XI. Alliierter Bombenterror gegen die deutsche Zivilbevölkerung
In seiner Reichstagsrede vom l. September 1939 erklärte Adolf Hitler, daß er nicht Krieg gegen Frauen und Kinder führen wolle. Er habe der Luftwaffe den Auftrag gegeben, sich auf militärische Objekte bei ihren Angriffen zu beschränken.
Am gleichen l. September hatte US-Präsident F. D. Roosevelt einen Appell an die Kriegführenden gerichtet, „auf der Grundlage der Gegenseitigkeit öffentlich ihre Absicht zu versichern, in keinem Fall und unter keinen Umständen Zivilpersonen oder unbefestigte Orte aus der Luft anzugreifen."
Für Deutschland erklärte Hitler in seiner Antwort am 2. September 1939, daß der Gedanke, „außerhalb militärischer Operationen Luftangriffe auf nichtmilitärische Objekte zu unterlassen, ganz seiner Ansicht entspreche und von ihm schon immer unterstützt worden sei". Er stimmte dem Vorschlag einer entsprechenden öffentlichen Erklärung der beteiligten Regierungen bedingungslos zu und teilte mit, er sei-
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nerseits habe schon öffentlich bekanntgegeben, daß den deutschen Luftstreitkräften die Beschränkung ihrer Angriffe auf militärische Objekte befohlen worden sei. Die Aufrechterhaltung dieses Befehles hänge von der gegenseitigen Beachtung dieser Regel ab. England und Frankreich verpflichteten sich ebenfalls in gleichlautenden Noten vom 2. September 1939, „feierlich und öffentlich, ... die Feindseligkeiten . . . mit dem festen Willen zu führen, die Zivilbevölkerung zu schonen und die Denkmäler der menschlichen Zivilisation möglichst zu bewahren".
Dabei erklärten sie, daß sie den Oberkommandos ihrer Streitkräfte schon genaue Anweisungen gegeben hätten, damit aus der Luft, von See und vom Land her „nur einwandfrei militärische Objekte im engsten Sinne des Wortes" bombardiert würden. (Udo Walendy, Hist. Tatsachen Nr. 49, Seite 8.)
Eberhard Spetzler führt in seinem Buch „Luftkrieg und Menschlichkeit" dazu weiter aus: „Insgesamt kann objektiv nicht bestritten werden, daß der Polenfeldzug von deutscher Seite ritterlich und menschlich geführt wurde, und daß auch die Luftwaffe nachhaltig und erfolgreich bemüht war, das geltende Kriegsrecht und die Grundsätze der Haager Landkriegsordnung einzuhalten.
Selbstverständlich waren Treffer außerhalb der militärischen Objekte im Rahmen der Streuungsgrenze und der menschlichen und technischen Fehlerquellen nicht auszuschließen, so daß die Kämpfe wie in jedem Krieg die Zivilbevölkerung trotz allem in Mitleidenschaft zogen; beabsichtigt oder fährlässig verursacht waren sie jedoch nicht. . . .
Auf dem westlichen Kriegsschauplatz war die Luftkriegführung anfangs gleichfalls korrekt. Sie wurde am 4. September 1939 durch Angriffe englischer Bomber des Coastal Command auf militärische Ziele, besonders auf Anlagen der Kriegsmarine im Raum Wilhelms-haven und Cuxhaven eröffnet. Gelegentliche Treffer auf Wohnstätten waren offenbar unbeabsichtigt.
Auch ein Bombenwurf auf die dänische Hafenstadt Esbjerg am gleichen Tag wird militärischen Objekten gegolten haben und im übrigen auf einen Orientierungsfehler zurückzuführen sein, wie er vorkommen kann und beide Seiten im Lauf des Krieges zwangsläufig wiederholt
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unterlief. Daneben begannen allerdings bewußte Neutralitätsverletzungen in Gestalt häufiger Ein- und Ausflüge über neutrales Gebiet. Seit Ende September 1939 antwortete die deutsche Luftwaffe, die sich sonst auf Fernaufklärung beschränkte, mit Angriffen auf Kriegsschiffe, ab 17. Dezember auch auf die Handelsschiffahrt, im Gebiet englischer Häfen und vor der englischen Ostküste bis hinauf zum Firth of Forth, zu den Orkney- und den Shetland-Inseln; später dehnte sie diese Tätigkeit bis in den Atlantik aus. Hitler verbot aber im Einklang mit einer offiziellen Erklärung der Reichsregierung durch strikten Befehl, über dessen Inhalt die fliegenden Besatzungen vor jedem Einsatz ausdrücklich belehrt und verwarnt wurden, jeden Bombenabwurf auf englische Landziele gleich welcher Art, selbst auf Hafenanlagen und Kriegs werften. Er wollte unter allen Umständen vermeiden, daß deutscherseits - sei es auch nur infolge unbeabsichtigter Fehlwürfe - durch Treffer auf nicht streng militärische Ziele oder in sonstiger Weise der geringste Anstoß zur Ausdehnung des Luftkrieges auf die Zivilbevölkerung und für dann möglicherweise unabsehbare Wirkungen eines totalen Luftkrieges gegeben würde.
