Bücherschau
Die "sexuelle Revolution" als Mittel der Kontrolle
Von Dr. M. Raphael Johnson
E. Michael Jones, Libido Dominandi – Sexual Liberation and Political Control, St. Augustine‘s Press, South Bend, Indiana 2000, 662. S., $40,-.
Das Konzept der "Sklaverei der Sünde" ist nichts Neues und geht zumindest bis auf die Zeit des Heiligen Augustinus zurück. Die Aufklärung begann als Bewegung zur Befreiung des Menschen, wandelte sich jedoch fast über Nacht zu einem Projekt zu seiner Kontrolle. Der sicherste Weg, den Menschen zu kontrollieren, besteht darin, dies so zu tun, daß er sich nicht bewußt wird, unter Kontrolle zu stehen, und der sicherste Weg, dies zu erreichen, ist die systematische Manipulation seiner Leidenschaften. Man vergesse den weisen Spruch nicht: "Ein Mensch hat so viele Herren, wie er Laster hat." Solange wir wähnen, frei zu sein, werden wir nicht bestrebt sein, unsere Ketten abzuschütteln.
Es gibt viele Arten, auf die ein Mensch in der Gesellschaft leben kann. Die erste Art ist ein Leben, das von der Vernunft geleitet wird. Dies heißt, daß der betreffende Mensch seine Aktionen rational auf gewisse gesellschaftlich wichtige Ziele und Werte ausrichtet und Tabus respektiert. Die Tugend, im klassischen Sinne der Tat, findet die geeigneten Mittel zur Durchführung der sozialen Mission des Menschen mittels der Vernunft. Gemäß dem Naturrecht ist die Vernunft für eine in einer Gesellschaft lebende Person insofern sozialer Natur, als die für die Zeit eines Menschenlebens gesetzten Ziele das Allgemeinwohl oder das Wohl der Gesellschaft als ganzes berücksichtigen müssen.
Die zweite Lebensform ist jene, die sich von impulsiven Leidenschaften lenken läßt. Wohl kommt der Leidenschaft eine wichtige Rolle zu, doch ist sie lediglich die der Hilfskraft eines rationalen und mit dem Naturrecht in Übereinklang stehenden Lebens, welche dieses zur Tat anspornt. Gewiß wäre ein Leben ohne Leidenschaft, ließe es sich überhaupt verwirklichen, nicht lebenswert. Doch wenn die Vernunft eines Individuums so entgleist, daß dieses sich unverhältnismäßig heftig mit der Stillung seiner vorherrschenden Begierde(n) abgibt, leidet die Gesellschaft als ganzes darunter. Das Ergebnis ist dann eine Gesellschaft, deren Angehörige sich um nichts weiter scheren als um die Befriedigung ihrer Laster und irrationalen Impulse.
Die Herrschaft der Leidenschaft ist vom Standpunkt des Moralisten aus ohne Übertreibung die formale Definition der Soziopathie, also der gesellschaftlichen Erkrankung. Wo diese herrscht, ist die Vernunft lediglich Sklavin der Triebe, der Lust und der Impulse des Einzelmenschen. Der Geist wird dann dazu aktiviert, das potentiell antisoziale Verhalten eines solchen Menschen zu rechtfertigen sowie die Mittel sicherzustellen, mittels deren die Befriedigung seiner Leidenschaften gewährleistet wird. Seit den Zeiten Platons war die Scheidelinie zwischen der Herrschaft der Vernunft und jener der Lust das wesentlichste Kriterium der Moraltheorie und des moralischen Verhaltens.
Die sozialen Resultate dieser Scheidelinie sind von fundamentaler Bedeutung. In der modernen Welt sind Werbung, politische Symbole und Schlagwörter, Konsumrausch und sklavische Unterordnung unter die Normen und Werte des herrschenden Systems Ausdruck der letztgenannten Lebensform, also der Herrschaft der Leidenschaften. In diesem System ist die Akzeptanz gesellschaftlicher Ziele keine Frage individueller Geister, die sich in ihrer Bejahung eines sozial annehmbaren und nützlichen Lebensstils treffen, sondern das Produkt einer geschickten Manipulation der Leidenschaften, welche die Herrscher des Systems zur Förderung ihrer eigenen Ziele betreiben. Eine der am stärksten vernachlässigten, doch auch komplexesten Analysen unserer heutigen sozialen und moralischen Versklavung betrifft nicht die formellen Regierungsinstitutionen (die keine aktiven, sondern passive Vermittler kultureller Normen sind), sondern die Mittel selbst, durch welche die Leidenschaften der breiten Massen manipuliert werden, um bei ihnen Konformität, Konsumdenken und knechtische gesellschaftliche Unterwürfigkeit heranzuzüchten. Die moderne, vom Geist der "Aufklärung" geprägte Einstellung besteht hier darin, daß, sobald die Vernunft als Leitmotiv des Lebens verworfen wird, die Reichen und Mächtigen, deren Wünsche sich stets leichter erfüllen lassen als die der Normalsterblichen, die Leidenschaften in ihrem eigenen Sinne zu kontrollieren beginnen. Deshalb wird die soziale Kontrolle im heutzutage herrschenden System zur Frage der wissenschaftlichen Manipulation des menschlichen Impulses.
