Bücherschau
Die unglaublichen Erlebnisse einer ungarischen Jüdin in Auschwitz
Von Wolfgang Pfitzner
Kardos Klára, Auschwitzi napló (Auschwitz-Tagebuch), Szent Gellért Kiadó (Sankt Gellért Verlag), Budapest, 2001.
Frau Kardos Klára (ich müßte Fräulein schrieben, sie hat nie geheiratet), wurde 1920 in Süd-Ostungarn in einer jüdischen Familie geboren. Ihre Eltern haben sich scheiden lassen, ihre Mutter trat noch vor der Geburt von Klara zum katholischen Glauben über, heiratete wieder, und so bekam Klára eine kleine Schwester. Nach der deutschen Besatzung Ungarns am 19. März 1944 kam ihre Familie in das Ghetto von Nyíregyháza, von wo sie das letzte Lebenszeichen ihrer Angehörigen hat. Sie glaubt, sie seien alle irgendwo gestorben. Sie selbst durfte sich in Szeged vorerst frei bewegen, wenn sie auch den gelben Stern tragen mußte. Dann wurden die Begünstigungen für die getauften Juden gestrichen, so daß sie auch in das Ghetto kam. Später mußte sie dann in die Ziegelei Szeged arbeiten, von wo sie wenig später nach Auschwitz transportiert wurde.
Nach ihrer Rückkehr im September 1945 lebte sie in großer Armut. Sie hat nie geheiratet. Wegen ihres christlichen Glaubens wurde sie vom kommunistischen Regime von ihrer Lehrerstellung entlassen, dazu kam, daß sie wegen ihrer Teilnahme an der Revolution von 1956 weiterhin verfolgt und schikaniert wurde.
1972 konnte sie nach Österreich emigrieren, wo sie in Klagenfurt Mitarbeiterin der jesuitischen theologischen Zeitschrift Szolgálat (Dienst) wurde. Sie starb 1984 an Krebs. Sie hinterließ Aufzeichnungen, die letztes Jahr in einem ungarischen Verlag herausgebracht wurden. Aus einigen Bemerkungen geht hervor, daß zumindest Teile dieser Aufzeichnungen nach dem Krieg erstellt wurden, daß es sich hier also nicht um ein Zeitdokument handelt. Einige interessante Passagen daraus sind nachfolgend (z.T. etwas gekürzt) übersetzt und kurz kommentiert. Vorab sei bemerkt, daß Klára von einem tiefen christlichen Glauben erfüllt ist; sie schreibt ohne Haß, ihre Aufzeichnungen erscheinen daher authentisch.
»20. Juni 1944
Einzug in das schon entleerte Ghetto. Zolluntersuchung. Schmuck, Armbanduhr, Füllfeder werden uns abgenommen. Als die Beamtin meine Armbanduhr mit dem Herz-Jesu-Bild sieht, schaut sie überrascht, ich darf diese samt Füllfeder behalten. Noch am gleichen Tag Überstellung in die Ziegelei. Hier ist das Judentum von Szeged und Umgebung – 11.000 Menschen – zusammengepfercht. Das Schlimmste ist der Wassermangel. Zwei Tage später geht die Armbanduhr, die ich durch den Feind behalten durfte, durch die Kameraden verloren. Wie oft habe ich auch draußen (im Ausland) erlebt, daß sie schlimmer waren, als der Feind.
Wir verbringen einige Tage in der Ziegelei. Seuchengefahr. Listenzusammenstellung.
Die einflußreicheren Juden kommen nach Österreich. Später erfahre ich, daß sie ein goldenes Leben im Vergleich zu uns hatten. Aber als ich das Buch von P. Lenz aus Dachau gelesen habe, hatte ich das Gefühl, daß unsere Leiden damit verglichen nichts waren.«
Die letzte Bemerkung zeugt davon, daß diese Aufzeichnungen nach dem Kriege erstellt wurden. Es ist also damit zu rechnen, daß Kláras Aufzeichnungen von Gehörtem, Gelesenem und Gesehenem aus der Nachkriegszeit beeinflußt ist.
