JOHANNES PAULI / TOTALITARISMUS UND REICHSIDEE
Es ist auffallend, mit welcher Selbstgerechtigkeit in der BRD der Begriff "Totalitarismus" zur Brandmarkung anderer Systeme Verwendung findet, andererseits nur wenig Aufwand erfolgt, diesen Begriff staatsrechtlich zu definieren. Anstelle einer Definition werden mißliebige Staatsgebilde mit einer gemeinsamen Klammer versehen und als totalitär bezeichnet, während das eigene Verfassungssystem, das es zu rechtfertigen gilt, ohne durchgreifende Gründe als nicht-totalitär angesehen wird. So werden regelmäßig Nationalsozialismus und Kommunismus als totalitäre Staaten zusammengefaßt[1]. An diese Definitionsmethode hält sich z. B. das Bertelsmann Lexikon[2]. Nachdenklicher muß allerdings stimmen, daß der Großkommentar Maunz-Dürig über diese Definitionsmethode nicht hinauskommt. Dieser Mangel findet sich doch ausgerechnet in der Kommentierung zum Art. 18 GG, einer Bestimmung, mit der den Verteidigern der Verfassung das wohl schärfste Schwert in die Hand gegeben wurde. Es ist erstaunlich, wie gerade dieses Schwert jeglichen geistigen Schliffes entbehrt.
TOTALITÄRE PHÄNOMENE
Art. 18 GG lautet: "Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel l4) oder das Asylrecht (Artikel l 6a), zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen."
Die inhaltliche Bestimmung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung erfolgt von der Inhaltsbestimmung vom Gegensatz totalitärer Systeme [3] her. Es wäre aber dann gerade notwendig, den Totalitarismus zu definieren. Dem wird aber wieder nicht genügt. Bezüglich der Totalitarismus Definition erfolgen merkwürdige ungenügende Ansätze: "Der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ergibt sich einfach daraus, was wir von ,früher' und von ,drüben' als politische Ordnung unbedingt nicht wollen."[4]
Das Ungenügen einer Definitionsmethode, die zwei komplementäre Begriffe lediglich aneinander ausgrenzt, wird durchaus erkannt. Zur Unterbrechung dieses Kreislaufs wird dann auf die positive Definition der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie sie das Bundesverfassungsgericht vorgenommen hat, verwiesen; eine bestehende Unsicherheit wird allerdings in wissenschaftlich-redlicher Weise eingestanden, wenn es heißt, das Verfassungsgericht habe nur "einen Versuch zur Definition des Begriffs gewagt" [5]
Danach "läßt sich die freiheitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteien-Prinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition." Dürig bezeichnet dies vorsichtig als Umschreibungsversuch und erteilt hierzu seine Zustimmung. Er warnt aber davor, hieraus eine "Bibelstelle"[6] zu machen.
Die Gegner dieser vom Verfassungsgericht aufgestellten positiven Kriterien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung werden aber noch nicht als totalitäre Feinde angesehen. Um gewisse "Toleranzbereiche" zu schaffen, werden die vom Verfassungsgericht aufgestellten Prinzipien nochmals, allerdings völlig unscharf und von Dürig selbst als "skizzenhaft" bezeichnet, eingeschränkt, damit der Begriff "glaubhaft und glasklar"[7] bleibt. Die Gegnerschaft der gegen diese um einen Toleranzbereich verkürzten Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, verfällt dann endgültig dem Verdikt von Dürig.
Es folgt nun die Schlußfolgerung, was wirklich totalitär ist: "Der verbleibende Rest ist als wirklich totalitär indiskutabel, unmittelbar einsichtig und berechenbar. Es ist jener Ausschnitt der politischen Grundrechtsbetätigung, gegenüber dem die sehr freiheitliche Verfassung des Grundgesetzes ihrerseits militant und intolerant wird, wo sie zum inneren Abwehrkampf bereitsteht."[8]
Bis zu einem gewissen Grad wird somit die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Gegenposition zum Totalitarismus, der Totalitarismus wiederum als Gegenposition zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung definiert. Zwar ist auch der Versuch einer positiven Definition der freiheitlich-demokratischen Grundordnung enthalten, der zentrale Punkt in dieser Definition ist aber gerade wiederum negativ formuliert: "unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft".
Totalitarismus ist dann im Kern eine Gewalt- und Willkürherrschaft, die undefiniert bleibt. Dürig ist sich offensichtlich der ungenügenden Definition bewußt; die Konkretisierung der Prinzipien, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausmachen, hat so zu erfolgen, indem zu ermessen ist, noch das betreffende Prinzip nach den Erfahrungen von ,früher' die Gefahr einer Gewalt und Willkürherrschaft einschließt".[9] Im Ergebnis liegt somit wiederum ein instrumentalisierender Totalitarismusbegriff zugrunde, d. h. Totalitarismus ist, was "früher" (NS-Zeit) bzw. was "drüben" (sog. DDR) geschehen ist.
Im Grunde handelt es sich damit bei der Totalitarismusdefinition um Leerformeln. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung und der Totalitarismus werden im wesentlichen als komplementäre Begriffe definiert, wobei bei der Definition des jeweiligen Begriffs auf die Gegenposition verwiesen wird.
Zur restlosen Verunsicherung führt aber die Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht in der Verfassung nicht eine "fragmentarische Ordnung" unter Verzicht einer Gesamtwelterklärung sieht, sondern eine geschlossene Wertordnung, die aus den Grundrechten geschöpft wird. Diese büßen hierbei auch ihren Charakter als von jeder staatlichen Tätigkeit zu respektierenden Freiraum ein, da sie ja nun selbst unter den Vorbehalt dieses Wertsystems geraten. Dies folgt letztlich daraus, daß ja nur der sich ideologisch nicht identifizierende Staat die Freiheit im vollen Umfange respektieren kann; der an eine geschlossene Wertordnung ideologisch gebundene Staat hingegen ist gezwungen, den Gebrauch der Freiheit nach seinen eigenen Wertvorstellungen zu qualifizieren und damit in ihrem Wert zu relativieren.
