Alliierte Zensur im Nachkriegsdeutschland
Vorbemerkungen des Zensors
Band 1:
Vorbemerkung
Die "Liste der auszusondernden Literatur" soll den mit der Betreuung des Buches befaßten Stellen und Personen ein Hilfsmittel für die Durchführung der Anordnungen der Militärregierung sein, nach denen alle Schriften der Benutzung zu entziehen sind, die f a s c h i s t i s c h e n oder m i l i t a r i s t i s c h e n Inhalt haben, politische E x p a n s i o n s g e d a n k e n enthalten, die nationalsozialistische R a s s e n l e h r e vertreten oder sich gegen die A l l i i e r t e n wenden. Für eine Prüfung nach diesen Gesichtspunkten kam in erster Linie die in der Zeit des Hitler-Regimes, also in den Jahren 1933 bis 1945, erschienene deutsche Literatur in Betracht. Für gewisse Zusammenhänge waren auch die Schriften früherer Jahre zu berücksichtigen.
Die Aufstellung der Liste erfolgte auf Anweisung der Abteilung Volksbildung der Sowjetischen Militär-Administration in Deutschland durch die Deutsche Bücherei unter Mitwirkung der Abteilung Buch- und Bibliothekswesen im Volksbildungsamt der Stadt Leipzig und unter Berücksichtigung der von einzelnen lokalen Stellen bereits veröffentlichten Verzeichnisse ähnlichen Charakters.
Da es sich allein bei den seit 1933 erschienenen Veröffentlichungen schon um rund eine Million zu prüfende Bände handelt, hätte eine systematische Durchsicht sämtlicher in Betracht kommenden Schriften außerordentlich viel Zeit erfordert. Die Aufstellung einer Liste, die den Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, wäre somit erst nach sehr langer Arbeit möglich gewesen. Da aber alle beteiligten Stellen mit Recht eine rasche Bekanntgabe wenigstens der zweifellos zu Sperrenden Literatur zu haben wünschten, wurden in die vorliegende Liste zunächst einmal die Titel jener Schriften aufgenommen, welche die oben angeführten Verbotsmerkmale eindeutig aufweisen. Viele Bücher, die, ohne in ihrer Gesamthaltung nationalsozialistisch oder militaristisch zu sein, einzelne zu beanstandende Gedankengänge aufweisen, wurden für eine spätere Prüfung zurückgestellt. Neben diesen Büchern, die also in der vorliegenden Liste noch nicht aufgeführt sind, fehlen weiterhin noch Schriften, die der Prüfstelle bisher nicht vorgelegen haben, weil die Bestände der Deutschen Bücherei, auf Grund deren die Liste zusammengestellt wurde, erst im Laufe der Arbeit aus den Ausweichlagern zurückgeholt werden konnten.
Unter diesen Umständen kann die vorliegende Liste, so sehr sie zur Bereinigung der deutschen Literatur beitragen wird, die verantwortlichen Leiter von Bibliotheken, Büchereien und Buchhandlungen nicht von der Pflicht befreien, ihrerseits alle Sorgfalt auf die Durchsicht auch der hier nicht verzeichneten Bücher anzuwenden. Die Tatsache, daß ein Buch in dieser Liste nicht aufgeführt ist, kann jedenfalls nicht als Entschuldigung dafür gelte n, daß der verantwortliche Leiter einer Bibliothek oder einer Buchhandlung ein Buch schädlicher Tendenz zur Ausleihe oder zum Verkauf bringt. Im wesentlichen dürfte jedoch in der vorliegenden Liste die in erster Linie auszuscheidende Literatur verzeichnet sein.
Die für die Behandlung der Bücher dargelegten Gesichtspunkte gelten sinngemäß auch für die Zeitschriften. Soweit diese ausgesprochen faschistischen Geist zeigen oder in größerer Zahl faschistisch beeinflußte Aufsätze enthalten, sind sie in die Liste aufgenommen; soweit sie in ihrer Grundhaltung nicht zu beanstanden sind, aber nichteinwandfreie Beiträge geringeren Ausmaßes aufweisen, wurden sie zunächst zurückgestellt.
