To English language version of this book

Zu guter Letzt

ERNST GAUSS


»AKTENVERMERK vom 26. Juli 1994 AV

________________________________________________________________________

Betr.: KZ Mauthausen

  1. Anfang 1989 wurde mir folgende Nachricht zugespielt:
    ›Betr.: KZ Mauthausen
    Bezug: Artikel OÖ-Nachrichten vom 8.10.1988
    Zwecks Wahrheitsfindung zugesandt:
    Die Baufirma Peters u. Pascher, Linz (heute: Peters C. Baugesellschaft m.b.H., 4020 Linz, Südtirolstr. 28, Tel. 0732/57-4-01) hat nach dem Kriege die Gaskammern im KZ Mauthausen eingebaut‹
  2. Ich habe im Frühling 1989 bei dieser Baufirma vorgesprochen. Nach großem Zögern erhielt ich die (anonyme) Auskunft, daß die Akten von der Staatspolizei "sichergestellt" wurden.
  3. Herr Dr. Dr. Fischer vom Bundesministerium für Inneres - Archiv Mauthausen - verweigerte mir nicht nur jede Auskunft, sondern auch die Einsichtnahme in das Mauthausen-Archiv.
  4. Die Bevölkerung von Mauthausen redet nicht gerne über das KZ. Bei meinen Erhebungen mußte ich feststellen, daß sofort die Gendarmerie verständigt wurde. Beim ersten Mal wurde mein Auto genau geprüft, und ich wurde einem Alkohol-Test unterzogen. Meine Daten wurden aufgenommen.
    Beim zweiten Mal wurde mir amtlich mitgeteilt, daß ich verschwinden sollte, sonst passiere etwas. Bei meinen weiteren Erhebungen hat mich die Gendarmerie nicht mehr gefunden. Wenn ich ins KZ komme, wird vom Personal sofort die Gendarmerie verständigt.
  5. Die Firma Peters & Pascher hat beim KZ-Umbau ein Baustellen-Telefon gehabt und soll sogar im Telefonbuch eingetragen gewesen sein. Allerdings konnte mir mein Informant nicht das Jahr angeben.
  6. In der Postdirektion Linz hat es angeblich keine alten Telefonbücher mehr gegeben.
  7. Aus diesem Grunde habe ich durch Gutachten den Fall geklärt. Der nachträgliche Einbau der Gaskammer ist aus folgenden Dokumenten ersichtlich/nachweisbar: -Russischer Lageplan von Valentin Sacharow, Aufstand in Mauthausen, Verlag Volk und Welt, Berlin 1961 .[...]
  8. gez. Ing. Emil Lachout, Max-Mauermann-G. 2571, A-1100 Wien«


Wäre es nicht eine offizielle Untersuchung wert herauszufinden, ob in Mauthausen tatsächlich der volkspädagogisch erwünschten Wahrheit mit Fälschungen auf die Sprünge geholfen wurde? Oder befürchtet man, daß das Ergebnis einer solchen Untersuchung weitere Zweifel an der Wahrhaftigkeit bestimmter Darstellungen aufkommen läßt? Oder gilt etwa immer noch, was der polnische Publizist Ernest Skalski bezüglich der ersten großen Veränderung der Opferzaheln des KZ Auschwitz 1990 ausführte:[1]

»Der Irrtum, obwohl vor langer Zeit von anderen begangen, bleibt tendenziös. Und es war "unser" Irrtum, wenn mit "uns" Gegner von Faschismus und Rassismus gemeint ist. [...]
Ich gebe zu, daß man manchmal die Wahrheit verheimlichen - also lügen - muß, zuweilen sogar aus erhabenen Motiven, etwa aus Mitleid oder aus Feingefühl. Doch immer lohnt es sich zu wissen, warum man das tut, was die jeweiligen Abweichungen von der Wahrheit bringt. [...]
Wenn auch die Wahrheit nicht immer das Gute ist, so ist viel öfter die Lüge das Böse [...]«


Muß nicht das Eingeständnis, daß aus volkspädagogischen Gründen die Geschichtslüge in linken Kreisen als wertvoll und angemessen eingestuft wird, skeptisch machen? Mit welchem Feuer hier gespielt wird, hat Patrick Bahners im Zusammenhang mit dem Urteil gegen den Bundesvorsitzenden der NPD, Günter Deckert, verdeutlicht, als er ausführte:[2]