Das bisher letzte, 622 Seiten starke Werk des namhaften revisionistischen Historikers Dr. Michael Jones beschäftigt sich mit der historischen und literarischen Entwicklung der Technologie und Ideologie einer Kontrolle, welche ausschließlich dazu dient, den Wohlstand und die Macht jener zu sichern, die sie ausüben. Libido Dominandi: Sexual Liberation and Political Control verrät als gegenwärtig einziges seriöses Buch Einsicht in die Tatsache, das ein herrschendes System in unserem Zeitalter zur Erzwingung von Konformismus und Gehorsam über eine Technologie der Kontrolle und Manipulation verfügen muß, welche die menschliche Leidenschaft auf Kosten der menschlichen Vernunft zu beherrschen anstrebt. Es wird kaum jemanden überraschen, daß für die meisten Menschen der stärkste Instinkt der sexuelle Trieb ist, und deshalb widmen ihm die kulturellen Mandarine auch besondere Aufmerksamkeit. In mancher Hinsicht war die Kulturgeschichte des Abendlandes in den letzten 300 Jahren eine Geschichte der Versuche, die Sexualenergie zur Schaffung einer neuen Gesellschaft, jener des "Wassermanns", auszunutzen.
Dieser massive tour de force der neuen abendländischen Geistesgeschichte, von der Französischen Revolution bis hin zu den Clinton-Skandalen, hilft dem Leser, die Entwicklung der Technologie der gesellschaftlichen Kontrolle zu begreifen, deren Dreh- und Angelpunkt in der Fähigkeit einer herrschenden Klasse zur Dienstbarmachung und Beherrschung der sexuellen Leidenschaften der Massen liegt. Die Technologie der Kontrolle besteht in der Ausnutzung der sexuellen Energie im Dienste der Konsumideologie im besonderen sowie der Ausschaltung einer rational denkenden Gemeinschaft im allgemeinen. Ziel dieses Werks ist es, den Leser zur Erkenntnis zu führen, daß das gesamte moderne System der Kontrolle letzten Endes sexueller Natur ist. Das Buch bietet alles andere als trockene Theorie, sondern packt das Thema mit journalistischen Methoden an, indem es sich des Jargons, der Schriften und der Rechtfertigungen der Elite selbst bedient, um die unvermeidlichen Schlußfolgerungen in aller Schärfe hervortreten zu lassen.
Die von Jones in diesem Buch – und nicht nur hier – verfochtene These lautet dahingehend, daß die politische Ideologie, oder die allgemeinen Vorstellungen, welche die Menschen von unserem politischen System hegen, nicht einfach abstrakte, von der gesellschaftlichen Realität abgesonderte Thesen sind. Die sexuellen Leidenschaften der linken Theoretiker selbst bestärken diese im Kampf für ihre Ansichten. In Libido Dominandi werden alle führenden linken Theoretiker und Aktivisten der letzten 200 Jahre unter die Lupe genommen, und es werden die verborgenen Impulse und Triebe bloßgelegt, die sie dazu veranlaßten, die Kontrolle über die sexuellen Leidenschaften des Menschen anzupeilen, aber auch ihre eigene sklavische Hingabe an die Lust zu rechtfertigen. Fast alle linken Größen im Verlauf der letzten beiden Jahrhunderte wichen in der einen oder anderen Hinsicht sexuell von der Norm ab.
