A) Verhaftung am 8. 11. 95 bei der Ankunft auf dem Flughafen RheinMain zu Frankfurt wegen Fluchtgefahr(?) Haftbefehl im Zusammenhang mit der neuen Anklage "Volksverhetzung" im Zusammenhang mit Herausgabe/Vertrieb der Buchdokumentation Anntohn/ Roques "Der Fall Guenter Deckert. Maertyrer fuer Forschungs Meinungs und Redefreiheit im Spannungsverhaeltnis von Geschichte/Zeitgeschichte und Politik". Prozess vor dem Weinheimer Schoeffengericht im Juni 96 zusammen mit zwei weiteren Anklagen "Volksverhetzung"
-1 ) Vorbereitung/Leitung einer IrvingVersammlung im Weinheimer Buergerhaus im September 90;
-2) Vertrieb von "Gauss II", GrabertVerlag, Tuebingen.
B) Strafhaft seit dem 10. Nov. 95 auf Grund der Rechtskraft des Deckert(Leuchter)Urteils des Landgerichts Mannheim II, sowie vom Juni 94 und April 95 durch BGHBeschluss vom 28.10.1995.
- Siehe hierzu "Der Fall Guenter Deckert..."; z.Z. vergritfen und "offiziell beschlagnahmt"; wird in "bereinigter Fassung" wieder neu aufgelegt. Zudem wird es einen Bd. II geben; Inhalt: die Haftjahre sowie die Nachfolgeprozesse.
C) Die Zelle, in Mannheim auch Haftraum genannt, hier in Bruchsal: Sie befindet sich im 4. Fluegel/2. Stock in einem geschichtstraechtigen, denkmalgeschuetzten Bauwerk aus dem Jahre 1848, dem Jahr der grossdeutschen, buergerlich, nationaldemokratischen REVOLUTION, im Stile der grossherzoglichbadischen "Staatsgebaeude"wie Gerichte, Schulen u.a. mehr: Buntsandsteinbau mit vier Fluegeln um einen Rundturm, in dem sich die Verwaltung und oben unter dem Dach die "Kirche" befindet. UEber den untertunnelten Mittelturm gelangt man, im Normalfall, von einem Fluegel bzw. Gebaeude zum anderen. Auf dem von einer Mauer (mit Wehrgang und patroullierenden Waechtern) umgebenen Gesamtkomplex befinden sich Werkstaetten/ Fertigungsstaetten, Sportmoeglichkeiten sowie eine Sporthalle.
Die Zelle selbst verhaeltnismaessig geraeumig, etwa 2,5 auf 4 m, rund 2,5 m hoch, mit einem vergitterten Fenster im oberen Bereich etwa 1,5 auf 1 m und einer Spezialtuer, xfach verriegelbar; natuerlich Sonderanfertigung. Die Einrichtung: ein Waschbecken, ein WC, durch Vorhang abgeteilt, ein Tisch, ein Heizkoerper (nicht verstellbar), ein Bett, zu schmal, mit zwei Decken, davon eine in Bettzeug, laendlichrustikale Aufmachung: blaue Kleinkaros. Ein Schrank, den man als Anrichte oder hoch stellen kann; inzwischen zwei Wandregale; eine Bildwand 1 x 1,5 m sowie eine Wandleiste fuer groessere Bilder, Plakate usw. Der Boden: Platten, mehr oder weniger "Urzustand". Radio, auf eigene Kosten, erlaubt. Fernseher in BW erst ab dem 3. Jahr. Mechanische Schreibmaschine, eigene Kosten, erlaubt. Brauchte ueber vier Monate, ehe ich sie hatte...
Verpflegung: wie in einer Grosskantine; besser als in meiner Studentenzeit siehe Anlage.
AErztliche Betreuung: vorhanden, laesst jedoch zu wuenschen, d.h. wohl von Fall zu Fall verschieden; z.Z. einige Probleme, u.a. auch weil natuerlich auch hier drinnen gespart werden muss/soll.