Da sich der organisatorische Teil des Grundgesetzes zur Herausbildung einer Wertordnung verständlicherweise nicht eignet, sind vor allem die Grundrechte Gegenstand einer derartigen Betrachtungsweise. Die derartig als ideologisches Konzept verstandene Verfassung entzieht sich auch weitgehend - wie jede Ideologie - der Beherrschung durch die Regeln der juristischen Hermeneutik[10]. Die Rechtsprechung bezüglich des Auffindens und Erkennens der Gesamtwertordnung ist kein rational nachvollziehbarer Vorgang. Er hat mit Rechtsprechung im herkömmlichen Sinne nichts zu tun.
Forsthoff wurde nicht müde, darauf hinzuweisen, daß "diese Methode, präzedenzlos, wie sie ist, in dem Heraustreten einer jahrtausendealten, juristischen Methode ein Verlust nicht nur an Rationalität, sondern auch an wissenschaftlichem Niveau" bedeute. Er wies darauf hin, daß die Verfassungsinterpretation hierdurch der Beliebigkeit anheimgegeben sei. Die Verfassung verliere hierdurch ihre Schutzfunktion; seinen Gegnern hielt er vor, daß sie "die Besonderheit dieses Jahrhunderts (das noch nicht zu Ende ist), mit seinen Ab- und Umwertungen, seinen Hosianna und Kruzifixe, seinen unendlichen geistigen Fluktuationen noch nicht begriffen haben"[11]. Schließlich spricht er im Ergebnis damit den Verfassungsrichtern die Möglichkeit ab, zwischen Verfassungsfreund und Verfassungsfeind zu entscheiden: "Denn die Verfassung als Gefäß variierbarer Gehalte ist schließlich niemandem im Wege, so daß es sich nicht lohnt, sie abzuschaffen.[12]
Von der Möglichkeit einer umfassenden Inhaltsänderung haben zwischenzeitlich die Bonner Kartellparteien Gebrauch gemacht.[13] Sie genügen selbst längst nicht mehr den Prinzipien, die das Verfassungsgericht zur Definition der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufgestellt hat: Von einer Gewaltenteilung kann im totalen Parteienstaat nicht mehr die Rede sein, die Unabhängigkeit der Gerichte ist jedenfalls im politischen Bereich eine Farce, die Chancengleichheit der Parteien wird verhöhnt, indem die Parteien mit staatlichen Mitteln (Verfassungsschutz) ihre neu aufkommenden Konkurrenten diffamieren und durch praktizierte und angedrohte Berufsverbote schikanieren.
Ja, es wird sogar zur Ächtung der Konkurrenten aufgerufen; der Innenminister des angeblich freiesten Staates, der jemals auf deutschem Boden existierte, brüstet sich sogar damit, daß die Ächtung bei der Bekämpfung anderer - nicht verbotener - Parteien Erfolg hatte. Zentrale Grundrechte, wie die Wissenschaftsfreiheit[14], werden nach Belieben aberkannt. Die Aberkennung bedarf nicht einmal irgendeiner Begründung. Forsthoffs Ahnungen verwirklichten sich mit einer erstaunlichen Banalität.
Im Grunde ist es konsequent, wenn die Gerichte auf eine Begründung verzichten. Die Verfassung kann ohnehin mit beliebigen variierbaren Gehalten gefüllt werden, wobei dann die Grundrechte nur noch im Rahmen der mit dieser Methode gefundenen Gesamtwertordnung Gültigkeit haben können. Angesichts solcher gegebenen Begründungsmöglichkeiten empfiehlt es sich wirklich, auf Begründungen gleich zu verzichten.
Nachdem die Verfassung keine fragmentarische Ordnung mehr für die Verfassungsrichter ist, sondern ein geschlossenes Wertsystem, genügt es auch selbstverständlich nicht mehr, durch ein äußeres Verhalten den Normen der Verfassung zu genügen, vielmehr hat der verfassungskonforme Bürger seine Weltanschauung dem verbindlichen System der Verfassungsbibel anzugleichen. Letzte Wahrheitsüberzeugungen bleiben somit nicht Sache des Bürgers, solange dieser seine weltanschaulichen Wahrheitsüberzeugungen nicht allgemein verbindlich machen will; seine weltanschauliche Freiheit beschränkt sich vielmehr darauf, der weltanschaulich verbindlichen Verfassungsordnung beizutreten.
Wäre die Verfassung nicht auch durch diese verfehlte Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zur Verfassungsbibel aufgeschossen und wäre sie somit eine fragmentarische Ordnung geblieben, so bestünde auf der staatlichen Ebene keine verbindliche Ideologie, sondern ein gewisser Wertrelativismus.
Wertrelativismus in diesem Sinne heißt, daß kein politischer Machthaber sich auf der staatlichen Ebene auf letztrichtige Überzeugungen stützen darf. Auf der gesellschaftlichen Ebene entspricht diesem Wertrelativismus die Pluralität der Wertordnungen.
Dieser Wertrelativismus im oben genannten Sinne ist gerade keine Weltanschauung, die neben den anderen Weltanschauungen steht, und die gar als theoretischer Pluralismus Allgemeinverbindlichkeit erlangen muß und somit andere Gesinnungen ausschließt, sondern er ist lediglich ein Prinzip, das auf der staatlichen Ebene gelten muß, wenn die Rechtsordnung sich nicht mit einer von den vielen - auf der gesellschaftlichen Ebene legitimen - weltanschaulich bedingten Wertordnungen identifizieren soll. Begreift man die Verfassung aber als eine Gesamtwertordnung, so tritt die Verfassung in Konkurrenz mit anderen ideologischen und religiösen Überzeugungen, da die verschiedenen Ebenen - hier der staatliche Bereich - hier der gesellschaftlich-private Bereich - aufgehoben sind.
Treten dann zum Beispiel Religionen, wie etwa die katholische Kirche, aber auch die Scientology Church mit dem Anspruch auf, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein, so kann aus der Sicht der Gesamtwertordnung nicht erklärt werden, warum die eine nicht verfassungswidrig sein soll, die andere aber als verfassungsfeindlich anzusehen ist. Nach der richtigen Ansicht, wonach die Verfassung nur eine fragmentarische Ordnung ist, ergibt sich ganz einfach die Lösung daraus, ob eine der beispielhaft genannten Kirchen die eigenen absoluten Wahrheitsanspruch auf der staatlichen Ebene verbindlich machen will, d. h. etwa Gesetze anstrebt, die die anderen Staatsbürger ebenfalls nötigt, den absoluten Wahrheitsanspruch anzuerkennen.