Anhand der Beispiele von Homosexuellen wie dem schwarzen US-Schriftsteller James Baldwin oder dem deutsch-jüdischen Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld, der im Deutschland der Weimarer Republik für die soziale Akzeptanz der Homosexualität focht, von Sadisten und Masochisten wie Marquis de Sade, von Ehebrechern wie Max Eastman, Margaret Mead und Margaret Sanger, von zwanghaften Onanisten und Selbstquälern vom Schlage Alfred C. Kinseys (der laut Judith A. Reismans Studie Kinsey: Crimes & Consequences[1] während seiner Forschungen an der University of Indiana Kinder sexuell mißbraucht haben soll) sowie schließlich von Menschen, die – wie Jack Kerouc – ihre Familien sitzen ließen, um ihre sexuellen Begierden auszutoben, belegt Jones unter fast ausschließlicher Verwendung von Primärquellen, wie diese sexuellen Verhaltensformen von jenen, die sie praktizierten, mit den von ihnen vertretenen linken Ideologien in Übereinklang gebracht wurden.
Die unappetitlichen Biographien liberaler und linksradikaler Theoretiker und Aktivisten lassen den Leser erahnen, in welchem Ausmaß ihre sexuellen Praktiken von diesen rationalisiert wurden, um sie im Namen irgendeiner "Moral" feilbieten zu können. Jones stellt sich energisch auf den Standpunkt, daß viele der heutigen politischen Theorien und Ideologien kaum mehr sind als die rationalisierten sexuellen Gelüste ihrer prominentesten Verfechter. Die Verteidigung der Homosexualität durch das herrschende Regime und der Eifer, mit dem sich die Homosexuellen für die Abtreibung stark machen, sind beispielsweise weit mehr als Ausdruck der Sorge um die "Bürgerrechte". Der Todeskult – am eindrücklichsten durch die Abtreibung versinnbildlicht – hat diese weltweit verstreuten, aber gemeinsamen sexuellen Vorlieben frönenden Gruppen zusammengeführt. Wenn Feministinnen eine Lanze für die Homosexualität brechen, dann darum, weil die Abtreibung zu ihren Herzensangelegenheiten zählt, so wie die zur Kinderlosigkeit verurteilten Schwulen sich zu jener institutionalisierten Unfruchtbarkeit hingezogen fühlen, welche die Abtreibungskultur prägt. Was all diese Gruppen zusammenschweißt, ist das Bedürfnis nach einer Rationalisierung ihrer naturwidrigen Wünsche sowie – in allgemeinerer Hinsicht – nach der sozialen Revolution.
Das Buch behandelt einen breiten Themenkreis. In den Schriften des Marquis de Sade wird die Idee der Französischen Revolution klipp und klar mit der geschlechtlichen Lust dieses Prototyps eines Pornographen verknüpft (S. 25). Mary Wollstonecraft, eine der frühen Feministinnen, begann, wie Jones einwandfrei nachweist, die traditionelle Familie zur selben Zeit zu verachten, zu der sie selbst ihre Familie im Stich ließ und eine außereheliche Beziehung mit dem Anarchisten William Godwin einging (S. 89-90). Die sowjetische Gesundheitsministerin Alexandra Kollontai versuchte, die Politik der jungen UdSSR in der Idee der sexuellen Revolution zu verankern, was ihre eigenen zahlreichen Affären und Eskapaden widerspiegelte (S. 153-158). Wie sich ihren Schriften entnehmen läßt, wurde ihr schlechtes Gewissen durch die Gewißheit beruhigt, daß ihre sexuelle Zügellosigkeit "der Sache der Frauenbefreiung" und dem "Aufbau des Sozialismus" förderlich war. Die Sozialistin Margaret Sanger war der Ansicht, ihre endlose Liste außerehelicher Liebschaften lasse sich durch Aufrufe zur Arbeiterrevolution und zur "Befreiung" der amerikanischen Frauen von der Mühsal des Kindergebärens übertünchen. In anderen Worten, die politischen Ideologien vieler Leuchten des Marxismus und Liberalismus können nur begriffen werden, wenn man sie vor dem Hintergrund ihres Geschlechtslebens und ihrer Begierden sieht.
