Wir betrachten jetzt die besondere Auschwitz-"Vernichtungslegende", die man uns bietet.
Die Gerichtsverfahren, die die Zeugnisse erbrachten, auf denen die Ausrottungsbehauptungen fußen, fanden in einem erschöpften, hungernden Deutschland statt, dessen Bevölkerung nichts anderes tun konnte, als sich den Anordnungen der Besatzungsmächte zu fügen. Dies war die politische Wirklichkeit. Wie ausgeführt wurde, war es die "Zionistische Internationale", die die spezifischen Aussagen, welche über die Vernichtungen aufgestellt wurden, vorbereitete. Hochgestellte und erfahrene Beamte Washingtons schenkten ihnen keinen Glauben. Die führende Persönlichkeit bei der Gestaltung der Rechtsgrundlagen für die Kriegsverbrecherprozesse war niemand anders als der amerikanische Anklagevertreter im IMT-Prozeß. In diesem Prozeß hatten sich die Richter voreilig auf die augenscheinliche Schuld der Angeklagten festgelegt. Ihre "Erkenntnisse" waren für die nachfolgenden Gerichtsverfahren formalrechtlich bindend. Die wichtigsten Nachfolgeprozesse waren die, die der Erzzionist Marcus organisierte, der spätere Held von Israel und damalige Leiter der U.S. War Crimes Branch, einer Behörde, die im Zusammenhang mit bestimmten gerichtlichen Untersuchungen in Folterungen von Zeugen verwickelt war. Die "Ehre" der Staaten, die die Gerichtsverfahren durchführten, wurde der These von der "außergewöhnlichen Nazi-Brutalität" geopfert. Es ist schwer einzusehen, wie man unter solchen Bedingungen etwas anderes als einen Schauprozeß erwarten konnte. Diese und die folgenden Kapitel zeigen, daß die sich auf Auschwitz beziehenden Beschuldigungen das sind, was man erwarten sollte.
Zunächst muß die Frage gestellt werden, was das wesentliche Kennzeichen, die "Handelsmarke" eines Betruges von diesen Ausmaßen ist. Kein vernünftiger Verfasser einer solchen Geschichte würde eine Darstellung anbieten, die in allen oder den meisten Einzelheiten unwahr ist. 99% wirklicher Fakten können in einer Geschichte enthalten sein, deren Hauptaussage in keinerlei Wahrheitszusammenhang hiervon steht. Diese Erkenntnis führt den Urheber des Betruges auf den sichersten Weg an sein Vorhaben heran : den Sinn der gültigen Tatsachen zu entstellen.
Dies ist die Grundstruktur der Auschwitz-Vernichtungslegende. Es wird hier nachgewiesen, daß jede in dieser Legende enthaltene wirkliche Tatsache jeweils eine routinemäßige Bedeutung hatte (nicht haben könnte, sondern hatte), die nichts mit der Vernichtung von Menschen zu tun hat. So müssen jene, die von Vernichtung reden, ihre Zuflucht zu einer These nehmen, die eine abartige Interpretation von Tatsachen zuläßt.
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Kommandant von Auschwitz war in der Zeit von Mai 1940 bis Ende 1943 der SS-Sturmbannführer Rudolf Höß. Während des IMT-Prozesses hatte er für die Anklagebehörde einige Affidavits unterzeichnet, deren bekanntestes das Datum vom 5. April 1946 trägt. [1] In Übereinstimmung mit einer allgemeinen IMT- und NMT-Praxis wurde er danach vom Verteidiger Kaltenbrunners am 15. April 1946 in den Zeugenstand gerufen. [2] Der Hauptinhalt seiner Aussagen im Kreuzverhör bestand in einer Bestätigung des Affidavits vom 5. April; daneben machte er noch zu bestimmten Punkten ergänzende Aussagen.
Höß wird allgemein als der Starzeuge der Anklagebehörde betrachtet, und - ungeachtet der Entstehungsgeschichte des Auschwitz-Betruges, wie sie im WRB-Bericht enthalten ist, - stellt für die Vernichtungsmythologen im wesentlichen das Höß-Affidavit die Geschichte der Judenvernichtung in Auschwitz dar oder, genauer gesagt, den Rahmen für diese Geschichte. Alle Fürsprecher der Auschwitz-Legende legen eine auf das Höß-Affidavit zurückgehende Geschichte vor, die lediglich Abweichungen bei den Zahlenangaben enthält, wie sie durch IMT, NMT und ähnliche Quellen ergänzt wurden. Keiner der maßgebenden Vernichtungsmythologen stellt den WRB-Report besonders heraus. Allein Reitlinger scheint in Verbindung damit ein Problem von einiger Bedeutung zu spüren.
Daher mag es angebracht sein, das Höß-Affidavit hier vollständig wiederzugeben. Danach werden seine Einzelpunkte einer Prüfung hinsichtlich des ihnen beigemessenen Beweiswertes unterzogen. Die verhängnisvolle Doppeldeutigkeit von Belegen wird dabei als charakteristisches Merkmal hervortreten. Es werden Widersprüche, Ungereimtheiten, blödsinnige Unglaubwürdigkeiten und Lügen aufscheinen. Ferner wird die Analyse einiges über den psychologischen Hintergrund der Gerichtsverfahren offenbaren.
Auch dem Quellennachweis wird die erforderliche Beachtung zuteil werden, einschließlich solcher Fälle, wo es zweckmäßig erscheint, lieber auf Hilberg oder Reitlinger zu verweisen als auf ein Originaldokument, zu dem der Leser wahrscheinlich keinen leichten Zugang findet.
Das Höß-Affidavit
"Ich, Rudolf, Franz, Ferdinand Höß, nach entsprechender Vereidigung, bezeuge und sage wie folgt aus :
1. Ich bin 46 Jahre alt und bin seit 1922 Mitglied der NSDAP; Mitglied in der SS seit 1934, Angehöriger der Waffen-SS seit 1939. Seit dem 1. Dezember 1934 gehörte ich der SS-Wacheinheit an, dem sogenannten Totenkopf-Verband.
2. Seit 1934 hatte ich unausgesetzt mit der Verwaltung von Konzentrationslagern zu tun und war in Dachau im Dienst bis 1938; dann als Adjutant in Sachsenhausen von 1938 bis zum 1. Mai 1940, zu welcher Zeit ich zum Kommandanten von Auschwitz ernannt wurde. Ich befehligte Auschwitz bis zum 1. Dezember 1943 und schätze, daß mindestens 2.500.000 Opfer dort durch Vergasung und Verbrennen hingerichtet und ausgerottet wurden; mindestens eine weitere halbe Million starb durch Hunger und Krankheit, was eine Gesamtzahl von ungefähr 3.000.000 Toten ausmacht. Diese Zahl stellt ungefähr 70 oder 80 Prozent aller Personen dar, die als Gefangene nach Auschwitz geschickt wurden, die übrigen wurden
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ausgesucht und für Sklavenarbeit in den Industrien der Konzentrationslager verwendet. Unter den hingerichteten und verbrannten Personen befanden sich ungefähr 20.000 russische Kriegsgefangene (die früher von der Gestapo aus Kriegsgefangenenlagern ausgesondert waren); diese wurden in Auschwitz in Wehrmachttransporten, die von regulären Offizieren und Mannschaften befehligt wurden, eingeliefert. Der Rest der Gesamtzahl der Opfer umfaßte ungefähr 100.000 deutsche Juden und eine große Anzahl meist jüdischer Einwohner aus Holland, Frankreich, Belgien, Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei, Griechenland oder anderen Ländern. Ungefähr 400.000 ungarische Juden wurden allein in Auschwitz im Sommer 1944 von uns hingerichtet.
3. Das WVHA (Wirtschafts- und Verwaltungs-Hauptamt), geführt von Obergruppenführer Oswald Pohl, war für die gesamten Verwaltungsaufgaben verantwortlich wie die Quartierbeschaffung, Ernährung und ärztliche Versorgung in den Konzentrationslagern. Vor Errichtung des RSHA waren das Geheime Staatspolizeiamt (Gestapo) und das Reichskriminalpolizeiamt für die Verhaftungen, Verschickungen in Konzentrationslager und für die dort vollzogenen Bestrafungen und Hinrichtungen verantwortlich. Nach Bildung des RSHA wurden alle diese Funktionen wie bisher ausgeübt, aber gemäß den Befehlen, die von Heydrich als Chef des RSHA unterzeichnet waren. Während Kaltenbrunner Chef des RSHA war, wurden die Befehle betreffend Schutzhaft, Verschickungen, Bestrafung und Sonderhinrichtungen von Kaltenbrunner oder von Müller, dem Leiter der Gestapo, als Kaltenbrunners Vertreter, unterzeichnet.
4. Massenhinrichtungen durch Vergasung begannen im Laufe des Sommers 1941 und wurden bis zum Herbst 1944 fortgesetzt Bis zum 1. Dezember 1943 beaufsichtigte ich persönlich die Hinrichtungen in Auschwitz und weiß auf Grund meines laufenden Dienstes in der Inspektion der Konzentrationslager im WVHA, daß diese Massenhinrichtungen wie oben erwähnt fortgeführt wurden. Alle Massenhinrichtungen durch Vergasung fanden unter dem direkten Befehl, unter der Aufsicht und Verantwortlichkeit des RSHA statt. Ich erhielt unmittelbar vom RSHA alle Befehle zur Ausführung dieser Massenhinrichtungen.
5. Am 1. Dezember 1943 wurde ich Chef des Amtes I im Amt Gruppe D des WVHA, und in diesem Amt war ich verantwortlich für die Koordination aller Angelegenheiten, die sich zwischen dem RSHA und den unter der Verwaltung des WVHA stehenden Konzentrationslagern ergaben. Ich blieb in dieser Stellung bis zum Ende des Krieges. Pohl, als Chef des WVHA, und Kaltenbrunner, als Chef des RSHA, hielten oft gemeinsame Beratungen ab und traten mündlich und schriftlich häufig in Angelegenheiten, die Konzentrationslager betrafen, miteinander in Verbindung. Am 5. Oktober 1944 brachte ich Kaltenbrunner an seinem Amtssitz im Berliner RSHA einen ausführlichen Bericht über das Konzentrationslager Mauthausen. Kaltenbrunner bat mich um einen kurzen mündlichen Bericht über den Inhalt und sagte, er würde jede Entscheidung solange zurückhalten bis er Gelegenheit habe, ihn in allen Einzelheiten zu studieren. Dieser Bericht befaßte sich mit Arbeitszuweisungen an einige hundert Gefangene, die zum Tode verurteilt waren ... sog. 'namenlose Gefangene'.
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6. Die 'Endlösung' der jüdischen Frage bedeutete die vollständige Ausrottung aller Juden in Europa. Ich hatte im Juni 1941 den Befehl erhalten, in Auschwitz Vernichtungsmöglichkeiten einzurichten. Zu jener Zeit gab es im Generalgouvernement schon drei weitere Vernichtungslager : Belczek, Treblinka und Wolzek. Diese Lager unterstanden dem Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD. Ich besuchte Treblinka, um festzustellen, wie die Vernichtungen ausgeführt wurden. Der Lagerkommandant von Treblinka sagte mir, daß er 80.000 im Laufe eines halben Jahres liquidiert hätte. Seine Aufgabe war hauptsächlich die Liquidierung aller Juden aus dem Warschauer Ghetto. Er hat Monoxydgas verwendet, und ich hielt seine Methoden für nicht sehr wirksam. Als ich daher das Vernichtungsgebäude in Auschwitz errichtete, nahm ich Zyklon B in Verwendung, eine kristallisierte Blausäure, die wir in die Todeskammer durch eine kleine Öffnung einwarfen. Es dauerte je nach den klimatischen Verhältnissen 3 bis 15 Minuten, um die Menschen in der Todeskammer zu töten. Wir wußten, wann die Menschen tot waren, weil ihr Schreien aufhörte. Wir warteten gewöhnlich ungefähr eine halbe Stunde, bevor wir die Türen öffneten und die Leichen entfernten. Nachdem man die Körper herausgeschleppt hatte, nahmen unsere Sonderkommandos den Leichen die Ringe ab und zogen das Gold aus den Zähnen dieser Leichname.