Es kommt also darauf an, ob eine Gesetzesordnung angestrebt wird, die durch eine andere sich bildende Mehrheit im Ergebnis auch nicht mehr abgeschafft werden kann, da ja das mit dem Anspruch auf absolute Wahrheit erlassene Gesetz als Geltungsgrund die absolute Richtigkeit und nicht die Relativität einer gesetzgeberischen Mehrheit hat. Letztere muß sich ja Veränderungen, die sich durch die Bildung neuer Mehrheiten ergeben, öffnen.[15]
Im Sinne einer derartigen Gesamtwertideologie hat auch der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hansjörg Geiger[16] sich über die "Neue Rechte" geäußert. Er nahm Theorien mit antiwestlicher Grundrichtung ins Visier, ebenso ereiferte er sich über Theorien, die statt der multikulturellen Gesellschaft einen Ethnopluralismus bevorzugen. Ein derartiges Vorgehen kann sich zu Recht auf das Grundgesetz als Gesamtwertordnung berufen, da ja unter anderen Beliebigkeiten auch ein Gebot zur multikulturellen Gesellschaft und ein Gebot zu prowestlicher Gesinnung herausgezaubert werden kann.
Bei richtigem Verfassungsverständnis ist das verfassungswidrige Vorgehen des Herrn Verfassungsschutzpräsidenten evident. Die Selbstverständlichkeit, mit der der -zwischenzeitlich zum BND-Chef avancierte porschefahrende Verfassungsschutzpräsident seine verfassungsfeindlichen Thesen den Spiegel-Redakteuren anvertraute, zeigt bereits, daß es sich um einen weitgehend abgeschlossenen Prozeß handelt. Noch nicht abgeschlossen dürfte aber die Verschärfung der Verfolgungsmaßnahmen sein, von denen Personen getroffen werden, die nach obiger, willkürlicher Methode als Verfassungsfeinde geortet werden.
Auffallend ist, daß sich der Verfassungsschutz bei seiner Tätigkeit überhaupt nicht mehr um die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien für eine Verfassungsfeindlichkeit kümmert. Als verfassungsfeindlich wird vielmehr angesehen, wenn sich jemand in seinen Anschauungen von den herrschenden Parteien weit entfernt hat (extrem); hierbei wird davon ausgegangen, daß die etablierten Parteien eine Art Verfassungsmitte besetzen und somit als sog. verfassungsrechtliche "Volltreffer" anzusehen sind. Es wird geprüft, ob der Proband ein zu stringentes Ausländerrecht bejaht, ob er zu wenig individualistisch eingestellt ist und ähnliches. Kriminelle, die Behinderte mißhandeln, werden als rechtsextrem eingestuft. Auch Kritik an den Altparteien führt zu diesem merkwürdigen Ergebnis. Selbstverständlich ist es für den Verfassungsschutz auch rechtsextrem, wenn historische Vorgänge anders beurteilt werden, als den etablierten Parteien genehm ist.[17]
Wer in historischer Hinsicht revisionistischen Vorstellungen huldigt, d. h. wer aufgrund chemischer Gutachten zu einer anderen Beurteilung der Vorgänge bezüglich des sog. Auschwitz-Komplexes kommt, ist selbstverständlich Verfassungsfeind. Eine unerwünschte Beweiswürdigung von Gutachten und Zeugenaussagen führt also unmittelbar zum Etikett "Verfassungsfeind". Selbstverständlich ist es ein leichtes, dies mit der von Forsthoffkritisierten Methode zu "begründen". Nach den herkömmlichen Methoden der juristischen Hermeneutik führt selbstverständlich kein Weg von den
Grundsätzen des Art. 79 III Grundgesetz zur in bestimmter Weise verbindlichen Würdigung historischer Sachverhalte.
Nachdem die Verfassungsschutzämter ohnehin die Grenze zur Lächerlichkeit bereits überschritten haben, könnte man diese Verirrungen der sog. Verfassungsschutzämter mit Gleichgültigkeit quittieren, solange derartige Materialien nicht zu Parteiverboten führen. Den etablierten Parteien wird aber die Möglichkeit gegeben, mit diesen unsinnigen Kriterien bereits unter der Schwelle des Verbots von Parteien in die Rechte von Bürgern, z. B. Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, einzugreifen. Den etablierten Parteien kommt es gerade darauf an, kein Parteienverbot[18] vorzubereiten, sondern sich bereits im Vorfeld Konkurrenz vom Leibe zu halten und die Bevölkerung doktrinär zu durchdringen.
Wenn hier der Versuch unternommen wird, eine Totalitarismus-Definition zu gewinnen, so ist von vornherein darauf hinzuweisen, daß es hierbei nicht um eine Diskriminierungsformel geht. Auch soll mit einer Totalitarismus-Definition nicht den Ansprüchen einer rechtsstaatlichen Norm, von der wesentliche Eingriffe abhängen, genügt werden. Totalitarismus wird hier nur als politisch-philosophischer, nicht aber als juristischer Begriff vorgestellt.
Totalitarismus liegt vor, wenn ein Teil einem anderen Teil oder anderen Teilen kein Existenzrecht zuerkennt, oder für sich in Anspruch nimmt, das Ganze zu vertreten.[19] Hierbei soll der einen Seite, der einen Partei, der einen Substanz die unumschränkte Alleinherrschaft verschafft werden, und zwar dadurch, daß er die anderen Teile theoretisch oder praktisch liquidiert.[20] Die monistische[21] Durchdringung des Ganzen durch einen Teil ist somit - auf eine kurze Formel gebracht -totalitär. Totalitäres Denken kann niemals das Wahre sein: "Das Wahre ist das Ganze."[22]
Nach dieser Definition erfüllte und erfüllt die sog. DDR, sowie die BRD, in klassischer Weise die Kriterien des Totalitarismus. Die gleiche Beurteilung kommt dem sog. Dritten Reich zu, das situativ totalitär war und, wie weiter unten darzulegen ist, die Reichsidee weitgehend verfehlte.