Die auszusondernden Bücher und Zeitschriften sind teils g r u p p e n w e i s e (vgl. die Gruppenverbote auf den Seiten 5 und 469), teils mit ihren E i n z e l t i t e l n aufgeführt. Von den Büchern sind, wenn nichts anderes vermerkt ist, sämtliche Auflagen und Ausgaben der Benutzung zu entziehen, von den Zeitschriften, soweit keine Einschränkung angegeben ist, sämtliche Jahrgänge.
Die Liste ist nach dem Stand vom 1. April 1946 aufgestellt. Eine Ergänzung wird folgen, sobald die Prüfung der zurückgestellten Fälle durchgeführt ist. Mitteilungen, welche die vorliegende Liste betreffen, sind an die S c h r i f t e n - P r ü f s t e l l e b e i d e r D e u t s c h e n B ü c h e r e i, (10) L e i p z i g Cl, D e u t s c h e r P l a t z, zu richten.
Berlin: den 1. April 1946
Deutsche Verwaltung für Volksbildung
Band 2:
Vorwort
Die Prüfung des Schrifttums auf auszusondernde Bücher war im Frühjahr dieses Jahres so weit gediehen, daß die Veröffentlichung einer "Liste der auszusondernden Literatur" in einer "Vorläufigen Ausgabe nach dem Stand vom 1. April 1946" erfolgen konnte. Die Liste kennzeichnete einerseits die auszusondernde Literatur als Ganzes und brachte andererseits die Einzeltitel von 13 223 Büchern und 1502 Zeitschriften. Damit war den beteiligten Kreisen ein erstes Hilfsmittel zur Ausmerzung des von den alliierten Militärbehörden verbotenen Schrifttums an die Hand gegeben.
Als Richtlinien für die Bearbeitung hatten die Verordnungen der Besatzungsbehörden gedient, und zwar der Befehl des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, Marschall der Sowjetunion Shukow, vom 15. September 1945 und das Gesetz des Kontrollrats betreffend Liquidierung und Verbot von militärischer Ausbildung, das mit dem 1. Oktober 1945 in Kraft getreten war. Als die Liste bereits gedruckt vorlag, erschien der Befehl Nr. 4 des Kontrollrats vom 13. Mai 1946 betreffend Einziehung von Literatur und Werken nationalsozialistischen und militaristischen Charakters, der die vorangegangenen Verordnungen bestätigte und erläuterte.
Die vorläufige Ausgabe der "Liste der auszusondernden Literatur" wurde allenthalben mit Zustimmung aufgenommen. Es erschienen über sie etwa zwanzig größere Pressebesprechungen, in denen sämtliche politische Parteien in den verschiedenen Zonen zu Worte kamen. Sie urteilten einmütig, daß der von den Bearbeitern eingeschlagene Weg der richtige war, da er gleicherweise den Interessen der demokratischen Erneuerung des deutschen Geisteslebens wie den Erfordernissen der Wissenschaft Rechnung getragen habe. Grundsätzliche Einsprüche sind von keiner Seite erfolgt.
Der hiermit vorgelegte "Erste Nachtrag" ist nach den gleichen Richtlinien wie die Hauptliste bearbeitet. Während für die Aufstellung der letzteren besondere Auswahlmethoden angewandt werden mußten, da die auswärts verlagerten Bücher erst allmählich zurückgeführt werden konnten, beruht dieser Nachtrag nach inzwischen erfolgter Rückführung und Ordnung der Bestände auf der systematischen Durchsicht des in den Jahren 1933 bis 1945 erschienenen Schrifttums unter Berücksichtigung der von mehreren Bibliotheken der sowjetischen Besatzungszone vorgeschlagenen Ergänzungen. Er verzeichnet die Titel von 4739 Büchern und 98 Zeitschriften. Die systematische Nachlese konnte in der zur Verfügung stehenden Zeit jedoch noch nicht zu Ende geführt werden, so daß in absehbarer Zeit noch ein zweiter Nachtrag folgen muß. Dieser wird außerdem die Ergebnisse der Entscheidungen enthalten, welche die von der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone eingesetzte übergeordnete Prüfungskommission hinsichtlich der Beurteilung der zurückgestellten fraglichen und der beanstandeten Fälle getroffen hat.