7. Eine andere Verbesserung gegenüber Treblinka war, daß wir Gaskammern bauten, die 2.000 Menschen auf einmal fassen konnten, während die 10 Gaskammern in Treblinka nur je 200 Menschen aufnahmen. Die Art und Weise, in der wir unsere Opfer auswählten, war folgende : 2 SS-Ärzte waren in Auschwitz tätig, um die einlaufenden Gefangenentransporte zu untersuchen. Die Gefangenen mußten an einem der Ärzte vorbeigehen, der bei ihrem Vorbeimarsch sofort die Entscheidung fällte. Die Arbeitsfähigen wurden ins Lager geschickt. Andere wurden sofort in die Vernichtungsanlagen geschickt. Kinder in sehr jungen Jahren wurden stets vernichtet, da sie auf Grund ihrer Jugend unfähig waren, zu arbeiten. Noch eine andere Verbesserung gegenüber Treblinka war, daß in Treblinka die Opfer fast immer wußten, daß sie vernichtet werden sollten, während wir uns in Auschwitz bemühten, die Opfer zum Narren zu halten und sie im Glauben zu lassen, sie hätten ein Entlausungsverfahren durchzumachen. Natürlich erkannten sie auch häufig unsere wahren Absichten, und wir hatten aus diesem Grunde manchmal Aufruhr und Schwierigkeiten. Sehr häufig wollten Frauen ihre Kinder unter den Kleidern verbergen, aber wenn wir sie fanden, wurden die Kinder natürlich zur Vernichtung geschickt. Wir sollten diese Vernichtungen im geheimen ausführen, aber der faule und Übelkeit erregende Gestank, der von der ununterbrochenen Körperverbrennung ausging, durchdrang die ganze Gegend, und alle Leute, die in den umliegenden Gemeinden lebten, wußten, daß in Auschwitz Vernichtungen im Gange waren.
8. Von Zeit zu Zeit erhielten wir besondere Gefangene von der lokalen Gestapo-Behörde. Die SS-Doktoren töteten solche Gefangene durch Benzin-Injektionen. Die Ärzte hatten Befehl, ordentliche Todesbescheinigungen auszustellen und konnten irgendeinen beliebigen Grund als Todesursache angeben.
9. Von Zeit zu Zeit führten wir an weiblichen Insassen
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medizinische Versuche durch, auch Sterilisation und Versuche im Zusammenhang mit Krebs. Die meisten Personen, die bei diesen Experimenten zu Tode kamen, waren ohnehin von der Gestapo zum Tode verurteilt worden.
10. Rudolf Mildner war ungefähr von März 1941 bis September 1943 Chef der Gestapo in Kattowitz. In dieser Eigenschaft sandte er häufig Gefangene nach Auschwitz zur Einkerkerung oder Hinrichtung. Er besuchte Auschwitz bei verschiedenen Gelegenheiten. Der Gestapo-Gerichtshof, das SS-Standgericht, das Personen verhörte, die verschiedener Verbrechen beschuldigt wurden, wie Kriegsgefangene, die geflüchtet waren et cetera, trat häufig in Auschwitz zusammen, und Mildner wohnte den Verhandlungen gegen solche Personen oft bei, die gewöhnlich nach dem Urteilsspruch in Auschwitz hingerichtet wurden. Ich führte Mildner durch die gesamte Vernichtungsanlage in Auschwitz, an der er sehr interessiert war, da er Juden aus seinem Gebiet zur Hinrichtung nach Auschwitz senden mußte.
Ich verstehe englisch, in welcher Sprache obenstehender Text niedergelegt ist. Die obigen Angaben sind wahr; diese Erklärung gab ich freiwillig und ohne Zwang ab. Nach Durchlesen der Angaben habe ich dieselben unterzeichnet und vollzogen in Nürnberg, Deutschland, am 5. Tage des April 1946.
Rudolf Höß"
Was nicht im Affidavit aufscheint, ist, daß Höß in den zwanziger Jahren für einen politischen Mord 5 Jahre im Gefängnis saß [3], und - vor allem im Krieg - ungewöhnlich schnell bis zum Standartenführer aufgestiegen ist. [4] Abb. 29 ist ein Lagerplan von Birkenau. [5]
Wir untersuchen nunmehr die bedeutenden Punkte des Affidavits : Ziffer 2 : Es wäre nützlich und wichtig gewesen, wenn Höß angedeutet haben würde, welcher Art die Konzentrationslager-Industrien von Auschwitz waren und welche große Bedeutung diese Industrien für die Deutschen hatten. In den umfangreichen Niederschriften der IMT-Zeugnisse scheint es nur einen genauen Hinweis auf die Beschaffenheit der Auschwitz-Industrien zu geben. Er findet sich in der Zeugenaussage der politischen Gefangenen Vaillant-Couturier, die beiläufig etwas über eine "Munitionsfabrik" bemerkt hat (zweifellos die Krupp'sche Zünderfabrik) und über eine "große Bunafabrik, aber da (sie) dort nicht arbeitete, wußte sie nicht, was dort hergestellt wurde". [6] Es mag noch andere Hinweise - insbesondere in Dokumenten geben, doch wenn es sie gibt, dann sind sie ziemlich tief vergraben.
Nicht einmal Höß klammerte sich an die Zahl von 2,5 Millionen vergaster Opfer. Im privaten Gespräch zur Zeit seiner Zeugenaussage und ebenso während seines eigenen Gerichtsverfahrens 1947 in Polen (er wurde gehängt) nannte er die Zahl 1.135.000. Die niedrigste Angabe jener, die behaupten, dort hätten Vergasungen stattgefunden, nennt 750.000 Opfer. [7] Die Russen sprachen von 4 Millionen Opfern, einschließlich solcher, die durch "Injektionen", Mißhandlungen usw. getötet worden seien. Ihre höchste Zahlenangabe scheint sich allerdings auf 7 Millionen zu belaufen. [8]
Besonders merkwürdig ist, daß die Erwähnung von 400.000 Opfern aus Ungarn mit der Legende von den ungarischen Juden übereinstimmt. Diese Eigentümlichkeit bestand sogar schon vor der
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Höß-Erklärung und besteht bis auf den heutigen Tag fort. Es war am 5. Mai 1944, da Eichmann vermutlich den westlichen Alliierten über den Mittelsmann Joel Brand ein Tauschgeschäft "Lastwagen gegen Juden" vorgeschlagen hatte. [9] Die anhaltende Hervorhebung der ungarischen Juden scheint sich daraus zu ergeben, daß sich die besondere Aufmerksamkeit seit 1960 auf die Aktivitäten von Adolf Eichmann richtete. Für den Ursprung dieses Eifers kann ich nur die Erklärung anbieten, daß die Probleme der ungarischen Juden mit der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 begannen, gerade zu der Zeit, da auch die amerikanische Kriegsflüchtlingsbehörde (War Refugee Board), die im Januar 1944 eingerichtet worden war, ihre Tätigkeit aufzunehmen begann. Ein beachtlicher Teil der Aufmerksamkeit des WRB war daher auf Ungarn ausgerichtet. [10]
Ziffer 4 : Höß legt den Beginn der Vergasungen in den Sommer 1941. Er wurde im Dezember 1943 zur Inspektion der Konzentrationslager in Oranienburg versetzt, weiß aber "auf Grund (seiner) weiterbestehenden Pflichten", daß "diese Massenexekutionen fortgesetzt wurden". Ein Wissen über wichtige Ereignisse in Auschwitz für die Zeit seiner Zugehörigkeit zur Inspektion der Konzentrationslager zu behaupten, erscheint einleuchtend. Bei einer Vernehmung als Zeuge bekundete Höß jedoch, er sei im Sommer 1941 direkt zu Himmler befohlen worden und habe bei der damaligen Unterredung als KZ-Kommandant vom Reichsführer-SS unmittelbar den Befehl zur Vernichtung der Juden erhalten - mit der Auflage, er solle hierüber unbedingt "strengstes Stillschweigen" bewahren und nicht einmal seinen unmittelbaren Vorgesetzten Glücks herausfinden lassen, was er tue. Glücks - um es geradeheraus zu sagen - war zu jener Zeit der Inspekteur der Konzentrationslager und unterstand unmittelbar dem Reichsführer-SS. [11]
Ziffer 6 : Höß behauptet, "ihm sei im Juni 1941 befohlen worden, in Auschwitz Einrichtungen für Vernichtungsmöglichkeiten zu schaffen". Damit wiederholte er das bereits unter Ziffer 4 mitgeteilte Datum, und in seiner Zeugenaussage zur Unterstützung seines Affidavits griff er erneut auf dieses Datum zurück. Es scheint also kein Zweifel daran möglich, daß Höß wissentlich und wohlüberlegt den Sommer 1941 als Beginn der Judenvernichtung angab und daß sich ein Fehler hier nicht eingeschlichen haben kann. Ebenso bezeugt Höß, daß zur Zeit des Himmler-Befehls die KZ-Inspektion (Glücks) Himmler "unmittelbar unterstellt" war. Dies könnte nur vor März 1942 gewesen sein, denn dann übernahm Oswald Pohl, Chef des WHVA (Wirtschafts- und Verwaltungs-Hauptamt, - Ziffer 3), die KZ-Inspektion, und Glücks wurde Pohl unterstellt, der seinerseits Himmler unterstand. Vor dem Monat März 1942 scheint die KZ-Inspektion eine selbständige Organisation gewesen zu sein und wird unmittelbar Himmler unterstanden haben, obgleich sie Verbindungen sowohl zu Heydrich als auch zu Jüttners Führungshauptamt hatte. Höß war natürlich mit dieser verwaltungsmäßigen Gliederung vertraut, da Pohl Ende April 1942 eine Zusammenarbeit aller KZ-Kommandanten und Führungskräfte der KZ-Inspektion zu deren Unterrichtung veranlaßt hatte. [12]
Dessen ungeachtet besteht Reitlinger aus bestimmten, später noch erkennbar werdenden Gründen darauf, daß Höß den Sommer 1942 - und nicht 1941 - gemeint habe. Zunächst setzt die Höß-Erklärung voraus, daß der Treblinka-Besuch nach den großen Deportationen
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der Warschauer Juden in dieses Lager stattfand. Höß versicherte das ausdrücklich in einer anderen eidesstattlichen Erklärung. Damit ist der Treblinka-Besuch auf das Jahr 1942 festgelegt. Weiter erfolgte der erste große Judentransport (2.000 Menschen) nach Birkenau den bei Reitlinger angegebenen Quellen zufolge im März 1942, als "die kleine Vergasungseinrichtung im Birkenwald gerade zu arbeiten begonnen hatte". [13] Allerdings vermehren solche Argumente die Verwirrung nur noch, wenn man uns daneben erzählt, daß Höß den Vernichtungsbefehl im Sommer 1942 erhalten habe (Reitlinger).
Dieses sind ganz einfach jene Arten von Widersprüchen, die man in einem Wust von Lügen erwarten sollte. Wie dem aber auch sei, für unsere Untersuchung sollten wir davon ausgehen, daß Höß wirklich den Sommer 1942 gemeint habe. In jedem Fall behauptet Höß aber, daß es zur Zeit des Himmlerbefehls drei andere Vernichtungslager gegeben habe, daß er Treblinka besichtigt habe und daß in diesem Lager bereits ein halbes Jahr hindurch Vernichtungen stattgefunden hatten. Damit wird der Beginn der Gaskammermorde auf Anfang 1942 festgesetzt, wenn wir Reitlingers Standpunkt akzeptieren.
Man muß zugeben, daß Vergasen mit Kohlenmonoxyd unzweckmäßig ist. Kohlenmonoxyd soll in Belczek durch die Abgase eines Dieselmotors und im Lager Treblinka durch die Abgase erbeuteter russischer Panzer und Lastwagen gewonnen worden sein. [14]
Man muß ebenso zugeben, daß Zyklon B wesentlich wirksamer war, da es aus Kristallen bestand, die in Verbindung mit Luft "Blausäuregas" (Hydrogen-Cyanid-Gas) entwickelten. Es gab kein tödlicheres Gas, und das Zyklon war in der Tat ein gut bekanntes und weit verbreitetes Ungeziefervernichtungsmittel, das die deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung (DEGESCH) entwickelt hatte. Vor dem Krieg war es weltweit als Ungeziefervernichtungsmittel auf dem Markt [15], wobei das Wort "Zyklon" "Wirbelsturm" bedeutet, d.h. das Produkt war ein "Wirbelsturm" gegen die Ungezieferplage. Während des Krieges wurde es überall in der Wehrmacht und in den Konzentrationslagern, und daher auch in Auschwitz als Ungeziefervernichtungsmittel verwendet. Besteller und Empfänger des Zyklons in Auschwitz war das sog. Referat für Schädlingsbekämpfung. [16]
Auf die durch Läuse verursachte ständige Typhusgefahr wurde bereits hingewiesen, auch haben wir die furchtbaren Folgen gesehen, die sich aus einem völligen Zusammenbruch der Desinfektionsmaßnahmen in Belsen ergeben haben. Im Hinblick auf die besondere Anfälligkeit des Auschwitz-Kattowitz-Gebietes gegenüber der Typhus tragenden Laus, im Hinblick auf die Epidemien in Auschwitz, die Werksschließungen erzwungen haben, schließlich im Hinblick auf die außerordentliche Wichtigkeit der Auschwitz-Industrie für die deutschen Kriegsanstrengungen ist es nicht überraschend, daß das Zyklon in Auschwitz und seiner Umgebung für den vorgesehenen Zweck in reichlichen Mengen benötigt wurde. Dieses chemische Erzeugnis wurde im WRB-Bericht, aber auch schon früher, und wird bis auf den heutigen Tag als Quelle jenes Gases bezeichnet, das für die Vernichtung von Juden in Auschwitz verwendet worden sei.