DIE INHALTE DER REICHSIDEE
Die Reichsidee entzieht sich einer präzisen abschließenden Definition. Dies hängt zum einen mit der Tatsache zusammen, daß die Reichsidee von unseren subjektiven Wünschen und Sehnsüchten bezüglich einer herzustellenden Ordnung geprägt war und ist. Durch den häufig unglücksseligen Verlauf der deutschen Geschichte war eine solche Verlagerung ins Subjektive zur Erhaltung der Kontinuität unausweichlich. Da die Reichsidee immer wieder erneuerungsfähig sein muß, muß sie von ihrem Kern her auf die "neuen Umstände hin transformiert werden"[23] können.
Wie alles Dauerhafte bedarf somit diese Idee auch der Flexibilität, was ebenfalls einer erschöpfenden Definition hinderlich ist. Endlich widerstrebt aber das Wesen der Reichsidee selbst einer endgültigen Definition und Festlegung, da ihr innerstes Wesen der Bezug zur Ganzheit ist.
Der Reichsidee widersprechen auch alle ideologischen Erkenntnisse, die als Letzterkenntnisse mit Ausschließlichkeitsanspruch ausgestattet werden. Eine derartige Ausschließlichkeit beanspruchende Erkenntnis ist uns Menschen nicht möglich. Ihr dennoch Ausschließlichkeit zu verleihen, heißt im Ergebnis wiederum eine Teilerkenntnis zum Ganzen zu erklären. Letztgültige "Regeln, welcher Färbung auch immer, scheitern an der Wirklichkeit".[24]
Inhalt der Reichsidee kann niemals eine letztgültige wahre Erkenntnis sein; die Reichsidee verlangt vielmehr die Offenheit zur Wahrheit, da abschließend niemals das Ganze und Wahre erkannt werden kann. Die Inhalte der Reichsidee, soweit sie konkretisierbar sind, sind Kontinuität, politische Vielfalt und Frieden.
Wo die Kontinuität verloren geht, dort geht der Geschichtsverlust einher: "Geschichtsverlust und Politikverlust und Realitätsverlust" hängen aber zusammen. "Der einzig angemessene Umgang mit Geschichte ist die Erkenntnis ihrer Aktualität, d. h. die Erkenntnis der geschichtlichen Dimension der eigenen gegenwärtigen Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist immer Resultat, sie geht in Geschichte auf, weil sie nicht nur von der Geschichte geprägt ist, sondern weil sie Geschichte ist"[25] "...Der Mensch existiert geschichtlich - was in durchgehaltenen Traditionen ebenso zum Ausdruck kommt wie in Widersprüchen, Entgegensetzungen und Revolutionen ..."[26] Das Moment der Kontinuität und das subjektive Bewußtsein eines Volks bezüglich des Zusammenhangs der Generationen, in dem die Toten ebenso zum Volk gehören, wie die zukünftig Lebenden, führt zu einer Humanisierung der Politik.
Der Universalismus der Reichsidee steht auch in keinem Widerspruch zur politischen Vielfalt. Universalismus und Vielfalt bedingen sich vielmehr. Die politischen Subjekte, die Nationen, stehen der Reichsidee nicht entgegen. Gerade ihr Erhalt in ihrer historisch gewachsenen Identität macht einen guten Teil des Wesens der Reichsidee aus. Prinzipielle Existenzveneinung von Nationen, wie sie vom internationalen Individualismus gefordert werden, oder wie auch der Antigermanismus des 20.Jahrhunderts es tendenziell gefordert hat, widerspricht zutiefst der Reichsidee. Der Universalismus der Reichsidee hat nichts mit einer umfassenden territorialen Erstreckung der Reichsgewalt zu tun, etwa im Sinne des westlichen Nationalimperialismus. Die Reichsidee schafft vielmehr nur eine Idee einer universalen Ordnung, ausgehend von der absoluten Unausweichlichkeit "der Herstellung von Ordnung schlechthin".[27] An dieser Idee können alle Völker teilhaben.
Insofern ist die Reichsidee auf eine Ausstrahlung angewiesen, die, von einem territorialen Bereich ausgehend, der unmittelbar territorial beherrscht wird, den Völkern je nach geographischer Entfernung eine Hinordnung zum Reich in einer entsprechenden Intensität offenläßt. Hierdurch ist die Möglichkeit einer friedlich-ordnenden Durchdringung der Welt gegeben. Diese Ordnungsvorstellung hat nichts, aber auch überhaupt nichts mit der monistisch durchdrungenen "One World" zu tun. "Der Universalismus der Reichsidee ist im Kern nichts anderes als die Idee gerechter Ordnung oder der Gerechtigkeit. Ist die Reichsidee aber einerseits die Idee eines Reiches der Gerechtigkeit, so andererseits auch die Idee, daß Gerechtigkeit nicht in einer Einförmigkeit der Bildungen gesehen werden muß. Die Reichsidee trägt also als Universalismus der Notwendigkeit Rechnung, indem sie die konkrete Vielfalt menschlicher Ordnungen, die auf stammesmäßige, letztlich stets geschichtlich gewordene Unterschiede zurückgeht, in einem Reich umfaßt: Gerechtigkeit, die die Vielfalt stehenläßt und sie in einer Gesamtordnung einbindet."[28]
Substanz und Würde der Reichsidee ergibt sich aus der absoluten Notwendigkeit der Ordnung. Die hieraus resultierende Heiligkeit des Reichs bedarf keiner "zusätzlichen Theologie".[29] Hieraus folgt auch der Gedanke der religiösen Toleranz unmittelbar aus der Reichsidee. Dieser Gesichtspunkt ist kein neu zu entwickelnder Gedanke der Reichsidee, sondern hat bereits die historische Vorlage in der Tatsache, daß seit den Staufer Kaisern als Abschluß gewisser kämpferischer Auseinandersetzungen mit dem Papsttum die Heiligkeit des Reichs unabhängig vom römischen Segen erstritten und festgestellt wurde.
Sinn der absoluten Notwendigkeit der Ordnung ist aber im Ergebnis der Frieden. Da aber der Frieden nicht die Frucht verblasener pazifistischer Vorstellungen ist, sondern das Ergebnis ständigen politischen Tuns, gehört zum Kern der Reichsidee "vor allem der zu schaffende Friede"[30] Der aus der Reichsidee zu schaffende Friede ergibt sich aus der Verantwortung; der Pazifismus vielmehr ist eine Frucht der Verantwortungslosigkeit, weshalb auch regelmäßig pazifistische politische Träger, sobald sie zur Verantwortung gelangen, den Pazifismus als obsolet aufgeben.