»Wenn Deckerts [revisionistische] "Auffassung zum Holocaust" richtig wäre, wäre die Bundesrepublik auf eine Lüge gegründet. Jede Präsidentenrede, jede Schweigeminute, jedes Geschichtsbuch wäre gelogen. Indem er den Judenmord leugnet, bestreitet er der Bundesrepublik ihre Legitimität.«

Wer die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland von der Richtigkeit oder Falschheit der Geschichtsschreibung über ein Detail der Zeitgeschichte abhängig machen will (und dies tun in letzter Zeit fast alle großen Medien und viele Politiker), der hat nicht nur ein völlig falsches Verständnis von den Grundlagen dieser Republik, die sich eben nicht auf den Holocaust gründet, sondern auf die Zustimmung durch ihre Bürger und auf die unveräußerlichen Menschen- und Völkerrechte, sondern der begeht zugleich mehrere unverzeihliche Verbrechen: Zunächst gibt er den tatsächlichen Feinden dieser Republik eine einfache Handlungsanweisung, wie sie unseren Staat zerstören können. Sodann ist es an sich unverantwortlich und lächerlich zugleich, das Wohl und Wehe eines Staates von einem »geschichtlichen Detail« abhängig zu machen. Was soll denn dieser Staat machen, wenn sich tatsächlich herausstellt, daß die Revisionisten recht haben? Soll er sich dann selbst auflösen? Oder soll er die Geschichtswissenschaft verbieten und alle Historiker in die Gefängnisse werfen? Hier erkennt man sofort, auf welche schiefe Bahn man sich mit solch falschen Ansichten begibt: Derjenige, der vorgibt, diese Republik durch eine rücksichtslose Verteidigung der herkömmlichen Holocaustgeschichten schützen zu wollen, wird im Ernstfall gezwungen sein, die tatsächlichen Pfeiler dieses Staates zu untergraben, die da sind: freie Meinungsäußerung, Freiheit der Forschung. Lehre und Wissenschaft und die rechtsstaatliche, unabhängige Justiz. Er wird somit vom vorgeblichen Beschützer der freiheitlich demokratischen Grundordnung direkt zu ihrer größten Bedrohung.

Daß diese Bedrohung mehr als real ist, haben die Reaktionen auf das berühmt-berüchtigte Mannheimer Urteil gegen G. Deckert gezeigt. Einer der wichtigsten Grundsätze und Voraussetzungen eines Rechtsstaates, nämlich die Unabhängigkeit der Richter, wurde hier völlig außer Kraft gesetzt, indem zwei der drei Richter auf unabsehbare Zeit durch erzwungene Krankmeldungen für ihr Urteil bestraft wurden. Vorgeworfen wurde ihnen nicht nur, daß sie Deckert zu milde bestraft hätten, sondern auch, daß sie die subjektive Tatseite Deckerts zu ausführlich und wohlwollend beurteilt hätten.[3] War diese von der liberalen Politik der letzten Jahrzehnte eingeführte ausführliche und wohlwollende Wertung der subjektiven Tatseite bisher durchaus erwünscht, wenn es um die Aburteilung gewöhnlicher Krimineller ging oder gar um linke politische Delikte (gewaltsame Demonstrationen gegen industrielle Bauvorhaben), so gilt sie plötzlich als Skandal, wenn sei einem Rechten zugute kommt. Man kann durchaus darüber streiten, ob die Übergewichtung der subjektiven Tatseite auf Kosten der Abschreckung in der modernen Justiz von Vorteil ist oder nicht. Was jedoch nachdenklich stimmt, ist der nunmehr für jedermann offenkundige Umstand, daß bei Prozessen gegen die Abstreiter gewisser Aspekte der NS-Judenverfolgung nicht nur der objektive Tatbestand, also die z.B. Frage, ob die Behauptungen des Angeklagten wahr oder falsch sind, durch die Offenkundigkeitsformel schon vor Prozeßbeginn feststeht. Darüber hinaus soll nunmehr auch der subjektive Tatbestand von vornherein feststehen, wenn es nach Meinung der Medien, Politiker und auch vieler Juristen geht. Ein Holocaust-Revisionist hat grundsätzlich keine guten Charaktereigenschaften zu haben, er hegt prinzipiell böse Absichten und ist daher ohne Gnade und Barmherzigkeit zu verurteilen, so der Grundtenor der Medienreaktionen. Damit sind die Prozesse gegen Holocaust-Bestreiter de facto nichts anderes als Schauprozesse, deren Urteile in Wahrheit schon im voraus feststehen.