Es ist unrichtig, wenn behauptet wird, die Rolle des Zyklon als Ungeziefervernichtungsmittel sei verheimlicht worden. Der
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WRB-Bericht erwähnt die antiparasitäre Rolle des Zyklons, und eine zweifache Bestimmung des Zyklons in Auschwitz wird in den IMT-Protokollen ausdrücklich angesprochen. [17] Gerade dieses Zyklon B hat sich als Hauptmerkmal eines Betruges erwiesen, weil es eine doppelte bzw. falsche Interpretation erfahren hat, ohne daß dies in der Endlösungs-Literatur erörtert, ja vielfach nicht einmal angedeutet wird. Nur Hilberg macht die unmaßgebliche [18] Bemerkung, daß "sehr wenig für die Entseuchung gebraucht wurde", und zitiert dann nicht überzeugende Quellen. Reitlinger macht es nicht besser.
Die hauptsächliche Verwendung des Zyklons erfolgte in Desinfektionsräumen und Kasernen. Alles wurde versiegelt und dann die nötige Menge Zyklon, das in grünen Blechdosen geliefert wurde, in die Räume eingelassen. Nach angemessener Zeit, als die Läuse und sonstigen Insekten und Seuchenträger tot waren, wurden die Räume entlüftet. Das Zyklon konnte für die Desinfektion von Kleidung auch in sog. "Entwesungskammern" verwendet werden, wie sie die deutsche Entwesungsindustrie auf den Markt gebracht hatte, obgleich zu jener Zeit für die Desinfektion von Bekleidung auch Dampfbäder in Gebrauch waren, besonders als ortsfeste Anlagen. Die Entwesungskammern haben sich als mobile Anlagen für häufigen Standortwechsel bewährt und wurden deshalb vorgezogen.
Die US-Army, die während des Krieges ebenfalls mit Ungeziefer zu tun hatte, besaß ähnliche Einrichtungen und hatte eine sog. "Feldkammer" entwickelt. Da die Vereinigten Staaten erst im Dezember 1941 in den Krieg eintraten, hatten sie Zeit, das neu entwickelte "DDT" für jene Zwecke zu übernehmen, für die die Deutschen das Zyklon verwandten. [19] Natürlich brachten die Amerikaner das "DDT" in ihren "Lagern", und zwar den Konzentrationslagern als auch anderen zur Anwendung. Das DDT war als weiterentwickeltes Ungeziefervertilgungsmittel vielseitiger, z.B. auch nicht annähernd so tödlich für menschliche Wesen wie Zyklon. Daher enthielt es auch keinen "Warnstoff" - ein Reizmittel, dem Zyklon beigegeben -, der sich vor dem Cyanidgas des Zyklon bemerkbar machte. Nun gab es jedoch auch Zyklon ohne diesen Reizstoff. Doch auch dies ist nicht sonderbar, da es allgemein üblich war, bei der Fertigung von Produkten für militärische Zwecke kostenspielige Zusätze wegzulassen. So fehlte in der Tat dieses Reizmittel bei dem in den Konzentrationslagern verwendeten Zyklon.
Die Doppelrolle des Zyklon wurde vor dem IMT am 28.1.1946 in der Aussage eines Zeugen des französischen Anklägers DuBost hervorgehoben. Dann legte DuBost am 30.1.1946 das Dokument 1553-PS als Beweismittel vor. Es bestand aus einer Anzahl von an den SS-Sturmführer Kurt Gerstein adressierten Rechnungen über verschiedene Mengen Zyklon, die nach Oranienburg und Auschwitz gesandt worden waren, sowie einer weitschweifigen Darlegung (statement), die Gerstein zugeschrieben wurde. Nach einiger Unschlüssigkeit wegen gewisser rechtlicher Formalien nahm das Gericht beide Teile des Dokuments als Beweismittel an. Die Behauptungen von Rassinier und Reitlinger, das "statement" sei vom Gericht zurückgewiesen worden, stehen dem nicht entgegen. [20] Zwei Rechnungen sind in den IMT-Protokollbänden und ein Teil des
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"statement" in den NMT-Protokollbänden abgedruckt. [21] Die beiden in den IMT-Protokollbänden wiedergegebenen Rechnungsabdrucke zeigen eine Rechnung über 195kg Zyklon für Oranienburg und eine Rechnung über die gleiche Menge für Auschwitz. Wahrscheinlich war das Oranienburger Zyklon für andere Lager bestimmt, während das nach Auschwitz gelieferte Zyklon auf die kleineren Lager und möglicherweise auf die Kohlengruben aufgeteilt werden sollte.
Der Fall Gerstein zeigt, daß selbst intelligente Menschen grenzenlos für Absurditäten empfänglich sind, wenn sie erst eine Lüge als Wahrheit erkannt haben. Es ist dies derselbe Gerstein, der in Hochhuths Schauspiel "Der Stellvertreter" als Hauptfigur auftritt.
Gersteins Amtsbezeichnung in der SS lautete "Chefdesinfektionsoffizier im Hauptgesundheitsamt der Waffen-SS". [22] Als solcher war er für die Überwachung der Ausgabe des Desinfektionsbedarfs an alle von der SS verwalteten Lager verantwortlich. Über das, was ihm am Ende des Krieges zugestoßen war, gibt es zwei Versionen. Nach der einen traf er zufällig mit amerikanischen Vernehmungsoffizieren in einem Hotel in Rottweil, Schwarzwald, zusammen und berichtete, daß er eine verantwortliche Stellung in der "Nazi-Partei" innegehabt habe und dabei als Geheimagent für den Anti-Nazi-Pastor Niemöller gearbeitet habe, daß er bei der Einrichtung der Gaskammern beteiligt gewesen sei und daß er darauf vorbereitet sei, als Zeuge vor jedem Gericht aufzutreten. Er händigte ihnen dann ein 7seitiges Dokument in französischer Sprache sowie eine Notiz in englischer Sprache und einige Zyklon-Rechnungen aus; danach verschwand er. [23] Der anderen Version zufolge fand er sich irgendwie im Pariser Militärgefängnis Cherche-Midi ein, verfaßte mit eigener Hand ein Dokument in französischer Sprache, fügte diesem die Zyklon-Rechnungen bei und erhängte sich dann im Juli 1945 selbst. [24] In keinem der beiden Fälle wurde weder er noch seine Leiche gefunden. Er verschwand angeblich spurlos, lediglich ein "statement" und einige Zyklon-Rechnungen hinterlassend, die zum Dokument 1553-PS wurden. Die erste Version ist diejenige, die im Begleitschreiben zum Dokument wiedergegeben wird.
Selbst wenn man uns nicht eine so offensichtlich faule Geschichte über Gerstein vorsetzen würde, hätten wir Zweifel an der Echtheit des "statement" allein seines Inhalts wegen. Denn die darin enthaltene Darstellung ist lächerlich, z.B. daß Gerstein seine Stellung innerhalb der SS mit der Absicht übernahm, den Versuch einer Sabotage der Massenvernichtungen zu unternehmen ("ein Mann, der in die Hölle eingedrungen war, mit der einzigen Absicht, vor der Welt Zeugnis abzulegen und den Opfern zu helfen" [25]). Der Text des "statement" einschließlich des durch das NMT publizierten Teils ist hier als Anhang A beigefügt. Das "statement" ist bei unserer Untersuchung zwar bedeutungslos, doch sollte der Leser sich dies einmal ansehen. Es ist absolut unsinnig und daher auch nicht verwunderlich, wenn selbst Leute, die dieser Geschichte Ernsthaftigkeit beimessen, eine "Zweideutigkeit des Guten" und "ein gewisses Unbehagen, eine Unfähigkeit" fühlen, "Gerstein als Person vollständig zu erklären" [26]. Das Schauspiel "Der Stellvertreter" beginnt mit "Gerstein", wie er sich einen Zugang zum Empfangsraum der päpstlichen Gesandtschaft in der Berliner
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Rauchstraße erzwingt, um dort dem päpstlichen Nuntius atemlos die Geschichte seines "statement" zu berichten!
Vollkommen unverzeihlich ist, daß Hilberg und Reitlinger ein so offensichtlich unechtes "statement" als Quelle benutzen, noch dazu ohne jede Rechtfertigung. Immerhin verweist Reitlinger darauf, daß Hitler niemals Lublin besichtigt habe, wie das "statement" versichert. [27]
DEGESCH war nicht die einzige Firma, die mit dem "Entwesungsgeschäft" befaßt war. Auch die Firma Tesch und Stabenow versorgte Kunden mit Zyklon und mit Ausrüstung für "Entwesungskammern", die gewöhnlich eine Größe bis zu 10 Kubikmeter hatten. In Kapitel II sahen wir, daß anscheinend in Dachau eine solche "Gaskammer" existierte, die natürlich während der frühen Phasen der Propaganda als Mordkammer vorgeführt wurde, obgleich heute nicht einmal mehr versucht wird zu behaupten, sie sei etwas anderes als ein Desinfektionsraum gewesen.
Tesch und Weinbacher, Angestellte der Firma Tesch und Stabenow, die einige Ausrüstung für "Entwesungskammern" an das Lager Groß-Rosen verkauft hatten, wurden für ihre Tätigkeit im Entwesungsgeschäft aufgehängt. Ihre Einrede, sie hätten nicht gewußt, daß ihre Waren anders als zu Desinfektionszwecken benutzt worden seien, und ihre Hilfseinrede, sie hätten einen Auftrag der SS nicht zurückweisen können, wurden durch das britische Militärgericht verworfen. [28]
Ziffer 7 : Nach den Affidavits von Höß und Entreß aus dem Jahre 1947 [29] waren die ersten, im Sommer 1942 in Gang gesetzten Gaskammern behelfsmäßige Einrichtungen (Widerspruch zum Affidavit aus 1946). Es handelte sich hierbei um zwei alte, luftdicht hergerichtete Bauernhäuser mit versiegelten Fenstern. Im Auschwitz-Prozeß 1963-1965 wurde davon ausgegangen, daß der "Bunker" in Bild 29 eine dieser frühen Gaskammern gewesen sei. [30] Die Beschaffenheit der späteren "Gaskammern" wird noch untersucht werden.
An dieser Stelle bietet es sich an, Einwände hinsichtlich der Reihenfolge der Verantwortlichkeiten und Befugnisse für diese Maßnahmen zu erheben. Höß sagte, er habe seinen Befehl unmittelbar von Himmler während des Sommers 1942 erhalten. Dies bedeutet, daß Himmler nicht Glücks allein, sondern auch Pohl überging, als er dem Lagerkommandanten einen derart gewichtigen Befehl erteilt habe. Hierbei bestand er ausdrücklich darauf, daß Glücks nicht wissen sollte, was vor sich ging. Himmler begab sich somit drei Zuständigkeitsebenen abwärts, um einen konspirativen Befehl zu geben, und ordnete noch besonders an, daß Höß etwas geheim halten sollte, was niemals geheim bleiben konnte. Dieser "Sachverhalt" ist ganz außergewöhnlich.
Doch das ist noch nicht alles. Nach der Geschichte, die uns Höß in seinem Affidavit und in seiner Zeugenaussage bietet, die aber auch durch noch andere Quellen ergänzt wird, überließ die deutsche Regierung die Mittel der Tötung und das dazu erforderliche Material der Urteilskraft und der Eingebung eines örtlichen Lagerkommandanten. Höß entschied den Umbau zweier alter Bauernhäuser. Höß fand das Zyklon im Lager verfügbar und entschied, daß es eine wirksamere Methode zur Lösung des
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Judenproblems gewährleistete als die, die man in Treblinka anwandte, wo man einige eroberte russische Panzer und Lastkraftwagen für die Vernichtungen benutzte. All dies ist idiotisch. Und Reitlinger ist das "Problem" der Verantwortlichkeit für den Zykloneinsatz offensichtlich unbequem, doch er kommt über diese Schwierigkeit nirgends hinweg, ja er vergrößert sie noch durch die Andeutung, Hitler (!) habe sich letztlich "nicht mit Begeisterung" für das Zyklon entschieden. [31]
Man erzählt uns, daß die nicht arbeitsfähigen Juden sofort nach ihrer Ankunft vergast worden seien (und deshalb zum größten Teil in keiner schriftlichen Aufzeichnung erscheinen), aber ein dieser Behauptung widersprechender Bericht ist sogar im WRB-Report enthalten. Diesem Report zufolge erreichte ein Familientransport von 4 oder 5.000 Juden aus Theresienstadt Birkenau im September 1943. Die Ankommenden behielten ihr Gepäck und wurden als Familien in jenem Lagerteil untergebracht, der in Bild 29 bezeichnet ist. Man erlaubte ihnen, frei zu korrespondieren, für die Kinder wurde eine Schule eingerichtet und die Männer waren nicht zur Arbeit verpflichtet. Sie wurden als für 6 Monate in Quarantäne befindlich betrachtet. Es wird behauptet, daß sie am 7. März 1944 vergast worden seien und daß "die jungen Leute singend in den Tod gegangen seien". Die Verwandten dieser Juden erhielten vom 23. oder 25. März datierte Postsendungen, doch es wird behauptet, diese Post sei bereits am 1. März von den Absendern geschrieben und in Befolgung deutscher Anordnungen nachdatiert worden.
