Bücherschau

Im Namen des Holocaust

Von Daniel Michaels

Angelo Codevilla, Between the Alps and a Hard Place: Switzerland in World War II and Moral Blackmail Today, Regnery, Washington, DC, 2000, geb, 263 Seiten, $27,95.

In Between the Alps and a Hard Place liest Angelo Codevilla, ein verdienstvoller außenpolitischer Berater der US-Regierung und langjähriger Unterstützer Israels, der Clinton-Regierung dafür die Leviten, daß sie dem JWC (Jewish World Congress, Jüdischer Weltkongreß) geholfen hat, schweizerischen, österreichischen und deutschen Banken und Unternehmen mittels moralischer Erpressung Milliarden von Dollars abzuluchsen. Codevilla erhebt ferner die Anklage, amerikanische Politiker, hauptsächlich Demokraten, hätten für ihre Unterstützung der vom JWC betriebenen Kampagne großzügige Spenden erhalten.

Um es ungeschminkt zu sagen: die Operation des JWC wies fatale Ähnlichkeit mit einem Gaunerstück auf. Denn hätten die Schweizer sich geweigert, eine bestimmte – letzten Endes auf mehr als eine Milliarde Dollar festgelegte – Summe zu zahlen, wären ihnen Verbrechen gegen das jüdische Volk vorgeworfen worden. Der JWC hatte sich durch generöse Spenden die zwar nicht offizielle, jedoch faktische Rückendeckung der Clinton-Regierung gesichert. Die "moralische" Unterstützung der amerikanischen Establishment-Medien war ihm dabei von vorne herein sicher, wie in allen Fällen, in denen es um die "Opfer des Nazismus" ging und geht.

Präsident Clinton bot über das Außenministerium die guten Dienste seines Busenfreundes Stuart Eizenstat an, der auch als US-Sonderbotschafter für materielle Forderungen in Mittel- und Osteuropa amtete. Somit wurde die Schweiz zum ersten Mal als "Nazikollaborateur" und Hehler während des Zweiten Weltkriegs gestohlenen Gutes an den Pranger gestellt. Eizenstat legte rasch und pflichtbewußt einen Bericht über den Fall Schweiz vor, der ganz nach dem Geschmack des JWC ausfiel. In diesem Bericht hieß es, es sei

»unsere Aufgabe, die unerledigte Angelegenheit der traumatischsten und tragischsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts zu Ende zu führen und Dinge, die damals nicht getan werden konnten, heute zu tun.«

Mit diesen Worten setzte er sich über die von der Truman-Regierung getroffenen Entscheidungen zur Frage der materiellen Verluste während des Zweiten Weltkriegs hinweg und schürte Feindseligkeit gegen eine Nation, mit der die USA seit langem freundschaftliche Beziehungen gepflegt hatten. Ironischerweise enthält der Eizenstat-Bericht, wie Codevilla festhält, ganze 16 Seiten zu jenem Thema, dem er vordergründig gewidmet ist – nämlich herrenlosen Konten in der Schweiz –, und selbst auf diesen Seiten wird nirgends angegeben, wieviele Opfer des Nationalsozialismus wieviel Geld wo deponiert haben, oder was damit geschehen ist (S. 168). "Stu" Eizenstat setzte die Schweizer Banken bis zu Clintons letztem Amtstag als Präsident unter Druck, um eine für den JWC möglichst günstige Lösung zu erreichen.

JWC-Chef Edgar Bronfman war die treibende Kraft und der Hauptkläger bei der Aktion gegen die Schweizer Banken, denen vorgeworfen wurde, mit den Nationalsozialisten kooperiert und vor dem Krieg von jüdischen Opfern eröffnete und dann herrenlos gewordene Konten verschwiegen zu haben. Solche Konten hätten geheim eröffnet werden müssen, weil die nationalsozialistische Regierung die Geldausfuhr Beschränkungen unterworfen und die Währungsspekulation untersagt hatte.

