Das Jüngste Gericht

Von Dipl.-Chem. Germar Rudolf

Amerika ist anders. Ich lebe hier nun seit über zwei Jahren, und dennoch werde ich von den Seltsamkeiten und Absurditäten dieses Landes immer wieder überrascht. Lassen Sie mich dies an einem Beispiel aufzeigen, das ganz trivial auf familiärer Ebene begann, sich aber schnell in schwindelnde Höhe schraubte.

An einem Sonntag Ende März begab es sich, daß meine Braut in der Bibliothek ihrer Kirchengemeinde einige Videos auslieh, um diese während der kommenden Woche mit mir und ihren Töchtern anzuschauen. Zwei dieser Filme setzen die Prophezeiungen, wie sie sich in der Johannes-Offenbarung des Neuen Testaments befinden, in Spielfilme um, wobei freilich fleißig interpretiert und extrapoliert wird. In diesen Filmen geht es um die Endzeit und das Jüngste Gericht. Wer von uns hat nicht davon gehört? Die Handlungen beider Filme spielen sich etwa in folgendem Rahmen ab:

Die von Johannes erwähnte "Schlacht von Armageddon" bahnt sich an, indem es zwischen der arabischen Welt und deren Verbündeten (vor allem China) und dem Westen zu einem eskalierenden Konflikt um die Existenz des Staates Israel kommt. Millionenstarke Armeen ziehen im Nahen Osten auf, Massenvernichtungswaffen werden in Stellung gebracht, und es kommt schließlich zum Krieg der Kriege. In den Filmen kämpfen selbstverständlich die bösen Araber und Chinesen gegen das auserwählte, ständig verfolgte, unschuldige und wieder mal von totaler Vernichtung bedrohte jüdische Volk, das von den USA und Europa unterstützt wird. Doch bevor es zum weltweiten nuklearen Holocaust kommt, greift Gott ein. Er läßt alle sich in der Luft und am Boden befindenden Massenvernichtungswaffen ins Nichts verschwinden, und all jene gläubigen Christen, die an Jesus Christus unseren Herrn und Erlöser glauben, verschwinden von einem Augenblick auf den anderen von dieser Welt, denn Gott hat sie alle zu sich geholt. (Die Amis nennen dieses Ereignis "Rapture"). Wo vorher noch der gläubige christliche Busfahrer saß, ist im nächsten Moment nur ein leerer Fahrersitz, auf dem die Kleidung des Busfahrers fein säuberlich gefalteten liegt. Der führerlose Bus rast in eine Mauer, und alle, die das Pech haben, nicht an Jesus zu glauben, sterben im Flammenmeer des explodierenden Busses. Ähnliches geschieht überall auf der Welt. Ein Jesus-gläubiger Passant auf dem Bürgersteig ist plötzlich weg, auf dem Gehweg übrig bleiben seine fein säuberlich gefalteten Kleider. Ein Flugzeugpilot löst sich ins nichts auf, Autofahrer verschwinden von ihren Sitzen (immer die fein säuberlich gefalteten Klamotten zurücklassend), wodurch es überall zu Unfällen und Katastrophen kommt. Familie werden auseinandergerissen, denn nur die, die wirklich treugläubig sind, werden zu Gott gerufen, alle anderen müssen ab sofort um ihre vermißten Familienangehörigen trauern. Weltweites Chaos und allgemeine Verwirrung sind die Folge.

Ein junger Familienvater und Reporter zum Beispiel, der nicht so recht an Jesus glaubte, "verlor" seine Frau und zwei kleinen Kinder. Voller Schmerz fängt er an zu recherchieren. Schließlich gräbt er sogar den Sarg seines vor Jahren verstorbenen gläubigen Vaters aus, um zu überprüfen, ob auch die Toten verschwunden sind. Und siehe da, im Sarg befinden sich lediglich die fein säuberlich gereinigten und gefalteten Kleider seines Vaters. Da weiß er: die Johannes-Offenbarung hat recht, und von da ab glaubt auch er an Jesus und schließt sich den Christen an.

Der Rest der Filme ist weniger originell: In den sieben folgenden Jahren vor dem Jüngsten Gericht kommt es zur weltweiten totalitären "Diktatur" des Antichristen, der eine weltweite Christenverfolgung auslöst.