Ebenso untersagte er beim Angriff deutscher Sturzkampfbomber vom Typ Ju 88 gegen englische Kriegsschiffe auf der Reede von Firth of Forth eine Bombardierung des dort im Dock liegenden Schlachtschiffes .Repulse', damit ja keine Bombe auf englischen Boden fiele. Deutschland und England verpflichteten sich am 14. September 1939 nochmal ausdrücklich zum Verzicht auf den Einsatz von Gas und Bakterien." (Spetzler, Seite 231 bis 233, 238 bis 240.) Am 15. Februar 1940 erklärte der britische Premier Neville Cham-berlain im Unterhaus:
„Welchen Weg die anderen auch gehen mögen, die britische Regierung wird niemals zu hinterhältigen Angriffen auf Frauen und andere Zivilpersonen zum Zwecke reinen Terrors Zuflucht nehmen." Doch schon knapp drei Monate spater - am 10. Mai - begann der neue Kriegspremier Winston Churchill noch am Tage seiner Amtsübernahme (er konnte es nicht erwarten) den „strategischen Bombenkrieg", dem schließlich mehr als eine Million zivile deutsche Männer, Frauen und Kinder zum Opfer fielen. Es war kein Entschluß des Augenblicks, sondern er war langfristig geplant - und nicht nur von ihm! -, sowohl im
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Hinblick auf die zivilen Ziele im Hinterland, vornehmlich auf die Arbeiterwohngebiete der deutschen Städte, als auch auf die seit 1936 projektierten und durchgefühlten Rüstungsprogramme der Royal Air Force. (Czesany, „Alliierter Bombenterror 1940-1945", Seite 112, 119 bis 192, 370.)
Der britische Historiker F. J. P. Veale ergänzte: „Erst im April 1944, als die Luftwaffe durch Treibstoffmangel lahmgelegt und der Ausgang des Kampfes nicht mehr zweifelhaft war, wurde die über alle Tatsachenberichte strenge Sperre insofern aufgehoben, als man Mr. J. M. Spaight, dem früheren Staatssekretär des britischen Luftfahrtministeriums, erlaubte, sein Buch ,Bombing Vindicadet' zu veröffentlichen. Schon der Titel, auf deutsch gerechtfertigte Bombardierung', war eine Überraschung, denn nur wenige hatten bisher gedacht, daß es eine Rechtfertigung für den Bombenkrieg überhaupt bedürfte." Hierzu muß ergänzt werden, daß der britische Bürger sogar in Unterhausdebatten ständig dahingehend belogen worden war, daß die Royal Air Force in Deutschland lediglich militärische Ziele bombardiere! Veale fuhr fort: „Mr. Spaight löste diese Bestürzung in folgendem lyrischen Absatz: ,Da wir uns über die psychologischen Wirkungen nicht im klaren waren, die von der propagandistischen Verdrehung der Tatsache ausgehen würden, daß wir es waren, die mit der strategischen Bomberoffensive begannen, schreckten wir davor zurück, unseren großen Entschluß vom 11. Mai 1940 in der ihm gebührenden Weise vor die Öffentlichkeit zu bringen. Das war sicherlich ein Fehler. Es war ein großartiger Entschluß, ebenso heldenhaft und selbstaufopfernd wie Rußlands Entschluß zur Politik der verbrannten Erde.' . . . Somit gibt sich der Verfasser in seinem Buch nicht mit dem Eingeständnis zufrieden, daß England für den Beginn der Bombenabwürfe auf die Zivilbevölkerung verantwortlich ist, sondern er besteht darauf, daß England der ganze Ruhm gebühre, diese Methode ersonnen und in die Praxis umgesetzt zu haben.
Spaights Buch wird ergänzt und bestätigt durch das Buch „Bomberoffensive", 1947 von Harris selbst herausgegeben, der als Luftmarschall des Strategischen Bomberkommandos neben Churchill die Hauptverantwortung für die Flächenbombardierungen gegen die Zivilbevölkerung in Deutschland trägt.
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Beide Autoren sprechen voller Verachtung von der Kurzsichtigkeit des Militärs in aller Welt, insbesondere der deutschen Wehrmachtsführung, weil sie vor 1939 die Bedeutung des Einsatzes schwerer Bomber gegen die Zivilbevölkerung nicht erkannt hätte. Harris erklärte, daß Deutschland den Krieg verloren habe, weil es im September 1940 beim Entschluß zum Gegenschlag gegen England keine Langstreckenbomber besaß.
