2. Weitere Massenmorde im Osten

Siebenundvierzig lange Jahre mußten vergehen, bis sich die Sowjetunion endlich bequemte, ihre Schuld am Mord von Katyn und anderen Orten an den kriegsgefangenen polnischen Offizieren zuzugeben. In dieser langen Zeit lastete der Schuld-Vorwurf schwer auf Deutschland, da ja die westlichen Alliierten, die die wahren Täter kannten, weiterhin ebenfalls schwiegen. In dem Zusammenhang sei die Frage erlaubt: Wieviel Katyns gibt es noch im Osten und auch anderswo, für die Deutschland wider besseren Wissens von den Siegern zum Schuldigen gestempelt wird?

Als das größte Verbrechen aller Zeiten wird der von den Deutschen begangene Holocaust an den Juden dargestellt. Auch hier dauerte es Siebenundvierzig Jahre, bis man feststellte, daß die Verlustzahlen der Opfer von Auschwitz mit vier Millionen weit mehr als das Doppelte

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zu hoch angesetzt waren. Nach Rückgabe der von den Sowjets 1945 erbeuteten Sterbebücher von Auschwitz an den Direktor des polnischen Auschwitzmuseums Franciszek Piper, einigte sich der internationale Rat des Museums auf die Zahl von anderthalb Millionen Menschen, die in Auschwitz ihr Leben verloren. Dabei steht der Anteil der Juden gar nicht fest.

Die Deutschland zur Last gelegten sechs Millionen Opfer sind dann „nur noch" dreieinhalb Millionen Opfer. Damit steht aber Deutschland, was den Holocaust angeht, auch wenn sich die Zahl der Opfer nicht verringert hätte, keineswegs an der Spitze der Täter. Der mit weitem Abstand größte Völkermord geschah in den Jahren der bolschewistischen Herrschaft in der ehemaligen UdSSR. Hierzu schreibt Solschenizyn (dem man wohl Glauben schenken kann) 1973 in seinem „Offenen Brief an die sowjetische Führung" folgendes: „Außer in zwei Weltkriegen haben wir allein durch die Bürgerwirren und -auseinandersetzungen, allein durch die ,klassen'-bedingte politische und wirtschaftliche innere Vernichtung Sechsundsechzig Millionen Menschen verloren!!! Diese Berechnung stammt von dem ehemaligen Leningrader Professor für Statistik I. A. Kurganow, Sie können sie sich jederzeit vorlegen lassen." (Martin Jenke, „Anzeiger der Notverwaltung des Deutschen Ostens", Nr. 6/92, Seite 5.) Wie schon früher berichtet, betrug die Zahl der in Gefängnissen und Straflagern inhaftierten Sowjetbürger sechzehn Millionen, also zehn Prozent der Gesamtbevölkerung der UdSSR. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht und ihrem schnellen Vormarsch bereitete der Rücktransport der Häftlinge zusätzliche Schwierigkeiten, und eine große Anzahl der Bedauernswerten wurden einfach an Ort und Stelle liquidiert und in Massengräbern verscharrt. Im Beseitigen von großen Menschenmassen waren ja genügend Erfahrungen vorhanden. (Beispiel Katyn und andere Hinrichtungsstätten.)

Bei Entdeckung dieser Massengräber bot es sich direkt an, ebenfalls nach Katyner Muster, diese entsetzlichen Schandtaten den deutschen Behörden oder der Deutschen Wehrmacht nach deren Rückzug in die Schuhe zu schieben.

Bis zum Zusammenbruch des Sowjetbolschewismus berichteten die Medien ausschließlich, und zum Teil auch noch heute, von den „deut-

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sehen" Greueltaten und dem Wüten der Wehrmacht und der sogenannten Einsatzgruppen im Osten. Auch beweiskräftige Untersuchungen wie in Katyn brachten die beschämenden Selbstanklagen gegen die Deutschen, erhoben auch von deutschen Medien und Politikern, nicht zum Verstummen.

Durch die Extrem-Umerziehung haben zahllose Lügen Eingang in deutsche Lehrpläne gefunden, sie werden in Massenmedien pausenlos wiederholt. Frei nach dem Motto des einflußreichen US-Publizisten Walter Lippmann: „Erst wenn die Kriegspropaganda der Sieger Eingang in die Geschichtsbücher der Besiegten gefunden hat und von nachfolgenden Generationen geglaubt wird, kann die Umerziehung wirklich als gelungen angesehen werden."

Einige dieser grausigen Entdeckungen in den Weiten Rußlands sollen hier noch kurz geschildert werden, die der amerikanische Historiker Alfred M. de Zayas in seinem Buch „Die Wehrmacht-Untersuchungsstelle" nach gründlichen Recherchen festgehalten hat und hier gekürzt beschrieben werden.