Einer der faszinierendsten Abschnitte von Libido Dominandi, dem eine knappe Rezension wie die vorliegende leider nicht gerecht werden kann, ist die – schon in den früheren Werken von Jones angetönte – Beziehung zwischen der amerikanischen sexuellen Revolution und der Rassenfrage. Ohne jeden Zweifel versuchten weiße Liberale ihre Gewissensbisse über ihr sexuelles Verhalten dadurch zu ersticken, daß sie sich zu Fürsprechern des schwarzen Mannes aufschwangen, der nach Ansicht der Degenerierten sexuelle Freiheit und das Fehlen christlicher Moral verkörperte und damit Eigenschaften aufwies, welche die weißen Liberalen ganz Amerika aufdrängen wollten. Afrika (das freilich von diesen eigensüchtigen Autoren verzerrt dargestellt wurde) entwickelte sich zum machtvollen Symbol zunächst für reine sexuelle Freiheit und dann für das Nichtvorhandensein sexueller Moral. Von Carl Jung bis hin zu Jack Kourac, Carl van Vechten, Paul Tillich und Bill Clinton wähnten weiße Liberale, der schwarze Mann sei ein Urbild für jene sexuelle Freiheit, die sie selbst anstrebten.
Die US-"Bürgerrechtsbewegung" der fünfziger und sechziger Jahre strotzte nur so vor Sexualität (davon legt das Leben Martin Luther Kings beredtes Zeugnis ab), da diese Bewegung nicht zuletzt die ethische Rationalisierung der von weißen Liberalen begangenen geschlechtlichen Ausschweifungen verkörperte. Doch dieser sexuelle Aspekt der Unterstützung, welche die weiße liberale Elite der "Bürgerrechtsbewegung" zuteil werden ließ, wird auch in kritischen Studien dieser elitär geführten Bewegung nicht erwähnt. Dabei sind solche Verbindungen in den Schriften namhafter Repräsentanten der Linken selbst hieb- und stichfest dokumentiert.
Jones reißt dem Liberalismus, dem Linksradikalismus und allen Formen linker Ideologie die Maske vom Gesicht: Sie streben keineswegs notwendige Reformen einer korrupten Gesellschaft an, sondern sind von elitären, wohlhabenden und einflußreichen weißen Revoluzzern in die Welt gesetzt worden, welche nach einer intellektuellen Rechtfertigung ihrer geschlechtlichen Triebe und ihres völligen Mangels an Selbstbeherrschung lechzten. Gleichzeitig merkten Gruppen wie die Rockefeller-Familie und die US-Reklameindustrie (durch die Schriften Eddie Bernays sowie der behavioristischen Schule innerhalb der Sozialwissenschaften), daß die Eroberung der Kontrolle über diese stärkste aller Leidenschaften der amerikanischen Elite bisher ungeahnte Macht über die Bevölkerung verleihen würde. Wenn die Menschen nicht mehr nach den Grundsätzen der Vernunft lebten, konnte sich die Konsumkultur zur Herrin und Meisterin des American Way of Life aufschwingen. Ohne die Herrschaft der Libido wäre der Konsumrausch nie und nimmer zu einem Lebensstil geworden. So entstand ein in sich geschlossener Kreis, welcher die sexuelle Revolution einerseits mit der Schuld und andererseits mit der wirtschaftlichen Notwendigkeit verbindet. Als Kitt dient dabei die behavioristische Ideologie, finanziell aufgepäppelt von elitären Institutionen wie dem Rockefeller Brother Fund, die nach einem Weg zur Kontrolle der Bürger mittels der geschickten Ausnutzung von Impuls und Leidenschaft suchten. Leute wie Bernays haben behauptet, dies sei ein weit effizienteres Mittel der Kontrolle als plumper Zwang. So also sieht die Revolution des 20. Jahrhunderts aus, die Ausmerzung von Tugend, Vernunft, Natur und damit die Verunmöglichung einer rationalen Regierung.
Libido Dominandi ist revisionistische Geschichte in ihrer besten Form. Diese Studie entlarvt viele Erscheinungsformen der sozialen Kontrolle, des Konformismus und der Manipulation, über die sich die patriotische und traditionalistische Literatur, welche ihr Hauptaugenmerk auf formale Regierungsinstitutionen und Geheimorganisationen richtet, meist ausschweigt. Das System der totalen Kontrolle ist weitaus tiefgründiger als das Fälschen von Wahlergebnissen oder das Einschleusen der falschen Leute ins Oberste Gericht, auch wenn letzteres gewiß dazugehört. Die Kontrolle geht nicht primär vom Staat aus, denn der Staat selbst steht, wie die Clinton-Skandale beweisen, unter der Kontrolle des mächtigen Triebes der menschlichen Libido, welche ihrerseits von Drahtziehern im Hintergrund manipuliert wird.
Anmerkung
Mit freundlicher Genehmigung entnommen der Barnes Review, 7(4) (2001), S. 33-35. Übersetzung von Jürgen Graf.
Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 6(2) (2002), S. 228-230.
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