Das dritte und letzte der Protokolle von Auschwitz umfasst 16 Seiten. Es beginnt mit einer Beschreibung des Lagers, in das der Verfasser seinen Aussagen zufolge im März 1942 eingeliefert wurde. Er berichtet von den Schikanen und Quälereien, denen die Gefangenen ausgesetzt gewesen seien, und den verschiedenen Arbeiten, zu denen sie herangezogen wurden. Der Erzähler war zunächst Mitglied eines zum Abbruch von Häusern eingesetzten Arbeitsbataillons; später wurde er zum Ausheben von Gräben abkommandiert. Breiten Raum nimmt die Schilderung des Krankenhauses ein, wo dem Bericht zufolge Arbeitsunfähige regelmässig durch Spritzen getötet wurden.
Seit 1941 seien immer mehr jüdische Häftlinge in das ursprünglich nur für Polen geplante Lager geschickt worden. Obgleich zunächst keine systematischen Massenmorde an Juden verübt worden seien, habe aufgrund der unmenschlichen Arbeitsbedingungen kein Jude mehr als zwei Wochen überleben können. Die Massaker hätten im Frühling 1942 mit dem Eintreffen immer grösserer jüdischer Konvois begonnen.
Ehe wir den Abschnitt zitieren, in welchem der Vernichtungsvorgang geschildert wird, wollen wir auf zwei unglaubliche Fehler im übrigen Text hinweisen. Auf S. 5 schreibt der Verfasser: «Da das Gebiet um das Lager Auschwitz im Umkreis von beinahe 100 Kilometern evakuiert worden war, mussten alle Gebäude bis auf die vom Lager übernommenen abgerissen werden.» Die Absurdität dieser Aus-"' sage springt ins Auge, wenn man bedenkt, dass die Stadt Krakau keine 100 Kilometer von Auschwitz entfernt ist und auch die unweit dem Lager befindliche kleine Industriestadt Oswiecim keinesfalls «evakuiert» wurde. - Ein anderer grober Schnitzer unterläuft dem Verfasser auf Seite 11, wo er schreibt: «... ein besonderes Konzentrationslager wurde in Birkenau eröffnet (der polnische Name ist Rajsko)». Bei dem etwa drei Kilometer westlich vom Stammlager liegenden Birkenau und der landwirtschaftlichen Station Rajsko, welche sich südlich vom Stammlager befand, handelte es sich um zwei ganz verschiedene Örtlichkeiten. Dass einem Mann, der seinen eigenen Aussagen nach mehr als zwei Jahre in Auschwitz gelebt hatte, solche Patzer unterliefen, stimmt nachdenklich.
Den Vernichtungsvorgang schildert der polnische Major wie folgt (1):
Die ersten grossen Konvois trafen aus Frankreich und der Slowakei ein. Körperlich tüchtige Männer und Frauen - jene ohne Kinder sowie die Mütter erwachsener Kinder - wurden ins Lager BIRKENAU geschickt. Die restlichen, d. h. alte oder schwache Männer, Frauen mit Kleinkindern und alle Arbeitsunfähigen wurden in den Birkenwald (BRZEZINKI) gebracht und mit Zyanwasserstoff getötet. Zu diesem Zwecke waren dort spezielle Vergasungsbaracken gebaut worden. Diese bestanden aus einer grossen Halle, die luftdicht und mit Ventilatoren ausgestattet war, welche man mach Bedürfnis an- oder abstellen konnte. Innen waren sie so eingerichtet, dass sie Badeanstalten täuschend ähnlich sahen. Der Zweck dieser Massnahme bestand darin, die Opfer irrezuführen und fügsam zu machen. Die Hinrichtungen liefen wie folgt ab: Jeder Todeskonvoi umfasste 8 bis 10 Lastwagen mit «Selektionierten».
Die Konvois waren nicht bewacht, weil sich das ganze schreckliche Drama auf dem Lagergelände abspielte. Ein Privatwagen mit dem Lagerarzt folgte jedem Konvoi, denn jener war verpflichtet, den Massenhinrichtungen beizuwohnen.