Weiterhin sollte es an eine Wunder grenzen, wenn die Richter der Bundesrepublik Deutschland aus der Art, wie die Karriere ihrer Kollegen in Mannheim ein abruptes Ende fand, nicht gelernt haben, daß sie Revisionisten ohne Gnade abzuurteilen haben, wenn sie ihren eigenen Kopf behalten wollen. Die vor einem Jahr noch umstrittene Meinung von mir,[4] daß es bei Prozessen gegen Revisionisten für die Richter immer auch darum gehe, wessen Kopf rollt - der des Angeklagten oder der des Richters -, hat somit eine volle Bestätigung erhalten, ja wurde sogar übertroffen: Zur Rettung seines Kopfes reicht es nicht, wenn der Richter den Angeklagten verurteilt, nein, er muß ihn zusätzlich als Unmenschen entlarven und möglichst hart bestrafen.[5]

Die von M. Köhler in diesem Buch in seinem Beitrag festgestellte Parallele zwischen den mittelalterlichen Hexenprozessen und den heutigen Prozessen gegen vermeintliche damalige Täter und heutige Abstreiter hat sich damit mehr als bewahrheitet.[6]

Aus der falschen Auffassung über die Grundlagen der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich aber noch eine weitere Gefahr für diese Ordnung. Sie liegt in dem Umstand, daß die Anhänger dieser falschen Auffassung auch jene zu Staatsfeinden erklären, die diesem Staat und seinem Volk nichts Böses wollen oder ihm gar zu dienen bereit sind - nur weil sie über gewisse zeitgeschichtliche Aspekte andere Auffassungen hegen. Es werden mithin imaginäre Feinde geschaffen, die eigentlich gar keine sind. Man treibt loyale Staatsbürger durch die gegen sie laufende Hetze geradezu in eine Feindrolle hinein, schafft also erst den Feind, den man zu bekämpfen vorgibt. Dieser selbstgeschaffene Feind dient dann als Rechtfertigung, die in der Verfassung garantierten Grundrechte wie oben beschrieben zusehends einzuschränken. Dieses Abdrängen eigentlich gutwilliger Staatsbürger in eine ungewollte Feindrolle muß mit zunehmendem wissenschaftlichen Erfolg des Revisionismus zu gesellschaftlichen Polarisierungen führen, was dem inneren Frieden der Bundesrepublik Deutschland nicht bekommt.

Es ist daher an der Zeit, den sachlichen, wissenschaftlichen Dialog zu suchen und dem Holocaust lediglich jene Rolle als Mosaikstein eines Geschichtsbildes zuzuweisen, die ihm gebührt, um Schaden vom Ansehen unseres Staates zu wenden.

Erste Reaktionen auf dieses Buch

Im Frühjahr 1994 erhielten einige führende Persönlichkeiten und Institutionen Deuscthlands von G. Rudolf ein vorläufiges Typoskript des vorliegenden Buches. Es wurde vor allem darum gebeten zu beurteilen, ob dieses Werk den Normen der Wissenschaft entspricht, wobei die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien, wie sie in der Einleitung zu diesem Buch wiedergegeben sind, als Richtschnur dienen sollten. Daneben wurde auch darum gebeten, inhaltliche Kritik und Verbesserungsvorschläge vorzubringen. Nachfolgend sind einige Reaktionen angeführt. Da Herrn Rudolf durch die turbulenten Folgen einer Hausdurchsuchung am 18.8.1994 die Korrespondenz kurzfristig abhanden kam und infolge des Umstandes, daß sich Rudolf inzwischen auf der Flucht befindet und seine Unterlagen an verstreuten Orten vorerst unerreichbar zurückblieben, werden nachfolgend die Inhalte sinngemäß rekonstruiert. Bei eventuellen Fehlern darf ich die davon Betroffenen um Nachsicht bitten und auffordern, sich bei den Staatsanwaltschaften in Stuttgart und Tübingen schadlos zu halten.

Bundeskanzler Dr. H. Kohl

Bundeskanzler Dr. H. Kohl ließ durch einen Sachbearbeiter mitteilen, daß er an der laufenden Diskussion um den Holocaust nicht teilnehmen wolle und verwies anschließend auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes zur Holocaust-Frage. Dem zurückgesandten Typoskript konnte man anhand der vielen handschriftlichen Anmerkungen und Korrekturvorschlägen, für die ich mich im Namen aller Autoren hiermit bedanken möchte, entnehmen, daß das Bundeskanzleramt den einleitenden Beitrag voll und die übrigen Beiträge zumindest in ihren Zusammenfassungen zur Kenntnis genommen hat.

Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland, I. Bubis

Herr Bubis nahm das Typoskript ohne Rückmeldung entgegen.

Vorsitzender des Instituts für Zeitgeschichte, H. Auerbach

Das Institut für Zietgeschichte verweigerte die Annahme der Postsendnung. Da das Ignorieren - hier sogar nur vermuteter! - gegenläufiger Argumente als Beweis für Unwissenschaftlichkeit schlechthin gilt, kommt man nicht umhin, dem offiziellen Institut für Zeitgeschichte bezüglich der Auseinandersetzung um den Holocaust jede Wissenschaftlichkeit abzusprechen.

Prof. Dr. M. Wolffsohn

Herr Prof. Wolffsohn behielt das Typoskript und schrieb, daß auch wir Fakten nicht aus der Welt schaffen könnten, womit er ohne Zweifel recht hat. Die Frage ist eben nur, was in dieser Sache Fakten sind und was lediglich Glaube ist.

Prof. Dr. Dr.h.c. H.G. von Schnering

Germar Rudolfs Doktorvater in spe sandte das Typoskript ungelesen zurück, verbat sich in Zukunft jede weitere Zusendung und legte Wert auf die Feststellung, daß er sich nicht vorschreiben lasse, nach welchen Kriterien er die Wissenschaftlichkeit einer Arbeit zu beurteilen habe. Offensichtlich hat er übersehen, daß es sich bei den als Richtschnur empfohlenen Kriterien nicht um willkürlich ausgewählte, sondern um die des Bundesverfassungsgerichtes handelt. Sein sonstiges ablehnendes Verhalten paßt haargenau in dasjenige, das er in den letzten zwei Jahren G. Rudolf gegenüber an den Tag gelegt hat: Prof. von Schnering verweigert die Kenntnisnahme von Argumenten, die seiner Auffassung entgegenlaufen könnten.[7] (Ob sie es wirklich tun, kann er erst wissen, nachdem er sie zu Kenntnis genommen hat!). Da er Herrn Rudolf gegenüber damals äußerte, daß derjenige, der Argumente ignoriere, die den eigenen Thesen entgegenstehen, eines akademische Titels nicht wert sei, darf man sich über dieses Verhalten wundern.

Generalbundesanwalt K. von Nehm

Der Generalbundesanwalt wurde zwar nicht um eine inhaltliche Kritik gebeten, dafür aber ersucht festzustellen, ob und wenn dann warum das vorliegende Typoskript irgendwelchen strafrechtlichen Normen widersprechen würde. Herr v. Nehm stellte in seinem Antwortschreiben fest, daß schon das Inhaltsverzeichnis das Typoskript als übles Machwerk auszeichne und daß er nicht gedenke, es zur Kenntnis zu nehmen. Ferner stellte er klar, daß seine Zeilen keinerlei juristische Wertung des Typoskriptes beinhalten würden. Mit diesem Schreiben des Generalbundesanwaltes ist die Voreingenommenheit und grenzenlose Ignoranz der bundesdeutschen Staatsanwaltschaft hinreichen bewiesen, womit sie sich selber um jedes moralische Recht zu einer juristischen Wertung des vorliegenden Buches gebracht hat. Oder kann jemand erklären, wie der Bundesanwalt allein anhand des Inhaltverzeichnisses erkennen will, ob ein Werk ein »übles Machwerk« ist (übrigens eine juristisch nicht definierte Gossenvokabel)?

Einige Professoren unterschiedlicher Fachrichtungen

Von einigen habilitierten Wissenschaftlern kamen durchaus konstruktive Verbesserungsvorschläge und sachliche Beurteilungen, für die wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken, wobei ich hier aus nachvollziehbaren Gründen keine Namen nennen will. So wurde z.B. geäußert, daß sich ein Großteil der zeitgeschichtlichen Bücher gegenüber diesem Werk wie leichte Literatur lese. Bemängelt wurde, daß in diesem Band lediglich an einigen Aspekten des Holocaust Kritik geübt werde, daß man es jedoch weitgehend unterlassen habe, eine umfassende Darstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung aus revisionistischer Sicht der etablierten Sicht entgegenzustellen. Es reiche eben nicht aus, an bestimmten Details der überkommenen Geschichtsschreibung herumzunörgeln. Vielmehr müsse man aufzeigen, wie es denn sonst gewesen sei, wenn es nicht so war, wie es uns heute zumeist erzählt wird. Dem möchte ich entgegnen, daß der erste Schritt in der Wissenschaft bei der Revision einer herrschenden Auffassung immer der ist zu überprüfen, ob und wenn dann warum die herrschende Auffassung entscheidende Mängel besitzt. Am Anfang steht also die Überprüfung des Alten, die in dessen Zerstörung münden kann. Ist die alte These erfolgreich infrage gestellt worden, dann hat man gezeigt, daß es Forschungsbedarf zum Entwerfen einer neuen These gibt.