Bei den Anhörungen vor dem Komitee des US-Senats für Banken, Wohnungen und städtische Angelegenheiten im April 1996 beanspruchte Bronfmann die moralische Autorität, im Namen der Juden weltweit, der lebenden und der toten, zu reden:

»Ich spreche zu Ihnen heute für die sechs Millionen, die nicht für sich selbst sprechen können.«

Um die Sache vor dem Komitee aufs Tapet zu bringen und selbst dort auftreten zu können, bediente sich Bronfman zunächst der Dienste des Vorsitzenden dieses Komitees, des republikanischen Senators von New York Alfonse d‘Amato, der die Anhörungen mit der Erklärung eröffnete:

»Wir sind im Besitz von unlängst deklassifizierten Dokumenten, welche neues Licht auf die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg werfen.«

Wie Codevilla bemerkt, spielte es keine Rolle, daß Amato keinerlei glaubhaften neuen Beweise vorlegen konnte, oder daß Präsident Truman die Frage der "herrenlosen Konten" im Jahre 1949 gelöst hatte – damals unterzeichnete er die Senatsvorlage 603, welche die Obergrenze für solche Forderungen festlegte. Es spielte auch keine Rolle, daß Herr Bronfman keinesfalls das jüdische Volk in seiner Gesamtheit vertrat. Als Codevilla seine Kontaktleute im israelischen Außenministerium befragte, ob die israelische Regierung Bronfmans Vorgehen gutheiße, antworteten sie mit nein und teilte ihm mit, die Schweiz gehöre zu den treusten Unterstützern Israels (S. 165, 174).

Wie es bei Rechtsstreitigkeiten, an denen zahlreiche Kläger beteiligt sind, üblich ist, reichte der WJC eine Sammelklage gegen die Schweiz ein. Mit dieser Taktik sicherte er sich eine günstige Position in den Medien und die Aussicht darauf, auch ohne Beweise für den Wahrheitsgehalt seiner Behauptungen eine Übereinkunft zu erreichen. Es ist bekannt, daß der größte Teil der bei solchen Fällen verteilten Gelder von den Anwälten und den Organisationen, in deren Sold sie stehen, einkassiert werden. Für die vielen Einzelpersonen, in deren Namen die Sammelklage formell eingereicht wird, fallen da meist nur ein paar mickrige Brosamen ab.

Wie Codevilla aufzeigt, ist es bei Sammelklagen für die Kläger das Wichtigste, eine ihnen günstige Stimmung zu schaffen und einen ihnen wohlgesonnenen Anwalt anzuheuern. New York City, insbesondere das Viertel Borough in Brooklyn, besitzt eine zahlenmäßig sehr starke jüdische Bevölkerung und galt den Klägern als ideale Bühne für die Durchführung des Verfahrens. Nach einigem Hin und Her wurde Richter Edward Korman, ein Demokrat, der seine Ernennung zum Richter des Staates New York der politischen Rückendeckung Senator Patrick Moynihans verdankte, zum Gerichtsvorsitzenden ernannt.

Alan Hevesi, Rechnungsprüfer von New York und wichtigster Finanzbeamter im Finanzzentrum der USA, vermochte zusätzlichen Druck auf die Schweiz auszuüben. Kraft seines Amtes als Rechnungsprüfer war Hevesi mitsamt seinem Komitee befugt, Lizenzen für größere Geschäftstransaktionen in New York zu genehmigen oder zu verweigern. Zum Zeitpunkt der Klage war ein Gesuch der Schweizer Unionsbank anhängig, mit dem Schweizer Bankverein zu fusionieren; aus dieser Verschmelzung sollte die UBS (Union des Banques Suisse) hervorgehen, welche zur größten europäischen Bank geworden wäre. Da diese Banken in New York alljährlich Geschäfte in Höhe von vier Milliarden Dollar abwickeln, konnten es sich die Schweizer einfach nicht leisten, Hevesi vor den Kopf zu stoßen.

Nach langem Tauziehen wurde ein Abkommen unterzeichnet, in dem sich die Schweizer Banken zur Zahlung von 1,25 Milliarden Dollar verpflichteten. Richter Kormann ernannte einen "special master" namens Judah Gribetz zur Verteilung der Summe an Kläger und Anwälte. Gribetz war Mitglied des juristischen Selektionskomitees gewesen, das Senator Moynihan in der Frage der Ernennung von Staatsrichtern beraten hatte, auch im Fall Richter Kormans. Ferner war er Präsident des Jewish Community Relation Council (Berater der Jüdischen Gemeinde für Beziehungen mit anderen Gemeinschaften) und hatte sich zeit seines Lebens engagiert für jüdische Belange eingesetzt (S. 193).