So hat zum Beispiel die christliche Kirche, nachdem sie unter Kaiser Constantin Staatskirche wurde, den Pazifismus der Urkirche abgelegt. Selbst die Grünen wurden ihrem Pazifismus-Ideal untreu, als sie zum Bundeswehreinsatz auf dem Balkan in einer Weise Stellung nehmen mußten, die sie geeignet erscheinen läßt, demnächst im Rahmen einer Koalition politische Verantwortung zu tragen.
"Die Reichsidee umfaßt also den Gedanken der Kontinuität, das Wissen um die historische Prägung und den Respekt vor dem Gewordenen. Er umfaßt den Gedanken einer sich selbst behauptenden Einheit in anerkennender Vielfalt von Völkern, Staaten, Nationen, und wenn man will, Gesellschaftssystemen und - vor allem - den Gedanken eines Gemeinsamkeit stiftenden umfassenden Friedens: Nicht in Weltfriedens- und Menschheitsträumen, sondern in konkreter großräumiger Territorialität."[31]
REICHSIDEE CONTRA TOTALITARISMUS
Bereits bei der Skizzierung der Inhalte der Reichsidee erschloß sich die Unvereinbarkeit von Reichsidee und Totalitarismus: Der Grundsatz der Kontinuität schließt es aus, daß es in der Geschichte einen Nullpunkt gibt. Die offiziöse Staatsdoktrin der BRD geht davon aus, daß die gesamte deutsche Geschichte ein Fehllauf war, der schließlich durch den Eingriff der Alliierten als deus ex machina gestoppt wurde, wodurch den Deutschen die Möglichkeit gegeben wird, durch Abschwören ihrer Vergangenheit und ihrer Geschichte an der objektiv richtigen Seinsweise teilzunehmen. Durch die Alliierten hat in gewisser Weise der Weltgeist gesprochen. [32] Der bis dahin zurückgelegte Geschichtsweg, der aufgrund von Fehlveranlagungen im Dritten Reich kulminierte und endete, ist total zu vemeinen.[33] Die Grundsätze, durch die die Bundesrepublik Deutschland nach dem Krieg bestimmt war, beanspruchen ohne Rücksicht auf die Bedingungen der Zeit, des Ortes und der jeweiligen Situation, kurz der Lage, allgemeine Gültigkeit.
An die Stelle der Kontinuität tritt die starre Fixierung von Werten (je nach Standpunkt auch Unwerten) der realexistierenden FDGO: Zum Beispiel extremer Individualismus, Permissivität, Antigermanismus, Westbindung, Egalitarismus u. a. Im Ergebnis wird somit ein historischer Teilaspekt, der unter gewissen Bedingungen vielleicht eine Berechtigung hatte, dazu bestimmt, als Ganzes gesetzt zu werden. Der Antagonismus Drittes Reich/BRD wird zur Erklärung nahezu aller Probleme herangezogen, wobei einfacherweise bei einer zu entscheidenden Frage nur festzustellen ist, wie im Dritten Reich entschieden worden ist oder fiktiv entschieden worden wäre, um die richtige Antwort zu finden. Probleme, die mit diesem Antagonismus schlicht nichts zu tun haben, oder die gerade erst dadurch gelöst werden können, daß es gelingt, diesen Antagonismus zu überwinden, dürfen nicht existieren.
Auch eine politische Vielfalt lassen totalitäre Denkstrukturen nicht zu: Nicht nur zu allen Zeiten, sondern auch überall und unter allen Voraussetzungen soll das gleiche gelten: Der Marxismus maßte sich an, aus Überlegungen heraus, die aus einer bestimmten Situation der europäischen Industriegesellschaft stammten, sämtliche Probleme auf der Welt zu lösen. Zu Zeiten des kalten Krieges erschienen die Propheten des Marxismus auch in der dritten Welt und verkauften dort ihre Ideologie, wobei gewachsene Vorstellungen niedergetrampelt wurden.
Dieser Vorwurf muß auch der christlichen Missionarisierung gemacht werden, welche in der Neuzeit ohne den Kolonialismus nicht zu denken ist. Christianisierung wie Kolonialismus lehnten im Grunde eine politische und kulturelle Vielfalt ab, um kulturelle Vorstellungen, denen für gewisse geographische Teilbereiche die Berechtigung nicht abgesprochen werden kann, auf die ganze Welt zu übertragen. Es stellt einen Treppenwitz der Geschichte dar, daß die Epoche der Endkolonialisierung, die obendrein weitgehend zeitgleich mit dem westöstlichen Dualismus war, eine noch verheerendere totalitäre Wirkung hatte, als der Kolonialismus selbst: Die Endkolonialisierung versperrte noch mehr als die Kolonialisierung die Möglichkeit, für die betroffenen Völker auf ihre eigene Kontinuität wiederum zurückzugreifen; die Durchdringung vor allem durch westlich zivilisatorische Vorstellungen wurde autonom. Das geistig-kulturelle Niederwalzen der dritten Welt wurde somit fürderhin nicht nur durch eine sich globalisierende Wirtschaft betrieben, sondern auch zum Teil durch die eigenen Machteliten der entsprechenden Völker, die in Folge von Entfremdung die Kraft zur Anknüpfung an die eigenen Traditionen nicht mehr hatten. Allenfalls für Länder, die vom Islam bestimmt sind, gilt dies nur mit Einschränkungen.
Auch sind totalitäre Staaten nicht friedensfähig im Sinne der Reichsidee. Ein praktisches Beispiel stellt das deutsche Schicksal im 20. Jahrhundert dar: es wurde bekämpft von Mächten, die davon ausgingen, daß ihr zivilisatorischer Anspruch, ihre Vorstellung von Menschenwürde auf der ganzen Welt und somit auch für Deutschland zu gelten habe. Die Feindmächte in beiden Weltkriegen waren immer Träger eines totalitären Gedankenguts. Die beiden Kriege, insbesondere der Zweite Weltkrieg wurden mit einer sich steigernden Brutalität gegen Deutschland geführt, dem grundsätzlich jedenfalls in seinem Sosein eine Existenzberechtigung abgesprochen wurde.
