55 Jahre Tyrannei in Palästina vor dem Ende?
Von Audre Pinque
Liebe Tyrannenbezwinger!
Dieses Wochenende, an dem sich die Ereignisse der Weltgeschichte sprichwörtlich vor meinen Augen mit Augenzeugenberichten und plastischen Bildern abspielten, werde ich wahrscheinlich niemals vergessen. Es ist zudem ein geschichtliches Ereignis, auf das wir, so glaube ich, alle gewartet haben und für das wir rastlos gekämpft und uns eingesetzt haben. Was folgt ist eine Zusammenfassung dessen, was sich in diesem Augenblick der Geschichte abspielt.
Israels Friedensorganisationen flehen die Vereinten Nationen händeringend an, endlich zu intervenieren. Sie fordern zur Auflösung der illegalen jüdischen Siedlungen im Besatzungsgebiet auf und zum Rückzug hinter die Grenzen von 1967, zur Bildung eines Palästinenserstaates mit „Ost-Jerusalem" als seiner Hauptstadt und der Entsendung von UN-Truppen zur Aufrechterhaltung des Friedens.
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In Memoriam Audre Pinque |
Die Palästinenser wollen ihr Land zurück, und um es zu bekommen, sind sie bereit, bis zum letzten Mann dafür zu sterben. Die Angst geht um in Israel, und zwar in einem Ausmaß, daß sie sich nun gegenseitig an den Kragen gehen und das Land in Schwärmen verlassen. Sogar ihre Hunde sind nervöse Wracks. Die Besatzung kollabiert vor ihren Augen.
Die Palästinenser in jenen Lagern, von denen Sharon sagte, er werde so viele Insassen töten wie nötig, um sie dazu zu bringen, daß sie um Verhandlungen winseln, haben klargestellt, daß sie um nichts betteln werden. Einer unserer Mit-Tyrannenbezwinger berichtete, er habe im arabischen Fernsehen einen sehr alten Mann im Lager meines Freundes Ghasan beobachtet, der von israelischen Soldaten umringt war. Der alte Mann holte aus und schlug einen Soldaten derart hart, daß dieser ohnmächtig umfiel! Da haben wir einen wahrhaftigen Tyrannenbezwinger!
Die israelischen Truppen sind von ihren eigenen Schatten so eingeschüchtert, daß sie Löcher in die Wände der Häuser sprengen, wenn sie Haus für Haus vorrücken, da sie sich vor den engen Gassen und Alleen zu Tode fürchten. Palästinensisches Blut fließt sicherlich in Strömen, und es zerreißt einem das Herz, dies mit anzusehen, aber ich bin so stolz auf ihre aufrechte Haltung!
Die Araber auf der Straße kochen vor Wut. Die US-Marionettenregierungen in den arabischen Staaten müssen mit Revolutionen rechnen, falls die „Israelis" nicht ihre Sachen packen und verschwinden, oder aber zumindest eine Einstaaten-Lösung akzeptieren – Palästina – mit vollem Rückkehrrecht für das palästinensische Volk und ganz Jerusalem als seiner Hauptstadt. Es gibt keinen Spielraum mehr für Kompromisse oder Verhandlungen mit dem Verbrecherstaat „Israel".
Demonstranten, die von der jordanischen Polizei wegen ihres friedlichen Protests und ihrer Solidaritätsbezeugung mit den Palästinensern festgenommen wurden, werden nach 24 Stunden wieder freigelassen, da die Behörden mit Protestbriefen, Emails, Faxen und Anrufen aus aller Welt überflutet werden.
Verschiedene jüdische Organisationen waschen plötzliche ihre Hände in Unschuld und behaupten lauthals, sie seien niemals zionistisch gewesen. Sie schalten bezahlte Anzeigen in den USA, in denen sie den Staat Israel anklagen und fordern, ihn aufzulösen.
„Antisemitismus" ist dabei, unter „respektablen" Persönlichkeiten in Europa wieder hoffähig zu werden. Ein direkter Zusammenhang zwischen der US-Außenpolitik und den Angriffen vom 11. September 2001 wird allgemein gesehen. Nicht, daß es irgendwelche Gewalt gegeben hätte. Die Leute wagen lediglich, aufzustehen und die Wahrheit zu sagen. Und die Wahrheit ist ja bekanntlich antisemitisch.
Die Rhetorik vom Stile „beide Seiten müssen die Gewalt einstellen" hat aufgehört. Sogar der Vatikan hat das Recht der Palästinenser verteidigt, sich gegen Sharons mörderischen Wahnsinn zu verteidigen. Die einzigen Leute, die noch den alten Unsinn verkünden, sind jene in den US-Medien und im Weißen Haus. Der Rest der Welt ist hellwach und wird immer lautstarker.
So demonstrierten beispielsweise in Rom 100.000 Menschen in Solidarität zu den Palästinensern. Nicht etwa 100.000 Menschen zur Verteidigung Israels – nein: der Palästinenser!
Ich habe unzählige Emails von Amerikanern erhalten, die willens sind, nach Palästina zu gehen, dort zu demonstrieren und alles Notwendige zu tun, um die Besetzung zu einem Ende zu bringen. Unter der Annahme, daß meine Emails wie die vieler anderer beobachtet werden, muß dies bestimmten Leuten einen kalten Schauer den Rücken hinunter jagen. Auf einer Email-Liste haben sie sogar angefangen, die besten Flugtickets nach Palästina aufzukaufen – $500 von New York. Man wundert sich, ob sie nun den Flugplatz von Tel Aviv aus Furcht vor einer Flut von Protestierern schließen werden.
Die große Streitmacht der israelischen Armee muß sich damit abgeben, kleine Mädchen einer Leibesvisitation zu unterziehen, Mütter auszurauben, Türen einzutreten, Blindenschulen zu sprengen, Wasser- und Telefonleitungen zu unterbrechen, Straßen aufzureißen, gebärende Mütter sterben zu lassen, und kleine Kinder des Terrorismus anzuklagen. Wenn das nicht die Todeszuckungen eines verzweifelten Eroberungszionismus sind, dann bin ich nicht von dieser Welt.
Die Schlacht ist freilich noch nicht vorüber. Wir müssen auch weiterhin schreiben, die Wahrheit verbreiten und die mutigen Palästinenser anfeuern in ihrem Kampf gegen das Böse, das so viele gequält hat. Aber ich darf sagen, daß ich nie so sicher war wie heute, daß der Tyrann schließlich gebändigt werden wird.
© 10. März 2002
Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 6(1) (2002), S. 66.
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