Bücherschau
Fleckfieber und Cholera, Nationalsozialisten und Juden
Von Samuel Crowell
Paul Weindling, Epidemics and Genocide in Eastern Europe, 1890-1945, Oxford University Press, Oxford 2000. Hardcover, 463 Seiten. Index, Illustrationen, $95,-
Es gibt eine gewisse Art von Geschichtsbüchern, die interessant und wertvoll sind, auch wenn sie keine neuen Einsichten vermitteln und ihre Verfasser sich nicht durch besondere Kreativität auszeichnen. Richard Evans’ umfangreiche Studie über die Ausbrüche der Cholera im Norddeutschland des 19. Jahrhunderts, Death in Hamburg,[1] ist ein solches Buch. Dasselbe trifft auch auf Paul Weindlings Epidemics and Genocide in Eastern Europe (Epidemien und Völkermord in Osteuropa) zu. Doch weist letzteres eine ausgeprägt projüdische Tendenz auf und fällt durch einen sogar für das heutige geistige Klima ungewöhnlich rabiate Deutschfeindlichkeit auf, die vielleicht das hervorstechendste Merkmal des Buchs ist.
Der größte Teil des Werkes stellt eine sehr ausführliche und auf lobenswert gründlichen Forschungen beruhende Beschreibung der medizinischen Maßnahmen dar, die von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des 2. Weltkriegs zur Seuchenbekämpfung in Osteuropa getroffen wurden. In dieser Hinsicht ist es eine nützliche Ergänzung zu Friedrich P. Bergs Studien,[2] die im englischen Sprachraum Pionierarbeiten zu diesem Thema darstellen. Ferner werden hier Themen aufgegriffen, die ich in meinen eigenen Schriften erörtere; man kann ohne Übertreibung sagen, daß Weindling eine stark erweiterte Behandlung der Geschichte der Desinfektion liefert, die ich im dritten Kapitel meines Essays The Gas Chamber of Sherlock Holmes zusammengefaßt habe,[3] in dem ich die Vernünftigkeit des revisionistischen Zweifels angesichts von Zensurdrohungen darlege. Immerhin fußt Weindlings Studie großenteils auf denselben Quellen.
Es wäre jedoch ganz falsch anzunehmen, Weindling argumentiere von einer revisionistischen Position aus oder zolle revisionistischen Forschungsbeiträgen die ihnen gebührende Achtung. Ganz im Gegenteil: Die Hauptthese seines Buchs besteht darin, daß die Deutschen die Techniken der Desinfektion – Duschen, Giftgas und Kremierung – entwickelt und anschließend, angesichts ihrer zunehmenden Einstufung der Juden als vernichtungswürdiges Ungeziefer, diese Techniken während des 2. Weltkriegs als Teil einer »tödlichen Dreieinigkeit« zu völkermörderischen Zwecken verwendet haben sollen. Beispielsweise schreibt Weindling, die »medizinischen Techniken der Entwesung, Begasung und Desinfektion« seien »von den Nazis zum Völkermord eingesetzt« worden (S. 400). Diese These taucht im Text Dutzende von Malen auf, wird jedoch an keiner Stelle ausdiskutiert, geschweige denn bewiesen. Entsprechend basiert seine Behauptung, die Juden seien in immer stärkerem Maße dem Ungeziefer gleichgesetzt und damit zur Ausrottung freigegeben worden, auf nichts anderem als einer Anzahl vager antijüdischer Bemerkungen, die fast einem Jahrhundert deutscher medizinischer Literatur zum Fleckfieberproblem in Osteuropa entnommen sind.
Dies bringt uns zum umfassenderen Thema der extrem philosemitischen Einstellung Weindlings. Daß die osteuropäischen Juden – wie fast alle anderen Osteuropäer – Träger des Fleckfieber und anderer in jener Gegend endemischen Seuchen waren, ist eine simple Tatsache. Auch die Abneigung der Osteuropäer gegen Desinfektionsmaßnahmen wie Glattrasieren des Kopfes und Duschen ist von den Chronisten einmütig hervorgehoben worden und läßt sich nicht zuletzt vielen der von Weindling selbst zitierten Quellen entnehmen. Doch jeder Ausdruck von Verärgerung über die abweisende oder ausweichende Haltung gegenüber der Desinfektion oder der Furcht vor der Ansteckung durch Osteuropäer wird von Weindling fast unweigerlich als weiterer Beweis für die angeblich zunehmenden antisemitischen Vorurteile angeführt, die Jahrzehnte später zum Massenmord geführt haben sollen.