Freilich konnte ich mir den einen oder anderen Kommentar zu diesen Filmen nicht ersparen, wie etwa, daß die Juden in Israel bestimmt nicht die schuldlosen Opfer sind, als die sie in den Filmen dargestellt werden. Als ich die von Gott fein säuberlich gefalteten Kleider sah, die all jene überall hinterließen, die plötzlich zum Himmel aufstiegen, mußte ich spontan lachen: Gott denkt wirklich an alles, sogar daran, die Klamotten der Heimgeholten zu reinigen und zu falten. Insbesondere jene vermoderten Kleider des seit Jahren verwesten Vaters im Grab des oben erwähnten Reporters. Nun, so ist das eben: christlich-biblische, dreifaltige Dramaturgie für die einfältigen Geister, dachte ich.

Freilich hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Kritische, sparsam angebrachte Kommentare wurden von meiner Braut und ihren Kindern ja gerade noch toleriert. Als ich aber wegen der Kleider auflachen mußte, war es um deren Geduld geschehen.

»Du darfst Gott nicht auslachen! Weißt du denn nicht, daß das alles in der Bibel steht? Das ist alles wahr!«

Hoppla! In welches Wespennest hatte ich denn da hineingestochen?

An den Film ergab sich anschließend eine Diskussion, in der ich versuchte, das Dargestellte einer sachlichen und logischen Analyse zu unterziehen. Aber da war Nichts zu machen, denn was ich auch immer einwandte, meine Braut erwidert:

»Es spielt keine Rolle, ob uns das logisch oder verständlich erscheint. Wir werden nie alles Begreifen, was Gottes Wille ist und warum. Wir müssen Vertrauen und Glauben haben. Alles, was in der Bibel steht, ist wahr. Wenn es uns widersprüchlich, unlogisch, unverständlich oder widersinnig erscheint, dann liegt das nur an unserer mangelnden Einsicht.«

Am nächsten Abend war großes Fischessen bei den Schwiegereltern in spe angesagt. Während des Mahles erwähnte meine Braut dann, wie furchterregend ähnlich der zur "Schlacht von Armageddon" gekürte Konflikt im besagten Film der heutigen tatsächlichen Lage im Nahen Osten ähnlich sei, und daß sie glaube, es komme demnächst wohl tatsächlich zum Krieg aller Kriege und zum Jüngsten Gericht. Ihre Eltern erwiderten daraufhin im Chor, sie würden doch schwer hoffen, daß das nicht der Fall wäre.

»Doch, doch, aber das wollen wir doch alle, daß wir endlich in den Himmel zu unserem Retter Jesus Christus auffahren können!«

erwiderte meine Braut, und ihre beiden Kinder stimmten eifrig zu. Ich glaubte, mich in einem intellektuellen Alptraum zu befinden.

Am nächsten Morgen war mit der ganzen Familie Kirchgang angesagt. Meine Braut ist Mitglied in der größten Baptisten-Gemeinde vor Ort, in der sich die weiße High Society von Huntsville tummelt. Die Predigt des Pastors drehte sich unter anderem auch um den Nahost-Konflikt, der Ende März/Anfang April zu eskalieren drohte.

»Zur Zeit treffen sich die arabischen Führer, um darüber zu beraten, was mit dem Staat Israel geschehen solle«, so die Worte des Pastors.

"Es kann durchaus sein, daß es im Nahen Osten zum Krieg um die Existenz Israels kommt, zur Schlachten aller Schlachten, der Schlacht von Armageddon. Was das für uns alle bedeutet, wissen wir ja. Aber wir brauchen uns nicht allzu sehr darüber Sorgen zu machen, denn wir sind ja bereits gerettet durch Jesus Christus unsern Herrn und Erlöser.«

Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. Offenbar war meine Braut nicht die Einzige auf diesem Wahnsinnstrip in den Weltuntergang. 53% aller Huntsviller gehören den sogenannten Südlichen Baptisten an, einer besonders konservativen, fundamentalistischen und strikt bibelgläubigen Form der Baptisten. Einen weiteren erheblichen Prozentsatz machen andere ebenfalls fundamentalistische Protestanten aus, wie etwa die Pfingstgemeinde, eine aggressive missionarische protestantische überkonfessionelle Bewegung, die laut eigenen Angaben seit ihrer Gründung vor etwa 100 Jahren inzwischen zur weltweit zweitgrößten christlichen Konfession anwuchs, gleich nach den Katholiken.


http://www.theonion.com/onion3816/god_re-floods_middle_east.html

Oben: Der Felsendom in Jerusalem versinkt in den Fluten

Rechts: Palästinensische Intifada-Jugendliche und israelische Soldaten werden von einer zehn Meter hohen Flutwelle verschlungen.