Am 30. Juni 1941 wurde die polnisch-ukrainische Stadt Lemberg von deutschen Truppen besetzt. Die Abteilung Ic des XXXXIX. Armeekorps stellte in der Tagesmeldung vom 30. Juni 1941 fest: „Nach Schilderung des Majors Heinz, Kommandeur eines Bataillons des Regiments 800, sollen sich Tausende von viehisch Ermordeten in drei Gefängnissen in Lemberg befinden, l. und 4. Gebirgsdivision sind angewiesen, ihre Wort- und Bildberichter auf diese Greueltat anzusetzen. Der Oberkriegsgerichtsrat des Korps sowie der hier eingetroffene Verbindungsoffizier des Auswärtigen Amtes zum Armeeoberkommando 17 sind zu näheren Feststellungen nach Lemberg entsandt worden." Die Untersuchung ergab, daß die Ermordeten, Greise und ältere Frauen, jüngere Frauen und Knaben im Alter von etwa zehn, zwölf und vierzehn Jahren, vor dem Tod schwerste Folterungen und Marterungen erdulden haben müssen. Auch deutsche Soldaten, furchtbar entstellt, wurden unter den Leichen gefunden. Nach vorsichtigen Schätzungen betrug die Zahl der Lemberger Opfer dreitausend bis viertausend Ukrainer. Wegen fortgeschrittener Verwesung wurden die zu Haufen in den Gefängniskellern liegenden Leichen nicht geborgen, sondern mit Chlorkalk übergössen und zugemauert.

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Da sich angeblich Juden an der Exekution der Gefangenen beteiligt haben sollen, kam es zu einem Pogrom der Bevölkerung gegen diese, wogegen die deutsche Besatzung einschritt.

Im Nürnberger Prozeß wurde der tausendfache Mord von Lemberg, genauso wie Katyn, ebenfalls den Deutschen zur Last gelegt. Im Jahre 1954 fand eine weitere Untersuchung des Falles Lemberg durch eine achtzehnköpfige amerikanische Kongreßkommission statt. In dem zusammenfassenden Bericht heißt es: „In den ersten Kriegstagen erschoß der NKWD in jeder Stadt in der westlichen Ukraine alle politischen Gefangenen mit Ausnahme von einigen wenigen, die wie durch ein Wunder überlebten."

Die sowjetische Presse machte im Herbst 1959 den Vertriebenenminister Oberländer der Bundesrepublik Deutschland für die Mordaktionen in Lemberg im Jahre 1941 persönlich verantwortlich, der deswegen zurücktreten mußte. Daraufhin bildete sich eine internationale Untersuchungskommission, die nach viermonatiger Arbeit am 19. März 1960 in Hamburg zusammenfassend bekanntgab: „Nach rund viermonatiger Untersuchung und der Überprüfung von zweihundertzweiunddreißig Zeugenaussagen aus allen beteiligten Kreisen ergibt sich die Feststellung, daß die (Anschuldigungen), die gegen die Einheit ,Nachtigall' und den damaligen Oberleutnant und heutigen Bundesminister Oberländer erhoben worden sind, jeder Grundlage entbehren." (de Zaya, Seite 349.)

In dem Buch „Russischer Kolonialismus in der Ukraine" wird ein ganzes Kapitel des Berichtes den Tötungen der politischen Gefangenen durch die NKWD in Lemberg, Winniza, Solotschiw, Stanysla-wiw, Peremyschlany, Stryi, Tschortkiw, Lozk, Uman, Nadwirna, Lo-patyn, Bibrka, Berdydschiw, Schowkwa, Bereschany und Droho-bytsch gewidmet. Ausführliche Berichte ukrainischer Zeugen werden abgedruckt, von denen einige heute in den USA und Kanada, andere in der Bundesrepublik leben. (Ukrainischer Verlag in München, 1962, Seite 129 ff.)

Der Schriftsteller Boris Lewytskyi stellt in der in Paris erscheinenden exil-polnischen Zeitschrift „Kultura" fest: „Die Verantwortung der sowjetischen Dienststellen für die Morde in den Lemberger Gefängnissen, wie auch für die Morde in anderen Gefängnissen Galiziens und