Behandlung: keine Probleme mit Normalbeamten, jedoch Schwierigkeiten mit mittlerer Verwaltung, den sog. Hausjuristen, die i.A. des "Hausherrn", eines Enddreissigers oder..., der noch Karriere machen will, taetig werden muessen: kleinkariert, Vertreter des cduStammtisches "R & O". UEZensur, d.h. UEberzensur (durch wechselweise zwei Volljuristen im Assessorenrang) "wegen der besondern Art und Weise der Tat sowie des Tathintergrundes"...; Beschraenkung der Zs./Zt. auf acht Beschwerde eingelegt, die z.Z. beim JM (Justizministerium) in Stuttgart anhaengig ist. Briefverkehr z.Z. (noch) nicht beschraenkt. Buecher/Zs. usw. nicht von privat, muessen zuvor beantragt und genehmigt werden, was aber noch keine Auslieferung bedeutet, da hier noch einmal "kritisch gegengelesen": Alles was mit REV... zu tun hat, wird nicht (!) ausgehaendigt!
D) Tagesablauf...
a) Wochentags 6.20 Uhr Wecken (kein Fruehstueck; Brot/Margarine gibt es am Vorabend; Konfituere alle 14 Tage ein Glas). 6.50 Uhr Abmarsch der Arbeitenden z.Z. arbeite ich nicht. Im Januar in Buchbinderei; von Februar bis Anfang April Teilnahme an einem EDVKurs mit IHKZertifikat als Abschluss. Alle Zellen werden um 7 Uhr wieder geschlossen! Waren 30 min. offen.
Die Arbeitsseit: 7 Uhr Fruehstueck bis 9.30 Uhr, danach bis 11.45 Uhr. Dann wieder von 12.45 l5.15 Uhr. Essensseiten: Mittag gegen 12.Uhr; immer warm. Abendbrot gegen 16.30 Uhr im Regelfall "kalt". Zelle(n) offen (Aufschluss): fuer 11 12 Uhr sowie 15 16.45 Uhr; Hofgang, Sport im Freien von 15.15 16.15 Uhr. Einschluss, bzw. Zelle zu ab 16.50 Uhr. Umschluss, d.h. bis zu einer in der Zelle (Spiel(e)) usw. bzw. Freizeit von 17.05 bis 19.35 Uhr.
Freizeit: Sportgruppen wie alle Ballsportarten, Kraftsport, Tischtennis, Kino/Videofilme oder politische Magazine, Schach, Gespraechs und Diskussionsgruppen, neutral (?) oder kirchlich, Chor (kirchlich), EDV/PC. Ich spiele z.Z. einmal die Woche Hand und Volleyball waehrend der Freizeit sowie seit Mitte April fast taeglich Ringtennis (im Freien), zweimal/Woche Schach sowie einmal/Woche (montags) PolitFernsehen, und z.Z. nehme ich an einem PCZusatzkurs (Norton C. auf MSDOS) teil; insgesamt sechs Abende.
b) An Wochenenden sowie Feiertagen Wecken um 7.15 Uhr; Zelle offen bis 8 Uhr Kirchgang (OEkumene) bis 9 Uhr moeglich; ab 9 Uhr fuer 10 min. Fluegelwechsel moeglich; erneute um 10.15 Uhr fuer zehn Minuten. Mittagessen gegen 12 Uhr. Einschluss oder Umschluss bis 14 Uhr. Aufschluss bis 16.45. Uhr; Hofgang bis 16.30 Uhr; Fluegelwechsel alle 35 Minuten fuer 10 Minuten. Einschluss ab 16.50 Uhr.
