1. Polnische Offiziere als deutsche Kriegsgefangene
Wie mag es wohl den in deutsche Kriegsgefangenschaft geratenen achtzehntausend polnischen Offizieren ergangen sein? Der Historiker Alfred Schickel von der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI) hat weitere aufschlußreiche Dokumente über das Schicksal polnischer Offiziere in deutscher Kriegsgefangenschaft entdeckt. Schickel berichtet:
Zahlreiche der ZFI vorliegenden Zeugnisse und Briefe dokumentieren Leben und weiteres Schicksal der (in deutsche Kriegsgefangenschaft geratenen) polnischen Offiziere. Ihnen ist zu entnehmen, daß die
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kriegsgefangenen polnischen Offiziere korrekt nach den Regeln der Genfer Konventionen behandelt wurden und sogar Gelegenheit geboten bekamen, sich an „Lager-Universitäten" weiterzubilden. So hielt beispielsweise der spätere polnische (kommunistische) Außenminister Adam Rapacki, an der Lager-Universität im Oflag (Offiziers-Lager) Dössei, Vorlesungen über „die künftige sozialistische Gesellschaft in Polen" und unterrichtete der Warschauer Kirchenhistoriker Jelonek seine Offizierskameraden in polnischer Kirchengeschichte. Überlieferte Fotos zeugen auch vom regen religiösen Leben in den verschiedenen „Oflags". Von diesen über ganz Deutschland verteilten zwölf „Oflags" besaßen alle Büchereien und Bibliotheken, und in den Lagern Arnswalde, Waldenburg, Murnau und dem bereits erwähnten Dössei, man höre und staune, waren sogar Lager-Universitäten eingerichtet. General Wladislaw Anders, der die auf selten der Alliierten nach Polens Niederlage weiterkämpfenden polnischen Truppen kommandierte, habe diese Behandlung der polnischen Kriegsgefangenen durch die Deutsche Wehrmacht den Massakern gegenübergestellt, die die Sowjets an seinen Kameraden bei Katyn angerichtet hatten. Auch aus diesem Grund habe sich Anders entschieden, nach Kriegsende nicht ins kommunistische Polen zu gehen, sondern in England zu bleiben, wo er im „Dreierrat des polnischen Exils" wirkte. Ein vom ZFI im „Roosevelt-Archiv" in Hyde Park (Staat New York) entdeckter Geheimbericht vom 24. Mai 1943 bestätigt die korrekte Behandlung der in deutsche Hände gefallenen polnischen Offiziere nach den Vorschriften der Genfer Konvention. In diesem „Report" an Premierminister Churchill, der ihn streng vertraulich am 13. August 1943 an US-Präsident Roosevelt weiterleitete, hieß es: „Hätten die deutschen Behörden diese zehntausend polnischen Offiziere je in der Hand gehabt, könnten wir sicher sein, daß sie sie alle in die Lager in Deutschland gebracht hätten, die polnischen Gefangenen schon zugeteilt sind." (Wochenzeitung „Der Schlesier" vom 2. Oktober 1992, Seite 5.) Einer von vielen schweren Vorwürfen gegen Deutschland, der bis heute erhoben wird, ist der, daß Deutschland bestrebt war, nach dem Sieg über Polen, die polnische Intelligenz auszurotten. Allein die Behandlung der kriegsgefangenen polnischen Offiziere beweist, wer bestrebt war, die „polnische Intelligenz auszurotten". Eine weitere dies-
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bezügliche Entlastung brachte auch der „Manstein Prozeß" im August 1949 für Deutschland. Der Verteidiger von Generalfeldmarschall Manstein, ein sich freiwillig zur Verfügung gestelltes britisches Parlamentsmitglied, Reginald Paget, konnte Unterlagen und sogenannte „Beweise", von wer weiß wie vielen deutschen Greueltaten in Polen entkräften. Aufgrund sich erweisender Widersprüche und sachlicher Mängel konnte er sie widerlegen und als Vorwürfe nachweisen, die lediglich aus rein politischen Gründen eingebracht worden waren. (Richard Harwood, „Der Nürnberger Prozeß", Historische Tatsachen Nr. 3, Seite 19 - Vlotho/Weser 1977, Hrsg. Udo Walendy.) Das entscheidende Dokument des Volkskommissariats für innere Angelegenheiten der UdSSR vom 5. März 1940, daß die Vorbereitung des Massenmordes an den polnischen Gefangenen beweist, schlüsselt die Opfer zahlenmäßig genau auf in militärische Dienstgrade und andere Berufe wie Gutsbesitzer, Fabrikanten, Beamte und andere und kommt sogar auf eine Gesamtzahl von fünfundzwanzigtausendsie-benhundert Opfern. Wahrscheinlich sind außer den Kriegsgefangenen noch verhaftete Zivilisten dabei, die bei der Besetzung Ostpolens durch die Sowjets inhaftiert worden waren.
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