Das vorliegende Buch unternimmt den ersten Schritt, die Überprüfung und Kritik der alten Auffassung. Unserer Überzeugung nach hat die alte Auffassung unserer Kritik nicht standgehalten. Es gibt also Forschungsbedarf zur Entwicklung eines neuen, korrekteren Geschichtsbildes. Der Entwurf dieser umfassenden neuen, wahrheitsgemäßeren Geschichtsschreibung konnte und sollte von diesem Buch nicht geleistet werden. Diese Aufgabe muß nachfolgenden Werken vorbehalten bleiben. Deren Aufgabe wird es sein, das Verhältnis von Juden und Deutschen im 20. Jahrhundert in einer ganzheitlichen Betrachtungsweise neu zu beleuchten.

ERNST GAUSS, Postfach 11 13, D-71094 Schönaich, im September 1994

Nachtrag

Am 27. März 1995 stürmte die Polizei die Wohnungen und Arbeitsräume des Herausgebers Ernst Gauss alias Germar Rudolf und des Verlegers Wigbert Grabert. Sie legte einen Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluß des Amtsgerichtes Tübingen vor, nachdem das Buch Grundlagen zur Zeitgeschichte wegen des Verdachts der Volksverhetzung einzuziehen sei. In dem Beschluß heißt es unter anderem:

»Beschluß [...]
1. Die allgemeine Beschlagnahmung
des von Ernst Gauss herausgegebenen und 1994 im Grabert-Verlag in Tübingen erschienenen und von dort vertriebenen Druckwerks mit dem Titel "Grundlagen zur Zeitgeschichte: Ein Handbuch über strittige Fragen des 20. Jahrhunderts" ISBN-Nr. 3-87847-141-6, ISSN-Nr. 0564-4186, bundesweit, soweit sich Exemplare des Druckwerks im Besitz der bei ihrer Verbreitung oder deren Vorbereitung mitwirkenden Personen befinden oder öffentlich ausgelegt oder beim Verbreiten durch Versenden noch nicht dem Empfänger ausgehändigt worden sind.
Stein, Richter am Amtsgericht Tübingen, 3.3.1995, Az. 4 Gs 173/95«

Während man dem Herausgeber zum dritten Mal innerhalb der letzten 18 Monate seine Rechneranlage entwendete sowie alle irgendwie interessant erscheinenden schriftlichen Unterlagen, beschlagnahmte man beim Verlag etwa 2000 Bücher Grundlagen zur Zeitgeschichte sowei die Liste all derjenigen Kunden, die mehr als drei Exemplare des Buches bestellt hatten.

In diesem Fall ist die Staatsanwaltschaft in einem bisher einzigartigen Akt staatlichen Verfolgungswahn sogar dazu übergegangen, alle noch greifbaren Mehrfachexemplare in den Händen von Privatleuten zu beschlagnahmen. Inzwischen wissen wir von bundesweit über 60 Hausdurchsuchungen bei Kunden, die mehr als drei Exemplare des Buches bezogen haben. Gegen diese Personen wird in der Regel ebenfalls wegen Volksverhetzung ermittelt, allerdings werden diese Verfahren häufig eingestellt oder gegen Zahlung eines Strafbescheides beendet. Ferner werden offensichtlich Bücher- und Paketsendungen einiger als engagiert bekannter Bezieher des Buches kontrolliert, um eventuell noch im Umlauf befindliche Bücher abzufangen und zu vernichten.

Auffallend an diesem Fall ist besonders, daß die Polizei jedes Exemplar, das ihr in die Hände fällt, beschlagnahmt, obwohl nach dem Gesetz jeder erwachsene Bürger ein Exemplar rechtmäßig besitzen darf. Beschwerden gegen dieses ungesetzliche Vorgehen waren bisher ohne jeden Erfolg.

Eine derartig massive Zensur, die sogar danach trachtet, jedes einzelne in privaten Händen befindliche Buch einzuziehen, hat es meines Wissen noch nicht einmal im Dritten Reich gegeben.