Die Zweite Sintflut
Angesichts des im Nahen Osten herrschenden massenmordenden religiösen Fanatismus’ auf beiden Seiten kommt die Satire-Website "The Onion" (Die Zwiebel) auf die glorreiche Idee, Gott solle den Nahen Osten erneut mit einer Sintflut überschwemmen und mit den dortigen Gotteslästerern gründlich aufräumen: Juden wie Arabern.

Wenn Religion Privatsache wäre, wäre mir das ja alles noch ziemlich egal. Aber dem ist in den USA leider bei weitem nicht so. Die Kirchen spielen im Leben des Durchschnittsamerikaners eine kaum zu überschätzende Rolle, völlig anders als in Europa, wo die Kirchen im Prinzip an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. In den USA hingegen, wo es weder eine Sport- oder Freizeit-Vereinsstruktur gibt noch Bürgersteige, Wald- oder Feldwege, Spazier- oder Wanderwege, also nur sehr begrenzte Möglichkeiten, jenseits von Autofahren die Freizeit sinnvoll zu gestalten, sind die Freizeit- und Bildungsanlagen der Kirchen häufig die einzigen Orte, die sich der Durchschnittsamerikaner leisten kann.

Dazu kommt, daß das öffentliche Bildungswesen der USA eine absolute Katastrophe ist. Laut Gesetz hat jeder das "Recht" auf die gleiche Schulbildung. Amerika ist stolz darauf, eine "radikal-egalitaristische Gesellschaft" zu sein: "Alle Menschen sind gleich dumm, und wer es noch nicht ist, den machen wir gleich dumm!". Demgemäß werden alle Schüler in die gleiche Schule gepreßt, und da das schwächste Glied die Stärke der Kette definiert, gib es in der USA qualitätsmäßig gesehen nur Hauptschulen. Freilich werden 70-80% aller Schüler dort unterfordert, und das Bildungsniveau des Durchschnittsamerikaners ist von einer Güte, daß es einer Sau graust. Dementsprechend sind die meisten Amerikaner leichte Beute für allerlei auf Seelenfang befindliche Ideologen, unter denen die aggressiv missionierenden fundamentalistischen Christen die "besten" sind.

Unter diesen Umständen sind die kirchlich geführten Privatschulen wiederum der Zufluchtsort eines guten Teils jener Amerikaner, die etwas mehr Geld haben und aus dem öffentlichen Schulsystem ausbrechen können. Aber auch diese Schulen selektieren nicht nach Intelligenz, nur nach Geld und "Glaube".

Fährt man hier im Süden der USA durch eine x-beliebige Stadt, so könnte man stellenweise meinen, es gäbe dort mehr Kirchen als Wohnhäuser. Die Größe und der Wohlstand der hiesigen Kirchengemeinden ist in der Tat beeindruckend, wenn man es mit den schrumpfenden und ums Überlebenden kämpfenden Gemeinden in Europa vergleicht. Kaum jemand bleibt Sonntags zu Hause, und nach dem Gottesdienst geht es häufig noch zur Sonntagsschule in die Bibelstunde, manchmal gar zusätzlich noch einmal abends in der Woche. Alles ist fest im Griff der vorwiegend protestantischen Christen.

Der buchstabengetreue Glaube in die Bibel führt zu solch absurden Erscheinungen wie einer stetig wachsenden Bewegung gegen die Erkenntnisse von Astronomie, Geologie und Biologie, oder kurz ausgedrückt: Laut Bibel wurde die Erde und alles Leben vor 5000 Jahren geschaffen, daher sind alle Behauptungen vom Alter des Universums und der Erde, sowie dem Werden und der Entwicklung des Lebens gemäß der Evolutionstheorie a priori falsch. Alle Beweise müssen gefälscht oder falsch interpretiert sein, weil sie der Bibel widersprechen. So übrigens auch meine Braut, die sich strikt weigerte, mit mir zu einer Diskussion zwischen einem Evolutionsanhänger und einem Gegner (noch ein protestantischer Freund von mir) zu gehen:

»Wozu soll das gut sein? Es kann ja gar keine Beweise für die Evolution geben, weil es ja der Bibel widerspricht!«

Meine Braut ist eine Krankenschwester, die selbstverständlich alle Forschungsergebnisse akzeptiert, sofern sie ihrem Beruf nachgeht, ob sie nun Aussagen der Bibel widersprechen oder nicht. Aber wenn es darum geht, das im Beruf Gelernte und erfolgreich Angewandte in einen größeren Kontext zu stellen oder auf Privates jenseits der Arbeitswelt zu übertragen, dann bockt sie völlig, "weil nicht sein kann was nicht sein darf."