Die stereotype Entschuldigung für die Bombardierung deutscher Städte hieß damals (und auch noch heute, sogar im eigenen Land), daß dies nur eine Vergeltung für die Bombenangriffe der Deutschen auf Warschau und Rotterdam sei. Mr. Spaight schiebt dieses Argument mit der ihm gebührenden Verachtung beiseite. Er sagt: ,Als Warschau und Rotterdam bombardiert wurden, standen die deutschen Armeen unmittelbar vor den Toren. Die Luftangriffe waren ein Teil der taktischen Offensive.' (Spaight, Seite 43.)
Captain Liddel Hart vertritt die gleiche Ansicht. Er schreibt: ,Bom-benangriffe fanden erst statt, wenn sich die deutschen Truppen in die Städte hineinkämpften, und entsprachen somit den alten Regeln über Belagerungsbeschuß.'" (F. J. P. Veale, „Der Barbarei entgegen - Wie der Rückfall in die Barbarei durch Kriegführung und Kriegsverbrecherprozesse unsere Zukunft bedroht", Hamburg 1954, Seite 142, 145.)
Die erste absichtliche Verletzung der bisher eingehaltenen Grundregeln zivilisierter Kriegführung war nach Auffassung der Gentlemen in England ein „großartiger Entschluß", wie auch einige Jahre später der Abwurf von zwei Atombomben zu „Versuchszwecken" auf das bereits vorher kapitulationsbereite Japan! Auf den entsprechenden Kriegsverbrecherprozeß wartet die Menschheit noch heute! In diesem Zusammenhang erscheint es beachtlich, daß der Angeklagte Nummer eins unter den „Hauptkriegsverbrechern" in Nürnberg -Reichsmarschall Hermann Göring - in wissenschaftlich umfassenden Büchern über den Luftkrieg des Zweiten Weltkrieges, wie z. B. bei Eberhard Spetzler „Luftkrieg und Menschlichkeit", Göttingen, Institut für Völkerrecht an der Universität Göttingen, 1956, nur dreimal erwähnt wird, und zwar ausschließlich im Zusammenhang mit Erwägungen, wie ein Zivilkrieg vermieden werden könne.
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Doch was konnte er gegen weltweite Gegner ausrichten, die den Krieg nicht für eine Auseinandersetzung mit den Streitkräften feindlicher Staaten, sondern „der Völker selbst" hielten, wobei es also darauf ankam, Krieg zu führen nicht nur gegen die militärischen Kräfte, sondern gegen „die gesamte völkische Kraft" des Feindes! So erklärten die Alliierten selbst Maßnahmen des Wirtschaftskrieges, der Propaganda, der Internierung von Zivilisten im gesamten Imperialbereich der Alliierten (doch nicht etwa „Konzentrationslager"?), aber auch die bewußte Vernichtung zivilen Lebens - auch ohne militärische Notwendigkeit - im Gegensatz zu allen internationalen Kriegsregeln für „erlaubte Ziele der Kriegführung".
Das alles wurde natürlich den besiegten Deutschen nicht zugutegehalten. Doch so sahen ihre Gegner aus, die dann über sie noch zu Gericht saßen, wobei sich die Tribunalmächte noch herausnahmen, nicht etwa nur wirklich geschehene Taten unter Anklage zu stellen, sondern auch Geschehnisse, die mit Hilfe gefälschter Dokumente und erzwungener Zeugenaussagen „fabriziert" wurden; - ein besonders dunkles Kapitel der Nürnberger Prozesse!
Wiederholt hatte Adolf Hitler versucht, einen zivilen Luftkrieg zu verhindern! Am 21. Mai 1935 beschwor er in seiner Regierungserklärung die Ächtung eines völkerrechtswidrigen Luftkrieges und bot entsprechende Vorschläge an. Auch am 1. September 1939 versicherte er noch einmal vor der Welt, daß er keinen Kampf gegen Frauen und Kinder führen wolle und seiner Luftwaffe den Auftrag gegeben habe, sich auf militärische Ziele zu beschränken. Es gab auf deutscher Seite keine zentrale Dienststelle wie das britische Bomber Command, auch keinen Plan für einen „strategischen Luftkrieg". Niemand konnte der deutschen Luftwaffe in ihren Feldzügen gegen Polen, Norwegen, Frankreich, die Balkanländer, selbst gegen die UdSSR Massenmordfunktion, leichtfertige Gefährdung von Zivilpersonen oder gar ihre Terrorisierung oder Zerstörung ihrer Existenzgrundlagen zur Last legen. Bis Ende Juli 1940 hat Deutschland selbständige Luftangriffe gegen feindliches Hinterland überhaupt nicht geführt.
„So räumte selbst der britische Luftmarschall Spaight ein, daß Hitler anfänglich ernstlich bemüht war, mit England ein Abkommen zu er-
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zielen, um den Luftwaffeneinsatz auf Frontgebiete zu beschränken, daß England davon aber nichts gehabt hätte und wohlüberlegt nicht darauf einging." (Spetzler, „Luftkrieg und Menschlichkeit", Seite 267.)
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