Die ungarische Jüdin Olga Lengyel gehört zu den am häufigsten genannten mediatischen Zeugen von Auschwitz; in Raul Hilbergs Standardwerk wird ihr Erlebnisbericht Five Chimneys mehrfach zitiert (1). Ebenso wie ihr Gatte Miklos Lengyel übte Olga Lengyel im - damals zu Ungarn gehörenden - Cluj/Klausenburg den Ärzteberuf aus. In der ersten Maiwoche des Jahres 1944 wurde Miklos Lengyel, der bis zu jenem Zeitpunkt keinerlei ernstliche Scherereien wegen seiner Abstammung und Religion gehabt hatte, auf den Polizeiposten zitiert; ihm wurde eröffnet, er müsse sich für die Abreise nach Deutschland bereitmachen. Seine Gattin folgte ihm freiwillig. Einige Tage später trafen die beiden Deportierten in Auschwitz ein. Olga Lengyel erlebte den Ausrottungsprozess in Birkenau mit und schreibt darüber folgendes (2):
Von den vier Birkenauer Krematorien waren zwei riesenhaft und bewältigten ungeheure Zahlen von Leichen. Die beiden anderen waren kleiner Jedes Krematorium wies einen Ofen, eine mächtige Halle sowie eine Gaskammer auf.
Aus jedem Krematorium ragte ein hoher Kamin empor, der gewöhnlich von neun Feuern gespeist wurde. Die vier Öfen von Birkenau wurden von insgesamt 30 Feuern unterhalten. Jeder Ofen war mit grossen Öffnungen versehen. Dies heisst, es gab 120 Öffnungen; in jede davon gingen drei Leichen zugleich, was bedeutet, das sie 360 Leichen pro Operation vernichten konnten. Dies war aber bloss der Anfang des nazistischen «Produktionsprogramms».
360 Leichen pro halbe Stunde - denn länger dauerte es nicht, menschliches Fleisch in Asche zu verwandeln - bedeutete 720 Leichen pro Stunde oder 1T280 Leichen innert 24 Stunden. Mit mörderischer Effizienz funktionierten die Öfen Tag und Nacht.
Man muss aber auch die Todesgräben einkalkulieren, die weitere 8000 Leichen täglich bewältigen konnten. Über den Daumen gepeilt wurden 24'000 Leichen pro Tag kremiert. Ein bewundernswerter Produktionsrekord - einer, der für die Qualität der deutschen Industrie spricht.
Während meines Lageraufenthalts erhielt ich einen äusserst detaillierten statistischen Bericht über die Zahl der 1942 und 1943 in Auschwitz-Birkenau eingetroffenen Konvois. Heute kennen die Alliierten die genaue Zahl der Ankünfte, weil diese Ziffern bei den Kriegsverbrecherprozessen oftmals bestätigt wurden. Ich begnüge mich mit ein paar Beispielen.
Im Februar 1943 trafen Tag für Tag zwei oder drei Züge in Birkenau ein. Jeder war 30 bis 50 Wagen lang. Diese Züge enthielten eine grosse Zahl von Juden, aber auch viele andere Gegner des Naziregimes - Polithäftlinge aller Nationalitäten, gewöhnliche Kriminelle, und eine erhebliche Zahl russischer Kriegsgefangener Die absolute Spezialität Birkenaus war aber die Ausrottung der europäischen Juden, des laut der Nazidoktrin unerwünschten Elements schlechthin. Hunderttausende von Israeliten wurden in den Krematoriumsöfen verbrannt.
Manchmal waren die Öfen so überlastet, dass sie nicht einmal bei einem Vierundzwanzigstundenbetrieb zur Erledigung der Arbeit ausreichten. Dann mussten die Deutschen die Leichen in den «Todesgruben» verbrennen. Bei diesen handelte es sich um etwa 60 Yard lange und 4 Yard breite Gräben. Sie wiesen ein sinnreiches System von Rinnen zum Sammeln des Menschenfetts auf.