Dieses Sosein des deutschen Volkes, das verneint wurde, war nur oberflächlich und ohnehin nur während der zweiten Hälfte des großen Ringens durch den Nationalsozialismus bestimmt. Tatsächlich ging es aber um viel tiefer gehende Unterscheidungen als die oberflächliche Betrachtung auf der Propagandaebene verlauten ließ. Im Grunde ging es gegen das deutsche Volk als Träger der Reichsidee.
Dem Krieg folgte auch niemals ein Friede. Zwar wurde als bald nach Abschluß des Waffenstillstandsvertrags erkennbar, daß die am Krieg beteiligten Mächte die anstehenden Probleme nicht mehr mit Waffen und Gewalt lösen wollten, was dazu führte, daß im formal juristischen Sinne des klassischen Völkerrechts kein Kriegszustand mehr bestand. Um diesen formal juristischen Frieden geht es aber nicht, insbesondere, nachdem im ideologieüberfrachteten 20.Jahrhundert formale Rechtsinstitute ohnehin weitgehend unterlaufen wurden, so daß sinnvollerweise immer nach dem entsprechenden Phänomen, hier nach dem Phänomen des Friedens im soziologischen Sinne gefragt werden muß.
Nach dem Waffenstillstand vom 8. Mai 1945, den die Siegermächte, was schon bezeichnend ist, nicht nur als Waffenstillstand begriffen, sondern als "Unconditional Surrender", wurde der Krieg psychologisch gegen die militärisch Besiegten fortgesetzt. Das Rechtsinstitut des "Unconditional Surrender" haben die Amerikaner aus den Indianerkriegen entlehnt, aus Kriegen, in denen dem Gegner grundsätzlich ein Existenzrecht abgesprochen worden ist. Die nach der Kapitulation einsetzende Umerziehung stellte einen tiefen Eingriff in das Bewußtsein eines Volkes dar. Die hierauf folgende Dauergehirnwäsche von über 50 Jahren führte auch bereits zu einer gewissen geistigen Umstrukturierung des Volkes, allerdings vorerst ohne biologische Komponente.
Diese Umerziehung wurde von den Siegermächten in der ersten Phase selbst, dann von der von ihnen eingesetzten herrschenden politisch-medialen Klasse vollbracht. Es war, um in der obigen Terminologie bezüglich des Totalitarismus zu verbleiben, ein monistischer Kahlschlag. Aber es wurde nicht nur an der geistig kulturellen permanenten Niederwerfung gearbeitet; auch die wirtschaftlich-finanzielle Übergabe wird zur Zeit gefordert und durchgeführt (Stichwort Maastricht). Die bevorstehende sprachliche Auslöschung[34] wird bereits von Repräsentanten der herrschenden Klasse gefeiert. An der biologischen Bekriegung[35] und Existenzvernichtung wird durch Asylmißbrauch[36] und ständige Indoktrination auch mit vermeintlich unpolitischen Fernsehsendungen gearbeitet.
Auch die endlose Vergangenheitsbewältigung im Inneren belegt die Friedensunfähigkeit des Systems. Diese Friedensunfähigkeit resultiert daraus, daß gewisse Aspekte, die möglicherweise als Teilaspekte eine Berechtigung haben, jeden anderen Gesichtspunkt planmäßig niedermachen. Der Totalitarismus ist somit seinem Wesen nach friedensunfähig. Auf den Krieg folgt nicht der Friede, sondern der permanente Krieg mit anderen Waffen.
Aus diesen Ausführungen wird erkennbar, daß der Wesenskern des Totalitarismus, wonach ein Teil für sich in Anspruch nimmt, das Ganze zu vertreten, mit dem Reichsgedanken unvereinbar ist und auch dem konkreten Inhalt der Reichsidee (Kontinnität, politische Vielfalt, Friede) widerspricht.
DRITTES REICH UND BUNDESREPUBLIK
So verfehlte das Dritte Reich die Reichsidee situativ. Allerdings sind Aussagen über das Dritte Reich äußerst problematisch, da dieses Gebilde ständig unter einem Bewältigungsdruck konkreter Situationen stand und obendrein nach dem Röhmputsch kaum noch eine ideologische Auseinandersetzung, ein Finden einer Linie und ein ideologisches Auspendeln möglich war, da Hitler alleine alles bestimmte.
Eine längere Friedensperiode gab es für das Dritte Reich nie, so daß ein gewisses Einpendeln, auf das, was das Dritte Reich essentiell bestimmte, nie stattfand. Alles war ständig von der entsprechenden Geschehensdynamik überlagert. Trotzdem und unter diesem Vorbehalt sind erhebliche Ansätze erkennbar, die das Dritte Reich als totalitär ausweisen: Die Tatsache, daß nur eine Partei erlaubt war, zeigt bereits, daß eine Partei (Partei kommt vom lateinischen pars = der Teil) für das Ganze stand. Auch etwa die Tatsache, daß die Waffen-SS nicht dem Staat, sondern formal der Partei unterstand, muß als ausgesprochen totalitär bezeichnet werden. Die Waffenträger einer Nation - und erst recht die Waffenträger des Reiches - müssen ihrem Wesen nach für den Erhalt des Ganzen vorhanden sein, so daß das Vorhandensein einer "Parteiarmee" in evidenter Weise als totalitär bezeichnet werden muß.
Aber auch hier zeigt sich, daß Urteile über die Vorgänge im Dritten Reich mit äußerster Vorsicht getroffen werden müssen: Gerade unter der Dynamik des Zweiten Weltkriegs, der sich als antideutscher Vernichtungskrieg darstellte, haben die herausragenden militärischen Leistungen der Waffen-SS diese Truppe zu einem Symbol des Reichs gemacht in einem Kampf, in dem es buchstäblich um das Ganze ging und wahrlich nicht um die Erhaltung irgendeiner Ideologie. So hat sich die Reichsidee bei den Soldaten der Waffen-SS doch wiederum verwirklicht. trotz des irrigen ideologischen Ansatzes.
Das Dritte Reich hatte eben einen stark situativ experimentellen Charakter, weshalb alles nur jeweils in Ansätzen vorhanden ist und somit darüber hinausgehende Aussagen kaum möglich sind. Dies führt selbstverständlich auch dazu, daß das Dritte Reich als grenzenloser Prügelknabe sowie auch als Objekt einer grenzenlosen Apologie seine Bedeutung weit über den Zeitraum seiner Existenz nicht verliert.
