Durchbrach die Me 262 als erstes Flugzeug die Schallmauer?
Von André Chelain
Hat der deutsche Düsenabfangjäger Me 262 als erstes Flugzeug der Welt die Schallmauer durchbrochen? Die Antwort auf diese Frage erschüttert die kleine Welt der Aeronautik, denn sie könnte nur allzu leicht einige strahlende Helden der US Air Force von ihrem Throne stoßen.
Für die Historiker war Charles Yeager, der im Jahre 1947 an Bord einer Bell X-1 die Schallmauer durchbrach, der erste Pilot der Welt, dem dieses Kunststück gelang. Doch werden diese Historiker ihre Behauptungen künftig wohl nuancieren müssen, denn Veteranen der Luftwaffe versichern, sie hätten das Gleiche bereits im Jahre 1944 vollbracht.
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Die Messerschmidt Me 262 Das ästethischste aller jemals gebauten Flugzeuge |
Die USA sind ungemein stolz auf ihre Piloten und heben die Helden der US Air Force in den Himmel, die Rekorde aufgestellt oder sonstige denkwürdige Leistungen erbracht haben. Dabei stellt die Durchbrechung der Schallmauer in der amerikanischen Legende eine ebensolche Großtat dar wie die ersten Raumflüge.
Die Revision wird insofern schmerzhaft sein, als die Piloten der US Air Force, die an den Rekordjagden der späten vierziger sowie der fünfziger Jahre teilgenommen haben, ehe sie sich der Eroberung des Weltraums zuwandten, zu Nationalhelden geworden sind, die von Tom Wolfe in seinem schönen Film The Right Stuff (etwa: „Der Stoff, aus dem die Helden sind") in großartigen Bildern verklärt wurden.
In der Tat war die Leistung nicht gering. Im Oktober 1947 zündete Chuck Yeager in 8750 m Höhe die Antriebsraketen seiner von einer B-29 in die Höhe getragenen Bell X-1 und hatte das Gefühl, daß seine Lungen flach wie Pfannkuchen wurden. Innerhalb einiger Minuten war ein unbekannter junger Flieger zum Hätschelkind der Journalisten geworden, und sein Name machte dank der unvergleichlichen Macht der amerikanischen Presse die Runde um die Welt.
Den Deutschen den ihnen gebührenden Tribut zollen
Die Historiker werden die von den Deutschen gemachten geschichtlichen Entdeckungen und Erfindungen nach einem halben Jahrhundert skrupelloser Vertuschungspolitik anerkennen müssen.
Die Deutschen waren Pioniere im Kampf gegen den Krebs und den Tabakmißbrauch, in der Luft- und Raumfahrt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sowie zahlreiche Forscher wurden 1945 buchstäblich entführt und in die USA geschickt, um der amerikanischen Militärmaschinerie zu dienen. Ein ähnliches Los traf die französischen Gelehrten, die an der Vervollkommnung nuklearer Munition arbeiteten. Sie wurden gegen ihren Willen in den Vereinigten Staaten zurückgehalten und durften ihre persönlichen Unterlagen nicht mitnehmen, als sie nach dem Krieg nach Frankreich zurückkehrten.
Die Besiegten melden sich zu Wort
Doch in Deutschland erheben sich Stimmen, welche die offizielle Version, laut der Chuck Yeager als erster die Schallmauer durchbrach, in Frage stellen. Die anglo-amerikanischen Historiker werden sich mit ihren Argumenten auseinandersetzen müssen. Nach fünf Jahrzehnten des Schweigens wollen deutsche Piloten und Ingenieure, welche die Kämpfe, die Niederlage und die Gefangenschaft überlebt haben, die Tatsachen richtigstellen und der Luftwaffe den ihren gebührenden Tribut zollen.
In den letzten Kriegsmonaten brachte die Vervollkommnung der Düsenabfangjäger, insbesondere der Me 262, ihren Baumeistern sowie ihren Piloten einige unangenehme Überraschungen. Niemand begriff das Potential dieses großartigen Flugzeugs, welches gewissermaßen der Tigerhai der Lüfte war. Die Piloten entdeckten als erste, daß der Jäger an die Schallmauer stieß.
Deutsche behaupten nun, daß diese erstmals im April 1945 von einer Me 262 durchbrochen wurde, als diese im Verlauf eines Luftgefechts gegen alliierte Flugzeuge zum Sturzflug ansetzte.
Der heute 80-jährige Hans Guido Mutke ist jener deutsche Pilot, der versichert, er habe Mach 1 erreicht. Er gehörte einer neuen Me-262-Einheit an, die von der Luftwaffe in aller Hast aufgestellt worden war, um dem Kriegsverlauf doch noch eine Wende zu geben.