Zu gewissen Zeiten trafen die Züge in noch grösserer Zahl ein. 1943 wurden 47'000 griechische Juden nach Birkenau gebracht. 39'000 wurden auf der Stelle hingerichtet. Die anderen wurden interniert, starben aber wie die Fliegen, da sie nicht fähig waren, sich ans Klima zu gewöhnen. Griechen und Italiener widerstanden der Kälte und den Entbehrungen am schlechtesten, wahrscheinlich weil sie am wenigsten gut genährt waren. 1944 kamen dann die ungarischen Juden an die Reihe, und mehr als eine halbe Million von ihnen wurden ausgerottet.
Mir stehen die Ziffern lediglich für Mai, Juni und Juli 1944 zur Verfügung. Dr. Pasche, ein französischer Arzt vom Sonderkommando, der im Krematorium arbeitete und in der Lage war, die Ausrottung statistisch zu erfassen, legte mir folgende Zahlen vor:
Mai 1944: |
360000 |
In weniger als einem Vierteljahr hatten die Deutschen also in Auschwitz-Birkenau mehr als l'300'000 Menschen liquidiert!
Wie verliefen nun die Vergasungen? Olga Lengyel berichtet (3):
Zu hinreissenden, von Häftlingsmusikanten mit tränenumflorten Augen gespielten Weisen wandelte der Zug der Verdammten gen Birkenau. Zum Glück ahnten sie nicht, welches Geschick ihrer harrte. Sie sahen eine Gruppe von roten, angenehm wirkenden Ziegelsteingebäuden und wähnten, es sei ein Krankenhaus.
Die sie begleitenden SS-Leute verhielten sich tadellos «korrekt». So galant benahmen sie sich den Selektionierten aus dem Lager gegenüber keinesfalls, doch die Neuankömmlinge mussten bis ganz am Ende richtig behandelt werden.
Die Verurteilten wurden in einen langen, unterirdischen Viadukt geführt, der die Bezeichnung «Lokal B» trug und einer Badeanstalt ähnelte. Bis zu 2000 Menschen konnte diese Räumlichkeit fassen. Der «Badedirektor» in weisser Bluse verteilte Tücher und Seife - noch ein Mosaiksteinchen in dem ganzen riesigen Betrugsmanöver. Die Gefangenen entledigten sich dann ihrer Kleider und legten ihre Wertsachen auf einen ungeheuren Tisch. Unter den Kleiderhaken waren Schilder in allen europäischen Sprachen angebracht: «Wenn Sie beim Herausgehen Ihre Kleider wiederfinden wollen, prägen Sie sich bitte die Nummer Ihres Haken ein.»
Das «Bad», worauf die Verdammten sich vorbereiteten, war nichts anderes als die Gaskammer, die rechts von der Halle lag. Dieses Lokal war mit vielen Duschen ausgestattet, deren Anblick auf die Deportierten einen tröstlichen Eindruck hinterliess. Aber die Aparaturfunktionierte nicht, und kein Wasser entströmte den Duschköpfen.
Sobald die Verdammten die niedrige, enge Gaskammer füllten, liessen die Deutschen die Maske fallen. Vorsichtsmassnahmen waren nun nicht länger erforderlich. Die Opfer konnten nicht entfliehen oder einen letzten Widerstand leisten. Manchmal schreckten die Verurteilten an der Schwelle zurück, als würden sie durch einen sechsten Sinn gewarnt. Die Deutschen schubsten sie brutal hinein, wobei sie nicht davor zurückschreckten, mit ihren Pistolen in die Menge zu feuern. So viele Menschen wie irgend möglich wurden in den Raum gepfercht. Wenn noch ein oder zwei Kinder draussen blieben, wurden sie auf die Köpfe der Erwachsenen geschleudert. Dann schlug die schwere Tür wie die Pforte einer Krypta zu. Grauenvolle Szenen spielten sich in der Gaskammer ab, obgleich es zweifelhaft war, dass die armen Seelen nun endlich begriffen, was gespielt wurde. Die Deutschen drehten das Gas nicht sogleich an. Sie warteten. Die Gasexperten hatten nämlich herausgefunden, dass es nötig war, die Temperatur im Raum um ein paar Grad ansteigen zu lassen. Die animalische Wärme, welche die Menschenherde ausströmte, würde die Aktion des Gases erleichtern.