Diese Einstellung Weindlings findet ihren Höhepunkt in seinen Ausführungen zu der bekannten Cholera-Epidemie von 1892, die zunächst Hamburg und später in jenem Jahr auch New York heimsuchte. Weindling zitiert das Urteil des führenden deutschen Arztes Robert Koch, wonach die Cholera von russischen Immigranten eingeschleppt worden sei. Am Ende eines verquasten Denkprozesses gelangt Weindling zum Schluß, es gebe »keinen stichhaltigen Beweis für die damals von Antisemiten vertretene Auffassung, russische Juden hätten die Hamburger Cholera-Epidemie ausgelöst« (S. 63). Unsere erste Reaktion auf diese Art von Argumenten besteht in der Frage, weswegen es der Verfasser für nötig erachtet, die Zeit seiner Leser mit dergleichen zu vergeuden. Wenn russische Immigranten die Seuche nach Hamburg brachten, und wenn die meisten von ihnen Juden waren, muß die Schlußfolgerung eindeutig ausfallen. Man halte sich vor Augen, daß dies kein Zeichen von Gehässigkeit gegenüber den jüdischen Einwanderern ist: Schließlich waren sie vor Unterdrückung geflohen, litten an Krankheiten, denen sie oft genug selbst erlagen, und waren im allgemeinen mittellos. Wie die meisten Seuchen regierte Königin Cholera vor allem über die Armen. Doch offensichtliche Tatsachen unter den Teppich kehren zu wollen, nur damit die "Antisemiten" nie recht bekommen oder vielmehr damit ein gewisses Volk niemals ins Fadenkreuz der Kritik gerät, ist nicht nur Geschichtsklitterung, sondern auch eine Form der Geschichtsschreibung, die den Leser zutiefst langweilt.
Leider zieht sich dieser blinde Philosemitismus wie ein roter Faden durch das Werk. Widerstand gegen die Desinfektion wird entschuldigt, weil diese hart und entwürdigend gewesen sei. Die Scheu vor dem Kahlscheren des Kopfes wird für rechtens erklärt, weil man sich damals nicht darüber einig war, ob die Läuse Fleckfieber übertragen. Wenn Deutsche polnisch-jüdische Dirnen als von Krankheiten befallen und verlaust einstuften, weist Weindling zur Ablenkung darauf hin, daß Tripper und Syphilis in deutschen Städten stärker verbreitet waren. Die Gefahr des Fleckfiebers in Osteuropa, schreibt er, sei von (ungenannten) »medizinischen Eliten« übertrieben worden, um die von Deutschen, Briten und Amerikanern getätigten enormen finanziellen Ausgaben zu seiner Bekämpfung zu rechtfertigen. Der Typhus selbst wird mit beschönigenden Ausdrücken charakterisiert; das Delirium, das dem Höhepunkt der Krankheit vorauszugehen pflegt, wird als »Akt geistigen Widerstands« beschrieben, wenn es bei KL-Insassen auftritt (S. 6). Und so weiter.
Nicht minder befangen ist Weindling, wenn er seine These verteidigt, die aus wenig mehr als der Verteufelung der Deutschen zu bestehen scheint. Die Strenge der deutschen Entwesungsprozeduren wird von ihm mit wenig schmeichelhaften Worten kommentiert; die Entwicklung der deutschen Medizin wird stereotyp als trampelfüßig, phantasielos und sektiererisch abgetan. Auf der einen Seite preist Weindling die Förderung der DDT-Produktion durch die Amerikaner und geißelt die deutsche Zurückhaltung gegenüber diesem Insektizid. Auf der nächsten Seite räumt er dann zähneknirschend ein, daß »sich die Deutschen ironischerweise der Giftigkeit des DDT, der Probleme der erworbenen Resistenz sowie der ökologischen Risiken seines Einsatzes stärker bewußt waren« (S. 380) – in anderen Worten, daß sie genau jene Vorsicht an den Tag legten, die sie zu einem zurückhaltenden Umgang mit dem Produkt veranlaßt hatte!
An anderer Stelle nimmt Weindling zur Kenntnis, daß die Deutschen umfassende Maßnahmen zum Schutz gegen den Gaskrieg trafen, doch weil »die Deutschen Giftgas gegen Zivilisten einsetzten«, bedeutete dies, daß diese Vorkehrungen zum Schutz der »Täter« getroffen wurden (S. 387). Unter sorgfältiger Vermeidung jedes Hinweises auf die berüchtigten britischen Pläne zum Einsatz von Milzbrand ergeht sich Weindling in einer langen Tirade über die deutschen Absichten zur Anwendung von Bio-Waffen, an deren Schluß das Fazit steht, daß die Deutschen sich davor fürchteten, selbst mit solchen Waffen angegriffen zu werden, und unberechtigte Furcht vor biologischer Kriegsführung seitens der von ihnen unterworfenen Völker hatten. Es mag ja schon sein, daß die diesbezüglichen deutschen Ängste übertrieben waren, doch hätte Weindling gut daran getan, zu erwähnen, daß u.a. Jan Karski damit prahlte, wie polnische Widerständler deutsche Soldaten mit Typhus infizierten. Im gleichen Stil wiederholt Weindling unkritisch stalinistische Anschuldigungen, wonach die Deutschen in den dreißiger Jahren biologische Kriegsführung betrieben haben sollen.