Das Dritte Reich nahm auch totalitäres Gedankengut durch Angleichung an die vor allem westlichen Gegner auf: Hitler imponierte bereits im Ersten Weltkrieg die englische Propaganda, die er kopierte; weiterhin kopierte er auch das englische KZ-Wesen; schließlich stand Hitlers Englandbewunderung Pate bei der Behandlung der Ostvölker als Kolonialvölker. Insofern ergab sich eine Angleichung durch die Dialektik der Auseinandersetzung in den beiden großen Kriegen.
Der Totalitarismus der BRD kann unter den verschiedensten Aspekten belegt werden: Gab es im Dritten Reich nur eine Partei, die sich für das Ganze erklärte, ist es in der BRD das bekannte Parteienkartell, deren Mitglieder grundsätzlich unter Numerus-Klausus stehen. Ihm gegenüber hat der Staat keine selbstständige politische Potenz mehr. Er wird vielmehr ausschließlich von diesem Parteienkartell instrumentalisiert.
Eine Identifikation mit dem Staat ist nur noch über eine oder über das gesamte Parteienkartell möglich. Instrumentalisierte im Dritten Reich die NSDAP bzw. Hitler den Staat, so wird der Staat nun von dem genannten Parteienkartell instrumentalisiert. In beiden politischen Systemen hat aber der Staat als die Instanz für das Allgemein Ganze keine Bedeutung.
Selbstverständlich findet hier auch keine Gewaltenteilung mehr statt. Allerdings muß hier fairerweise darauf hingewiesen werden, daß die Montesquieu'sche Gewaltenteilungslehre ohnehin weitgehend überholt ist.[37] Diese Lehre hatte vor allem eine Berechtigung im 18.Jahrhundert,wobei Montesquieu für die Gewaltenteilung, die in dieser Weise keinesfalls zwingend ist, konkrete gesellschaftlich vorhandene Kräfte vorfand.
Auf jeden Fall aber hat die politische Unabhängigkeit der Justiz, so wie sie von Montesquieu gefordert wurde, auch jetzt noch ihre Bedeutung. Aber an dieser mangelt es augenscheinlich in der Bonner Republik. So wie oben ausgeführt werden mußte, daß der Gedanke einer Parteiarmee (WaffenSS) völlig unerträglich ist, aber andererseits die Waffen-SS faktisch insbesondere unter der Dynamik des damaligen Geschehens keine Parteiarmee war - jedenfalls im Verlaufe des Kriegs aufhörte, eine derartige zu sein, so muß bezüglich der BRD-Justiz - dies gilt jedenfalls für den obersten Bereich, soweit es politische Justiz ist -festgestellt werden, daß diese zwar formal objektivstaatliche Institutionen darstellen, materiell gesehen aber als Parteiorgane betrachtet werden müssen. Haarsträubende Belege können unter anderem in der Rechtssprechung, mit der die freie Erforschung der historischen Vorgänge während des Zweiten Weltkriegs unterbunden werden soll, gefunden werden.
Unter Gewaltenteilung wird üblicherweise die von Montesquieu vorgenommene Einteilung der staatlichen Gewalt verstanden. Aber es gibt traditionellerweise jedenfalls im europäischen Raum ein weiteres Einteilungsschema[38] - allerdings nicht der staatlichen Gewalten - sondern des politischsozialen Ganzen: Derpolitisch-militärische, der religiöse, sowie der Bereich der Zivilgesellschaft, für den wiederum das Ökonomische bestimmend ist. Auch insofern werden in der BRD von der ökonomisch bestimmten Zivilgesellschaft alle anderen Bereiche völlig verdrängt. Die Maßstäbe der Zivilgesellschaft werden für allgemein gültig erklärt. Für den politisch-militärischen Bereich sowie für den religiösen Bereich verbleibt kein Raum mehr.
Dies ist der tiefere Grund, warum die BRD jeglicher ethischer Dimension entbehrt und nur von erodierenden, von früher überbrachten ethischen Ressourcen lebte. Wirtschaftliche Tätigkeit orientiert sich in erster Linie am Tauschen[39], oder am Kaufen, das nichts anderes als ein abstraktes Tauschen darstellt. Tauschen hängt aber etymologisch mit Täuschen zusammen. Der Berliner Volksmund sagt auch: Wer Lust hat zum Tauschen, hat Lust zum Betrügen. Der sittliche Verfall der Verhaltensweisen der Bundesbürger in allen konkreten Lebensbereichen läßt sich somit auch zu einem gewissen Grade auf den BRD-Totalitarismus zurückführen. Der politisch-militärische Bereich und insbesondere der religiöse Bereich, der für die Ethik zuständig ist, werden vom ökonomischen Bereich völlig erdrückt und sind nicht mehr, oder allenfalls rudimentär, vorhanden.[40]
Die Wirtschaft stellt in einem organischen sozialen Ganzen nur ein Teilsystem dar. Sie hat auch nur eine dienende Funktion für das Ganze. Hiervon kann in der BRD nicht ausgegangen werden. Bereits bei ihrer Gründung hatte der wirtschaftliche Bereich eine nahezu ausschließliche Bedeutung. Grund hierfür war allerdings, daß zum einen aufgrund der konkreten Situation die Wiederaufrichtung der Wirtschaft von überragender Bedeutung war, zum anderen über das Wirtschaftliche hinausgehend ohnehin kein politischer Spielraum vorhanden war, dieser vielmehr erst - jedenfalls nach der Auffassung der ersten Generation der Nachkriegspolitiker[41] - zurückzugewinnen war.