Neben der aus politischen Gründen auszusondernden Literatur gibt es noch eine umfangreiche Gattung von Schriften, die zwar nicht unter die genannten Befehle und Gesetze fallen, die aber aus volksbildnerischen Gründen unerwünscht sind und deren Verbreitung oder Verleihung namentlich an die Benutzerkreise der Volks- und Leihbüchereien der verantwortungsbewußte Buchhändler und Bibliothekar schon aus eigenem Ermessen ablehnen muß, auch wenn die Titel solcher Schriften nicht in den Verbotslisten aufgeführt sind. Auf diesen wichtigen Gesichtspunkt sei zur Vermeidung von Mißverständnissen nochmals ausdrücklich hingewiesen.
Berlin, den 1. Januar 1947
Deutsche Verwaltung für Volksbildung
Band 3:
Vorwort
Nachdem die in dem Vorwort zum Ersten Nachtrag erwähnte systematische Durchsicht des in den Jahren 1933 bis 1945 erschienenen deutschsprachigen Schrifttums beendet war, ergab sich die Notwendigkeit, auch die von 1914 bis 1933 herausgegebenen Bücher und Zeitschriften, rund 1 Million Bände, in die Prüfung einzubeziehen. Die nationalsozialistische Bewegung als solche existierte ja bereits seit 1919, und die militärische und militaristische Literatur spielte in den verschiedensten Formen schon seit Jahrzehnten in der Literatur eine wesentliche Rolle, so daß bei Prüfung des Schrifttums, wenn man sich nicht von vornherein mit einem fragmentarischen Charakter der Arbeit begnügen wollte, wenigstens auch die Erscheinungen seit dem ersten Weltkrieg berücksichtigt werden mußten.
Die allgemeine Durchsicht des gesamten in Betracht kommenden Schrifttums, insgesamt rund 2 Millionen Bände, ist jetzt beendet. Nach der systematischen Durchsicht verblieben noch rund 47000 Grenzfälle, von denen der größere Teil inzwischen ebenfalls bearbeitet ist. Nachdem sich bisher wieder mehrere Tausend Titel auszusondernder Schriften ergeben hatten, erschien es geboten, dem Wunsch zahlreicher Interessenten zu entsprechen und das jetzt vorliegende Ergebnis (9906 Titel) zunächst in einem "Zweiten Nach. trag" niederzulegen. Das empfahl sich um so mehr, als die noch zu bearbeitenden Grenzfälle vorwiegend Schriften betreffen, die eine längere Prüfungszeit erfordern und über die zum Teil erst Gutachten von wissenschaftlich-fachlicher Seite eingeholt werden müssen.
Bei der Benutzung der Liste und ihrer Nachträge ist zu beachten, daß die Titelangaben jeweils auf der zuletzt erschienenen Auflage fußen bzw. auf der Ausgabe, die der Schriften-Prüfstelle vorgelegen hat, daß aber, wenn unter dem Titel keine Einschränkung vermerkt ist, sämtliche Auflagen und Ausgaben der Schrift verboten sind.
Die wegen der Aufnahme in die Verbotsliste eingereichten Einsprüche von Verfassern und Verlegern sind von der durch die Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone eingesetzten übergeordneten Buchprüfungskommission verhandelt worden. Die Kommission hat dabei ausdrücklich den im Sinn der Befehle der Besatzungsmächte aufgestellten Grundsatz bestätigt, daß in jedem Fall der Inhalt des Buches für die Beurteilung maßgebend ist, nicht die Person des Verfassers. Soweit den Einsprüchen stattgegeben werden konnte, sind die in den bisherigen Listen zu streichenden Titel auf Seite 366 des vorliegenden Nachtrags vermerkt.
