• Augenzeugenbericht Nr. 21: Moshe Maurice Garbarz

    1984 verfasste der ehemalige Auschwitz-Häftling Moshe Maurice Garbarz in Zusammenarbeit mit seinem Sohn Elie ein Buch mit dem Titel Le Survivant («Der Überlebende). In diesem beschrieb er seine Arbeit als Totengräber in Auschwitz; thematisch ist sein Bericht also dem des Maurice Benroubi nahe verwandt, weswegen wir ihn anschliessend an diesen zitieren. Garbarz wurde eines Morgens im September 1942 zusammen mit sechs Mithäftlingen, die sich zu einer Arbeit als Elektriker gemeldet hatten, von einem freundlich plaudernden SS-Mann zu ihrem neuen Arbeitsplatz geführt. Was sie dort sahen, versetzte sie in Angst und Schrecken (2):

    Mir drehte sich sogleich der Magen um. Auf dem Boden sahen wir grosse Rechtecke eingezeichnet, die 20 oder 30 m breit und 50 oder 60 m lang waren. In einem davon war der Boden rot gefleckt. In der Mitte standen in gleichmässigen Abständen drei Pfosten mit Scheinwerfern drauf Das zweite Rechteck war lediglich ein Umriss auf dem Boden; der Grund war von normaler Farbe, und anstelle der Pfosten waren dort drei Löcher zu sehen, die man ausgehoben hatte.

    Der SS-Mann erklärte: «Ihr seht die Installation hier (er wies auf die Pfosten in dem ersten Rechteck). Dort drüben - nun zeigte er auf das zweite Rechteck - dasselbe. Ihr seid die Elektriker, macht euch an die Arbeit!» Dann ging er 30 oder 40 m zurück. Weshalb so weit? Ich weiss es nicht. Ob wohl das vorherige Kommando revoltiert hatte?

    Wir gingen gleich an die Arbeit. In unserer siebenköpfigen Gruppe gab es bloss zwei professionelle Elektriker. Einer der beiden hatte spezielle Haken bekommen, mit denen er sich auf die Pfosten hinaufangeln konnte. Er schaltete den Strom aus und holte die Drähte und den Scheinwerfer herunter. Dann machten wir uns daran, die Pfosten auszureissen. Und dann wateten wir in etwas Rotem, und das Rote war Blut. Der erste Kontakt damit liess uns schaudern, und wir konnten nicht mehr sprechen. Und doch wussten wir schon, was los war. Aber etwas wissen und es selbst erfahren ist einfach nicht dasselbe. Unter uns lagen Menschen wie wir, und für wahr, die Mannschaft unserer sieben Vorgänger befand sich auch unter unseren Füssen (...)

    Wir trugen die drei Pfosten weg, wuchteten sie in die bereits gegrabenen Löcher und installierten die Scheinwerfer. Am ersten Tage arbeiteten wir kaum drei Stunden. Dann blieben wir in der Hütte eingeschlossen, wo wir assen. Man verbot uns, das anzusehen, was draussen geschah. Am zweiten Tag waren wir etwas früher an unserem Arbeitsplatz als am ersten. Wir mussten in einiger Entfernung warten, während das Besonderkommando [jiddischer Ausdruck] seine Arbeit beendete - eine Arbeit, die ich euch bald schildern werde.

    Wie die Tage verstrichen, wurde unser Unterscharführer immer nachlässiger bei der Überwachung. Was hatte diese auch schon für einen Zweck? Wir konnten ohnehin nicht entrinnen. So sahen wir alles, ohne dies eigentlich zu wollen.

    Wir sahen eine Art Scheune, auf drei Seiten verschlossen, von der Art jener, in denen unsere Bauern ihr Heu stapeln, und nicht weit davon entfernt drei oder vier hübsche kleine Gebäude wie Landhäuser, von denen nur das erste nahe genug war, dass wir es klar erkannten.