Dieser Vorgang wurde mit einer anderen Gruppe jüdischer Familien wiederholt. Es handelte sich um 5.000 Menschen, die im Dezember 1943 aus Theresienstadt ankamen und deren Quarantäne im Juni 1944 beendet werden sollte. Einige Männer wurden zur Arbeit herangezogen. Nach Berichten angeblich Überlebender standen im Mai 1944 : 2.000 auf der Beschäftigungsliste, 1452 waren noch in Quarantäne und 1575 wurden als in "Vorbereitung zum Transport" angesehen, was nach Reitlinger "Warten auf die Gaskammern" bedeutete. Dies wurde noch einmal mit einer Gruppe Theresienstädter Familien wiederholt, die im Mai 1944 ankam. [32] Da alle diese Menschen unter "Quarantäne" gestellt wurden, sind ihre Quartiere mit Sicherheit bevor sie hineingeführt wurden und vielleicht auch, während sie dort lebten, mit Zyklon desinfiziert worden. Heute wird uns zugemutet zu glauben, daß die Deutschen ihre spätere Tötung mit demselben Produkt planten!
Im wesentlichen die gleiche Geschichte wurde bei der Beweisaufnahme vor dem IMT wiederholt. [33] Das Vorhandensein solchen Materials im WRB-Bericht ist kein Geheimnis. Was auch immer den Theresienstädter Juden in den Jahren 1943 bis 1944 widerfuhr, war in Europa ziemlich gut bekannt. Als im Oktober 1943 aus Dänemark 360 Juden abtransportiert wurden, brachte man sie nach Theresienstadt, "... damit man dem dänischen König mit mehr Anspruch auf Glaubwürdigkeit versichern könne, daß ihnen nichts geschehen würde". [34] Wir wiesen bereits im vorangehenden Kapitel auf die im Juni 1944 erfolgte Kontrolle durch das Rote Kreuz hin; die Beziehungen des Roten Kreuzes zu Theresienstadt werden im folgenden Kapitel weiterbehandelt werden. Auf Grund eines Besuchs von Theresienstadt 1945 berichtete das Rote Kreuz von
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Verlegungen nach Auschwitz, ohne damit argwöhnische Andeutungen zu verbinden.
Es war durchaus logisch, davon zu sprechen, daß die Theresienstädter Juden sich in "Vorbereitung zum Transport" befunden hätten, als ihre Quarantäne vor der Beendigung stand, da bekannt ist, daß viele Juden aus Theresienstadt nach dem Osten deportiert wurden. Eine durch die israelische Regierung verbürgte Quelle, die in Theresienstadt ihren Ursprung hat, ergibt, daß die Deutschen von 1941 bis 1944 Juden aus Theresienstadt nach Minsk in Rußland und Riga in Lettland verbracht hätten. Man mußte schon einige "Vernichtungslager" passieren, um von Theresienstadt in diese Städte zu gelangen. Die erwähnte Quelle berichtet weiter, daß junge Theresienstädter Juden sich noch im August 1944 eifrig für Transporte nach Auschwitz gemeldet hätten. [35] Rabbi Leo Baeck erklärte, daß jemand im August 1943 aus Auschwitz geflohen und nach Theresienstadt zurückgekehrt sei und dort Baeck von Vergasungen erzählt habe. Baeck hat angegeben, warum er zu dieser Zeit niemandem hiervon erzählte, was - wie uns zweifellos damit gesagt werden soll - erklärt, wie es möglich gewesen ist, daß alle diese Leute in ihrer "Unwissenheit" eifrig bemüht waren, nach Auschwitz zu kommen. [36]
Wie dem auch sei, der die Theresienstädter Juden betreffende Abschnitt der Auschwitz-Legende ist offensichtlich Unsinn, sogar ohne den Beweis des Gegenteils. Daß die Deutschen drei verschiedene Gruppen von Menschen einer Kategorie, für die in Birkenau ein Vernichtungsprogramm existierte, dort für 6 Monate beherbergen wollten, ist nicht glaubhaft.
Wenn wir noch eine andere Quelle prüfen, bei der es sich um statistisches Zahlenmaterial über Transporte nach Auschwitz handeln soll, treffen wir auf die gleiche Lage. Die Angaben des Niederländischen Roten Kreuzes sind von größerer Zuverlässigkeit als die des WRB-Berichtes, obgleich sie weitgehend begrenzt sind. Wie aus Anhang C ersichtlich, zeigen diese Angaben, daß im großen und ganzen alle männlichen Juden, welche im Juli und August 1942 aus den Niederlanden nach Auschwitz deportiert wurden, nach Birkenau gekommen sind und Registrationsnummern erhalten haben. Es ist auch bekannt, daß diese holländischen Juden Briefe an Bekannte in den Niederlanden geschrieben haben, in denen sie die Arbeit in Auschwitz als "hart aber erträglich", die Verpflegung als "angemessen", die Schlafgelegenheit als "gut", die hygienischen Bedingungen als "zufriedenstellend" und die allgemeine Behandlung als "korrekt" bezeichneten (dies berichtete der Judenrat in Amsterdam mit dem Zusatz, er wisse von 52 solchen Briefen). Für Reitlinger sind dies "Rätsel", denn - so sagt er - "zu gewissen Zeiten wurden ganze Transporte in das Lager aufgenommen." [37]
Der Begriff "sofortige Entscheidungen" (spot decisions) ist, soviel wir wissen, nach dem Höß-Affidavit nicht mehr gebraucht worden. Allgemein wird von "Selektionen" gesprochen; man erzählt, daß "Selektionen" bei den ankommenden Transporten auf der Grundlage der Arbeitseignung erfolgten. Dies wird im wesentlichen wahr sein; bei der Ausdehnung und Verschiedenartigkeit des industriellen Tätigkeitsbereichs in Auschwitz waren "Selektionen" zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit sowie der Eignung für leichte
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oder schwere Arbeit erforderlich. Auch war zu berücksichtigen, ob ein Transport aus Gefangenen, freiwilligen Arbeitern, umgesiedelten Juden (wie die Theresienstädter Juden) oder anders zusammengesetzt war. Auch wurden die Transporte zweifellos auf Mangelberufe hin durchkämmt, wie etwa auf medizinisches Personal, Ingenieure, Fachhandwerker usw. Die Vernichtungslegende behauptet demgegenüber, daß bei dieser sorgfältigen Aussonderung und Auswahl nur eine Personengruppe gesucht wurde : die nicht arbeitsfähigen und damit zur Vernichtung bestimmten Juden. Diese Behauptung ist schon durch die Beweisführung ernstlich in Frage gestellt.
Und dann soll ausgerechnet diese Gruppe in die Millionen gegangen sein!
Unter "Selektion" ankommender Transporte ist nicht jene behauptete einzige Art von Selektionen für die Gaskammer zu verstehen. Ein holländischer Jude, Dr. Elie A. Cohen, wurde im Jahre 1943 inhaftiert, weil er versucht hatte, die Niederlande ohne Genehmigung zu verlassen. Im September wurde er mit seiner Familie nach Auschwitz verbracht, wo er von ihr getrennt wurde; er sah sie niemals wieder. Später schrieb er über seine Erfahrungen als Mitglied der Krankenhausverwaltung in Auschwitz I ein Buch : "Menschliches Verhalten in den Konzentrationslagern". Cohen stellt gewisse Gaskammer-Selektionen im Häftlingskrankenhaus dar : [38]
"Nachdem die 'H.K.B. (Häftlingskrankenbau)-Verwaltungsstelle' Nachricht gegeben hatte, daß der Lagerarzt dabei war, eine Selektion durchzuführen, wurde der ganze Block tätig wie ein Bienenschwarm, denn alles hatte schmuck und sauber zu sein ... während jedermann in Achtungstellung stand, trat er mit seinem Gefolge ein : S.D.G. (Sanitätsdienstgrad), Blockälteste und Blockschreiber. Die kranken Juden standen schon in einer Reihe, nackt selbstverständlich. Gleichzeitig mit Vorlage der Karteikarte mit den persönlichen Aufzeichnungen über jeden Gefangenen stellte der Blockarzt, in dessen Ohr der Krankenhausarzt die Diagnose flüsterte, dem Lagerarzt den Patienten zur Untersuchung vor ... in 90% aller Fälle wurde die Karte dem S.D.G. ausgehändigt, was für den Patienten Tod durch Vergasung bedeutete, außer wenn die politische Abteilung das Gegenteil anordnete, was bei Schutzhafthäftlingen (gewöhnlichen Kriminellen) häufig vorkam.
Nicht nur abgezehrte Gefangene, sondern ebenso einige, die gut genährt aussahen, wurden zeitweise für die Gaskammer bestimmt; gelegentlich hatten sogar Angehörige der Häftlingsverwaltung, die offiziell davon ausgenommen waren, ein gleiches Schicksal zu erleiden. Es wurde daher, insbesondere im Hinblick auf den "medizinischen Stil" des Lagerarztes allgemein vermutet, daß nicht nur Arbeitsunfähige zur Tötung ausgewählt wurden, sondern daß der entscheidende Faktor dabei sein mußte, daß jeweils eine bestimmte Zahl von Personen zu vergasen war.
Offiziell kannte niemand das letzte Ziel dieser Prozedur wirklich, nicht einmal das Personal der Verwaltungsstelle, denn hinter die Namen der Vergasten wurden die Buchstaben S.B., die Kurzbezeichnung für Sonderbehandlung, gesetzt."
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Abb. 15 : Leichen in einem Zug bei Dachau
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Cohen berichtet nicht, daß er irgendwelche Gaskammern gesehen, erlebt habe. Der einzige Beweis, den er dafür heranzieht, solche Szenen als "Vergasung" auszudeuten (eine solche Ausdeutung ist von den schlichten Tatsachen her sicher nicht angezeigt), besteht in den Nachkriegsbehauptungen über Judenvernichtungen in Auschwitz sowie in der Tatsache, daß es innerhalb des Lagers Gerüchte über Judenvernichtungen irgendwo bei Auschwitz gegeben habe. Sicher zirkulierten solche Gerüchte über Judenvernichtungen, hat doch eine Delegation des Internationalen Roten Kreuzes von derartigen Gerüchten unter britischen Kriegsgefangenen in Auschwitz III im September 1944 berichtet. [39] Jedoch läßt sich aus den Gerüchten so gut wie nichts schließen, zumal ihr systematisches Ausstreuen zur psychologischen Kriegführung der Gegner Deutschlands gehörte. Wir haben gesehen, daß das OSS und natürlich die Kommunisten sich intensiv mit der Verbreitung von Gerüchten und "Greuelpropaganda" beschäftigten. Eingeweihte hohe Beamte der US-Regierung - und natürlich auch das britische Informationsministerium - haben das Verbreiten solcher Informationen bewußt gefördert. Während des IG-Farben Prozesses stellte der Anklagevertreter Minskoff dem Zeugen der Verteidigung Münch die folgende Frage : [40]
"Herr Zeuge, ist es nicht eine Tatsache, daß während der Zeit, als Sie in Auschwitz waren, alliierte Flugzeuge Flugblätter über Kattowitz und Auschwitz abwarfen, mit denen die Bevölkerung über die Vorgänge in Birkenau unterrichtet wurde?"
Münch wußte das nicht. Doch Minskoff wußte hier Bescheid, da er während des Krieges ein über die Auslandstätigkeit orientierter Rechtsanwalt im Finanzministerium gewesen und vermutlich gut über die WRB-Vorgänge informiert war. Das WRB hatte mit dem Kriegsinformationsamt verschiedentlich bei Flugblattaktionen zusammengearbeitet. Leiter der Anklagebehörde im IG-Farben Prozeß war DuBois, der vorher Hauptberater des WRB gewesen war; er schrieb, daß er in seinem "Amt im Jahre 1944 gewußt habe, was in Auschwitz vor sich ging". In seinem Buch erwähnte er zustimmend den die Minskoff-Frage enthaltenen Teil der Zeugenaussage. [41] Dies ist ein guter Beweis für eine amerikanische Flugblattaktion über Auschwitz, obgleich das Verfahren ziemlich unvollkommen gewesen sein dürfte. Meiner Meinung nach erfolgte eine solche Flugblattaktion, wenn sie wirklich durchgeführt worden ist, bei Nacht und unter Verwendung einer geringen Stückzahl.
Indessen waren Flugblätter gar nicht nötig, um die Lager mit Gerüchten zu versorgen, da die gut organisierten Kommunisten sehr aktiv auf diesem Gebiet waren. Ihre überlegene Organisation, die sich auch mit dem unerlaubten Abhören von Rundfunksendungen befaßte, hatte die anderen Häftlinge von ihren "Neuigkeiten" regelrecht abhängig gemacht. [42] So konnten Geschichten über die Lager auf den verschiedensten Wegen - mit und ohne "Feindsender" - in diese hinein- oder aus diesen hinausgelangen.