Von Montag bis Sonntag ist auch Nachtumschluss moeglich... Ich mache einmal Umschluss, und zwar sonntags von 11 14 Uhr bei einem Fernsehbesitzer, einem 72jaehrigen Dipl.lng., der wegen "ll"(bzw. lebenslaenglich) sitzt; soll zwei Ehefrauen "verloren" haben... Wir sehen uns den Wochenspiegel sowie den Presseklub an und "dischpetiere"(diskutieren); er war bei der FDP aktiv.
An den Wochenenden spiele ich samstags von 14 16.15 Uhr sowie sonntags von 9 10.15 Uhr Skat; am Sonntagnachmitag besucht man sich wechselweise zu "Kaffeerunden," sofern kein Besuch da ist.
Besuch: Langzeitbesuch fuer direkte Familienangehoerige wie Eltern/Schwiegereltern, Ehepartner, Kinder, Geschwister; dauert rd. 3,5 St. Ansonsten 2 x/Monat Normalbesuch bei Erstbesuchern 1 St. akustisch/optisch ueberwacht, d.h. ein Beamter ist staendig dabei. Beim Zweitbesuch nur optische UEberwachung. Der Langzeitbesuch ist nicht ueberwacht.
Jeder kann 2 x/Woche mittels Telefonkarte nach draussen (Familie, Bekannte/Freunde) telefonieren; rd. 10 Minuten +/... Buecher, Zs./Zt. nicht (!) von privat; nur ab Verlag. Beilagen (Ablichtungen, einzelne Artikel aus Zs./Zt.) erlaubt; in meinem Fall bis zu fuenf St. im Format A4. Daneben bis zu drei Briefmarken; alles was darueber ist, kommt zur KASSE: Damit kann man dann Behoerden wie Gerichtspost freimachen lassen. UEberweisung von Geld (Vermerk "zweckgebundenes Eigengeld") ist moeglich.
2 x/Monat ist Knasteinkauf moeglich Extras aller Art einschliesslich Buero und Schreibmaterial. Besucher koennen 1 x/Monat DM 16, fuer Obst einzahlen, das man woechentlich erhalten kann. Mindestbetrag von DM 8, .
Verhaeltnis zu MitGefangenen: Da ein sog. PolitPromi, der "abgestempelt" ist, gab es an den beiden ersten Tagen einige Schwierigkeiten mit einem aufgehetzten Tuerken, dem man steckte, ich haette was mit Solingen zu tun. Er drohte, mich "plattzumachen," konnte aber spaeter, auch mit Unterstuetzung zweier normaler, etwas "rechts"stehender Tuerken "normalisiert"werden; hat sich sogar entschuldigt. Die uebrigen verhielten sich laengere Zeit zwar nicht unhoeflich, jedoch zurueckhaltend, was durchaus normal ist. UEber den Arbeitsbereich, den Sport sowie den EDVKurs wurde das "Eis"gebrochen. Die "Gefangenenvertretung" ist zwischenzeitlich sogar an mich herangetreten mit der Bitte, ich moechte als Vertreter fuer den 4. Fluegel kandidieren; die Wahlen sind Mitte Juni. Ich habe meine Bewerbung abgegeben, der jedoch der Leiter der staatlichen Maennerpension widersprechen kann, womit ich rechne, da ich mit ihm so meine Probleme habe. Von Anfang an gab es aber auch einige (wenige) ProDeckertKnackis, die mir gezielt und spuerbar geholfen haben Einrichtung, Extras und sogar fuer meinen "persoenlichen Schutz"gesorgt hatten: Nicht jeder Inhaftierte ist "kaputt" oder linkisch: im Gegenteil! Dennoch wird das Klima, so sagen mir die "LaengerDienenden", schlechter. Grund/Gruende: 1) die "Giftler", 2) der zunehmende Anteil an NichtDeutschen. Hier z.Z. an die 40 %, Tendenz steigend, aber noch unter Mannheim (rd. 60 % bei ueber 1 000 Inhat: tierten; hier in "BR" sitzen etwas ueber 400) oder Rottenburg bei Tuebingen (ueber 80 %) oder gar St.Stammheim.
