Aus der Forschung: Zweierlei Kronzeugen

In memoriam Dipl.-Ing. Dr. techn. Walter Schreiber

Von Werner Rademacher


Wer ist Walter Schreiber?

Walter Schreiber wurde 1908 geboren und starb 1999 91-jährig in Wien. Er studierte an der Technischen Hochschule in Wien Bauingenieurwesen und war zunächst 1931 als stellvertretender Bauführer beim Bau der Großglockner-Hochalpenstraße tätig. Nach längerer Arbeitslosigkeit wanderte er 1932 in die Sowjetunion aus und war beim Bau von Kühlhäusern und Spiritusfabriken in Bryansk, Spassk und Petrofsk bis 1935 beschäftigt. 1936 ging Schreiber nach Deutschland, arbeitete zunächst für die Firma Tesch und von 1937 bis zum 31.8.1945 für die Firma Huta. Vom 1.11.1943 bis zur Räumung des oberschlesischen Gebietes 1945 war Schreiber als Oberingenieur in der Niederlassung Kattowitz tätig.

Nach dem Kriege war Schreiber für die Stadtbauamtsdirektion Wien, die Österreichische Donaukraftwerke AG und die Donaukraftwerk Jochenstein AG und die Verbundgesellschaft Wien tätig. Nach dem Übertritt in den wohlverdienten Ruhestand lebte er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte bis zu seinem Tode in Wien 19.

Was macht Walter Schreiber interessant?

Was ist nun so interessant am Berufsleben dieses österreichischen Bauingenieurs? Als Oberingenieur der Zweigniederlassung Kattowitz war er auch für den Baubetrieb seiner Firma auf dem Gelände des Konzentrationslagers Auschwitz und seiner Nebenlager zuständig.

Im Jahre 1998 wurde er zum Thema Auschwitz befragt. Die für die Zeitgeschichte interessanten Antworten sind in der Folge wiedergegeben:


Frage:

In welchen Bereichen waren Sie tätig?

Antwort:

Ich habe als Oberingenieur die Bauarbeiten der Firma Huta inspiziert und mit der Zentralbauleitung der SS verhandelt. Ich habe auch die Abrechnungen unserer Firma geprüft.

F.:

Haben Sie das Lager betreten? Wie ging das vor sich?

A.:

Ja. Man konnte ungehindert über die Lagerstraßen überall hingehen und wurde nur beim Eintritt und Ausgang von der Wache kontrolliert.

F.:

Haben Sie irgend etwas über Häftlingstötungen oder -mißhandlungen gesehen oder gehört?

A.:

Nein. Aber auf den Lagerstraßen waren gelegentlich Häftlingskolonnen in relativ heruntergekommenen Allgemeinzustand zu sehen.

F.:

Was hat die Firma Huta gebaut?

A.:

Unter anderem die Krematorien II und III mit den großen Leichenkellern.

F.:

Von den großen Leichenkellern wird nach der herrschenden Meinung (Offenkundigkeit!) behauptet, daß diese Gaskammern zur Massentötung gewesen sein sollen.

A.:

Den uns zur Verfügung gestellten Plänen war solches nicht zu entnehmen. Die von uns verfaßten Detail- und Abrechnungspläne weisen diese Räume als gewöhnliche Kellerräume aus.

F.:

Wissen Sie etwas über Einwurfluken in den Stahlbetondecken?

A.:

Nein, nichts mehr aus der Erinnerung. Da aber diese Keller als Nebenzweck auch für den Luftschutz dienen sollten, wären Einwurfluken kontraproduktiv gewesen. Ich hätte gegen die Anordnung solcher gewiß Bedenken geäußert.

F.:

Wieso wurden so große Keller gebaut, der Grundwasserstand in Birkenau war doch extrem hoch?

A.:

Das weiß ich nicht. Ursprünglich sollten oberirdische Leichenhallen gebaut werden. Der Bau der Keller verursachte große Probleme bei der Wasserhaltung und der Abdichtung.