    Die Konvois trafen ein, Erwachsene und kleine Knaben zusammen, Frauen, Mädchen und Säuglinge zusammen. Sie gingen splitternackt in Zwanzigergruppen zu dem Häuschen. Trotz der Entfernung konnten wir erkennen, dass sie keinerlei Furcht empfanden. Ein seltsames Kommando, in weiss gekleidet, führte sie. Es bestand aus nur vier Männern sowie zwei SS-Leuten. Wenn die Menschen das Haus betreten hatten, wurde eine recht massive Tür geschlossen.

    War diese Tür zu und sorgfältig verriegelt, kam ein SS-Mann mit einer Büchse (die Büchse, die ich erblickte, sah genau wie ein Farbtopf aus und verschwand hinter dem Haus. Dann hörten wir ein Geräusch, als ob man etwas Öffnete, es schien eher eine Falltür als ein Fenster zu sein. Zweimal hörten wir nach diesem Geräusche das Gebet Shema Israel, dann vernahmen wir Schreie, aber nur sehr gedämpft.

    Ab und zu begriffen die Menschen in der letzten Minute, bevor sie ins Haus gingen, was ihnen bevorstand. Ich sah mit eigenen Augen eine Gruppe von Männern revoltieren. Diesen Fall hatte man vorausgesehen: ein Kommando aus vier oder fünf Leuten wartete neben dem Eingang und stiess die Opfer hinein, während ein SS-Mann einige mit seinem Revolver in den Kopf schoss. Das Häuschen wirkte äusserlich so, dass dergleichen Zwischenfälle höchst selten waren. In sieben Tagen sah ich nur eine einzige Revolte mit eigenen Augen. Doch gab es andere, denn mehrmals hörten wir aus der Ferne den selben charakteristischen Knall eines aus nächster Nähe abgegebenen Schusses [sic! sic!].

    Doch kehren wir zum Morgen des zweiten Tages zurück. Das Rechteck, wo wir am Vortage die Pfosten installiert hatten, war ausgehoben und in eine Art leeres Schwimmbecken mit sauber geschnittenen Rändern umgewandelt worden, dessen Tiefe etwa anderthalb Meter betrug. Um unsere Pfosten herum hatte man den Boden gelassen, um zu verhindern, dass sie umfielen.

    Einige Schienen wurden installiert. Sie setzten einen Meter vom Häuschen entfernt ein. Sobald die Juden vergast waren, kam eine neue Mannschaft und legte neue Schienen zum Rand des Schwimmbeckens. Diese Gruppe gehörte auch dem Besonderkommando an. Die Männer dieses Kommando assen gut; sie waren anständig gekleidet. Sie lebten vollständig für sich und kehrten zum Schlafen nicht mehr ins Lager zurück. Die SS sagte, in einer Woche kämen wir auch zu ihnen. So blieb mir nur noch eine Woche, in der ich unter allen Umständen versuchen musste, irgend etwas Zu tun.

    Wir sahen das Besonderkommando Karren mit hohen Kastenbauten auf die Schienen plazieren. Dann zogen sie die vergasten Männer, Frauen und Kinder heraus und legten sie auf diese Karren. Um bei der Fahrt keine Leiche zu verlieren, stapelten sie sie wie Mehlsäcke, fünf quer, fünf längs.

    Die Arbeit war knochenhart, und der Kapo, ein Deutscher, duldete keinen Moment Pause. Er heulte ständig: «Schneller! Schneller! Sonst merze ich euch aus, ich vergase euch auf der Stelle!» und er versetzte ihnen Fusstritte. Alle Männer, Frauen und Kinder wurden sehr rasch ins Loch geworfen und dann mit Erde bedeckt.

    Dann machten wir uns an die Arbeit, wobei wir in menschlichem Blute wateten, um die Lampenpfosten herauszuziehen. Ich konnte nicht verstehen, weshalb die Leichen bluteten. Kam es vom Druck der auf sie gehäuften Erde? Oder war es die Auswirkung des Gases? Meine sechs Genossen hatten fast neue Schuhe bekommen, aber ich nicht, denn meine Bergschuhe waren immer noch in gutem Zustand.