Ich habe meinen Rhythmus gefunden, in jeder Beziehung: "Bekanntenkreis" bzw. NichtAssis mit z.T. recht aufschlussreichen Lebensbildern und unterschiedlichen Haftstrafen, die, logischerweise, als nicht linkisch einzuordnen sind. Ich komme aber auch seltsamerweise mit einigen NormalLinken gut aus; man achtet sich auf der menschlichen Ebene des Eingesperrtseins, des augenblicklichen Aussenseiters und "Systemopfers". Mein Banknachbar im EDVKurs war ein "eingeschriebener Gruener"aus dem Schwaebischen, mit dem ich recht gut politisch diskutieren konnte, weil er nicht verbohrt war und das Gleiche auch bei mir feststellte.
Da ich, im Gegensatz zu den meisten hier, noch immer staatlich organisierte "Auftritte" (Nachfolgeprozesse) habe, die nach wie vor im hiesigen Bereich ihren Medienniederschlag finden, bin ich so etwas wie eine Art KnackiPromi. Obwohl ich mich bewusst als "politischen Gefangenen" bezeichne, nehmen mir das die anderen, von denen 99,9 % wegen Normalverbrechen/Straftaten sitzen ich kenne vier NichtLinke, die im weitesten Sinne "politschnormalstrafrechtlich in Erscheinung getreten sind," meist im Zusammenhang mit NichtDeutschen nicht uebel.
Auf die Standardfrage "Wie geht es Ihnen, geht es Dir?" pflege ich immer zu antworten: "Den Umstaenden entsprechend fernab der Familie (Frau, Tochter mit Familie, zwei saubere, quicklebendige Blondschoepfe), den Bekannten/Freunden, der "Partei" nicht schlecht, auf jeden Fall besser als den Deutschen vor, vor allem aber nach dem 8. Mai 1945: Ich werde nicht gefoltert, geschlagen, erhalte reichlich zu essen und werde aerztlich leidlich gut betreut. Als Junggeselle ohne jeden Anhang, ohne jedes Umfeld draussen kann das Leben hier drinnen nach wie vor die "Waerme des Sozialstaates" bedeuten: RundumBetreuung. Verstaendlich, dass einige, nach langer, laengerer Verweildauer und ohne jede Perspektive draussen sich nach der "Geborgenheit", der Routine "zuruecksehnen" oder auf Grund eigenen Verschuldens, "Verschuldens der Gemeinschaft"(?), wieder hier drinnen landen, landen in einer Kleinwelt mit ihren z.T. fremdartigen Besonderheiten und Spielregeln. Fuer einen Normalverbraucher, der in diese Muehlen geraet, weil die politischen Rahmenbedingungen in Richtung Gesinnungsterrorstaat gehen, eine aufschlussreiche Reise, ein Eintauchen in eine andersartige, voellig neue und fremdartige Kleinwelt, die Einblicke in das unterschiedliche Menschsein bietet: bei den Inhaftierten.... bei der "anderen Seite," den Waertern, Schliessern von einst, die heute Beamte heissen S.i.JVD, HS.i.JVD, OS.i.JVD auf Normaldeutsch: Sekretaer, Hauptsekretaer, Obersekretaer im Justizvollzugsdienst, eine "Arbeit," die heute recht gut bezahlt wird und vor allem krisensicher (!) ist, nicht zuletzt dank der "uebergrossen Bereicherung durch unsere ,lieben' NichtDeutschen".
Guenter Deckert, JVA Bruchsal, Schoenbornstr.32, 76646 Bruchsal
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From SLEIPNIR, 2, , may-june 1996, p.28-30.
SLEIPNIR, Postfach 350264, 10211 Berlin. Fax 030-69 27 863.
Computerized by LE TEMPS IRREPARABLE, Paris in 1997.
Note the existence of the
GUNTER DECKERT FREEDOM COMMITTEE
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