Wie es die USA trotz dieses Desasters schaffen, in Forschung und Entwicklung Weltspitze zu sein, kann man nur begreifen, wenn man einerseits die Einwanderungszahlen hochqualifizierter Fachleute aus aller Welt betrachtet: Forschung und Entwicklung werden letztlich aus aller Welt "gekauft", indem man die hellen Geister aus Europa und Asien importiert. Andererseits gibt es natürlich die teuren und qualitativ guten Privatschulen und -universitäten, die sich freilich nur jene leisten können, die viel Geld haben. Amerika ist daher das krasse Gegenteil einer permissiven Gesellschaft: Geld kann nur verdienen, wer eine gute Bildung bekommt, und eine gute Bildung kann nur bekommen, wessen Eltern Geld haben – freilich immer von Ausnahmen abgesehen.

Meinetwegen könnte das ganze Land hier mitsamt den egalitaristischen Extremisten, geistigen Tieffliegern und fundamentalistischen, fanatischen Christen den Bach runter gehen, und es würde mich kaum jucken, wenn da nicht ein Aspekt der strickten Bibelgläubigkeit wäre, der dann doch arges internationales Bauchgrimmen bereitet: Die im Alten Testament beschriebene Auserwähltheit des jüdischen Volkes und die Verheißung des Gelobten Landes, woraus sich offensichtlich erst die Probleme ergeben, mit denen die Welt im Nahen Osten zu kämpfen hat.

Konsequentes Christentum müßte auf dem Standpunkt stehen, daß mit der Frohen Botschaft Gottes an alle Menschen vor 2000 Jahren der Auserwähltheitsstatus der Juden eben gerade endete, so daß es für die Juden auch keine Verheißung auf irgend etwas mehr gibt. Das Alte Testament ist Geschichte und daher überholt. Aber so einfach ist es freilich nicht, denn die Heilige Bibel ist in all ihren Teilen heilig und wahr, und über diese Hintertür erhält die Auserwähltheit und das Verheißene Land dann doch wieder Einzug ins Christentum, insbesondere angesichts der Tatsache, daß Kritik am Judentum ja seit dem "Holocaust" unmöglich ist.

Tatsächlich sind die meisten der fundamentalistischen amerikanischen Christen zugleich auch mehr oder weniger fanatische Zionisten. Die Auswirkungen kann man sich denken. Hier in Huntsville zum Beispiel befindet sich die intellektuelle Elite der hochmodernen Waffenentwicklung. Was einst den deutschen Raketenwissenschaftlern um Wernher von Braun zur Ehre gereichte – NASA’s Entwicklungszentrum liegt hier in Huntsville, das daher auch Rocket City oder Wernher von Braun City genannt wird – hat sich inzwischen in eine High-Tech Waffenschmiede gewandelt: Raketen, Raketenabwehr, Laserwaffen, alles, was auf dem Rüstungsmarkt teuer und modern ist. Huntsville ist seit Jahren die am schnellsten wachsende und eine der reicheren Gegenden Amerikas, 100% finanziert von den Rüstungsausgaben der US-Regierung.

Und 80% der dortigen Waffenschmiede, der Elite der amerikanischen Massenmordproduzenten, sind mehr oder weniger fundamentalistische und zionistische Protestanten. Schaut man sich die jetzige US-Regierung an, so handelt es sich dabei nur um ein Spiegelbild dessen, was sich hier in Huntsville abspielt: Der gesamte Bush-Klan kommt aus Texas, wo der südlich-protestantische Fundamentalismus ebenso dominiert. Bush gehört der Pfingstbewegung an, wie auch der US-Generalanwalt Ashcroft und viele weitere Mitglieder seines Kabinetts. Ashcroft ist Laienprediger, und als solcher führt er immer wieder Worte, die die momentane Nahost-Krise nach bekanntem Muster beschreiben: Die Araber als Agenten des Antichristen, und die Notwendigkeit zu einer Schlacht von Armageddon gegen die dunklen Mächte, die Israel zerstören wollen.