Die oben erwähnte Delegation des Roten Kreuzes hatte versucht, die Auschwitz-Lager zu besichtigen, kam aber anscheinend nicht
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weiter als bis in den Verwaltungskomplex von Auschwitz I und in die Unterkünfte der britischen Kriegsgefangenen. Die letzteren durfte sie auf Grund der bestehenden internationalen Abkommen aufsuchen; hinsichtlich der anderen Bereiche waren die deutschen Offiziere "liebenswürdig und zurückhaltend". Die Delegation berichtete ohne Kommentar, daß die britischen Kriegsgefangenen von Lagerinsassen keine Bestätigung der Gerüchte erhalten hätten. Als später die Sowjets die britischen Kriegsgefangenen im Anschluß an die Besetzung des Lagers verhörten, stellte sich heraus, daß sie auch dann - trotz dieser Gerüchte - von "Verbrechen überhaupt nichts wußten". [43]
Spätere Ereignisse haben dann in vielen Fällen die Gerüchte in "Wissen" umgewandelt. Ankommende Juden hatten sicherlich keinerlei Verdacht auf Vergasungen. [44]
Mit den "Selektionen" werden wir einer weiteren Tatsache gegenübergestellt, die eine doppelte Auslegung zuläßt. Es gibt keinen Zweifel daran, daß die umfassenden industriellen und sonstigen Beschäftigungsmöglichkeiten eine "Auswahl" der Menschen für verschiedene herkömmliche Zweckbestimmungen erforderte. Von uns aber verlangt man, dieser Tätigkeit eine "Vernichtungsabsicht" beizumessen.
Bevor wir uns von Cohen abwenden, sollten wir noch bemerken, daß es im Krankenbau von Auschwitz I sowohl kranke, ausgemergelte als auch andere Juden gab. [45]
"Der H.K.B, war in fünf guten, aus Stein gebauten Häuserblocks untergebracht. Es gab einen Block für Chirurgie, einen für Infektionskrankheiten, einen für innere Krankheiten, einen für Schonung (weniger schwere Fälle) und Block 28 (Bestrahlung, medizinische Experimente, Spezialistenräume, Aufnahmen). Die Kranken lagen in dreistöckigen Betten auf Strohsäcken unter zwei baumwollenen Decken und einem Bettlaken, bekleidet mit einem Hemd (später zusätzlich noch mit einer Unterhose). Jede Woche wurden die Patienten gebadet, alle zwei Wochen erhielten sie 'saubere' Unterkleidung und ein 'sauberes' Bettlaken. Es gab wenig Fliegen, keine Läuse. Jede Schlafstelle war selten mit mehr als zwei Personen belegt. Aber ... selbst Patienten mit hohem Fieber mußten ihre Betten verlassen, um zur Toilette zu gehen oder sich in dem kalten Waschraum morgens zu waschen. Mit Hilfe der SS konnte man immer Medikamente 'organisieren', wenn auch nicht in ausreichenden Mengen, sogar Sulfonamide eingeschlossen; diese waren durch große Judentransporte aus allen europäischen Ländern hereingebracht worden."
Cohen fügt hinzu, daß die Zustände in den Krankenabteilungen - anderer Lager -, über die er nur gelesen hat, viel schlechter gewesen seien. Der Krankenbau von Auschwitz I war offensichtlich keine Luxuseinrichtung, doch zeigte er auf Seiten der Deutschen das ernstliche Bemühen um gesundheitliche Wiederherstellung der erkrankten Häftlinge, inklusive der Juden. Diese Beobachtung steht ebenfalls der Behauptung entgegen, daß die Arbeitsunfähigen getötet worden seien. Cohen berichtet von gewissen Selektionen, deren Gründe unbekannt blieben. Möglich, daß die als nicht mehr arbeitsfähig angesehenen Häftlinge nach Birkenau geschickt worden
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sind. Dies wäre durchaus verständlich, zumal sich herausgestellt hat, daß die Nichtarbeitsfähigen aus dem Monowitzer Krankenhaus ebenfalls nach Birkenau verlegt worden waren.
Der Ausdruck "Sonderbehandlung" wird als eines der Tarnworte für Vergasung ausgegeben. Wenn gesagt wird, daß soundsoviele Juden in einem Transport nach Auschwitz irgendeinem deutschen Bericht oder Dokument zufolge vergast worden seien, so beruht das darauf, daß dem Wort "Sonderbehandlung" die Bedeutung "Vergasung" unterschoben wird. Von den in Frage stehenden Dokumenten gibt es zwei an der Zahl; sie sind abgedruckt (nicht im Original wiedergegeben) in einer Publikation der polnischen Regierung aus dem Jahre 1946. Beide Dokumente sollen von einem SS-Sturmführer Schwarz unterzeichnet sein. Sie sagen aus, daß aus verschiedenen jüdischen Transporten von Breslau und Berlin nach Auschwitz im März 1943 eine bestimmte Anzahl von Juden zur Arbeit ausgesondert und der Rest "sonderbehandelt" worden sei. Soviel ich weiß, handelt es sich hierbei nicht um Nürnberger Dokumente; die Originale, wenn es sie gibt (was ich nicht in Abrede stellen will), befinden sich in polnischen Archiven. [46]
Es gibt ein offenbar echtes Dokument der Gestapo in Düsseldorf, das im einzelnen die Art und Weise angibt, in der die Hinrichtungen von Fremdarbeitern für gewisse Vergehen durchzuführen waren, und das den Ausdruck "Sonderbehandlung" im Sinne von Exekution gebraucht. Weiterhin gibt es ein Dokument, das als Beweismittel in den Eichmann-Prozeß eingeführt wurde und das die Exekution von drei Juden als "Sonderbehandlung" bezeichnet. [47]
So scheint es richtig zu sein, daß der Begriff in dem bestimmten Zusammenhang Exekution bedeutete, aber zumindest ebenso sicher ist, daß er innerhalb der SS eine gleichermaßen unbestimmte Bedeutung hatte wie in englischsprachigen Ländern die Worte "besondere Behandlung" (special treatment); es gibt ausreichende Beweise hierfür. Während des IMT-Prozesses brachte der Ankläger Amen im Kreuzverhör Kaltenbrunner dazu, zuzugeben, daß der Begriff "Exekution" bedeutet haben könnte, sofern es von Himmler angeordnet war. Bei dem Versuch, Kaltenbrunner persönlich mit der "Sonderbehandlung" in Verbindung zu bringen, legte Amen sodann triumphierend ein Dokument vor, demzufolge Kaltenbrunner für bestimmte Leute Sonderbehandlung angeordnet hatte. Amen forderte dann Kaltenbrunner auf, zu dem Dokument Stellung zu nehmen, ohne es zu lesen. Es gab eine erbitterte Auseinandersetzung, aber Kaltenbrunner wurde schließlich erlaubt, das Dokument zu lesen. Er führte dann lebhaft aus, daß die in dem Dokument erwähnte Sonderbehandlung für Leute in der "Winzerstube" und im "Walzertraum" gedacht war, daß diese beiden Einrichtungen elegante Hotels gewesen seien, in denen angesehene Personen interniert waren, und daß "Sonderbehandlung" in ihrem Fall bedeutete, daß sie frei korrespondieren sowie Pakete empfangen und eine Flasche Champagner pro Tag erhalten konnten und anderes mehr. [48]
Poliakov gibt einige Dokumente wieder, die zeigen, daß "Sonderbehandlung" innerhalb der SS noch eine andere Bedeutung hatte. Die Dokumente behandeln Maßnahmen, die im Fall von Schwangerschaften ergriffen werden sollten, die durch unerlaubten Geschlechtsverkehr von polnischen Zivilarbeitern und
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Kriegsgefangenen verursacht wurden. Eine Prüfung nach rassischen Gesichtspunkten sollte darüber befinden, ob das Kind abgetrieben oder "germanisiert" (durch eine deutsche Familie adoptiert) werden sollte. Der Ausdruck "Sonderbehandlung" war in diesem Fall eine Verweisung entweder auf "Germanisierung" oder "Abtreibung".
Im Eichmann-Prozeß wurden einige Dokumente in das Beweisverfahren eingeführt, die sich mit der Behandlung von 91 Kindern aus Lidice in Böhmen-Mähren befaßten. Diese Kinder waren auf Grund von Repressalien verwaist, die in Lidice nach Heydrichs Ermordung durchgeführt worden waren. Eine bestimmte Anzahl wurde für die Germanisierung herausgesucht und der Rest zur Sammelstelle für verdrängte Personen in (Litzmannstadt) Lodz geschickt, die das Reichssicherheitshauptamt verwaltete. Der Leiter der Sammelstelle, Krumey, betrachtete diese Kinder als einen Sonderfall innerhalb der Sammelstelle, denen während ihres dortigen Aufenthaltes "Sonderbehandlung" zu gewähren war. Dieser oder der gleichbedeutende Ausdruck "gesonderte Behandlung" wurde im Auswärtigen Amt auch in Verbindung mit gesonderten Kategorien von Kriegsgefangenen - z.B. bei Priestern - gebraucht. [49]
Himmler ließ sich etwas unklar über den Begriff "Sonderbehandlung" aus, als er den "Korherr-Bericht" prüfte - Dokumente NO-5193 bis 5198. Korherr war Chef-Statistiker der SS und bereitete Ende 1942/Anfang 1943 einen Bericht über die Lage der europäischen Juden für Himmler vor. Im März 1943 berichtete er, daß insgesamt 1.873.594 Juden verschiedener Nationalität durch ein Programm der "Evakuierung" erfaßt worden waren, mit der beiläufigen Bemerkung "einschließlich Theresienstadt und einschließlich Sonderbehandlung". Der Bericht teilte auch die Anzahl der Juden in den Ghettos Theresienstadt, Lodz und dem Generalgouvernement sowie in den Konzentrationslagern und deutschen Städten mit. Außerdem war darin vermerkt, daß von 1933 bis zum 31. Dezember 1942 in deutschen Konzentrationslagern 27.347 Juden verstorben waren.
Nachdem Himmler den Bericht geprüft hatte, wies er Korherr durch Brandt an, den Ausdruck "Sonderbehandlung" im Bericht nicht zu benutzen und den Transport in den Osten näher zu spezifizieren. Ungeachtet dessen enthält das uns vorliegende Dokument den Begriff in der dargelegten Form. Das Dokument gibt keinen Hinweis, wie der Begriff auszulegen ist; da er jedoch in Verbindung mit Theresienstadt auftaucht, erscheint es angebracht, ihn in einem günstigen Sinn auszulegen, nämlich als Hinweis auf eine Art bevorzugte Behandlung.
Kurz danach schrieb Himmler in einem angeblich von ihm unterzeichneten Dokument, daß er den Bericht "als allenfallsiges [sic] Material für spätere Zeiten und zwar zu Tarnungszwecken" betrachte. Was zu tarnen gewesen sei, wird in dem Dokument nicht angegeben. Doch bezeugte Eichmann in seinem Prozeß, daß die deutsche Regierung nach der Stalingrad-Katastrophe im Januar 1943 den Gang der Deportationen aus "Tarnungsgründen" beschleunigt habe, "um das deutsche Volk darüber zu beruhigen, daß draußen alles in Ordnung wäre". Himmler wies besonders darauf hin, daß der Korherr-Bericht "im Augenblick" nicht veröffentlicht werden dürfe, aber seine Bemerkung über eine Tarnung könnte dennoch in dem von Eichmann angedeuteten Sinn aufgefaßt werden
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(Eichmanns Feststellung stand nicht in Zusammenhang mit dem Korherr-Bericht). [50]
Weitere Dokumente sind 003-L, ein Brief des SS-Generals Katzmann, in dem von 434.329 ausgesiedelten Juden aus Süd-Polen als "sonderbehandelt" gesprochen wird, und NO-246, ein Brief von Arthur Greiser an Himmler mit dem Datum 1. Mai 1942, worin um Genehmigung einer Sonderbehandlung gebeten wird, die in bezug auf etwa 100.000 Juden im Warthegau (Teil des annektierten Polen) dahingehend spezifiziert wird, diese von der Außenwelt abgeschlossen zu halten. Greiser wurde durch einen polnischen Gerichtshof trotz einer Intervention des Papstes zu seinen Gunsten am 20. Juli 1946 zum Tode verurteilt. Zu alledem gibt es noch einen Brief von Lohse, der in Kapitel VI besprochen werden wird. [51]
Zusammenfassend läßt sich im Hinblick auf die von einer Sonderbehandlung sprechenden Dokumente sagen, daß selbst dann, wenn man alle wichtigen Dokumente - auch die hinsichtlich ihrer Authentizität fragwürdigen - für echt hält, jene Dokumente, die sich auf Auschwitz beziehen, keine Interpretation des Begriffs im Sinne von "Vernichtung" bedingen. Daß der Begriff "Sonderbehandlung" mehr als eine Bedeutung in einer deutschen Behörde hatte, ist nichts Besonderes. Zum Beispiel verstehe ich, daß beim Zentral-Nachrichten-Dienst (Central Intelligence Agency) "termination" Hinrichtung oder Mord bedeuten kann. Gleichwohl könnte der Begriff gewiß auch auf die Entlassung einer Maschinenschreiberin wegen Fehlens im Dienst angewandt werden.