Hinzu kommt, daß die Ideologien, die in jeweiligen Teilen Deutschlands nach dem Grundsatz cuius regio eius religio übernommen werden mußten, mehr oder weniger wirtschaftsbezogen waren. Beide Systeme, sowohl das marxistische als auch das westlich-liberale, sind auf ausschließlich wirtschaftlichen Weltanschauungen gegründet; beide Gesellschaftsformen verheißen im Endeffekt dasselbe menschliche Ideal: Reichtum und materielles Glück. Dieser wirtschaftliche Aspekt des menschlichen Daseins wurde immer mehr zum alleinigen Erklärungsgrund menschlichen Seins. Auch Eigenschaften, die sich vor allem beim wirtschaftlichen Tätigsein herausbilden und dort eine gewisse Berechtigung haben, wurden zum Vorbild aller gesellschaftlicher und sogar staatlicher Bereiche. So lockte die Bundeswehr junge Männer mit der Werbeformel: "Wir produzieren Sicherheit." So wurde die BRD zur totalitären Hyperökonomie. Aber immerhin war in der klassischen BRD-Epoche Subjekt dieser totalitären Hyperökonomie das ungebundene Individuum. Zwischenzeitlich ist das Subjekt dieser totalitären Hyperökonomie das abstrakte Kapital und dessen globale Beherrscher.
Auch die eschatologische Anmaßung der BRD-Ideologie muß als totalitär bezeichnet werden: Gerade nach der Wiedervereinigung haben sich die Stimmen gehäuft, die davon ausgehen, daß die FDGO des Grundgesetzes nicht etwa Ausdruck der souveränen Entscheidung des vorkonstitutionellen Volkes (pouvoir constituant) ist, sondern vielmehr eine Ordnung, die ihre Geltungsberechtigung aus der objektiven Richtigkeit erhält, die vom Schöpfungsakt des Volkssouveräns emanzipiert zu sehen ist.[42] Dadurch stellt die FDGO, selbstverständlich in der Form der real existierenden FDGO[43], die mit der geschriebenen Verfassung so gut wie nichts mehr zu tun hat, einen endgültigen Zustand dar, in dem die Deutschen ihre Erlösung gefunden haben. Hiermit wird gegen den Grundsatz der Kontinuität, der Inhalt der Reichsidee ist, mit totalitären Ansprüchen verstoßen.
Der Grundsatz der Kontinuität weiß um die Berechtigung von vergangenen Phänomenen, die ihr Resultat in der Gegenwart gefunden haben und weiß auch um das Offensein für Wahrheiten bzw. Ergänzungen in künftigen Zeiten. Unvereinbar mit dieser Kontinuität der Reichsidee ist das Festzurren der Geschichte auf einen bestimmten Punkt, der als abstrakt-idealer Endzustand begriffen werden soll. Abgesehen davon, daß gerade der gegenwärtige Zustand der Republik, der durch das Fehlen von Zukunftsvisionen und Zukunftshoffnungen bestimmt ist, kein idealer Endzustand sein kann, ist dieses Denken vom Ansatzpunkt bereits totalitär und anmaßend gegenüber dem Grundsatz "Die Wahrheit ist das Ganze".
Aber die Repräsentanten der BRD gehen zum Teil noch weiter: Die FDGO soll nicht nur Erlösungszustand für das eigene Volk oder Unvolk sein, sie gehen auch daran, sämtliche Zustände auf diesem Globus nach der FDGO zu messen, und den Abweichlern die Leviten zu lesen. Besonders lächerlich ist dies, wenn sie mit einer derartigen Einstellung realen politischen Mächten, wie etwa der Volkrepublik China, gegenübertreten. Es ist hier zu fragen, ob 50jährige Verantwortungslosigkeit unter der von den Siegermächten über Deutschland gestülpten Käseglocke den Politikern nicht jede politische Denkfähigkeit raubte.
Insgesamt muß bezüglich der BRD gesagt werden, daß ihr Egalitarismus, ihre Geschichtslosigkeit und ihr seelenloser Bürokratismus humanitätsgefährdende Erscheinungen sind, "gegenüber denen die Reichsidee nach wie vor ihre politische Kraft entfalten"[44] soll.
DER SAMMELPUNKT
Die Rückbesinnung auf die Reichsidee kann gerade in einer Epoche der Zeitenwende, in der wir uns befinden, hilfreich sein.
Die Zerstörung des Reichs und die Niederwerfung des deutschen Volkes wurden im 20. Jahrhundert weitgehend vollendet. Damit erreichte eine Entwicklung ihren Endpunkt, die bereits im ausgehenden Mittelalter ihren Anfang nahm. Waren es aber bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts noch europäische Mächte, die sich anmaßten, die Zerstörung des Reichs zu betreiben, um die politischen Gewichte innerhalb von Europa zu Lasten des Reichs zu verteilen, so erfolgte die endgültige Zerstörung des Reichs im 20. Jahrhundert durch außereuropäische Mächte.
Die Politik der europäischen Randmächte wurde somit im 20. Jahrhundert endgültig frevelhaft, indem Europa selbst zur Disposition der außereuropäischen Mächte gestellt wurde. Die europäischen Mächte, die an den beiden Weltkriegen zu Lasten Deutschlands teilnahmen, waren letztlich nur Kollaborateure der Zerstörer Europas. Im Grunde war es auch ein Erlahmen der Gestaltungskraft der europäischen Randmächte, als sie selbst den Preis der Selbstzerstörung - lediglich um der Destruktion des Reiches willen - willig bezahlten.
Die Gegenspieler der Reichsidee, die totalitäre One World-Konstruktion, steht ohne Zweifel im Zenit. Im Rahmen der Globalisierung wird letzte Hand angelegt. Mit dieser umfassenden Erstreckung dieser One-World-Ideologie, und zwar im Sinne einer weitgehend monistischen Gleichschaltung und Unterwerfung der Welt, dürfte dieses Konzept aber bereits an seiner Sollbruchstelle angekommen sein.
Es wächst die Sehnsucht nach einer kosmisch geordneten und strukturierten Welt, insbesondere nachdem die trostlose One-World-Vorstellung und in großen Bereichen One-World-Realität die Menschen in psychisch verelendeter Form zurückläßt. Das vorhersehbare Zerbrechen dieser One-World kann gerade auf die Deutschen ernüchternd aber auch heilend wirken.
Mit der Reichsidee ist auch die Möglichkeit eines Auffangens und einer Reparatur dieser Verwüstungen gegeben. Die Träger dieser Reichsidee, die zur Zeit mit Sicherheit nur wenige und darüber hinaus Versprengte im Sinne des Jüngerschen Waldgängers sind, haben deshalb Anlaß zur konkreten Hoffnung. Der Sammelpunkt[45] dieser versprengten Waldgänger heißt "Reichsidee".
Anmerkungen