Totalitarismus in der Springer-Presse
Das Ende eines unabhängigen und selbstbestimmten Journalismus in Deutschland
Von Karl-Peter Schlor
Wer es bis jetzt immer noch nicht wahr nahm, weil er die bisherigen Statuten des Springer-Verlages, die für jeden der dort Beschäftigten gilt, nicht kannte, sollte ab dem schrecklichen Terroranschlag in den USA vom 11. September 2001 aufhorchen: Wer sich als Journalist bei einer der vielen Druckschriften des Springer-Verlages verdingt, gibt seine selbstbestimmte Unabhängigkeit und Meinungsfreiheit mit der Unterschrift unter den Arbeitsvertrag in die Hände des Mehrheits-Meinungsbildners ab!
Bisher galt ja schon für jeden Springer-Journalisten die Verpflichtung, »die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen herbeizuführen«, was offenbar macht, daß Dr. Michel Friedman keinen Arbeitsvertrag bei Springer unterschreiben könnte oder dürfte. Als Zusatz kommt noch hinzu, daß die Springerbelegschaft bisher auch schon die Lebensrechte des israelischen Volkes zu unterstützen hatte, vom 1948 vertriebenen palästinensischen Volk steht und stand in den Springerstatuten dagegen nichts. Nun kommt als Punkt 3 der Satz: Die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika!
Wie kommt die Leitung des Verlagshauses dazu, solche Forderungen als »Unternehmensgrundsätze« als »verpflichtend für jeden Mitarbeiter«, also sogar für Kraftfahrer, Portier und Datentypistin aufzunehmen? Sehen Vorstand und Aufsichtsrat bei den eigenen Untergebenen keine Bereitschaft, sich solcher Haltungen zu befleißigen, müssen solche abstrusen Postulate deshalb per Ordre de Mufti von oben bestimmt werden? Den Verfassern der fünf neuen »Grundsätze« fällt offenbar nicht auf, daß sie mit Punkt 4 nach dem neu verordneten »Solidaritätsgebot« mit den USA ein Eigentor schießen, denn im folgenden Punkt müssen die Mitarbeiter, »jegliche Art von politischem Totalitarismus ablehnen«, so als ob die »Unternehmensgrundsätze« des Springer-Verlages nichts anderes als die totale Negation des kritischen Journalismus in Deutschland bedeuten!
Wo gibt es noch ein Land auf dieser Welt, in der ein nationaler Presse- bzw. Medienkonzern eine solche totalitäre, antinationale Haltung per »Unternehmensgrundsatz« formuliert, wie es dieser "deutsche" Springerkonzern an den Tag legt! Wo gibt es noch ein Land auf dieser Welt, in der Medien und Politik sich gegenüber ihrer eigenen Geschichte so permanent selbstbespeiend verhalten wie in Deutschland?
Ich glaube, daß es an der Zeit ist, Flagge zu zeigen – wie man anderswo zu sagen pflegt – und den politisch-geistig behinderten Mitmenschen deutlich zu machen, was von ihnen zu halten ist! Seit anläßlich eines Referates über das Thema »Die zweite Vertreibung der Ostdeutschen« der Vortragende am 14.9.2001 in Stuttgart die Anwesenden darum bat, sich für eine Schweigeminute für die von Bomben getöteten Flüchtlinge aus den Ostgebieten zu erheben, ein Einzelner unter patriotisch Gesinnten aber protestierend die Zusammenkunft verließ, weil er dies »als unsäglich« empfand, trage ich einen Anstecker am Revers. Ich habe ihn, so erinnere ich, Anfang September – war es zufällig der Elfte? – 1991 in Manhattan auf der Straße bei einem Flohmarktstand gekauft; der Preis betrug nur einen Dollar. Auf dem Anstecker steht in englischer Sprache:
»I am surrounded by idiots.«
Fragen Sie also gelegentlich nach, ob ich mich noch in Freiheit und Unversehrtheit in diesem allerersten freiheitlichen Rechtsstaat auf deutschem Boden befinde!
Ernsthaft kann ich natürlich mit der amerikanischen Autorin Susan Sontag erklären, warum ich diesen Anstecker trage, schrieb diese doch in ihrer aufsehenerregenden Betrachtung des Politik- und Medienechos der Terroranschläge seit dem 11.9. am 15. 9. in der FAZ wörtlich von »Volksverdummung« über die Kommentare der eigenen amerikanischen Politiker und Journalisten, ein Terminus, wie er mir seit Jahrzehnten über ähnliche Verhaltensweisen deutscher Zeitgenossen auf den Lippen liegt! Frau Sontag beklagte sich auch darüber, daß es völlig demokratiefeindlich sei, nur Einheitsmeinungen zu veröffentlichen, daß es einer Demokratie unwürdig sei, solche Uniformität zu publizieren!