    Nachts muss jedenfalls ein anderes Kommando gekommen sein, um im Lichte unserer Lampenpfosten ein neues Schwimmbad zu graben, denn am nächsten Tag fanden wir ein solches vor, als wir eintrafen. Ich sah dieses Kommando niemals, doch ein Kamerad sagte mir, er habe einmal einer Gruppe angehört, der diese Aufgabe oblag. Er wurde zusammen mit vielen anderen Häftlingen, vielleicht 200, aus seiner Hütte geholt. Sie hatten dem Sonderkommando nicht angehört, sondern stammten aus dem Lager und hatten den Zweck dieses Lochs nicht erraten.

    Am vierten Tage durften wir uns dem Sonderkommando an der Tür einer Gaskammer nähern. Was wir sahen, schockierte uns. Ganze Familien klammerten sich traubenweise aneinander. Tote Kinder hingen immer noch an ihren Müttern, und Sie zu trennen war eine greuliche Arbeit. Alle hatten sie heraustretende Augen und grauenvoll verzerrte Gesichter. An jenem Tage brachten sie uns einen Transport von Frauen mit ihren Kindern. Er schien, dass die meisten von ihnen ihre Kinder erdrosselt hatten, und wir begriffen, dass es unerträglich sein musste, den Todeskampf seines Kindes mitzuerleben. Sie hatten es vorgezogen, deren Leiden zu verkürzen, indem sie sie eigenhändig töteten (...)

    Neulich habe ich versucht, alle meine Erinnerungen an die Gaskammern zu einem zusammenhängenden Ganzen zu verbinden. Doch in meinem Kopf wirken sie alle wie eine Reihe von Photographien, deutlich und festgelegt. Ich kann eine davon aufsmal betrachten, doch es fällt mir schwer, sie logisch aneinanderzureihen.


    Anmerkungen zur Zeugenaussage

    1) Erschienen bei Editions Plon, Paris.
    2) Zitiert nach Pressac, S. 164.


  • Kritik

    Würde jemand den Verfasser nach dem nächst den Zenturien des Nostradamus rätselhaftesten je von ihm gelesenen Buch fragen, so würde er Pressacs Auschwitz. Technique and Operation of the Gas Chambers nennen. Dass Pressac über bemerkenswerte Fähigkeiten verfügt, scheint unbestreitbar. Er ist beispielsweise ein erstklassiger Zeichner, und niemand wird leugnen, dass er die Auschwitz-Materie so gründlich kennt wie wenige andere Forscher auf der Welt.

    Andererseits schreibt und tut Pressac am laufenden Band Dinge, die ernsthafte Zweifel an seinem Verstand aufkommen lassen. Als besonders krasse Beispiele seien seine Schilderung der Vergasungen im Krematorium IV und V («Die Zirkusnummer», S. 386) erwähnt, wo er behauptet, die Lagerleitung habe den SS-Leuten absichtlich eine komplizierte, physisch anstrengenden Methode der Vergasung zugemutet, um sie körperlich fit zu halten, oder seine Behauptung, die Lagerleitung habe die Menge des zur Judenvernichtung benötigten Zyklons absichtlich masslos übertrieben, um so die Läuseplage im Lager zu kaschieren und dessen guten Ruf zu retten (S. 188). Zu den unerklärlichsten Dingen an seinem Buch gehört auch die Tatsache, dass er einen grösseren Auszug aus dem Buch des Moshe Maurice Garbarz als Beweis für die Vergasungsbunker von Birkenau zitierte. Sollte Pressac insgeheim doch ein Agent der Revisionisten sein, wie manche argwöhnen? Hat er all diese Irrsinnigkeiten in schlauer Berechnung in sein Werk aufgenommen, um die herkömmliche Geschichtsschreibung der Lächerlichkeit preiszugeben? Hat er sich als trojanisches Pferd ins exterministische Lager eingeschlichen, um den Revisionisten eine Fülle von Argumenten zu liefern und ihnen sonst schwer zugängliche, wichtige Dokumente zugänglich zu machen - und dies alles mit dem Geld der Klarsfelds? Man denke daran, dass die Revisionisten dank Pressac das Ausmass der Kokslieferungen nach Auschwitz kennen (S. 224) und daraus ihre Schlüsse bezüglich der maximal möglichen Zahl von Krernierungen ziehen können. Wir können die Frage im Moment nicht beantworten und wenden uns nun dem Garbarz-Bericht zu. Dieser erinnert lebhaft an ein surrealistisches Gemälde von Salvador Dali; alle gemeinhin geltenden logischen Gesetze sind aufgehoben.