Von der Hand eines Riesen geschüttelt
Am 9. April 1945 flog Hans Guido Mutke in 12.000 m Höhe, als er von einem seiner Kameraden um Hilfe im Kampf gegen eine britischen Spitfire ersucht wurde. Mutke setzte zum Sturzflug an, um dem Hilferuf zu folgen. Er berichtet:
»Der Geschwindigkeitsanzeiger blieb bei über 1100 Stundenkilometern in der roten – also Gefahr anzeigenden – Zone stecken. Die Nieten begannen aus den Flügeln zu springen. Das Flugzeug vibrierte und schüttelte, und mein Kopf prallte gegen die Glaswand der Pilotenkanzel. Drei Meilen tiefer gewann ich die Kontrolle über meine Maschine wieder und konnte auf die Basis zurückkehren. Auf der Rollbahn waren die Mechaniker verblüfft über das Aussehen des Flugzeugs, das von der Hand eines Riesen geschüttelt worden zu sein schien.«
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Die Me 262, ein Einmannflugzeug von allerhöchster fliegerischer Leistungskraft, wurde von zwei Turbinen des Typs Junkers Jumo mit 900 kp Schubkraft angetrieben, die ihr eine Geschwindigkeit von 870 Stundenkilometern ermöglichten. Sie war mit vier Kanonen von 30 mm Kaliber und mit 360 Geschossen ausgerüstet. |
1946 von amerikanischen Versuchspiloten erstellte Flugberichte, die im Militärarchiv von Dayton/Ohio aufbewahrt werden, schildern die Leistungen der deutschen Düsenabfangjäger detailliert und stützen die Aussagen der deutschen Piloten: Die Me 262 war sehr wohl imstande, Mach 1 zu erreichen. Zusätzliche Argumente hat der im Ruhestand lebende Professor für Aeronautik Karl Doetsch ins Feld geführt. Der heute 90-jährige Doetsch erhielt 1944 den Auftrag, nachzuprüfen, weswegen mehrere Me 262 ohne erkennbaren Grund in der Luft auseinandergebrochen oder abgestürzt waren. Durch eine Serie von Versuchen mit den Maschinen kam Prof. Doetsch zur Erkenntnis, daß die Schwierigkeiten bei Mach 0,85 begannen. Daraus ließ sich folgern, daß Piloten, welche unwissentlich die Schallmauer durchbrochen hatten, ihr Flugzeug nicht mehr hatten kontrollieren können und darum abgestürzt waren.
Die Schallgeschwindigkeit
Es ist nach über 50 Jahren schwierig, die Aussagen der deutschen Piloten zu bekräftigen oder zu widerlegen. Dies um so mehr, als die Schallgeschwindigkeit sich mit der Höhe, dem Luftdruck und der Temperatur ändert.
Mach 1 entspricht auf Meereshöhe einer Geschwindigkeit von 1193 Stundenkilometern, doch sinkt dieser Wert mit zunehmender Höhe und beträgt in 12.000 m Höhe nur noch 1063 Stundenkilometer. Daher ist es nicht leicht, ohne anspruchsvolles Meßgerät herauszufinden, ob ein Flugzeug die Schallmauer durchbrochen hat. Der Rekord Chuck Yeagers wird also seine Gültigkeit wohl noch längere Zeit behalten, denn er ist wissenschaftlich hieb- und stichfest abgesichert, während jener von Hans Guido Mutke im Kampf stattfand und durch nichts anderes gestützt wird als durch die Erinnerung des Piloten an jene furchtbaren Augenblicke. Eine Geschwindigkeit von 1100 Stundenkilometern reicht in 8000 m Höhe ohne weiteres zur Durchbrechung der Schallmauer aus. Wenn Mutke in einer Höhe von 12.000 m mit dem Sturzflug begann und diesen auf einer Höhe von 8750 m abbrach, hat seine Messerschmidt diese Leistung vermutlich vollbracht.
Wie die Vergangenheit durch Terror verdunkelt wird
In dem seit rund 30 Jahren herrschenden Klima des intellektuellen Terrors ist es unmöglich geworden, irgendeine Leistung eines Deutschen der Jahre 1933-1945 anzuerkennen. Der irrationale Charakter dieser totalitären Geisteshaltung läßt sich anhand einer ganzen Reihe von Beispielen darlegen. Das Hakenkreuz, Wahrzeichen der NS-Regierung, darf nicht öffentlich gezeigt werden, was einer geschichtlich beispiellosen, im Grunde genommen religiösen Maßnahme gleichkommt. Die Verdienste der nationalsozialistischen Führung bei der Einführung einer Umweltschutzpolitik werden geleugnet. Das Verbot der Vivisektion durch Göring, die Reglementierung der Jagd, der Naturschutz, der Kampf gegen den Nikotinmißbrauch, die Kampagnen zur Krebsverhütung, die Pläne zur friedlichen Nutzung der Kernenergie sind historische Tatsachen, die jedoch unterdrückt werden. Die offiziellen Historiker kehren alles unter den Teppich, was dazu beitragen könnte, ein differenziertes Bild der Hitlerregierung zu zeichnen.
Entnommen der Zeitschrift L’Autre Histoire, III(18), Juli 2001, S. 36f. (la Licorne bleue, 3 bis rue Jules Vallès, F-75011 Paris); übersetzt von Jürgen Graf.
Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 6(1) (2002), S. 33-35.
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