Nach ihrer Ankunft bei dem Vergasungsgebäude, das von einem doppelten Stacheldraht umgeben war, mussten sich Männer, Frauen und Kinder vollkommen nackt ausziehen. Jeder von ihnen bekam ein Handtuch und ein Stück Seife. Dann trieb man sie in die Baracke, bis diese randvoll war. Alles wurde hermetisch abgeschlossen, und speziell ausgebildete SS-Einheiten warfen Zyanwasserstoffbomben durch die Ventilationsöffnungen. Nach etwa 10 Minuten wurden die Türen geöffnet, und eine aus lauter Juden bestehende Spezialeinheit musste die Leichen entfernen und alles für die nächste Gruppe von «Selektionierten» vorzubereiten. Die Krematorien waren noch nicht errichtet worden, obgleich es ein kleines Krematorium in AUSCHWITZ gab; letzeres wurde aber nicht zum Verbrennen dieser Leichen benutzt. Man warf die Leichen einfach in dazu ausgehobene Massengräber. Dies dauerte bis in den Herbst des Jahres 1942. Zu jenem Zeitpunkt hatten die Massenvergasungen an Umfang zugenommen, und es gab keine Zeit mehr für eine auch nur notdürftige Bestattung. Reihe um Reihe von Leichen gemordeter Juden lagen, nur von einer dünnen Erdschicht bedeckt, weit über die Felder der Umgebung verstreut, und durch die verfaulenden Leichen wurde der Boden beinahe schlammig. Der von diesen Feldern ausgehende Gestank wurde unerträglich. Im Herbst 1942 musste das, was von den Leichen noch übrig war, ausgegraben werden; die Knochen mussten gesammelt und in den Krematorien verbrannt werden (denn in der Zwischenzeit waren vier davon fertigerstellt worden). Eine Alternative bestand darin, die Überreste der unglücklichen Opfer auf Haufen zusammenzutragen, mit Benzin zu übergiessen und den Flammen den letzten Akt der Tragödie zu überlassen. Die dabei anfallenden riesigen Mengen von Asche wurden in alle Himmelsrichtungen weggekarrt und über die Felder verstreut, wo diese Märtyrer ihre letzte Ruhe gefunden hatten.
Inzwischen waren die Krematorien fertig, und die Zahl der Neuankömmlinge wuchs stetig. Das Vergasen und Verbrennen wurde in Rekordgeschwindigkeit abgewickelt, aber es gab dermassen viele Leichen, dass man gelegentlich auf die alte Methode des Verbrennens unter offenem Himmel zurückgreifen musste. Man schätzt, dass etwa anderthalb Millionen Juden auf diese Art vernichtet wurden.
Anmerkung zur Zeugenaussage
1) Wir haben nach Aynat zitiert. Der englische Text, zu dem kein polnisches Original vorliegt, figuriert als drittes und letztes Dokument in The Extermination Camps of Auschwitz (Oswiecim) and Birkenau in Upper Silesia.
1) Der polnische Offizier schreibt, im Birkenwalde seien Vergasungsbaracken errichtet worden. Der gesamten Holocaust-Literatur, und namentlich den Aussagen von Höss zufolge, wurden aber bereits bestehende Bauernhäuser zu Gaskammern umgestaltet (1).
2) Den anderen Augenzeugen nach warfen die SS-Leute keine «Zyanwasserstoffbomben», sondern Zyklongranulate ein.
3) Die vom Autor genannte Zeit von 10 Minuten zwischen dem Einwerfen der «Zyanwasserstoffbomben» und dem Räumen der Todeskammern ist unmöglich, da es rund zwei Stunden dauert, bis die Zyklongranulate ihr Gas ganz oder zum allergrössten Teil abgegeben haben (2). Nach 10 Minuten wäre erst ein geringer Teil der Blausäure freigesetzt gewesen; die SS-Männer hätten innerhalb des sich entwickelnden Gases arbeiten müssen. Auch nur halbwegs intelligente Henker hätten mit dem Räumen der Kammern um das Mehrfache länger gewartet.
4) Dass die Krematorien nicht schon im Herbst 1942, sondern erst im Verlauf des Jahres 1943 fertiggestellt wurden, geht aus der gesamten Standardliteratur hervor. Einem Mann, der nach eigenem Bekunden über zwei Jahre in Auschwitz inhaftiert und dazu Offizier war, würde man solch krasse Irrtümer eigentlich nicht zutrauen.
Anmerkungen zur Kritik
1) Siehe z.B. Höss, S. 159-161.
2) Rudolf, S. 59
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