Wie Codevilla schildert, begann fast unmittelbar nach der Unterzeichnung des Abkommens ein peinlicher, ja obszöner Zank über die Verteilung der Gelder zwischen den Anwälten der individuellen Opfer, jenen der verschiedenen Judenorganisationen sowie anderen, die ihre eigenen Interessen vertraten und für ihren eigenen Anteil an der Beute fochten. Abgesehen von der Klage des JWC – sein Hauptstratege war Rabbiner Israel Singer – hatte das Simon Wiesenthal Center in Los Angeles durch seine Anwälte Michael Hausfeld, Melvyn Weiss und Martin Mendelsohn ebenfalls Klagen einreichen lassen, und dasselbe tat eine dritte Gruppierung, die von Edward D. Fagan, einem anderen Holocaust-Aktivisten, vertreten war. Während die Anwälte miteinander balgten und sich gegenseitig mit Schimpfwörtern bedachten, festigte der WJC seine führende Stellung auf der Klägerseite.

Die internen Querelen auf der jüdischen Seite veranlaßten keinen geringeren als Abraham Foxman, den nationalen Direktor der Anti Defamation League, also der mächtigsten jüdischen Organisation in den Vereinigten Staaten, zum Ausspruch:

»Ich will nicht, daß aus der Erinnerung an die Opfer eine Industrie gemacht wird, denn es gibt so wenige Überlebende, die davon profitieren werden.«

Der jüdische Kolumnist Charles Krauthammer beklagte die haßerfüllten Zänkereien unter den Klägerparteien. Krauthammer meinte zwar, die Klage sei gerechtfertigt, um Verfehlungen seitens der Schweizer oder anderer gegen Juden bloßzustellen, äußerte aber die Auffassung, die Betonung des finanziellen Aspekts entwerte die ganze Prozedur. Er schrieb:

»Aber Geld? Es sollte unter der Würde des jüdischen Volkes sein, es zu akzeptieren, geschweige denn danach zu streben.«

1997 stifteten die Schweizer Regierung und Industrie einen Fonds in Höhe von 200 Millionen Dollar zur Unterstützung von Holocaust-Opfern und beauftragten den JWC mit der Verteilung dieser Summe. Ein Jahr später waren erst 10% davon bestimmten Personen zugewiesen und verteilt worden. Codevilla legt dar, daß die jüdischen Organisationen, namentlich der JWC selbst, den Löwenanteil zugesprochen bekamen – wie auch nicht anders zu erwarten gewesen war.

Nachdem das Geld dem JWC zur Verfügung gestellt worden war, ebbte die Medienhetzkampagne gegen die Schweizer Banken rasch ab, da sie ihr Ziel erreicht hatte. Codevilla kommentiert zynisch, daß die nach dem Zweiten Weltkrieg getroffenen Finanzabkommen stets dem Prinzip folgen:

»Die Starken behalten, was sie können, während die Schwachen aufgeben, was sie müssen.«

Mit den "Starken" meint Codevilla offensichtlich die USA, die in Abstimmung mit jüdischen Interessen handeln. So mauserte sich eine Millioneninvestition in Form politischer Spenden zu einem Milliardengeschäft – und all dies im Namen der Holocaust-Opfer.

Mit Recht weist Codevilla auf das Mißbehagen, ja die Feindseligkeit gegenüber den Vereinigten Staaten hin, welche diese Affäre erzeugt hat. Wenn eine private Interessengruppe wie der WJC in der Lage ist, amerikanische Regierungsbeamte bei einer Klage gegen einen fremden Staat wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Verfehlungen vor einem halben Jahrhundert als Helfer vor seinen Karren zu spannen, ist irgend etwas faul, und es ist eine schreiende Ungerechtigkeit gegenüber dem angeklagten Staat und möglicherweise sogar eine Verletzung amerikanischer Gesetze, daß unsere Regierung sich hinter unbewiesene Anschuldigungen seitens der Kläger stellt und diesen dadurch Gewicht verleiht. Es wird dann vor aller Welt augenscheinlich, daß die USA stets freudig bereit sind, für das Weltjudentum bei Streitigkeiten sozialer, wirtschaftlicher, finanzieller und politischer Art die Kastanien aus dem Feuer zu holen.