Die Kommission hat ferner beschlossen, bestimmte Gruppen von Schriften unter gewissen Voraussetzungen freizugeben. Auf Grund dieses Beschlusses kommen Schriften, die inhaltlich einwandfrei sind, jedoch durch ihre äußere Form, z. B. durch aufgedruckte nazistische Embleme, oder durch ihre Herausgeber, z. B. die "Deutsche Arbeitsfront" oder den "Reichsnährstand", beanstandet werden können, nicht für eine Verzeichnung in der Jiste" in Betracht. Bibliotheken und Buchhandel haben jedoch von sich aus die betreffenden Äußerlichkeiten bei den im Verkehr befindlichen Stücken zu tilgen. In gleicher Weise können Bücher behandelt werden, deren eigentlicher Inhalt einwandfrei ist, die aber im Vorwort oder im Nachwort geringfügige Verbeugungen vor dem Nationalsozialismus enthalten. Werke mit gelegentlichen Erwähnungen des Nationalsozialismus sind, soweit die Erwähnungen rein sachlich sind, ebenfalls für die "Liste" unberücksichtigt geblieben.
Die Bearbeitung der vorläufig zurückgestellten Grenzfälle und der von verschiedenen Stellen und Personen eingereichten Vorschläge zu weiteren Aussonderungen wird fortgesetzt. Es steht zu erwarten, daß diese Arbeit in einigen Monaten beendet und damit ein Abschluß der Aussonderung, die entsprechend dem demokratischen Willen des Volkes und auf Grund der Befehle und Anordnungen der Besatzungsmächte durchzuführen ist, erreicht wird.
Mitteilungen, welche die "Liste der auszusondernden Literatur" in der "Vorläufigen Ausgabe" vom 1. April 1946, im "Ersten Nachtrag" vom 1. Januar 1947 und im vorliegenden "Zweiten Nachtrag" betreffen, sind an die Schriften-Prüfstelle bei der Deutschen Bücherei, (10b) Leipzig C 1, Deutscher Platz, zu richten.
Berlin, den 1. September 1948
Deutsche Verwaltung für Volksbildung
*
Nachwei
süber die Verordnungen und Befehle, die der Aussonderung der Schriften zugrundeliegen:
Band 4:
Vorwort
Zu den bisher veröffentlichten "Listen der auszusondernden Literatur" (Vorläufige Ausgabe: Stand vom 1. 4. 1946; 1. Nachtrag: Stand vom 1. 1. 1947; 11. Nachtrag: Stand vom 1. 9. 1948) wird hiermit ein III. und letzter Nachtrag vorgelegt.
Die "Liste der auszusondernden Literatur" und die Nachträge I-III enthalten keineswegs das gesamte Schrifttum, das auf Grund der bestehenden Verordnungen und Gesetze aus dem Bestand der Bibliotheken und Buchhandlungen auszusondern ist, sondern können nur als Beispiele gelten für die Literatur, die zu entfernen ist.
Maßgebend für die Beurteilung der in den Listen enthaltenen Schriften war nur deren Inhalt und nicht die Person des Verfassers. Aussonderung von Kitschliteratur und Bewertung des überalterten Schrifttums wurden nicht berücksichtigt. Diese Fragen müssen von den Bibliothekaren und Buchhändlern von Fall zu Fall selbst entschieden werden, da man von ihnen erwarten kann, daß sie in der Lage sind, sich über die durch ihre Hände gehende Literatur ein eigenes Urteil zu bilden und dementsprechend zu handeln.
Umstehend werden die Gesetze und Verordnungen, die der Aussonderung zugrunde gelegt sind und die von den Bibliothekaren und Buchhändlern bei ihren Entscheidungen über die Beurteilung von Büchern zu berücksichtigen sind, noch einmal einzeln aufgeführt. [vgl. unter Band 3]
Berlin, den 1. Juli 1952
Ministerium für Volk
sbildung
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