklärerischen", "autoritären", "antiliberalen", "korporatistischen", "theokratischen", "populistischen", ja sogar faschistischen Gedanken durchsetzt und vorangetrieben werde. Sollte sich der Neoli-beratismus Tages nicht mehr behaupten können, schreibt Tismaneanu, würde nicht nur ein neuer Peron auf der Bühne erscheinen, sondern auch die ganze Palette jener Messiasse, die als antikapitalistische Volkstribüne "im Europa der dreißiger Jahre die Herrschaft hatten", von Mussolini und Rivera bis Doriot und Codreanu.
Daß der Neoliberalismus zum Haßobjekt Nummer eins im wieder verkolonialisierten Osteuropa geworden sei, behauptet der prominente Soziologe und Chefredakteur der Pariser Wochenzeitschrift Marianne, Jean-François Kahn. Einen Absturz des "weltweit herrschenden Pankapitalismus" prophezeit dieser Franzose, die Widerlegung einer "perversen pankapitalistischen Logik", eine Niederlage der "neoliberalen Barbarei". Hinter der dünnen Fassade von "Leistung" und "Effzienz" sieht der Soziologe Kahn nur absurdes: die manchesterkapitalistische Ideologie eines "Marktes um des Marktes willen", die nur noch den Profit kennt, abgekoppelt vom Sozialen und darum gegen die "arbeitenden, kreativen Menschen" gerichtet, was nach Kahn eine Verarmung breitester Schichten hervorbringt und ganze Völker verkolonialisiert.[19] Laut Jean-François Kahn zerstört der "Pankapitalismus" (amerikanischen Ursprungs) auch die gesamte Lebenswelt der Nationen (Kultur, Zivilisation, Religion), macht die Ethnien zu Opfern einer erbarmungslosen materialistischen Kommerzialisierung - dem sozialen Genozid folgt der seelische Genozid.
Die Kapitalismuskritik dieses Franzosen unterscheidet sich kaum von der Liberalismuskritik der Russen. Nach Nowotny konnte sich in Osteuropa, wie einst in Südamerika, vor allem in der Arbeiterschicht ein militanter Antiamerikanismus ("Antiyankeeism") breitmachen, beschleunigt durch das wachsende Gefälle zwischen Arm und Reich; Nowotny spricht von einer "Lateinamerikanisierung'' Osteuropas, wobei er wiederholt den Namen Peron nennt. Der Tscheche beobachtet in Osteuropa eine wachsende Empfänglichkeit für einen "starken Mann", gleichbedeutend mit einer charismatischen, messianischen Diktaturin der Gestalt eines sozialen und nationalen "Erlösers".
Beinhaltet der von Osteuropa ausgehende weltanschauliche Revisionismus eine Rehabilitierung des "faschistischen Modells"? Vor 35 Jahren war es der Doyen der nordamerikanischen Soziologie, Seymour Martin Lipset, der auf diese Möglichkeit hinwies, in einer Untersuchung über eine "neue nachkapitalistische Gesellschaftsordnung". Lipset sah sie im lateinamerikanischen Peronismus wie im europäischen Faschismus angelegt[20].
Der Harvard-Professor definiert den Peronismus als eien "Faschismus der unteren Schichten", revolutionär und proletarisch in Inhalt und Tendenz, daher konterkonsenativ, der sich vom Kommunismus allein dadurch unterscheidet, daß er nicht internationalistisch, sondern nationalistisch ist. Faschismus dieser Art sei das Werk nationalistischer Offiziere, so Lipset, die versuchen wurden, eine lebensfähigere, sozial gerechte Gesellschaft zu schaffen, indem sie die privilegierten korrupten Klassen "vernichten", also jene Kapitaloligarchie, die für die "Armut der Massen und Pur eine demoralisierte, unterbezahlte Armee" verantwortlich sei.
So Seymour Martin Lipset im Jahre 1962. Zu einem Zeitpunkt, da die Weltöffentlichkeit mit der unbegrenzten Fortdauer der Sowjetunion rechnete, da die Namen Alexander Lebed und Alexander Ruzkoj noch nicht aufgetaucht waren.
An anderer Stelle nennt der amerikanische Soziologe die Arbeiter die "wichtigste Stütze" faschistischer Bewegungen der dreißiger und vierziger Jahre, und er charakterisiert den "Extremismus der Arbeiterklasse" als ein immanentes Wesen von revolutionärem Sozialismus, Anarchismus und Faschismus. Man dürfe nicht übersehen, meint Lipset, daß eine "Linksbewegung", die sich auf die Arbeiterklasse stütze und auf sie ausgerichtet sei, "auch nationalistisch sein kann." Prophezeit dreißig Jahre vor dem Aufstieg Lebeds.
Besteht darin, bezogen auf Osteuropa, die Zukunft eines faschistischen "Populismus der unteren Schichten"? Die Frage muß diskutiert werden, ohne Ideologie-Scheuklappen und verfassungsschützerische Denkverbote. Vor unseren Augen vollzieht sich eine neue Wende, in Rußland, der Ukraine, aber vor allem in Ungarn, wo der "Pankapitalismus" den Großteil des Volkes in einen nie gekannten menschlichen, sozialen Abgrund gestürzt hat. Jeder vierte der zehn Millionen Ungarn lebt in unbeschreiblicher Armut, als Obdachloser, Arbeitsloser, Bettler, als namenloses Hungeropfer.[21]
Wirtschaftlich gesehen zahlen die meisten Ungarn zu den Verlierern ihrer Befreiungsrevolution von 1990. Der importierte Neoliberalismus treibt die Ungarn in kollektiven Suizid; 1976 waren in Ungarn noch 190 000 geboren worden, zwanzig Jahre später sind es nur noch 90 000 - die niedrigste Geburtenzahl seit dem Zweiten Weltkrieg.
Auf die Verlierer setzt eine Peranistische beziehungsweise faschistische Opposition, so die seit den zwanziger Jahren traditionell antiliberalistische Kleinlandwirtepartei (die in Umfragen heute gleichauf mit den gewendeten Sozialisten liegt) und die 1991 gegründete Bewegung "Ungarische Wahrheit, ungarisches Leben". Diesen Gruppierungen gehört heute die Strafe, und die, die auf der Straße sitzen, sind ihre Anhänger. Das ungarische Volksproletariat.
Anmerkungen