Die Ausführungen in Ziffer 7 des Höß-Affidavits über das Bemühen, "in den Opfern die Vorstellung zu erwecken, sie hätten sich einem Entlausungsprozeß zu unterziehen", sind selbstverständlich folgerichtig, da jedermann beim Betreten eines deutschen Lagers einen Entlausungsprozeß der von Höß in seinem Affidavit und seiner Zeugenaussage beschriebenen Art durchzumachen hatte : - Entkleiden, Rasieren, Duschen. [52] Wieder stehen wir einer Tatsache gegenüber, die für eine zweifache Interpretation geeignet ist.
Der letzte Gegenstand in Ziffer 7 bezieht sich auf Verbrennungen. Nach Höß und allen anderen Berichten über Massenvernichtungen fanden die Verbrennungen der Leichen in Gräben oder Gruben statt, bevor es dort die modernen Krematorien gab. [53] Die neuen Krematorien sollen für die Vernichtung der Juden bestimmt gewesen sein, aber wir deuteten bereits im vorhergehenden Kapitel eine herkömmlichere Zweckbestimmung an. Wir wollen uns ihre Geschichte ansehen.
Die Vorbereitenden Stadien der Planung und Auftragserteilung für ihre Errichtung reichen wohl in den Beginn des Jahres 1942 zurück und diese Tatsache an sich macht es zumindest schwer, zu glauben, daß sie in Beziehung zu irgendeinem Vernichtungsprogramm standen, das Himmler im Sommer 1942 befohlen hätte. Die Konstruktionspläne für vier Krematorienbauten tragen das Datum vom 28. Januar 1942. [54] Am 27. Februar 1942 besichtigte der Leiter der Bauabteilung des Wirtschaftsverwaltungs-Hauptamtes der SS, Brigadeführer Dr. Ing. Hans Kammler, ein Ingenieur, der auch die Einrichtung der deutschen V-Waffen-Basen und der unterirdischen Flugzeugfabriken leitete, Auschwitz und hielt dort eine Besprechung ab, bei der beschlossen wurde, lieber fünf statt (wie zuvor
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geplant) zwei Krematoriumsfeuerungen, eine jede mit drei Öfen oder Türen, einzurichten. [55] Diese Sache wurde also nicht der Eingebungskraft von Höß überlassen. In der Vernichtungslegende erhielt Höß - wie auch immer - entscheidenden Einfluß auf die Verwendung von Zyklon. Die vorgesehenen 15 Öfen für ein Bauwerk oder Gebäude wurden am 3. August 1942 bei der Firma Topf & Söhne/Erfurt, in Auftrag gegeben. [56] Die Öfen entsprachen dem Standardtyp, den die Firma Topf & Söhne (1962 noch in Wiesbaden geschäftlich tätig) verkaufte. Bild 26 soll eine Fotographie eines der Krematorien von Auschwitz sein. Jeder Ofen war dazu bestimmt, wie alle Standard-Krematoriums-Öfen, jeweils eine Leiche zur Zeit aufzunehmen. Es gibt keinen Beweis für den Einbau irgendeines nicht standardgemäßen Ofens, der irgendwie geeignet war, mehr als eine Leiche zur Zeit aufzunehmen. Die Firma Topf hatte auch Öfen für Lager geliefert, die nicht als Vernichtungslager ausgegeben werden, wie z.B. Buchenwald. [57]
Die Pläne für die vier zur Aufnahme der Krematorien bestimmten Bauwerke, die mit II, III, IV und V numeriert waren (Krematorium I scheint das schließlich stillgelegte Krematorium I in Auschwitz I gewesen zu sein, das vier Öfen enthielt), [58] zeigen, daß es in jedem Bauwerk einen großen Saal oder Raum gab. Bei Nummer II und III lag er unter der Erdoberfläche und wurde als Leichenkeller bezeichnet; seine Ausmaße betrugen 2,4m Höhe und 210m2 Grundfläche bzw. 2,3m Höhe und 400m2 Grundfläche. Die Säle in den Gebäuden, die die Krematorien IV und V beherbergten, befanden sich über der Erdoberfläche und wurden als Badeanstalten bezeichnet; jede von ihnen hatte eine Höhe von 2,3m und eine Grundfläche von 580m2. Den Feststellungen im Auschwitz-Prozeß von 1963-1965 zufolge war die Lage der Gebäude so, wie es auf Bild 29 dargestellt ist.
Die Bauabteilung von Auschwitz wurde bei der Errichtung der Krematorien nicht nur durch die Firma Topf & Söhne, sondern auch durch die SS-Gesellschaft DAW (Deutsche Ausrüstungswerke) unterstützt, die mit mannigfaltigen Erzeugnissen behilflich war. Die ersten Öfen wurden im Krematorium II installiert; es waren - wie wir bereits erwähnten - 15 an der Zahl : fünf Drei-Ofen-Einheiten. Die Einrichtung nahm beachtliche Zeit in Anspruch, obwohl sie - wie die Dokumente zeigen - mit planmäßiger Eile vor sich ging. Die NMT-Protokollbände enthalten das folgende Dokument NO-4473 in englischer Übersetzung; wenn der Leser meint, daß einiges in dem Dokument meiner These widerspricht, sollte er sich mit seinem Urteil noch zurückhalten : [59]
"29. Januar 1943
An den Chef der Amtsgruppe C, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS, Dr. Ing. Kammler
Betr. Krematorium II, Bauzustand.
Das Krematorium II wurde unter Einsatz aller verfügbaren Kräfte trotz unsagbarer Schwierigkeiten und Frost bei Tag- und Nachtbetrieb bis auf bauliche Kleinigkeiten fertiggestellt. Die Öfen wurden im Beisein des Herrn Oberingenieurs Prüfer der ausführenden Firma, Firma Topf & Söhne, Erfurt, angefeuert und funktionieren tadellos. Die Eisenbetondecke des Leichenkellers konnte infolge Frosteinwirkung noch nicht ausgeschalt werden. Dies ist jedoch unbedeutend, da der Vergasungskeller (gas chamber) hierfür benutzt werden kann.
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Die Firma Topf & Söhne konnte infolge Waggonsperre die Be- und Entlüftungsanlage nicht wie von der Zentralbauleitung gefordert rechtzeitig anliefern. Nach Eintreffen der Be- und Entlüftungsanlage wird jedoch mit dem Einbau sofort begonnen, so daß voraussichtlich am 20.2.1943 die Anlage vollständig betriebsfertig ist.
Wir fügen einen Bericht (Anm. des Verfassers : dem Dokument nicht beiliegend) des Prüfingenieurs der Firma Topf und Söhne, Erfurt, bei.
Der Leiter der Zentralbauleitung der Waffen SS und Polizei Auschwitz,
SS-HauptsturmführerVerteiler
1 SS-Ustuf. Janisch und Kirschneck
1 Registratur (Akte Krematorium)
F.d.R.D.A.
gez. (Unterschrift unleserlich)
SS-Ustuf. (F)"
Ich lege dieses Dokument dahin aus, daß die Öfen, obwohl das Krematorium II noch nicht vollständig fertiggestellt war, im Januar 1943 für Verbrennungen benutzt werden konnte, trotz der Unmöglichkeit, den Leichenkeller in Gebrauch zu nehmen. Die Übersetzung des Dokumentes in den NMT-Protokollen verwendet für "Vergasungskeller" den Begriff "gas chamber".
Am 12. Februar 1943 schrieb die Firma Topf nach Auschwitz und bestätigte einen Auftrag über fünf dreiteilige Verbrennungsöfen für das Krematorium III, die vollständige Herrichtung war für den 10. April vorgesehen. Ich habe keinerlei Dokumentation gesehen, mit der die Installation irgendwelcher Öfen in den Krematorien IV und V bestätigt wird, wenn nicht ein Brief eines SS-Untersturmführers in Auschwitz so ausgelegt werden sollte, in dem ein Vorschlag der Firma Topf zur Einrichtung von zwei dreiteiligen Verbrennungsöfen in der Nähe der "Bäder für besondere Zwecke" erwähnt wird. [60] An den Krematorien IV und V wurden jedoch Zimmermannsarbeiten ausgeführt. [61]
Das führt uns an das Problem der Ofenzahl in Birkenau heran; es ist ein Problem, weil die Deutschen die Krematorien zerstört haben sollen, bevor sie Auschwitz verließen. [62] Es standen offenbar - so müssen wir annehmen - wenigstens 30 Öfen einige Zeit im Jahre 1943 zur Verfügung, und zwar je 15 in den Krematorien II und III. Der Beweis dafür, daß Öfen in den Krematorien IV und V installiert worden seien, ist bescheiden. Er besteht hauptsächlich im Erscheinen eines Arbeitskommandos, das dem angeblichen Dienstplan für Birkenau vom 11. Mai 1944 und irgendeiner Zeugenaussage zufolge diesen Krematorien zugewiesen wurde (es ist dasselbe Dokument, in dem von den Theresienstädter Juden die Rede ist). Russen und Polen behaupten, daß jedes dieser Krematorien 8 und die anderen beiden je 15 Öfen hatten; also insgesamt 46 Öfen. Im WRB-Report wurden für die Krematorien II und III je 36 und in IV und V je 18 Öfen erwähnt, insgesamt also 108 Öfen. [63]
Reitlinger spricht in der Annahme, daß jedes Krematorium 15 Öfen hatte, von 60 Öfen. Seine einzige Quelle hierfür sind die Aufzeichnungen eines gewissen Miklos Nyiszli, dem wir nichts abnehmen sollten, am allerwenigsten eine Zahl. Die Nyiszli-
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Abb. 16 : US-Kongreß Mitglieder inspizieren Duschraum in Dachau. Von lks.n.r. : Senator Wherry (Nebraska), Senator Brooks (Illinois), Vorhys (Ohio), Richards (South Carolina). Ihnen wird erzählt, daß dies die Gaskammer gewesen sei.
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Niederschrift macht den Eindruck, als handele es sich um einen Bericht über die persönlichen Erlebnisse eines ungarisch-jüdischen Arztes, der im Mai 1944 nach Auschwitz deportiert wurde. Sie erschien 1951 in französischer Sprache in den März-April-Ausgaben der Zeitschrift "Les Temps Modernes" mit einem Vorwort des Übersetzers T. Kremer. Rassinier hat über seine unermüdlichen späteren Bemühungen berichtet, mit Nyiszli Kontakt aufzunehmen und herauszufinden, ob er wirklich existierte; die einzige Person, die es fraglos zu geben schien, war indessen der Übersetzer Kremer. [64] Eine englische Übersetzung von Richard Seaver, herausgegeben von Bruno Bettelheim, wurde im Jahre 1960 in New York unter dem Titel "Auschwitz" veröffentlicht. Nyiszli war damals offenbar tot, verschollen, da laut besonderer Angabe das Copyright bei "N. Margareta Nyiszli" lag. Wie bei verstorbenen Autoren mit Doktorgrad üblich, wird in der New Yorker Ausgabe von 1960 die Titelseite einer Dissertation von "Nicolaus Nyiszli", Breslau 1930, wiedergegeben. Von dem Buch erschienen im Jahre 1961 auch Ausgaben in französischer und deutscher Sprache.
Rassinier zufolge ist es schwierig genug, die in den verschiedenen Ausgaben angegebenen Zahlen miteinander in Einklang zu bringen, doch ist es nicht einmal möglich, innere Übereinstimmung in einer einzigen Ausgabe zu finden. In der Ausgabe von 1960 lesen wir (Seite 55), daß die 60 Öfen "mehrere tausend" Leichen pro Tag einäschern konnten. Weiter unten (Seite 87) wird uns erzählt, daß der "tägliche Ausstoß zwischen 5.000-6.000 Toten schwankte, wenn die beiden (Verbrennungsgruben) gleichzeitig benutzt wurden, eine etwas bessere Leistung als die der Krematorien"; doch später (Seite 92) erfahren wir, daß die Krematorien II und III allein mindestens 10.500 Leichen täglich beseitigen konnten. Das ist ein völliges Durcheinander.