F.:

Wäre es denkbar, daß man Sie getäuscht hat und die SS ohne Ihr Wissen doch Gaskammern durch Ihre Firma bauen ließ?

A.:

Wer die Abwicklung einer Baustelle kennt, weiß, daß das unmöglich ist.

F.:

Kennen Sie Gaskammern?

A.:

Natürlich. Jeder im Osten kannte Desinfektionskammern. Wir haben auch Desinfektionskammern gebaut, die schauen ganz anders aus. Wir haben solche Einrichtungen gebaut und kannten ihr Aussehen auch nach den nötigen Installationen. Man mußte ja als Baufirma oft hinter der maschinellen Einrichtung nacharbeiten.

F.:

Wann haben Sie erfahren, daß Ihre Firma Gaskammern zur industriellen Massentötung gebaut haben soll?

A.:

Erst nach dem Kriegsende.

F.:

Haben Sie sich darüber nicht sehr gewundert?

A.:

Ja! Ich habe nach dem Krieg mit meinem ehemaligen Chef in Deutschland Kontakt aufgenommen und den befragt.

F.:

Was konnten Sie in Erfahrung bringen?

A.:

Der hat das auch erst nach dem Krieg erfahren, aber mir versichert, daß die Firma Huta die gegenständlichen Keller mit Sicherheit nicht als Gaskammern gebaut hat.

F.:

Wäre ein Umbau nach dem Abzug der Firma Huta denkbar?

A.:

Denkbar schon, aber ich schließe dies aus Zeitgründen eher aus. Man hätte ja wieder Firmen gebraucht, die SS konnte das auch mit Häftlingen nicht in Eigenregie machen. Aufgrund der mir erst später bekannt gewordenen technischen Erfordernisse im Detail für den Betrieb einer Gaskammer wäre ja der von uns errichtete Bau völlig verfehlt gewesen, dies in Hinblick auf die nötige maschinelle Einrichtung und einen handhabbaren Betrieb.

F.:

Warum haben Sie das nicht publiziert?

A.:

Nach dem Krieg hatte ich zunächst andere Sorgen. Und jetzt darf man das nicht mehr.

F.:

Wurden Sie je zu diesem Thema als Zeuge vernommen?

A.:

Keine alliierte, deutsche oder österreichische Stelle hat je mein Wissen über den Bau der Krematorien II und III oder meine sonstige Tätigkeit im vormaligen Generalgouvernement interessiert. Zu diesem Thema wurde ich nie vernommen, obwohl meine Dienste für die Firma Huta in Kattowitz bekannt waren. Ich habe sie in allen Lebensläufen und Bewerbungsschreiben später erwähnt. Da das Wissen über diese Fakten aber gefährlich ist, hat es mich nie gedrängt, es zu verbreiten. Aber jetzt, wo die Lügen immer dreister werden und die Zeitzeugen wie ich langsam aber sicher aussterben, hat es mich gefreut, daß endlich jemand gekommen ist, der hören will und aufzeichnet, wie es wirklich gewesen ist. Ich bin schwer herzkrank und kann jeden Augenblick sterben, jetzt ist es Zeit.


Wir danken dem Zeitzeugen, der uns gebeten hat, diese Aussage erst nach seinem Tode zu publizieren posthum für sein Attest.

Andere Zeitzeugen, wie etwa der – ebenfalls 1999 verstorbene – SS-Führer Höttl haben ja ihr Wissen über die Entstehung der Sechsmillionenlüge mit ins Grab genommen, ohne wenigstens dafür zu sorgen, daß die ihnen bekannte Wahrheit wenigstens posthum bekannt wird.

Wir werden Herrn Dipl.-Ing. Dr. techn. Walter Schreiber ein ehrendes Angedenken bewahren.


Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 4(1) (2000), S. 104f.


Zurück zum Inhaltsverzeichnis