Recht hat sie, Frau Sontag, hätte nur Innenmimister Schily ihr Essay gelesen und beachtet oder vielleicht auch der Herr Rühe; beide haben nämlich auf unglaubliche Weise gegen den armen Peter Scholl-Latour bei der (privat) verlassenen Christiansen in deren Geschwätzrunde am späten Sonntagabend des 16. September agitiert! Was dieser in Frageform an die Runde weiterreichte, sollte für jedes Politikseminar gelten! Da wagte es Scholl-Latour doch, den Kanzler an seine Interessenwahrnehmung für das deutsche Volk zu erinnern, erinnerte daran, daß wer mitzahle und militärisch mitmache, auch ein Recht auf Mitsprache haben müsse!
Da hätten Sie Schily sehen müssen, wie dieser Scholl-Latours Fragen zornesbebend zurückwies, da hätten Sie sehen müssen, wie bei Repliken Rühes an Scholl-Latour Herr Rühe unterwürfig seinen Nachbar Blumenthal fragenden Blickes um Zustimmung bat, letzteres ein devotes Verhalten, das man hier nicht mehr kommentieren muß. (Prof. Michael Blumenthal, Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, war als einziger amerikanischer Vertreter in der Gesprächsrunde.)
Scholl-Latour jedenfalls wirkte am Ende der Sendung der ARD etwas bedröppelt, zumal auch die Zuschauer – selektiert? – ihm auffällig wenig, den anderen dafür um so mehr Beifall zollten. Er soll auch noch in dieser Woche der als "rechtsextrem" diffamierten und ausgegrenzten Wochenzeitung Junge Freiheit ein Interview gegeben haben, was ihn weiter bei den Einheitsmedien isolieren dürfte. Schon hört man kolportiert, daß Scholl-Latour zum Islam konvertiert sei, eine versuchte Rufschädigung, um ihn weiter auszugrenzen. Es ist wahrscheinlich, daß er wie Professor Hans-Herbert von Arnim – »wir haben keine Demokratie« – bald nicht mehr auf dem Bildschirm erscheint. Die Verleihung einer Honorar-Professur an der Ruhr-Universität Bochum vor zwei Jahren an Scholl-Latour wird man in einschlägigen Politikkreisen sicher schon bereut haben.
In Deutschland betreiben die Kumpane aus Politik und Medien also nicht nur Volksverdummung wie in den USA, sondern auch noch die Ausgrenzung der unabhängigen Experten, die noch ein bißchen Schutz für das Volk bedeuten, völlig verdummbeutelt zu werden. Wohlan, das "Freiheits-Mahl" ist angerichtet, kommt her ihr Demokraten, ihr Volksherrscher, gebt an der Garderobe eure "Willensbildung" ab und empfangt dafür viele Fernsehprogramme, bei deren Betrachtung ihr immer dieselbe Meinung hören könnt, bis zum Einschlafen, ihr deutschen Michel!
In diesem Zusammenhang – Begriff Volksverdummung – leistete am 22.9. ein Kommentar in der FAZ wieder mal versteckte "Aufklärung": Klaus-Dieter Frankenberger, ein Journalist mit großer amerikanischer Politikerfahrung, vertritt gegen Susan Sontags Meinung, die geschrieben hatte, die Attentate »seien Folge der amerikanischen Politik in der Welt«, die Ansicht, daß die amerikanische Nahost-Politik nicht die Ursache für den islamischen Terror sei. Um seine These besser zu untermauern, muß er sich allerdings eine Blöße geben, die der deutsche Michel aber kaum lesen wird. Frankenberger gesteht nämlich ein, was "Globalisierung" wirklich bedeutet: die Amerikanisierung der (Welt)-Wirtschaft. Diesem Freund und Partner hat eben unser Außenminister im Namen des Bundeskanzlers »uneingeschränkte finanzielle und militärische Hilfe« zugesagt, eine Blankovollmacht, wie es sie noch nie in der Geschichte gab, sozusagen eine "singuläre" Vollmacht!
Und das einem Freund und Verbündeten, der noch vor weniger als einem Jahr während der Zwangsarbeiterverhandlungen durch seinen Unterstaatssekretär Stuart Eizenstat bei dem deutschen Partner Graf Lambsdorff die Frage nach Reparationen aufwarf, obwohl doch die Vereinigten Staaten nach dem Kriege deutsche Patente und deutschen Firmenbesitz in den USA im Wert von 400 oder vielleicht gar 500 Milliarden DM konfisziert hatten.
Wahrlich, wer einen solchen Freund hat, braucht keinen Feind mehr, er ist geschlagen bis ans Ende seiner Tage – und der deutsche Wähler hat die Politiker, die er verdient!
Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 6(2) (2002), S. 175f.
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