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der Ukraine, sind so eindeutig, daß der Verdacht naheliegt, daß sich in den Sowjetreihen Provokateure befunden haben, die diese Greueltaten auf das Konto der deutschen Besatzungsarmee beziehungsweise der Gestapo abschieben wollten. Es ist bekannt, daß die Erschießungen der Gefängnishäftlinge sogar in Kiew stattgefunden haben. Der polnischen Botschaft in Moskau wurden später etliche konkrete Fälle gemeldet, aus welchen hervorging, daß viele ehemalige höhere polnische Staatsbeamte in Kiewer Gefängnissen umkamen. Was die Erschießungen in den Lemberger Haftanstalten anbelangt, so waren sie in diesen tragischen Junitagen bei der gesamten Bevölkerung der Stadt und in der Umgebung weit bekannt." (Lewytskyi, „Kultura", Band I, Paris 1960, Seite 174, de Zayas, Seite 350 f.) Zu Anfang des Rußlandkrieges wurde im Gefängnishof des Zivilgefängnisses von Winniza bei Lemberg ein Massengrab entdeckt, in dem sechsundneunzig teilweise bereits verweste Leichen lagen. Es handelte sich überwiegend um Ukrainer, die von Russen vor Ankunft der deutschen Truppen ermordet worden waren ... In einem anderen Hof dieses Gefängnisses wurde nachträglich noch ein zweites Massengrab entdeckt, das jedoch nicht mehr geöffnet wurde. Knapp zwei Jahre später, am 25. Mai 1943, wurden durch Einheimische erheblich größere Leichenfunde gemacht. Bis zum Eintreten der Schlechtwetterperiode im Herbst 1943 konnten insgesamt neuntau -sendvierhundertzweiunddreißig Leichen geborgen werden. (Amtliches Material zum Massenmord von Winniza, Berlin, 1944.) Die juristischen Ermittlungen an Ort und Stelle wurden nicht durch einen Heeresrichter geführt, sondern durch den auf Veranlassung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete vom Reichsjustizministerium nach Winniza entsandten juristischen Sachverständigen, Senatspräsidenten Ziegler. Über fünfzig Zeugen wurden teils in Winniza selbst, teils in den umliegenden Dörfern vernommen. Wie zuvor in Katyn wurde auch in diesem Fall durch die Reichsregierung eine internationale Kommission, bestehend aus elf ausländischen Gerichtsmedizinern, nach Winniza eingeladen. Sie stellten fest, daß die Leichen ausnahmslos Genickschüsse aufwiesen, und daß die Tötungen etwa 1938 ausgeführt worden sind. (Amtliches Material zum Massenmord von Winniza, Berlin 1944, Seite 107.)

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Auch hier wurden die bestialischen Massenmorde den Deutschen in die Schuhe geschoben. Diese Behauptung fand unter anderem Eingang in den sowjetisch-amerikanischen Fernsehmehrteiler „Der unvergessene Krieg", der in den 80er Jahren über Bundesdeutschlands Bildschirme lief. Trotzdem in den 50er Jahren auch ein Untersuchungsausschuß des amerikanischen Senats die Ergebnisse der deutschen sowie internationalen Kommissionen bestätigt hat. Im März 1989 meldete die Deutsche Presse Agentur: „In Kuropaty ließ Stalin Hunderttausende erschießen. Ihre Gräber wurden schlampig vertuscht . . . Kuropaty ist in Weißrußland heute das Symbol für die Schrecken der Stalin-Zeit."

Als der vierundvierzigjährige Archäologe Senon Posnjak, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, im Sommer vorigen Jahres in einer weißrussischen Literaturzeitung zum erstenmal über die schrecklichen Tatsachen schrieb, die jeder kannte, über die aber niemand sprach, löste das einen Schock aus. Jetzt berichten auch Moskauer Zeitungen darüber, was sich in Kuropaty und an vielen anderen Erschießungsstätten in Weißrußland abgespielt hatte. Allein in Kuropaty, so hieß es, seien mehr als hunderttausend Menschen erschossen worden. Heute schätzt Posnjak ihre Zahl auf zweihundertfünfzigtausend. Und er fügt hinzu: „Es gibt viele Kuropatys." Vor allem die Minsker Republikführung tut sich schwer im Umgang mit diesem Kapitel der Vergangenheit. Sie setzte eine Kommission ein, die überprüfen sollte, was Posnjak dargelegt hatte. Es wurden einige Gräber geöffnet. Das Ergebnis anhand der Funde: Zum ersten Mal kann niemand mehr behaupten, daß die Deutschen die Täter waren. (Frey, „Vorsicht Fälschung", Seite 139.) Nicht dem Vergessen anheim fallen dürfen auch die furchtbaren Massenmorde nach Kriegsende an fast vierhunderttausend ehemaligen Soldaten und Zivilisten im damaligen Jugoslawien. Ebenso auch die eine Million deutscher Kriegsgefangener in Gewahrsam der Amerikaner, die man auf Befehl Eisenhowers, jeder Witterung ausgesetzt, verhungern ließ. (Bacque, „Der geplante Tod".)

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