Bücherschau

Jüdische Mitschuld an Judenverfolgung anno 1941

Von Dipl.-Chem. Germar Rudolf

Bogdan Musial: »Konterrevolutionäre Elemente sind zu erschießen.« Die Brutalisierung des deutsch-sowjetischen Krieges im Sommer 1941, Propyläen-Verlag, Berlin 2000, 349 S., € 20,-.

Der polnische Historiker Bogdan Musial wies 1999 nach, daß zahlreiche in der sogenannten Wehrmachtsausstellung als Beleg für angebliche Verbrechen der deutschen Armee enthaltene Fotos – sie sind auch im vorliegenden Buch abgedruckt – in Wirklichkeit Opfer des sowjetischen NKWD zeigen. Er war zwar nicht der erste, der dies nachwies, wohl aber genoß er als Pole gegenüber deutschen Staatsangehörigen den Vorteil, daß er den Medien solange als unverdächtig schien, bis das Gegenteil ruchbar wurde. So führte die breite Publizität, die Musials „Entdeckung" erfuhr, schließlich zur Schließung der Reemtsmaschen Propagandaausstellung, die nach einer oberflächlichen Überarbeitung allerdings bald wieder mit gehabter Einseitigkeit und geschichtlicher Oberflächlichkeit eröffnet werden wird.

Die Auseinandersetzung um die antifaschistische Hamburger Propagandaausstellung zieht sich wie ein roter Faden auch durch Musials neues Buch. Musial wendet sich gegen die kaum mehr moralisch motivierte »sogenannte Vergangenheitsbewältigung«, die von (post)kommunistischen Geschichtsfälschern und deren Anhängern im Nordwesten Deutschlands genutzt wird, um politische Konkurrenz moralisch in Abseits zu stellen. Obgleich der Vorwurf des politischen Mißbrauchs der Geschichte gerechtfertigt ist, begibt sich Musial damit aufs Glatteis, denn er erscheint damit für die linke Medienlandschaft als verdächtig, da er linker Propaganda gegenüber feindlich eingestellt ist. Daß Musial auch alle andere politische Geschichtspropaganda ablehnt, wird von den Medien geflissentlich übersehen werden. Es ist daher damit zu rechnen, daß Musial sich mit seiner politische Schelte in diesem Buch die Sympathie der deutschen Medien verspielt hat.

Eigentliches Thema seines neuen Buches ist die sowjetische Besatzungspolitik in den nach dem Hitler-Stalin-Pakt von der Roten Armee besetzten Gebieten im zeitweiligen Ostpolen sowie die Reaktion darauf seitens der einheimischen Bevölkerung und der deutschen Besatzer in der Zeit zwischen Juni 1941 und Sommer 1944. Musial schildert eingehend die von den Sowjets begangenen Grausamkeiten, deren hervorstechende Merkmale Denunziationen, Verhaftungen und Massendeportationen nach Sibirien, Verstaatlichungen und Kollektivierungen waren. Unmittelbar nach dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion gesellte sich dazu die massenhafte Ermordung von Häftlingen durch die Schergen des NKWD. Diesen sowjetischen Massenmorden an Inhaftierten, die nicht mehr nach Osten evakuiert werden konnten, fielen Zehntausende zum Opfer, vor allem Ukrainer und Polen. Allein in der Hauptstadt Ostgaliziens, Lemberg, waren es mindestens 4000 Männer und Frauen. Ferner ermordeten sowjetische Einheiten regelmäßig deutsche Kriegsgefangene, die teilweise gefoltert und fürchterlich verstümmelt worden waren.

Diese Verbrechen wurden nach dem Abzug der Mörder sogleich den Juden in die Schuhe geschoben, die an der sowjetischen Okkupation und an den NKWD-Massakern führend beteiligt gewesen sein sollten. In den ersten Julitagen 1941 fanden in fast allen Teilen Ostpolens Pogrome statt, die teilweise tagelang andauerten. Unmittelbar darauf erschossen Hinrichtungskommandos der Sicherheitspolizei und des SD eine große Anzahl vorwiegend jüdischer Männer, denen eine Beteiligung an den sowjetischen Massakern vorgeworfen wurde. Diesen Strafmaßnahmen für die sowjetischen Untaten fielen laut Musial mindestens zehntausend Menschen zum Opfer.