Sie berichtet weiter über ihren Abtransport nach Auschwitz:
»24. Juni
Einwaggonieren. Alle sind schwer beladen. Wenn sie gewußt hätten, daß ihre Sachen 3 Tage später von den Kanada-Arbeitern abgenommen werden und jene dadurch bereichert werden... Einpferchen von jeweils 70 Personen in einen Viehwaggon. Dunkelheit, Luftmangel. Wir dürfen die Toten nicht aus dem Waggon schmeißen. Klingt wie ein schlechter Scherz, dabei war es blutiger Ernst. Später erlebe ich, besonders im Winter, daß ein Teil der Transporte tot in den Lagern ankam.«
Klára war im Winter nicht mehr in Auschwitz. Diese anachronistische Bemerkung muß sich daher auf die bei Kriegsende durchgeführten Evakuierungen gen Westen beziehen, bei denen es aufgrund ausbleibender Versorgung und zerbombten Schienenwegen zu vielen Tragödien kam.
»25. Juni
Abends rollt der Zug endlich vom Bahnhof Szeged ab. Drei Tage im Waggon. Wassermangel, unerträglich Hitze. Bedrohung von den Wächtern: Bei Radau wird geschossen.«
26. Juni
Grenzübertritt. "Zolluntersuchung", kurze Rede: "Ihr werdet zu Arbeitseinsätzen gebracht."
28. Juni
Ankunft in Auschwitz.
In den Todesfabrik-Büchern ist alles mit dunklen Tönen dramatisiert, alles zugespitzt, was mir nicht gefällt. Ich formuliere das so: Mich interessiert nicht, daß nach meinem Tod aus meiner Haut Lampenschirme gemacht werden, aus meinen Knochen Seife gekocht wird, aber als ich Schnupfen hatte, und ich hatte kein Taschentuch, war es unangenehm. Wir hatten keine Übersicht über Länder, Nationen. Wir litten nicht so sehr wie die christlichen Priester in Dachau. Wir Christen waren eine kleine Insel im Meer.«
Wann hat man je so ehrliche Worte einer Auschwitz-Insassin gelesen? In ihren Augen ist also in der üblichen Literatur alles übertrieben worden. Ihre Darlegungen weisen wieder daraufhin, daß sie die Geschichten von Lampenschirmen, Seife usw. eben nicht erlebte, sondern daß sie dies erst nach dem Kriege erfuhr, wie natürlich auch, wie es den christlichen Priestern in Dachau angeblich erging. Jedenfalls ist das Bekenntnis, das Fehlen eines Taschentuches bei Schnupfen sei ihr als unangenehm in Erinnerung geblieben, doch sehr aussagekräftig. Wer sich solcher Banalitäten als unangenehm erinnert, kann keine wirklich schlimmen Erinnerungen haben.
»Ausstieg aus den Waggons. Es kam der Befehl: alles dalassen. Das Gepäck wird uns mit Fahrzeugen hinterher transportiert. Natürlich haben wir nie wieder was davon gesehen. Die in "Kanada" beschäftigten privilegierten Gefangenen haben auf diese Weise für sich Sachen organisiert.«
Das mag sein, es mag aber auch sein, daß im Chaos des Rückzuges bzw. der eiligen Verlegungen gen Westen einfach keine Möglichkeit mehr gegeben war, das Eigentum der Häftlinge auszuteilen und ebenfalls gen Westen zu transportieren.
»Dann die Sortierung: Männer und Frauen getrennt, hier die Jugendlichen, dort die Kinder, die Alten, Schwangeren. Hier der Weg in das Leben, dort in den Tod. Natürlich haben wir davon nichts gewußt, die SS hat auch dafür eine Erklärung gegeben: "Ihr geht jetzt duschen, es wäre doch komisch, wenn ihr zusammen gehen würdet, ihr trefft euch nachher."«
Aha, sie alle haben es damals nicht gewußt! Da gibt es aber viele, die ihr da widersprechen!
»Befreit von unserem Gepäck gingen wir zu Fuß in das Lager hinein. Unterwegs haben wir eine komische Menschengruppe gesehen: Kahlgeschoren in gestreiften Anzügen. Wir haben nicht geahnt, daß wir in einer Stunde genau so aussehen.