Natürlich lehnen diese fanatischen Christen jede andere Art von Endzeithysterie und Heiligem Krieg ab, wenn sie von anderen Kulturen, Ideologien oder Religionen gepredigt werden oder auch nur zu anderen Zeiten. Denn alle historischen Vorbilder der jetzigen Hysterie werden selbstverständlich als das erkannt, was sie waren, selbst wenn sie einen christlichen Hintergrund hatten. Nur den Balken im eigenen Auge will man heute nicht sehen. Da riskieren die Führer der mächtigsten Nation der Erde sehenden Auges einen Krieg, der den Tod von ungezählten Millionen oder gar Milliarden heraufbeschwören kann, und nehmen dies mit einem Schulterzucken hin: "Was soll’s? Wenn Gott es so vorbestimmt hat, dann muß es so sein. Wir aber sind gerettet und müssen nichts fürchten, zum Teufel mit dem Rest der Welt!"

Diese Einstellung hat schon ungezählten unschuldigen Menschen in den letzten zwei Jahrtausenden ihr Leben gekostet. Und nun fängt alles wieder von vorne an: Gott wird als Rechtfertigung für Krise, Konflikt, Krieg und Untergang vorgeschoben. Wenn es ihn denn gibt, so weiß ich bestimmt, wen er verwerfen würde und wen retten, wenn er es denn überhaupt tut.

Amerika liegt im Fieberwahn protestantisch-fundamentalistischer Verblendung, angeheizt durch jüdischen Radikal-Zionismus und übersteigert durch allgemeine Holocaust-Hysterie und -Gehirnwäsche. Daraus ergibt sich eine Endzeitstimmung, kombiniert mit einem Kreuzzugswahn, wie ihn die Welt seit den mittelalterlichen Kreuzzügen nicht mehr gesehen hat. Alle Zeichen stehen auf Sturm. Wenn dem nicht bald ein Riegel vorgeschoben wird, wird dies ein böses Ende nehmen.

Ein Ende genommen hat bei all dem Konfliktstoff bereits etwas anderes, nämlich meine Verlobung mit einer jener fundamentalistisch-fanatischen Christen, die eine kritische und analytische Annäherung an die Bibel partout nicht tolerieren können. Nach verschiedenen Forderungen ihrerseits an mich, wie etwa, daß ich an alles wörtlich zu glauben hätte, was in der Bibel steht (einschließlich Jonas im Wal), was ich verweigerte, hat mir ihr Fabulieren von der hoffentlich bevorstehenden Schlacht von Armageddon und dem ersehnten Ende der Welt dann den letzten Rest gegeben. Nach meinem am nächsten Tag gehaltenen einstündigen Vortrag über meine Ansichten zur Beziehung zwischen der Bibel und der historischen und wissenschaftlichen Wahrheit, insbesondere aus philosophischer und erkenntnistheoretischer Sicht, zum ethischen Minderwert des jüdischen Glaubens und zu den potentiell katastrophalen politischen Konsequenzen und der moralischen Minderwertigkeit der von ihr geteilten religiösen Endzeiterwartungshaltung hat sie mich schließlich als "Ungläubigen" bezeichnet, der beim Jüngsten Gericht nicht erlöst werden wird. Und da ich unter diesen Umständen nicht mit ihr ins ewige Himmelreich eingehen würde, möchte sie mich auch nicht heiraten. Punktum.

Die tatsächlichen Gründe für das Scheitern dieser Beziehung liegen freilich wesentlich tiefer als in diesem dümmlichen religiösen Gefasel, das nur Ausdruck einer wesentlich tieferen seelischen Verwirrung ist, die meine Ex-Verlobte in den letzten Monaten noch zu ganz anderen Kapriolen trieb, die zu beschreiben mir hier der Anstand verbietet.

Emotional hat diese Trennung sicherlich geschmerzt, aber intellektuell gesehen war dies, als sei eine ungeheure Last von mit genommen worden. Hätte ich diese Dame geheiratet, wäre ich wahrscheinlich geistig verkümmert – ganz abgesehen davon, daß mein gesamtes Engagement für den Geschichtsrevisionismus über kurz oder lang völlig zum Stillstand gekommen wäre.