Bogdan Musial arbeitet die sowjetischen Massenmorde vom Sommer 1941 detailliert auf und versucht, ihren Stellenwert in der antijüdischen Politik der Nationalsozialisten neu zu bestimmen. Musial möchte sich »in die Zeit […] versetzen, statt sie von oben herab abzufertigen«. Ein wesentliches Verdienst dieser Studie liegt in der Erschließung einer Vielzahl von meist polnischsprachigen Zeugenberichten, Tagebüchern und vergleichbaren Materialien, die die Atmosphäre jener Zeit aus der Sicht der Betroffenen und der Opfer plastisch hervortreten lassen. Hinzu kommen eigene Befragungen und Beweisunterlagen aus neueren polnischen Ermittlungsverfahren wegen stalinistischer Verbrechen. Diese Quellen ermöglichen eine Vertiefung bisheriger Kenntnisse über die sowjetische Besatzungsherrschaft bis zum Sommer 1941.

Ferner arbeitet Musial mustergültig heraus, wie die stalinistischen Massenmorde und die Rache- und Straffeldzüge einheimischer Bewohner das abstrakte Feindbild des »jüdischen Bolschewismus« scheinbar plausibel machten und der deutschen Propaganda eine nachträgliche Legitimation lieferten, die Joseph Goebbels weidlich ausschlachtete. Unter dem Stichwort „Lemberg" verfestigten sich diffuse Haßgefühle vieler deutscher Soldaten und Zivilisten, namentlich gegen die Ostjuden – Affekte, die den europäischen Krieg gegen die Sowjetunion als notwendigen Feldzug des Abendlandes gegen die »bolschewistische Barbarei« erscheinen ließen.

Hinsichtlich der Pogrome vertritt Musial drei Thesen. Erstens hätten nicht unwesentliche Teile der jüdischen Einwohner Sowjetisch-Polens, namentlich als Angehörige der kommunistischen Jugendorganisation (Komsomol) sowie als Mitarbeiter und Zuträger des NKWD mit dem östlichen Regime kooperiert. Das Stereotyp des »jüdischen Bolschewismus« habe insofern einen Realitätsbezug gehabt, der bereits vor der Ankunft deutscher Truppen ein Konglomerat aus Antisemitismus, Antikommunismus und Rachegelüsten zumindest gefördert, wenn nicht überhaupt verursacht habe. Daher sei, zweitens, die Eskalation der Pogrome vom Sommer 1941 nur durch die vorangegangenen NKWD-Verbrechen zu erklären, die das Feindbild der »Judeo-Kommune« zu bestätigen schienen. Schließlich seien die sowjetischen Morde eine wesentliche Voraussetzung für die »Brutalisierung des deutsch-sowjetischen Krieges« insgesamt gewesen, weil Adolf Hitler unter dem Eindruck des Lemberger Massakers befohlen habe, in großem Umfang „Vergeltung" zu üben. Diese Argumentation führt die Eskalation deutscher Gewaltmaßnahmen auf sowjetische Verbrechen als Ursachenfaktor zurück und schreibt wesentlichen Teilen der jüdischen Einwohner Sowjetisch-Polens eine Teilverantwortung hierfür zu.

Musial legt damit den Finger in eine offene Wunde der Geschichtsschreibung, denn spätestens seit der Offenkundigkeit des „Holocaust" ist es moralisch verwerflich, Juden im Zusammenhang mit ihnen zugefügter Unbill in irgendeiner Weise eine Teilverantwortung zuzuschreiben. Musial hat zwar in der Sache recht, auch wenn man sich über Ausmaß jüdischer Eigenverantwortung streiten mag, allerdings katapultiert er sich damit aus der Gemeinde der „gesellschaftsfähigen" Historiker hinaus und macht sich anfällig für den Vorwurf, ein Antisemit zu sein oder doch zumindest das Spiel der Antisemiten zu spielen, was dann auch prompt die Reaktion in einigen deutschen Medien war.