Der für Revisionisten mit Abstand wichtigste Abschnitt des Buchs ist jener, wo der Verfasser die hochentwickelten deutschen Desinfektionsmaßnahmen mit der behaupteten Massenvernichtungspolitik in den Lagern in Verbindung bringt. Hier ist der Hauptbösewicht Dr. Joachim Mrugowsky, Leiter des SS-Hygieneinstituts. Weindling bezichtigt diesen in längeren Ausführungen der Mittäterschaft beim Völkermord, wobei Mrugowskys Beteuerung, das Zyklon sei ausschließlich zur Entwesung benutzt worden, zwar vermerkt, nicht aber diskutiert wird. Auffallend für ein so gründlich wie das vorliegende recherchiertes Buch ist auch das Fehlen jedes Kommentars zu Dr. Mrugowskys Befehl vom 13. Mai 1943, wonach in sämtlichen Konzentrationslagern Zyklon einzig und allein zur Begasung von Baracken verwendet werden sollte.[4] Dabei ist dieses Dokument zweifellos wichtig zur Einschätzung des Wahrheitsgehalts von Dr. Mrugowskys Aussagen.
Eine andere bezeichnende Auslassung dieser Art betrifft die Desinfektionsmaßnahmen des Ersten Weltkriegs: Weindling listet zwar die von den Revisionisten in der Vergangenheit benutzten Quellen sorgfältig auf, vermeidet jedoch bei seiner Diskussion der österreichischen Desinfektionsvorkehrungen jeglichen Hinweis auf die Tatsache, daß diese Prozeduren, wie Robert Faurisson aufgezeigt hat, zu falschen Berichten über Massenvergasungen von Menschen geführt haben. Gewissermaßen als Kompensation für diese Unterlassung zitiert er kommentarlos die Anklage, wonach die Türken 1917 armenische Kleinkinder in einem Dampfbad vergast haben sollen (S. 106).
Bei der Erörterung der Mechanik des Holocaust weicht Weinbergs eindrucksvolle Vertrautheit mit den Dokumenten einer Wiederkäuerei, die sich weitgehend auf die Schriften von Jean-Claude Pressac,[5] Henry Friedlander (bezüglich der Euthanasie),[6] Robert Jan van Pelt und Deborah Dwork[7] sowie schließlich den von Kogon/Langbein/Rückerl herausgegebenen Sammelband Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas stützt.[8] Wie Revisionisten wissen, beruhen diese Bücher größtenteils auf "Augenzeugenberichten" und Anekdoten, die durch gelegentliche Auszüge aus Nachkriegsverhören bereichert werden. Als Ergebnis bietet Weindling bei seiner Diskussion der jüdischen Katastrophe kaum mehr als ein unsystematisches und unkritisches Nachbeten der Holocaust-Everblacks, angefangen bei den wirren Berichten des Kurt Gerstein bis hin zu solch oberfaulen Geschichten wie jener vom Personal des Euthanasiezentrums Hadamar, das die zehntausendste Leichenverbrennung mit Schampus begossen haben soll. Dies ist der schwächste und uninteressanteste Teil des Buchs.
Weindlings Werk ist schlecht geschrieben, nicht nur wegen seiner endlosen wüsten Polemik, sondern auch weil in ihm ohne klar ersichtlichen Zweck an vielen Stellen Altes aufgewärmt wird. Dies macht Epidemics and Genocide in Eastern Europe zwar für den Durchschnittsleser ungenießbar, doch erweist sich das Werk für den speziell am Thema Interessierten trotzdem als nützlich. Es enthält nämlich zahlreiche aufschlußreiche und überraschende Einzelheiten, die den Experten in ihren Bann ziehen werden, und der Umfang der Untersuchungen nötigt einem Respekt ab.
Diese Elemente sind es, die das Buch schließlich trotz allem retten. Trotz seiner irritierenden Voreingenommenheit hat Weindling ein gutes und solides Buch über Epidemien und deren Verhütung geschrieben, welches Holocaust-Fachleuten, insbesondere Revisionisten, von Nutzen sein wird. Wir können nur bedauern, daß er es nicht aus einer objektiveren und humaneren Perspektive schrieb, denn dann wäre es weit besser ausgefallen.
Anmerkungen
Mit freundlicher Genehmigung entnommen dem Journal of Historical Review, 20(5/6) (2001), S. 75-77, Übersetzung von Jürgen Graf
Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 6(2) (2002), S. 220-222.
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