Das Bad. Unwahrscheinliches Gefühl in der nackten Menschenmasse unter den Augen der SS-Bewacher (Frauen und Männer getrennt). Sie kamen nämlich auch in das Bad hinein. Dann wurden wir kahlgeschoren, was uns Frauen sehr empfindlich traf. Unsere unmittelbaren Vorgesetzten waren slowakische und polnische Juden, die unser Leben viel mehr erschwert haben als die Deutschen, die wir sehr selten sahen. Der Grund dafür war, daß jene schon fünf Jahre in dieser Hölle auf Erden gelitten hatten und uns nicht verzeihen konnten, daß wir erst jetzt beginnen.«
Übereinstimmend mit anderen aufrichtigen Zeugen, wie etwa Paul Rassinier, beschriebt auch Klára die Mithäftlinge als die waren Schinder, nicht hingegen die deutschen Wachen, die die Häftlinge kaum zu Gesicht bekamen.
»Nach dem Bad das Anziehen. Wir bekamen die Sachen eines anderen Transports und dazu den gestreiften Lagermantel, Holzschuhe. Dann Marschieren. Unterwegs trafen wir Bekannte, die schon länger da waren, die gaben uns Brot und ermutigende Worte.«
Wer schon länger da ist, kann und wird ermutigende Worte nur dann geben, wenn es dazu Grund gibt. Ansonsten würde man Worte der Warnung und Vorsicht verbreiten!
»Wir kamen in die Baracke 8 des B3 Lagers, welches sich im Bau zu befinden schien. Tante Éva war unser Stubendienst. Sie spazierte mit einem großen Stock, und wenn wir etwas falsch machten, drohte sie uns mit dem Krematorium, wobei sie was von den verbrannten Tschechen erzählt hat. Wir haben sie ausgelacht. Wir konnten nicht glauben, daß das wahr sein kann. Meinerseits glaubte ich nur viel, viel später, zu Hause, unter dem Gewicht der unwiderlegbaren Beweise, daß dort tatsächlich ein Krematorium arbeitete, und zwar täglich 24 Stunden. Ich mußte es glauben, weil kein Kind, kein alter oder arbeitsunfähiger Mensch aus Auschwitz rauskam.«
Die Häftlinge, die vor Ort in Auschwitz waren, lachten also über die als leer empfundenen Drohungen mit dem Krematorium. Jene Zeugen also, die doch dort waren, glaubten es nicht, solange sie da waren, aber Frau Klára – und mit ihr wahrscheinlich viele andere – fing an, daran zu glauben, als sie nicht mehr da war und nicht mehr erlebte, sondern als sie von anderen Geschichten hörte. Jeder vernünftige Mensch würde normalerweise genau andersherum reagieren: Wenn mir jemand einzureden versuchte, etwas, was ich selbst erlebt habe, sei nicht so, sondern anders gewesen, so würde ich dem widersprechen. Kláras Behauptung, es seinen keine Kinder und alten Leute aus Auschwitz herausgekommen, wird durch die Tatsache Lügen gestraft, daß es eben anerkanntermaßen ungezählt viele Kindüberlebende gibt, auch aus Auschwitz. Außerdem kann sie ja gar nicht wissen, welche Altersgruppe in welchen Ausmaß aus Auschwitz herauskam.
»Die Art, wie die das durchgeführt haben, war relativ human. Den Opfern haben sie gesagt, sie kommen ins Bad, wo dann aus der Dusche Gas ausströmte. Bevor sie etwas merkten, waren sie schon tot.«
Was sie, wie zugegeben, gar nicht weiß, sondern sich angelesen hat.
»29. Juni.
Zählappell morgens, abends. Unsere Hauptbeschäftigung. Wenn die Anzahl nicht stimmt, wiederholen, bis es stimmt. Manchmal dauert es 4 Stunden.