Musials Buch ist eine Detailstudie, die sich nahtlos in die Untersuchungsergebnisse Joachim Hoffmanns eingliedert, der akribisch den Terror von Stalins Roter Armee und die deutsche Reaktion darauf beschrieben hat. Daß bezüglich des Verhaltens der Roten Armee mit »barbarisch asiatischen Kampfmethoden« sowie einer »unmenschlichen Behandlung unserer [deutscher] Gefangenen« zu rechnen war, wie es im Kommissarsbefehl zwei Wochen vor Kriegsausbruch hieß, war schon seit den Gemetzeln während der Revolutionsjahre 1917-1921 und spätestens wieder seit dem sowjetischen Überfall auf Finnland und dem Einmarsch in Ostpolen deutlich geworden. Um zu solch einer Erkenntnis zu kommen, mußte das deutsche Oberkommando nicht erst auf die Handlungen der Roten Armee bei Kriegsausbruch im Juni 1941 warten.

Es ist auch unumstritten, daß Juden in den ersten Jahren der Sowjetunion die dominierenden Herrscher der Sowjetunion waren. Zwar sank deren Prozentsatz in der Sowjetunion mit den Jahren und Jahrzehnten stetig ab, insbesondere unter Stalin, jedoch wiederholte sich diese anfängliche jüdische Dominanz in so ziemlich jedem Landstrich, der von der Sowjetunion besetzt wurde, sei es in Galizien, dem Baltikum oder später bei Kriegsende den „befreiten" Ländern Osteuropas. Musial legt für Galizien Beweise dafür vor. Aber auch dort ging mit den Jahren der jüdische Einfluß zurück, verbunden mit einer Abnahme des Terrors. Es ist daher sehr wohl verständlich, daß die Einwohner Galiziens und des Baltikums beim deutschen Einmarsch anno 1941, wenige Jahre oder gar nur Monate nach der Einrichtung des roten, jüdisch dominierten Terrors, dies anfänglich als Befreiung vom jüdisch-bolschewistischen Joch empfanden und leider zum Anlaß nahmen, ihrem nachvollziehbaren Groll gegen Schuldige wie Unschuldige freien Lauf zu lassen. Daß die deutschen Truppen und Besatzungsbehörden dem Treiben nicht immer Einhalt geboten, wie es moralisch angebracht gewesen wäre, oder es gar förderten, mag man verurteilen und bedauern. Wer aber für die antideutschen Säuberungen in Frankreich nach der alliierten Befreiung anno 1944 Verständnis hat, die nicht weniger grausam waren – zu rechtfertigen sind sie nicht –, der sollte auch für die antijüdischen und antisowjetischen Säuberungen bei Beginn des deutschen Feldzuges Verständnis aufbringen. Man sollte Gleiches mit gleichem Maß messen.

Was Musial ausläßt, ist die Frage, warum es ausgerechnet Juden waren, die die sowjetische Revolution dominierend durchführten und eine Terrormaschinerie errichteten, die in der Weltgeschichte nichts Gleiches findet, und warum es immer wieder zuvorderst Juden waren, die den sowjetischen Revolutionären und Tyrannen in Scharen zuliefen und ihnen ihre Dienste anboten. Ein Grund dafür mag die Unterdrückung sein, der viele Juden durch die judenfeindlichen Gesellschaften Polens und des zaristischen Rußlands ausgesetzt waren. Viele Juden erhofften sich schlicht eine Emanzipation, nicht wenige betrachteten die frühe Sowjetunion gar als eine primär jüdische Angelegenheit, als einen Aufstieg des Parias zum Herrscher, aus dem Ghetto hoch an die Schaltstellen der Macht. Eine tiefere Analyse müßte jedoch die durch Torah, Talmud und Schulchan Aruch ideologisch festgelegte Oppositionsstellung beleuchten, welche das osteuropäische orthodoxe Judentum seit jeher gegenüber der nichtjüdischen Bevölkerung einnahm. Die in den jüdischen Gesetzbüchern vorgeschriebene Feindschaft der Juden gegenüber den Nichtjuden ist letztlich die tiefere Ursache des osteuropäischen Antijudaismus, der sich daran anschließenden jüdischen Tyrannei der frühen Sowjetherrschaft, sowie des sich daraus entwickelnden nationalsozialistischen Anti-Judaismus und Anti-Bolschewismus. Aber zu einer solch weitreichenden Analyse wollte oder konnte sich Musial womöglich nicht aufraffen.


Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 6(1) (2002), S. 100f.


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