Statt dessen geht alles nun den umgekehrten Weg. Mit unerwartetem neuen Schub haben sich mir in den letzten Wochen Zugänge zu Informationen eröffnet, die sehr vielversprechend sind. Leider sind sie auch sehr desillusionierend, denn sie geben mir einen noch tieferen Einblick in die inneren Verhältnisse dieses Landes "der Freien und Mutigen". Nach allem, was ich hier in der Kürze dieses Artikels bereits über die Vereinigten Staaten ausführte, kann man sich denken, daß es wirklich langsam unausstehlich wird, wenn die Dinge tatsächlich noch schlimmer sind. Nun, es kommt alles darauf an, von welcher Perspektive aus man es betrachtet. Der Durchschnittsamerikaner kennt nichts anderes und weiß auch nichts von dem, was sich jenseits seines Froschhorizonts abspielt. Für ihn ist die Welt im wesentlichen in Ordnung. Für jemanden mit einer wesentlich weiteren, kosmopolitischen Perspektive, einer guten Allgemeinbildung und dem Wissen, wie es sein könnte, wenn man es anders, besser machte, wird es manchmal zur geistig-intellektuellen Folter, sich in diesem Land überhaupt aufhalten zu müssen.

Was mich zum nächsten Thema bringt, nämlich meinem Asylverfahren. Die US-Einwanderungsbehörde hat die ursprünglich für den 30. April anberaumte Verkündung der Entscheidung in meinem Fall nun zum zweiten Mal verschoben, diesmal auf unbestimmte Zeit. Über die Gründe kann man vorerst nur spekulieren. Ich mache mir aber keine Illusionen darüber, daß mein Antrag mit hoher Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden wird. Aber selbst wenn er durchgeht, so ist damit das Ende dieses Falles auf keinen Fall erreicht, denn beide Seiten haben bereits angekündigt, im Falle einer Niederlage Berufung beim zuständigen US-Gericht einzulegen. Diese Auseinandersetzung wird sich also noch über einen längeren Zeitraum hinziehen.

Im Internet wurde ich von Linksextremisten übrigens schon beschuldigt, die Geschichte von meiner (nun geplatzten) Romanze nur deshalb in VffG breitgetreten zu haben, um Beweise zu schaffen, mit denen ich die hiesigen Einwanderungsbehörden von der Echtheit meiner romantischen Beziehung beeindrucken kann, da ich als Ehemann einer US-Bürgerin selbst dann eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten kann, wenn ich in meinem Asylverfahren unterliege. Die Ereignisse haben diese Denunzianten wieder mal Lügen gestraft. Ich habe es gar nicht nötig, irgendwelche Beweise zu schaffen, denn die Eintrittskarte ins Land der unmöglichen Beschränktheiten ist so wertvoll nicht, daß ich deswegen in Sachen Liebe einen Kompromiß einginge.

Freilich sind die Zukunftsaussichten nun wieder grau. Ich habe daher noch keinerlei Ahnung, wie es hier auf Dauer mit mir und entsprechend mit allem weitergeht, was die Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung und den Verlag Castle Hill Publishers anbelangt. Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Lage unter Kontrolle zu halten. Aber wenn ich eine solch fanatische Ideologin wie meine ehemalige Verlobte heiraten würde, dann müßte ich alles aufgeben, was mich als denkenden Menschen und als Revisionisten ausmacht, und da gehe ich doch lieber zehn Jahre in ein deutsches Gefängnis. Und wenn ich die USA letztlich verlassen müßte, um zu versuchen, anderswo Zuflucht zu finden, so werden meine Tränen nicht in allzu dicken Strömen fließen. Wer wird sich schon nach Sodom und Gomorrha umdrehen wollen?

Alles, was ich und Sie darüber hinaus jetzt tun können, ist abwarten, hoffen und, wer seinen Glauben noch nicht verloren hat, beten, wobei die Bitte, die US-Bürger oder zumindest die US-Regierung mögen zur Vernunft kommen, wohl wichtiger ist als alles, was mit mir passiert.

Und um darauf zurückzukommen: An ein weltliches Jüngstes Gericht jedenfalls glaube ich nicht.


Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 6(2) (2002), S. 122-125


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