    Garbarz berichtet uns folgendes:

    1) Er sah zwei in den Boden eingezeichnete, riesengrosse Rechtecke.

    2) Eines davon war blutbefleckt.

    3) Die Arbeit bestand darin, aus einem der Rechtecke die darin befindlichen Pfosten mit Scheinwerfern herauszuziehen und in das zweite Rechteck zu verpflanzen.

    4) Bei dieser Arbeit wateten die sieben Männer im Blut, denn unter ihnen befand sich ein Massengrab.

    5) In einer einzigen Nacht hob ein anderes, unbekanntes Kommando an der Stelle, wo sich das Rechteck Nummer zwei befunden hatte, ein Schwimmbad aus. Dieses war von beträchtlicher Grösse, war doch das Rechteck 20 bis 30 m breit, 50 bis 60 m lang und 1,5 m tief. Dem nächtlichen Kommando muss unter diesen Umständen eine erhebliche Zahl leistungskräftiger Bagger zur Verfügung gestanden haben. Unter normalen Umständen wäre dabei ein Aushub von mindestens 1500 M3 und höchstens 2700 m' entstanden, doch in der Salvador-Dali-Welt des Moshe Maurice Garbarz konnte man eine riesige Grube ausheben, ohne die ausgeschaufelte Erde irgendwo zu deponieren - es sei denn, die rührigen Sonderkommando-Heinzelmännchen hätten diesen Himalaya in der gleichen Nacht weggeschafft.

    6) Die Pfosten mit den Scheinwerfern blieben in dem als Massengrab vorgesehenen Schwimmbad stehen. Garbarz betont ausdrücklich, dass sie nicht in der Luft schwebten, denn man hatte die Erde um sie herum gelassen, damit sie nicht umfielen.

    7) Die Vergasung wurde von einem in weiss gekleideten, sechsköpfigen Kommando geleitet. Allerdings standen noch ein paar andere Henker neben dem Bauernhaus bereit, um allfällige Revolten der Todgeweihten mit ihren Revolvern zu beenden. Solche Revolten kamen sehr selten vor; immerhin sah Garbarz binnen einer Woche zwei davon.

    8) Es wurden jeweils 20 Menschen aufsmal vergast, worauf ihre Leichen auf Wagen zu den Massengräbern geschafft wurden. Die Männer vom Besonderkommando legten jeweils 10 Leichen auf einen Wagen. Das heisst, dass zwei Fuhren ausreichten, um eine Ladung Vergaster zu den Gruben zu transportieren. Trotzdem waren sie rastlos am Arbeiten und wurden vom Kapo erbarmungslos gehetzt.

    9) Nun musste das Garbarz-Kommando die zuvor eingesetzten Pfosten wieder herausreissen. Dabei watete es wieder im Blut. Dies rührte vielleicht daher, dass die Leichen von der über sie gehäuften Erde zerquetscht worden waren. Doch halt, es war ja noch gar keine Erde auf sie gehäuft, denn das Massengrab war noch offen. Also kam das Blut wahrscheinlich vom Gas. - Übrigens bluten Leichen unter freiheitlich-demokratischen Rahmenbedingungen überhaupt nicht; unter der NS-Gewaltherrschaft war das offenbar anders.

    10) In wiederum einer einzigen Nacht hob das andere, unsichtbare Kommando ein zweites Schwimmbad aus.

    Angesichts dieser Schilderungen können wir dem Autor nur beipflichten, wenn er darüber klagt, seine Erinnerung an die Gaskammern sei getrübt.


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