Mit zunehmender Hitze wurde die Luft immer übler. Viele der Verurteilten sollen schon gestorben sein, ehe das Gas angedreht wurde. An der Decke der Gaskammer war eine quadratische Öffnung angebracht; sie war mit einem Gitter versehen und glasbedeckt. Wenn die Zeit gekommen war, Öffnete ein SS-Wachmann mit Gasmaske das Guckloch und entleerte einen Zylinder mit Zyklon B, einem in Dessau hergestellten zyanidwasserstoffhaltigen Gas.
Es hiess, die Auswirkungen des Zyklon B seien mörderisch. Doch war dies keinesfalls immer der Fall, wahrscheinlich weil es so viele Männer und Frauen zu töten gab, dass die Deutschen sparten. Ausserdem mochten manche der Verdammten eine hohe Resistenz aufweisen. Jedenfalls gab es oft Überlebende, aber die Deutschen zeigten kein Mitleid. Immer noch atmend, wurden die Opfer ins Krematorium geschafft und in die Öfen gestossen.
Zeugenaussagen ehemaliger Birkenauhäftlinge zufolge waren viele hochrangige Nazipersönlichkeiten, Politiker und andere, zugegen, als das Krematorium und die Gaskammern eingeweiht wurden. Es wird berichtet, sie hätten ihre Bewunderung über die Kapazität der gigantischen Vernichtungsanlage ausgedrückt. Am Tag der Eröffnung wurden 12 '000 polnische Juden zu Tode gebracht, ein kleines Opfer für den Nazimoloch (...) Die nordischen Übermenschen konnten alles profitbringend verwerten. Riesenhafte Behälter wurden eingesetzt, um das Menschenfett einzusammeln, das bei hohen Temperaturen geschmolzen war. Da verwunderte es keinesfalls, dass die Lagerseife so einen eigentümlichen Geruch aufwies! Ebensowenig vermochte es zu erstaunen, dass die Internierten Verdacht schöpften, wenn sie gewisse Stücke fetter Wurst zu Gesicht bekamen! (...)
Ich hatte zwei Gründe, um am Leben zu bleiben: Erstens wollte ich mit der Widerstandsbewegung zusammenarbeiten und ihr so lange behilflich sein, wie ich mich auf den Füssen halten konnte, und zweitens wollte ich von jenem Tage träumen und um sein Kommen beten, an dem ich ein freier Mensch sein würde und der Welt mitteilen konnte: «Das alles habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen! Es darf nie wieder geschehen!»
Anmerkungen zur Zeugenausage
1) Hilberg, S. 977 und anderswo.
2) Olga Lengyel, Five Chimneys, Chicago/New York, 1947, S. 68 ff.
3) ibidem, S. 72 ff.
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Illustration 13a: Diese Zeichnung stammt vom ehemaligen jüdischen Auschwitz-Häftling David Olère. Man beachte, dass die Sonderkommandomitglieder nicht nur ohne Gasmasken und Schutzanzüge, sondern sogar mit nacktem Oberkörper arbeiten. Sie wären beim ersten Einsatz an Blausäurevergiftung gestorben. |
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Illustration 13b: Auch diese Zeichnung stammt von Olère. Stellen Sie sich vor ein Krematorium und schauen Sie, ob je Flammen aus dem Kamin schiessen! |
Die Zeugin Lengyel behauptet am Ende der von uns zitierten Passagen, alles Geschilderte mit ihren eigenen Augen gesehen zu haben. Was sah sie genau?