Die Nyiszli zugeschriebenen Aufzeichnungen beinhalten auch, was ich als Grund für eine Zeugenablehnung ansehe; in ihnen wird behauptet, die SS habe anfänglich gesunde Häftlinge grundlos regelmäßig geschlagen (z.B. Seiten 25, 27, 44, 57). Es ist bekannt, daß es das nicht gab. Abgesehen von möglichen humanitären Einwänden gegen solche Schläge, waren die Häftlinge eine Einnahmequelle für die SS. Zahlreich waren die Klagen von Seiten der SS gegen verschiedene Formen der Mißhandlung, die angeblich in den IG-Farben-Werken vorkamen. Andererseits verbot die SS aus Sicherheitsgründen aber auch eine Verbrüderung zwischen dem Wachpersonal und den Häftlingen. Die SS-Wachen hatten Befehl, von den Häftlingen "Abstand" zu halten; sie durften nicht einmal mit ihnen sprechen, sofern es nicht unumgänglich war. Diese Regelung war natürlich schwer durchzusetzen und ihre regelmäßige und recht häufige Verletzung hatte Ermahnungen Pohls an die Lagerkommandanten zur Folge, mit denen eine angemessene und systematische Belehrung des Wachpersonals gefordert wurde. [65]
Trotz einer gewissen Erwähnung von Brutalitäten der SS-Wachen durch Autoren anderer Bücher erwähnt Cohen solche Erfahrungen Auschwitz betreffend nicht und bemerkt sogar, daß die "Aufnahme-Zeremonie" bei seinem Transport "ohne Gewalttätigkeit verlief". Jedoch berichtete er von einem besonders konstruierten hölzernen Tisch, der benutzt wurde, um Häftlinge auf das Hinterteil zu schlagen. Das war eine förmlich geregelte Art der
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Bestrafung von Häftlingen für verschiedene Vergehen in den Lagern. Als "verschärfte" Prügelstrafe wurde das Schlagen auf den nackten Hinterteil bezeichnet. [66] Wenn ein Auschwitz-Zeuge von regelmäßigen und grundlosen Schlägen zu sprechen beginnt, so mag er wohl in einigen Dingen die Wahrheit sagen, doch muß seine allgemeine Glaubwürdigkeit verneint werden.
Auf Grund der verfügbaren Beweise ist die Annahme gerechtfertigt, daß es im Frühjahr 1943 in Birkenau 30 Öfen gab und ein Jahr später 46 Öfen. Bevor wir die Behandlung der Zahl der Krematoriumsöfen abschließen, sollten wir noch bemerken, daß es gewisse Zweideutigkeiten in den Dokumenten über die Krematorien gibt. Am augenfälligsten ist die Tatsache, daß der WRB-Report anscheinend nicht die einzige Quelle ist, welche die Birkenauer Krematorien lieber mit den Nummern I bis IV als mit II bis V bezeichnet. Die Deutschen taten dies manchmal selbst, oder es scheint so, z.B. nach dem Dokument NO-4466. [67]
Die zahlenmäßige Grenze, bis zu der Menschen durch ein Programm der angedeuteten Art vernichtet werden konnten, wird nicht durch die Geschwindigkeit bestimmt, mit der Menschen vergast und die Gaskammern entlüftet werden konnten, sondern durch die Zeit, in der Leichen verbrannt werden konnten. Bei Abschätzung der Kapazität der Krematorien ist es rein rechnerisch möglich, einige eindrucksvolle Zahlen vorzulegen. Eine Stunde konnte damals als eine sehr gute Zeit für die Verbrennung einer Leiche gelten; die abgezehrten Leichen würden dabei kaum einen Unterschied ergeben haben. [68] Wenn wir eine Stunde für Reinigungsarbeiten und andere Maßnahmen in Rechnung stellen, konnte ein Ofen vielleicht 23 Leichen täglich, 30 Öfen konnten also 690 und 46 Öfen 1.058 Leichen täglich verbrennen. Damit konnte jährlich die beachtliche Zahl von 240.000 bis 360.000 Leichen erreicht werden, doch ist dabei selbstverständlich zu berücksichtigen, daß Auschwitz 46 Öfen für nicht mehr als ein Jahr zur Verfügung gehabt haben konnte, da man annimmt, daß die Vernichtungen im Herbst 1944 eingestellt worden sind.
Gleichwohl ist die folgerichtige Ableitung der vorstehenden Zahlen Unsinn; die Dinge verlaufen nicht in dieser Weise. Menschen - insbesondere die Konzentrationslager-Häftlinge, die die Krematorien zu bedienen hatten - arbeiten nicht so ausdauernd, solche Anlagen können nicht fortlaufend benutzt werden und die benötigten Hilfsmittel treffen nicht mit mathematischer Regelmäßigkeit ein. Wenn wir mit mehr Realismus ein Nachlassen der Wirkungen zugestehen, wenn wir einen Zeitverlust für regelmäßige und unregelmäßige Unterhaltungsarbeiten in Rechnung stellen und wenn wir die einer übermäßigen Aufnahmefähigkeit gesetzten technischen Grenzen berücksichtigen, erhalten wir Zahlen, die im allgemeinen auf der Linie vorausbedachter Epidemien liegen. Auch ist es möglich, daß - wie der WRB-Bericht versichert - noch ein Rückstand von vorläufig erdbestatteten Leichen einzukalkulieren war.
Es ist klar, daß ein solches Unternehmen wie Auschwitz im Falle einer Anordnung, tote Häftlinge zu verbrennen, entsprechende Möglichkeiten zur Einäscherung vorsehen würde. So haben wir wieder eine doppeldeutige Tatsache vor uns, wenn wir der Vernichtungslegende glauben sollen. Zusätzlich zu der üblichen
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Darstellung über die Zweckbestimmung der Krematoriumsöfen wird uns nahegelegt, eine zweite Deutung der Einäscherung anzuerkennen. Weiter unten werden wir unter Beweis stellen, daß die Anzahl der Krematoriumsöfen durchaus mit der "normalen" Todesrate vereinbar war.
Das ist indessen nicht die letzte, einer unterschiedlichen Interpretation fähigen Tatsache, der wir in Verbindung mit den Einäscherungen begegnen. Höß erzählt uns nämlich, "alle Menschen in den umliegenden Gemeinden" hätten wegen des "widerwärtigen und ekelerregenden Gestankes der ununterbrochenen Leichenverbrennungen gewußt, daß die Vernichtungen weitergingen". Wenn ich in der Vernichtungsgeschichte genau zwei Punkte auswählen müßte, um sie als klaren Beweis dafür festzuhalten, daß diese ganze Sache ein Betrug ist, so würde es dieser Punkt und dazu die angebliche Rolle des Zyklon sein.
Die Kohlehydrierung und andere chemische Herstellungsverfahren, die es in der Gegend von Auschwitz gab, sind bekannt für die Erzeugung von üblen Gerüchen. Man besuche nur den nördlichen Teil des Raffineriegeländes der Standard Oil (N.J.) bei New Jersey oder andere Raffinerien, und man wird das sehen oder riechen. Der einzige Unterschied von Bedeutung, den Auschwitz hinsichtlich der Bedingungen für eine Geruchsbelästigung bot, war, daß die von den Deutschen als Ausgangsprodukt verarbeitete Kohle eine erheblich "schmutzigere" Geruchsquelle war als Rohöl. Wenn man uns erzählen will, daß die Verbrennung von 30 bis 46 Leichen in einem modernen Krematorium mit diesem Gestank industriellen Ursprungs konkurrieren, ja ihn sogar übertreffen könnte, so wissen wir, daß das, was uns hier vermittelt werden soll, keine einer unterschiedlichen Interpretation fähige Tatsache, sondern eine offensichtliche Lüge ist. Gegenwärtig hat sich die Leichenverbrennung wegen der lautstarken Einwände verschiedener Fanatiker im 19. und frühen 20. Jahrhundert zu einem weitestgehend "sauberen" Prozeß entwickelt. [69] Höß kann nicht geglaubt werden.
Unsere Untersuchung hat ein vorher nicht vermutetes, aber fast unausweichliches Merkmal des großen Betruges enthüllt : die Übertreibung. Bei Verfolgung des Grundsatzes, daß seine Geschichte hauptsächlich oder fast nur beweiskräftige Tatsachen enthalten sollte, verfällt der Urheber des Betruges leicht in den Irrtum, so viele Tatsachen wie möglich in die Geschichte aufzunehmen; er begeht dabei den Fehler, den wir soeben gesehen haben. Seine Geschichte wäre ohne jene "Tatsache" besser gewesen. Es liegt nur am Ablauf der Zeit, daß dies ein schwerer Fehler geworden ist. Einstmals war sie durchaus wirksam wegen einer allgemeinen hysterischen und leicht erregbaren Gemütsstimmung, die heute unmöglich nachzuvollziehen ist. DuBois schrieb im Jahre 1952 : [70]
"Im Zeugenstand hatte Schneider ausgesagt, er habe niemals etwas von irgendwelchen Vernichtungen gehört, obgleich er sich erinnerte, eines Tages entlang der Hauptstraße an einem 'unbenutzten Krematorium' vorübergegangen zu sein. Zu jener Zeit wurden in diesem 'unbenutzten' Krematorium bis zu 1.000 Leichen täglich verbrannt. Die Flammen schössen 15 Meter hoch in die Luft; der Gestank durchzog die Gegend 40 Meilen nach Norden hin, bis er sich mit dem Gestank des Warschauer Krematoriums vereinigte; die Gerüche würden die Nase eines jeden innerhalb einer halben
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Abb. 17 : Inspektion des Dachauer Krematoriums durch Vorhys, Mitglied des US-Repräsentantenhauses. Von den 4 Öfen sind hier 3 zu sehen.
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Meile gereizt haben, und Schneider - ein Naturwissenschaftler mit einem besonders guten Geruchssinn - war in einer Entfernung von 100 Metern an der Stelle vorübergegangen."
Es erscheint unmöglich, daß DuBois am Ende eines Buches, welches (außerhalb der Fachliteratur) die zutreffendste Beschreibung der chemischen Industrie von Auschwitz enthält, so etwas schreiben konnte, jedoch es ist so. Gemessen mit den Maßstäben eines normalen Irrtums bei der Beurteilung eines Sachverhaltes, ist dies nicht erklärlich, hingegen im Bereich hysterischer Anfälle wohl.
Man möchte meinen, daß irgendjemand Höß an dieser Stelle der Verhandlung mit Einwänden hätte konfrontieren müssen. Es gab zwar einen Widerspruch, doch er war nur schwach und unklar. Der folgende Wortwechsel fand gegen Ende der Zeugenvernehmung von Höß statt (Kaufman war der Verteidiger von Kaltenbrunner) : [71]
"Präsident : Der letzte Satz von Ziffer 7 bezieht sich auf den widerwärtigen und ekelerregenden Gestank. Wie lautet Ihre Frage hierzu?
Dr. Kaufman : Ob die Bevölkerung hieraus schließen konnte, daß eine Vernichtung von Juden stattfand.
Präsident : Das ist wirklich eine zu offenkundige Frage, nicht wahr? Sie konnten unmöglich wissen, wer dort gerade vernichtet wurde.
Dr. Kaufman : Das genügt mir. Ich habe keine weiteren Fragen."
Es ist möglich, daß zur Zeit dieses Wortwechsels eine Verständigungsschwierigkeit bestand, daß ein Mißverständnis vorlag und Kaufman in seiner Frage tatsächlich eher "Menschen" als "Juden" meinte. In jedem Fall zeigt diese Episode die äußerst unwirkliche Atmosphäre, die den IMT-Prozeß beherrscht haben muß; Höß wurde bei einer plumpen und durchsichtigen Lüge nicht erwischt. Für uns ist es unmöglich, den Geist des Verfahrens zu begreifen; wir können es nur als eine Art von Hysterie ansehen. Speer war zugegen, er könnte diese Lüge leicht durchschaut haben. Schlief er, resignierte er angesichts der Unzulänglichkeit des Widerstandes? Wollten er oder sein Verteidiger sorgsam vermeiden, in die Frage der Judenvernichtung hineingezogen zu werden? Nur er kann es uns sagen, wir wissen es nicht. Sicher ist nur, daß der Geist des Gerichtsverfahrens so beschaffen war, daß nicht einmal eine so einfache Wahrheit durchdringen konnte, nämlich die, woher die wirkliche Quelle des Gestanks kam. Sie hätte sehr schnell gezeigt, daß der Zeuge log und die eigentliche Grundlage für die Beschuldigungen gar nicht erst hätte herangezogen werden dürfen.
Der Gestank war die Grundlage für eine ganze Reihe von Zeugenaussagen über die Vernichtungen [72] und ihre Verwendung in einem besonderen Zeitpunkt des IG-Farben-Prozesses, die noch in einem späteren Kapitel zu besprechen sein wird, war nicht nur ziemlich erheiternd, sondern zeigt und erläutert zugleich einen wichtigen Gesichtspunkt, an den man denken sollte, wenn man die Akten dieses Gerichtsverfahrens liest.
Christophersen stellt in seiner Broschüre Überlegungen an zu den Hinweisen auf den durchdringenden Gestank in der Gegend von Auschwitz. Das einzige, an das er sich erinnert, war eine Schmiedewerkstatt im Lager Auschwitz I; Wenn Pferden die Hufe
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beschlagen wurden, entstand ein Gestank, der in der unmittelbaren Nachbarschaft wahrgenommen werden konnte. Dies jedoch konnte Christophersen zufolge einen Gestank von dem Ausmaß, wie er in Verbindung mit den Leichenverbrennungen behauptet wird, nicht erklären.
Im Hinblick auf die Möglichkeit, daß Christophersen den Gestank industriellen Ursprungs vergessen haben könnte, bat ich ihn, daraufhin sein Gedächtnis zu überprüfen, ob irgendein Geruch dem Gestank brennenden Fleisches nahegekommen sein könnte. Christophersen erinnerte sich an keinen Geruch industriellen Ursprungs. Ich trat ebenfalls mit Stäglich in Verbindung, der sich mit Bestimmtheit nur an saubere und frische Luft in der Nähe von Auschwitz erinnerte.
