Bücherschau

Schmutz und Schande: Haffners Duell mit dem Dritten Reich

Von Erik Kylling

Sebastian Haffner, Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914-1933, DVA-Verlag, München 2000, 239 S., € 19,90.

»Jetzt, ein Jahr nach dem Tod des Autors, erblicken sie doch das Licht der Welt. Haffners Sohn Oliver Pretzel fand das Manuskript unter den nachgelassenen Papieren. Nie hatte der Vater es auch nur erwähnt. Der Sohn entschloß sich zur Veröffentlichung: Denn der autobiographische Bericht entpuppte sich nicht nur als eine hinreißend geschriebene Erinnerung an die untergegangene Welt der Vorkriegszeit, sondern auch als eine der hellsichtigsten Reflexionen über die deutsche Katastrophe.« (Tenor des allgemeinen Medien Echos)

Raimund Pretzel alias Sebastian Haffner beschreibt in diesem Buch, das pünktlich zur Kampagne gegen „Rechts" auf den Markt kam, sein politisches Wirken als ein »persönliches Duell« zwischen ihm und dem Dritten Reich. Der dritten Erscheinung eines Reiches, das – kaum niedergeschlagen und wieder aufgestanden – 1939 bald wieder mit dem Rücken an der Wand steht.

Trotzdem, Haffner wählte sich einen mächtigen Duellpartner, so ist es nicht verwunderlich, wenn er dieses Duell aus der Defensive bestreiten muß, wie er selbst schreibt. Vielleicht versucht er sich deswegen derselben Methoden zu bedienen, die man seinem Gegner schon vorwirft: Massenmord und Propaganda.

Doch wirklich unfair wird dieses Duell, nachdem sein Duellgegner schon tot ist und Haffners Buch, das allerdings angeblich schon 1939 geschrieben wurde, nun versucht, mit allen Mitteln unter dem Deckmantel der Intellektualität und des „seriösen" Stern-Leitartiklers, scheinbar als ganz normaler Deutscher, auf seine subtile und polemische Weise Schmutz und Schande über seinen besiegten ehemaligen Duellpartner auszubreiten.

So beschreibt er die Personifizierung seines Gegners in Erscheinung von Adolf Hitler schon zu Beginn seines Buches dann auch im schlimmsten und primitivsten, unsachlichen Demagogenstil:

Hitler habe eine Zuhälterfrisur, flackernden, stierenden Blick, Vorstadtdialekt, Epileptikergehabe, Geifer, und blutrünstige Hinrichtungsphantasien usw. usf. (S. 87).

Sich selbst aber beschreibt er als gut ernährt, gut erzogen, gut angezogen, freundlich, korrekt usw. (S.95).

Weiterhin behauptet Haffner z.B. gleich auf Seite 10 seines Buches wieder polemisch, das Dritte Reich hätte ihn gezwungen, seine Eß- und Trinkgewohnheiten zu ändern.

Haffner kommt in diesem Buch nicht nur mit kleinen Greuelmärchen daher, sondern versucht, in deutlich mißlungener Nüchternheit, mit Erinnerungen, die von vermeintlich unschuldigen und neutralen Augen des angeblich vernünftigen bürgerlichen Zeitzeugen aufgenommene wurden, bestimmte Bilder zu suggerieren und appelliert in seinem Buch plump an die Eitelkeit des so wörtlich »ernsthaften Lesers«. Die so produzierten Bilder passen genau in die Klischees, die die meisten schon längst in ihr Unterbewußtsein als wahr aufgenommen haben und die sich in Haffners Beschreibungen nur selbst bestätigen und verstärken sollen.

Nicht wissend, wie viele weitere polemische, geschichtlich falsche und unsachliche Dinge in Haffners Buch noch beschrieben werden, habe ich die Lektüre abgebrochen. Nur zwei Zitate noch, die mir beim weiteren Durchblättern aufgefallen sind und die von der Art von Formulierungen sind, mit denen das Buch offensichtlich gespickt ist.

Der Exilant, der 1942 in der englischen Presse (World Review, August 1942, S. 11), zwecks Umerziehung des Deutschen Volkes unverblümt den gleichmacherischen unterschiedslosen Massenmord an 500.000 SS-Leuten, auch ohne Gerichtsverfahren, für die Nachkriegszeit nach einem Sieg der Alliierten, also im Frieden, berechnend geplant und in Einzelheiten durchformuliert hat (Hinrichtungsphantasien: »[…] das Töten […] von 500.000 jungen Männern […];[…] müssen ausgemerzt werden […]; […] totale und grausame Sache«) und gleichzeitig die Machtergreifung des kirchlichen Klerus in Deutschland propagiert, schreibt also in seinen „Erinnerungen", die Monate lang die Spiegel-Bestsellerlisten anführen:

»Der deutsche Soldat und Offizier […] fast stets auch bereit, auf Befehl der Obrigkeit auf zivile Landsleute zu schießen, […] – in dem Augenblick, wo sie [die Deutschen] der nationalistischen Krankheit verfallen, schlecht und unmenschlich werden und eine bestialische Häßlichkeit entwickeln, der kein anderes Volk fähig ist: […] Ein Deutscher, der dem Nationalismus verfällt, bleibt kein Deutscher mehr; er bleibt kaum noch ein Mensch.« (S. 210f.)

Er spricht also seinen Gegnern das Menschsein ab. Unkommentiert lasse ich die Bemerkung Haffners, daß er die Gewohnheit habe, seine »Überzeugungen vermittels« seiner »Nase zu bilden« (S. 102).

Man mag dem Ehemann einer jüdischen rassisch Verfolgten, dessen »ältester und bester Freund« ebenfalls Jude war, seinen Haß verzeihen, doch nicht diese Mittel der Umerziehung.

Dies sind nicht die richtigen Methoden und ist nicht der richtige Stil, die vermeintlichen und wirklichen Fehler, Ungerechtigkeiten und Verbrechen des Dritten Reiches und den Weg, der zu ihm geführt hat, zu „verarbeiten" und zu durchleuchten. Sehr wohl aber zeigt dies deutlich, wes Geistes Kind derjenige war, der den Nachkriegszeitgeist führend steuerte und gerade deshalb noch heute von den Medien in Deutschland verherrlicht wird.


Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 6(1) (2002), S. 105f.


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