Zunächst fällt auf, dass sie heillos chaotisch mit den Begriffen umspringt. Krematorien und «Öfen» sind nicht klar getrennt. Die «vier Öfen» werden von «30 Feuern gespeist». Sind damit die Retorten der Krematorien gemeint? Dann ist deren Zahl falsch angegeben; sie betrug 46. Doch nein, die «Öfen» wiesen «120 Öffnungen» auf. Sind darunter die Retorten zu verstehen? Wenn ja, ist die Zahl erst recht falsch.
Wenn laut der Lengyel in einer halben Stunde drei Leichen zugleich in einer Öffnung verbrannt werden konnten, wirkt diese Angabe im Vergleich zu denen eines Paisikovic oder eines Tauber noch gemässigt, ist aber dennoch natürlich Unsinn. Die Gesamtzahl von 1T200 Leichen, die in einem Vierundzwangzigstundenbetrieb verbrannt werden konnten - natürlich benötigte man täglich einige Stunden zum Abkühlen und Reinigen der Ofen, womit der «Vierundzwanzigstundenbetrieb» illusorisch wird - ist um mehr als das Vierfache höher als in dem in der Holocaustliteratur oft zitierten gefälschten Dokument vom 28. Juni 1943 (1) und etwa um das Sechzehnfache höher als die theoretisch denkbare reale Maximalkapazität.
Dass die Verbrennungsgruben in dieser Geschichte ebenso wenig fehlen dürfen wie das in Behältern gesammelte Menschenfett, versteht sich von selbst. Der von Vrba und Lettich geschilderte Besuch hoher deutscher Würdenträger zur Einweihung «des Krematoriums» (welches?) figuriert ebenfalls in diesem «Erlebnisbericht», wobei die Zahl der beim Festakt vergasten polnischen Juden mit 12'000 angegeben wird (Vrba hatte sich mit 3000 zufriedengegeben).
Aufschlussreich ist die gleich zweimal auftauchende Formulierung, das Gas sei «angedreht» worden. Hier spielt wohl die im Volk bis heute spukende Vorstellung mit, das Zyklon sei durch die Duschköpfe in die Gaskammer geleitet worden. Diese Behauptung wird allerdings, soweit wir wissen, in der Literatur nirgends aufgestellt; es ist auch nicht einzusehen, wie man die Zyklongranulate durch Leitungen und Duschköpfe in die Gaskammer hätte bringen können.
Wenn die Lengyel die Zahl der zwischen Mai und Juli 1944 in Birkenau Ermordeten mit über 1,3 Millionen angibt, so fragt man sich, woher denn all diese Opfer gekommen sein mögen. Aus Ungarn wurden ja der offiziellen Literatur nach etwas über 400'000 Juden nach Auschwitz deportiert. Ferner sollen während jener Zeit noch Restbestände des polnischen Judentums liquidiert worden sein; beispielsweise wurden dem Kalendarium zufolge am 30. Juli Juden aus dem Distrikt Radom vergast (2). Wo hat sich die SS die übrigen Juden ausgeliehen?
Auf weitere Einzelheiten dieses «Tatsachenberichts» einzugehen, lohnt sich wohl nicht. Ein solches Buch wird vom obersten Holocaust-Experten Hilberg offenbar als seriös angesehen, denn sonst würde er Olga Lengyel ja nicht mehrmals als Kronzeugin für den Holocaust in Birkenau zitieren.
Anmerkungen zur Kritik
1) Es handelt sich um ein angebliches Schreiben der Auschwitzer Zentralbauleitung ans Wirtschaftsverwaltungshauptamt der SS, in welchem eine Kapazitätsrechnung für alle fünf Krematorien angestellt wird, obschon zur angeblichen Erstellungszeit dieses Dokuments das Krematorium 1 bereits ausrangiert wurde, das Krematorium 11 wegen einer Reparatur stillgelegt war, das Krematorium IV schon defekt und aufgegeben und das Krematorium V wegen Materialproblemen nur stellenweise einsatzfähig war (vgl. dazu Gauss, S. 129, sowie Pressac, Les crématoires d'Auschwitz, S. 80).
2) Kalendarium, S. 832.
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