Von Zeit zu Zeit – ich glaube alle 14 Tage – kommen wir in die Desinfektion. Bei solchen Gelegenheiten gibt es Duschen und Kleiderwechsel. All das geschah außerhalb des Lagers, innerhalb dieses gab es kein dazu geeignetes Gebäude. Wir marschieren frühzeitig los in Fünferreihen. Wir verlassen den Drahtzaun, gehen durch einen Wald. Wir sehen den Bahnhof, wahre Schienen, wahrer Zug. Dann marschieren wir in Birkenau ein. Als wir an die Reihe kommen, gehen wir in das Bad hinein. Nach der Dusche werden unsere behaarten Körperteile mit einer Desinfektionsflüssigkeit bespritzt. Vor den Läusen hat auch die SS Angst. Dann bekommen wir neue Kleidungsstücke, die von einem anderen Transport. Die Kleidungsstücke bekommen wir desinfiziert, aber ungewaschen zurück. Unvorstellbar, wie eklig das manchmal war.«
Diese Darstellung widerspricht Kláras Angabe, sie sei im Lagerteil B3 in Birkenau untergebracht gewesen. Dann hätte ihr Weg zur Desinfektion aus dem Lager Birkenau hinaus über den Bahnhof Auschwitz ins Lager zurück geführt. Das ergibt keinen Sinn.
»14. Juli
Appell, Sortieren. Ich komme in einen Transport. Wir kommen in das Lager B2, das tschechische Lager. Die Baracken sind hier schon feste Gebäude. Wir hatten auch Wasser. Das tschechische Lager ist eine Art Quarantäne für uns. Vor dem Arbeitseinsatz werden wir 8 Tage lang beobachtet, ob wir nicht krank sind.
An unser Lager grenzte das Lager C, ein Männerlager. Wir sahen täglich, wie die zu Mumien getrockneten Leichen abtransportiert werden. Die Männer konnten den allgemeinen Hunger viel schlechter vertragen als wir Frauen.
Bei den von Klára beschriebenen abgemagerten Leichen handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Fleckfieber-Opfer, was ihr wahrscheinlich unbekannt war.
»Neben den Neugeborenen gehörten die Kranken zu den Überflüssigen. Einmal haben wir eine Marschkolonne einer ausquartierten Krankenhausbaracke gesehen, offenbar in Richtung Krematorium.«
Offenbar? Obwohl sie doch zuvor angab, die Geschichten vom Krematorium während ihrer Zeit in Auschwitz nicht geglaubt zu haben?
»Quarantäne
Ich habe auch Scharlach bekommen. So kam ich für 6 Wochen in das Krankenhaus. Das Essen war hier besser. Wir hatten richtige Betten, jede für sich allein. Später werden allerdings auch hier die Betten doppelt belegt. Wir gehörten zu Dr. Mengele. Selten kam er zur Visite. Wir wußten, daß er eine Leidenschaft hat, die Zwillinge.
Endlich kam ich aus dem Krankenhaus raus.«
Und wie wir alle wissen, »gehörten die Kranken zu den Überflüssigen«, weshalb Klára auch ins Krematorium geschickt und durch den Kamin ging, oder? Natürlich nicht, die SS scheute keinen Aufwand, sie gesund zu pflegen. Klára widerlegt ihre obige Aussage also gleich wenige Zeilen danach.
»Mitte September haben wir das Lager B2 verlassen. Eine Nacht verbringen wir im Lager A. Morgens kommen wir ins Bad, oder Richtung Krematorium? Nein, das fast unglaubliche ist geschehen: Wir verlassen Auschwitz.«
Unglaublich, obwohl sie doch die Geschichte vom Krematorium damals in Auschwitz nicht glaubte? Unglaublich also nur aus der heutigen Sicht der verzerrten Geschichtsbetrachtung!
Der Rest des Buches ist weitaus weniger interessant und sei daher hier nur ganz kurz zusammengefaßt: Klára wird zunächst nach Bergen-Belsen deportiert. Am 5. Oktober wird sie wieder in Viehwaggons nach Salzwedel gebracht. Sie arbeitet in der Munitionsfabrik. Dort erlebt sie die Befreiung am 14. April 1945.
Es ist selten, daß eine Auschwitz-Überlebende so offenherzig zu erkennen gibt, ihre damaligen Erlebnisse in Auschwitz stimmten nicht mit dem heute in Medien und Zeugenliteratur gezeichneten Bild überein. Insofern ist dieses Buch wahrlich eine Goldgrube – sofern man den Unrat entfernt, den 55 Jahre anhaltende Holocaust-Propaganda auch in Kláras Gedächtnis hinterlassen haben.
Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 6(2) (2002), S. 226-228
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