Wenn es irgendein Land gibt, das als Fürsprecher jüdischer Anliegen und Schadenersatzforderungen in aller Welt auftreten sollte, dann ist dies der Staat Israel, doch natürlich fehlen diesem die Muskeln, welche die USA jederzeit spielen lassen können. Dem Gesetz nach ist die Regierung der Vereinigten Staaten Garantin und Beschützerin der Rechte aller Amerikaner, mögen sie nun Christen, Juden oder Moslems sein, innerhalb und außerhalb der Grenzen der USA. Was irgendwelchen Personen zustieß, oder zugestoßen sein soll, bevor sie hier einwanderten und US-Bürger wurden, ist nicht die Sache der US-Regierung. Schließlich sind die meisten Amerikaner oder ihre Vorfahren hierher gekommen, weil sie in ihren Herkunftsländern unter – tatsächlichen oder eingebildeten – Benachteiligungen, Ungerechtigkeiten oder Härten zu leiden hatten.

Man mag Codevilla ankreiden, daß er zu ausführlich auf die schwierige Lage der Schweiz im Zweiten Weltkrieg eingeht. Die Schweiz braucht sich wirklich nicht für ihr Verhalten zur Kriegszeit zu verteidigen oder zu entschuldigen. Auch behandelt der Verfasser das Thema des Goldhandels während des Kriegs zu ausgiebig. Wer diese Art von Literatur liest, pflegt gemeinhin zu wissen, daß die meisten Länder und Regierungen in bezug auf Kriegsbeute Mammons Kinder sind. Schließlich wird es dem einen oder anderen Leser wohl scheinen, daß das Buch eine parteipolitische Schlagseite aufweist, weil es die (zugegebenermaßen dominierende) Rolle der Demokraten bei der Annahme von JWC-Spenden als Gegenleistung für politisches Entgegenkommen übertreibt.

Im Verhältnis zu ihrer Größe und ihrem Reichtum hat die Schweiz mehr als Amerika getan, um seinerzeit jüdischen Flüchtlingen Obdach und Hilfe zu gewähren. Bei der Konferenz von Evian im Jahre 1938 bot sie jüdischen Emigranten aus Deutschland sogar einen zeitweiligen Aufenthalt auf ihrem Territorium an, doch kein Land wollte eine nennenswerte Zahl von Flüchtlingen aufnehmen, auch die Vereinigten Staaten nicht. Fünf Jahre später, bei der Bermuda-Konferenz von 1943, weigerten sich die USA und Großbritannien, wie Codevilla hervorhebt, irgendwelche konkreten Schritte zur Milderung der Härten zu treffen, denen die Juden ausgesetzt waren. Es entbehrt nicht der Ironie, daß die mit Abstand größte Zahl europäischer Juden, insgesamt rund 350.000, in Spanien und Portugal eine vorläufige Bleibe fand, zwei Staaten also, deren katholische Führer von den westlichen Medien regelmäßig angeschwärzt worden sind (S. 104).

Ungeachtet dieser geringfügigen Mängel seines Buchs hat Codevilla vollkommen recht, wenn er im wahren Interesse des amerikanischen sowie des jüdischen Volkes die Clinton-Regierung für ihre parteiische und heuchlerische Einmischung in die Affäre um die Schweizer Banken verurteilt, die einer Unterordnung amerikanischer Interessen unter jene einer zahlenmäßig kleinen, aber ungeheuer mächtigen Lobby bedeutete. Mit ihrem Vorgehen haben Clinton und seine Helfershelfer das Rechtssystem der Vereinigten Staaten gebeugt und mißbraucht und ein außenpolitisches Fiasko heraufbeschworen. Die US-Bürger haben das Recht zu fragen, warum, wie lange noch und um welchen Preis für Amerikas eigene Interessen die USA die Rolle eines Vorkämpfers für jüdische Forderungen und Klagen spielen wollen.


Daniel Michaels ist Absolvent der Universität von Columbia und war 1957 als Austauschstudent der Fulbright-Stiftung in Deutschland. Er war 40 Jahre lang für das US-Verteidigungsministerium tätig. Heute lebt er im Ruhestand. Mit freundlicher Genehmigung entnommen dem Journal of Historical Review, 20(2) (2001), S. 43-45, übersetzt von Jürgen Graf.


Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 6(2) (2002), S. 217-220.


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