Was die wenigsten Menschen in unserem Lande wissen, ist die Tatsache, daß rechtskräftig eingezogenen Bücher nicht etwa in irgendwelchen Lagern gehortet werden, sondern daß sie verbrannt werden!

Vom 7. Mai bis zum 15. Juni 1996 schließlich saß Richter Burkhardt Stein im Amtsgericht Tübingen über den Verleger Wigbert Grabert zu Gericht. Der Herausgeber war inzwischen aufgrund einer Anhäufung verschiedener Strafverfahren wegen ähnlicher »Delikte« und der Androhung mehrjähriger Haftstrafen geflohen. Obwohl der Verleger die Gutachten zweier ausgewiesener sachverständiger Fachleute auf dem Gebiet der Zeitgeschichte vorlegen konnte, die dem Buch Wissenschaftlichkeit zugestanden und die den Schutz des Artikel 5 Absatz 3 (Menschenrecht auf Freiheit der Wissenschaft) für das Buch und die Angeklagten forderten, verurteilte der Richter den Verleger zur Zahlung von DM 30.000 Strafe und beschloß die Einziehung, also Verbrennung aller Bücher Grundlagen zur Zeitgeschichte sowie der zugehörigen Druckunterlagen.

Dies ist nur ein Beispiel unter den vielen in den letzten Jahren in Deutschland durch den Staat verbrannten Büchern sowie bestraften Autoren und Verlegern.

Ich möchte hier nur vor der Konsequenz solcher Verfolgungswut warnen, denn wo man Bücher verbrennt, da verbrennt man bald auch Menschen!


»Aber im übrigen kann man meines Erachtens sagen, daß das, was wir Historiker den regeln gemäß erarbeiten, ungefährlich ist. Die Wahrheit, wenn es eben die Wahrheit ist, halte ich nicht für gefährlich.«

PROF. DR. CHRISTIAN MEIER
in: Max-Planck-Gesellschaft (Hg.), »Verantwortung und Ethik«, Berichte und Mitteilungen der Max-Planck-Gesellschaft, Heft 3/84, München 1984, S. 231.

»Das Grundgesetz schützt wissenschaftliche Forschung und will im Grunde die Unbefangenheit dieser Forschung. Das gilt in ganz besonderer Weise für die Geschichte, in der es ja nicht darum geht, einen roten Faden auszuzeichnen und verbindlich zu machen, sondern in der es darum geht, Angebote für die Auseinandersetzung zu bieten. Das muß in einer pluralistischen Gesellschaft vielfältig und kontrovers sein.«

PROF. DR. PETER STEINBACH
ARD-Tagesthemen, 10. Juni 1994, 2230 Uhr.

»"Freiheit der Forschung" bedeutet auch, daß prinzipiell jedes Forschungsziel gewählt werden kann. Irgendein "Index verbotenen Wissens" oder ein "Katalog tabuisierter Forschungsziele" oder ein Forschungsmoratorium sind mit dem Selbstverständnis und der Würde der Wissenschaft deshalb unverträglich, weil wir unbeirrbar daran festhalten müssen, daß Erkenntnis unter allen Umständen besser ist als Ignoranz.«

PROF. DR. HANS MOHR
in: »Natur und Moral«, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1987, S. 41.


[1]Der Spiegel, Nr. 30/1990, S. 111.
[2]Patrick Bahners, »Objektive Selbstzerstörung«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.8.1994, S. 21.
[3]Vgl. die Tages- und Wochenpresse in den ersten Augustwochen 1994.
[4]E. Gauss, Vorlesungen über Zeitgeschichte, Grabert, Tübingen 1993, S. 261.
[5]Die Aufhebung der richterlichen Unabhängigkeit erkannte auch der Jurist Prof. Dr. Martin Kriele, »Ein Eingriff mit Präzedenzwirkung«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.9.1994, S. 14.
[6]Vgl. auch W. Kretschmer, »Der mittelalterliche Hexenprozeß und seine Parallelen in unserer Zeit«, Deutschland in Geschichte und Gegenwart 41(2)(1993) S. 25-28.
[7]Vgl. dazu die Ausführungen in W. Schlesiger, Der Fall Rudolf, Cromwell, Brighton/Sussex, 1994; jetzt bei Vrij Historisch Onderzoek, Postbus 46, B-2600 Berchem 1.


Zum vorhergehenden Beitrag
Zurück zum Inhaltsverzeichnis