Die Erinnerungen von Christophersen und Stäglich sind durchaus mit der Theorie vereinbar, daß es sich bei dem Gestank der Betrugslegende um nichts anderes handelte als um den Gestank der IG-Farben-Betriebe. In der Karte des Auschwitzgeländes (Bild Nr. 1) lag die Unterkunft Christophersens während seines Auschwitz-Jahres bei Raisko, er hatte nur gelegentlich in Auschwitz I und Birkenau zu tun. Stäglich war in dem Dorf Osiek untergebracht, das ungefähr 6 Meilen (etwa 9 km) südlich der Stadt Oswiecim (Auschwitz) liegt; er erwähnt, daß er das "KZ-Lager Auschwitz" (vermutlich ist Auschwitz I gemeint) "drei oder vier Mal" besucht habe. Das "Monowitz" genannte Lager war entweder innerhalb oder in unmittelbarer Nähe des Ortes Monowitz und entweder unmittelbar östlich oder westlich der IG-Farben-Betriebe (Eisenbahnlinien, Flüsse und Straßen machen dies deutlich) gelegen. Stäglich und Christophersen befanden sich somit 6 bis 8 km von Auschwitz I entfernt. Weder sie noch die Menschen in jenem Lager, in Birkenau und erst recht in Raisko und Osiek dürften daher die Dünste der chemischen Industrie (die - verglichen mit einer typisch amerikanischen Raffinerieanlage - doch recht bescheiden war) nicht nachhaltig gerochen haben. Auf der anderen Seite waren mit dem IG-Farben-Prozeß, bei dem der durchdringende Gestank ein beständiges Merkmal der Zeugenaussagen war, Personen betroffen, die in der Nähe der IG-Farben-Betriebe gelebt oder gearbeitet haben. So bemerkten sie in der Tat einen Gestank, ihre Zeugenaussage war insoweit richtig, nur knüpften sie eine irreführende Erklärung daran.
Der letzte in Ziffer 7 behandelte Gegenstand sind die Gaskammern, die - abgesehen von den anfänglich von Höß erwähnten Bauernhäusern - in die Krematorien eingebaut gewesen sein sollen. Reitlinger und Hilberg gehen bei dieser Behauptung verschiedene Wege. Reitlinger bezeichnet das Dokument NO-4473, dessen in den NMT-Protokollen enthaltene Übersetzung oben wiedergegeben wurde (Seite 150), als Beweis für eine Gaskammer im Krematorium II. Das beruht auf einer Falschübersetzung.
Die Krematoriumsöfen in Auschwitz werden häufig als "Gasöfen" bezeichnet, was aber kaum der Klarstellung dient, da alle modernen Krematoriumsöfen - mit Ausnahme elektrischer Öfen, die sich während der dreißiger Jahre eines kurzen Daseins erfreuten - "Gasöfen" sind : ein Brennstoff-Luftgemisch, das man als "Gas" ansehen kann, wird in die Öfen eingeführt, um die Verbrennung zu beginnen, in Gang zu halten und zu beenden. Der benutzte Brennstoff kann "Gas" sein; Stadtgas oder irgendeine Art von
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Flüssiggas ist populär. Solch ein Krematoriumsofen wird "gasbefeuert" (gas fired) genannt wegen der Verwendung von Gas als Brennstoff. Andere Ausführungen sind "ölbefeuert" (oil fired) oder "kohle- oder sogar koksbefeuert". Immer aber handelt es sich um "Gasöfen", da in allen drei Fällen den Öfen ein Brennstoff-Luftgemisch unter Druck zugeführt wird. [73]
Das übliche deutsche Wort für den hier in Frage stehenden Begriff ist "Gaskammer". Aber das im Dokument NO-4473 gebrauchte Wort, das mit "gas chamber" (Gaskammer) übersetzt wurde, ist "Vergasungskeller", was Reitlinger ebenso falsch mit "gassing cellar" (Gaskeller) übersetzte [74]. Nun hat das Wort Vergasung zweierlei Bedeutungen. Die Hauptbedeutung (und die einzige in einem technischen Zusammenhang) ist Vergasung mittels eines Vergasers, Flüssiggas umsetzen in einen Gaszustand, bzw. in ein Gasgemisch, d.h. irgendetwas in ein Gas verwandeln, nicht dagegen ein Gas auf irgendeinen Gegenstand zur Anwendung bringen. Ein Vergaser dient zur Erzeugung eines Gas-Luftgemisches, während "Vergasung" in einem technischen Zusammenhang stets "gasification" - Gasanreicherung - bedeutet, womit gewöhnlich in einem solchen Zusammenhang "Gasbildung" gemeint ist.
Vergasung hat aber noch eine zweite Bedeutung, die im Ersten Weltkrieg in den militärischen Sprachgebrauch eingeführt wurde : einen Feind mit Gas angreifen. Warum das Wort "Vergasung" in diesem Sinne gebraucht wurde, ist unklar; vielleicht weil die in jenem Krieg verwendeten Gase tatsächlich in Staubform auftraten und durch Entladung gewisser Chemikalien in die Luft erzeugt wurden : Vergasung.
Die Übersetzung "gassing cellar" ("Vergasungskeller") ist also nicht absolut ungenau; sie ist eben nur voreingenommen und voreilig. Ein "Gasofen" erfordert eine Art von Gasanreicherung, ein Gas-Luftgemisch. Im Fall der gasbefeuerten Öfen von Utting und Rogers im Jahre 1932 bedeutete das : [75]
"Die in Scheitel und Sohle des Feuerraumes eingesetzten Brenner werden durch eine Mischung von Luft und Gas unter Druck gespeist; die Mischung wird durch Ventilatoren reguliert, die sich in einem besonderen Raum befinden. Die gesonderte Kontrolle von Luft und Gas gewährleistet eine bessere Regulierung der Temperatur des Feuerungsraumes."
Der "besondere Raum" ist in Wirklichkeit ein großer Vergaser, ölbefeuerte Krematoriumsöfen sind ähnlich in der Ausführung, so daß die meisten gasbefeuerten Öfen leicht auf die Verwendung von Öl umgestellt werden können.
Die Öfen von Birkenau scheinen koks- oder kohlebefeuerte Öfen gewesen zu sein. [76] Bei dieser Verbrennungsart ist mit Rücksicht auf den anfänglich festen Zustand des Brennstoffs ein besonderer Feuerungsvorgang notwendig. Die beiden zumeist üblichen Methoden der Erzeugung von Brenngasen aus Kohle und Koks sind
(1) die Erzeugung von "Koksofengas" mittels Luft, die durch eine brennende Kokslage hindurchgeleitet wird, und
(2) die Erzeugung von "Wassergas" mittels Dampf, der durch den Koks hindurch geleitet wird. [77]
Die ersten Koksverbrennungsöfen waren zur Erzeugung von
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Koksofengas ausgerüstet. [78] Die Verfahren zur Erzeugung solcher Gase und die Verfahren ihrer Vermischung mit Luft werden in Deutschland "Vergasung" genannt. Die kohlebefeuerten Krematoriumsöfen, die W. H. Lawrence im Lager Lublin nach dessen Eroberung durch die Russen sah, enthielten eine Ausrüstung, einschließlich Ventilatoren, die der im obigen Zitat dargelegten sehr ähnlich war. Lawrence nannte gelegentlich "Gaskammer", was augenscheinlich ein Dampfbad war. [79]
Auf jeden Fall ist es offensichtlich, daß die Krematorien in Auschwitz eine Einrichtung zur "Vergasung", d.h. zur Zuführung eines Brennstoff-Luftgemisches in die Öfen, erforderten und daß die Übersetzung des Dokumentes NO-4473 zu berichtigen sein wird, vielleicht in "Generator-Gas-Keller". Ich habe diese Erklärung des Wortes "Vergasungskeller" durch technisch maßgebende deutsche Quellen bestätigt gefunden. Die Gründe für die Installation einer solchen Ausrüstung in besonderen Spezialräumen oder sogar -gebäuden sind höchstwahrscheinlich der beachtliche Lärm, der durch die Ventilatoren und - in kohlebefeuerten Öfen - durch die Hitze der brennenden Kohle verursacht worden sein muß.
Für das Dokument NO-4473 gilt notwendigerweise die Hauptbedeutung des Wortes "Vergasung", ist es doch in einem technischen Zusammenhang verfaßt. Es handelt sich um einen Brief des Leiters der Bauabteilung Auschwitz an den Chef des SS-Ingenieurwesens und verweist auf einen Vorgang - die Vergasung -, der bei allen Krematorien gang und gäbe ist. Die Ausdrucksweise des Briefes läßt darauf schließen, daß es seltsam wäre, Leichen im Vergasungskeller vorzufinden, da sie normalerweise in jenem Raum gelagert werden, der zutreffend mit "cellar used as a mortuary" (Leichenkeller) übersetzt ist.
Das Dokument NO-4473 führt tatsächlich - wie so viele Anklagedokumente - zu einer Zurückweisung der Behauptungen der Anklage, wenn es richtig verstanden wird. Wir sehen, daß es im Krematorium II wenigstens zwei Keller gab, einen Leichenkeller und einen Vergasungskeller, und daß keiner von beiden eine "Gaskammer" war.
Nun ist das Dokument NO-4473 in den NMT-Akten bei einer Auswahl von Beweisdokumenten der Anklagebehörde zu finden, die sich auf Fall 4 (Verfahren gegen die Konzentrationslagerverwaltung) beziehen. Es ist anzunehmen, daß die Anklagebehörde ihre Auswahl sorgfältig getroffen hat. Dennoch ist es - so begrenzt es in seiner Aussage auch ist - Dokumentarbeweis dafür, daß in den Krematorien von Birkenau "Gaskammern" existierten. Die drei "gasdichten Türme", die laut Dokument NO-4465 [80] bei den DAW in Auftrag gegeben worden sind, gehören offensichtlich nicht zur Sache.
Hilberg geht anders, sogar noch fragwürdiger an die Untersuchung heran. Er behandelt unerklärlicherweise das mit dem Dokument NO-4473 aufgeworfene Problem überhaupt nicht; darüber hinaus zitiert er aus dem Dokument, ohne den Satzteil anzuführen, in dem das Wort Vergasungskeller enthalten ist. Er erklärt einfach, daß die Leichenkeller in den Krematorien II und III und die Badeanstalten in den Krematoriumsgebäuden IV und V in Wirklichkeit Gaskammern gewesen seien. Keinerlei Beweis wird hierfür angeboten; die von Hilberg zu diesem Punkt zitierten Dokumente sprechen nicht von
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Gaskammern. [81] Der einzige "Beweis" dafür, daß die Leichenkeller und Badeanstalten in dieser Weise zu interpretieren seien, findet sich in den Affidavits und der Zeugenaussage (27. und 28. Juni 1947) des Zeugen (nicht Angeklagten) im Fall 4 Wolfgang Grosch, eines Ingenieurs und Sturmbannführers der Waffen-SS, der diese Einrichtungen Gaskammern "taufte", wobei das Vorhandensein von Zyklon in Auschwitz die augenfällige Rechtfertigung für solche "Taufe" abgab. [82] Grosch war jedoch ein sehr unsicherer Zeuge, da er in seinen Affidavits vom 20. Februar und 5. März 1947 von der Existenz der Gaskammern zu wissen behauptete, dann aber am 26. Juni 1947, am Vortage seiner Zeugenaussage, alle diese Feststellungen während seiner Vernehmung zurückzog und jede Kenntnis von Gaskammern in Abrede stellte. [83] Keine von Groschs Aussagen ist in den NMT-Aktenbänden enthalten, und Hilberg zitiert seine Aussagen oder Affidavits nicht.
Es besteht keinerlei Grund, die Behauptungen über die "Leichenkeller" und die "Badeanstalten" anzuerkennen, hingegen alle Ursache, sie zurückzuweisen. Was den "Leichenkeller" anbetrifft, so haben wir bemerkt, daß die in Auschwitz befindlichen Erleichterungen zur Leichenbeseitigung nichts Besonderes waren und daß sogar das Dokument NO-4473 erkennen läßt, daß der Leichenkeller im Krematorium II als Aufbewahrungsort für die Leichen dienen sollte. Was die Badeanstalten anbetrifft, so haben wir darauf hingewiesen, daß das Reinigen unter der Brause in allen deutschen Lagern eine regelmäßige Maßnahme bei allen ankommenden Häftlingen war; es muß daher in Birkenau Brausebäder gegeben haben. Nun befinden sich nach dem Lagerplan auf Seite 370 (Fig. 29) die "baths" oder Badeanstalten, die mit den Krematorien IV und V verbunden waren, in der Nähe der Kläranlagen (filtration plants) und ebenso in der Nähe von "Kanada", wo die Kleidung der ankommenden Häftlinge aufbewahrt wurde. [84] Das "steam bath" (Dampfbad) diente zweifellos der Desinfektion der Bekleidung, die entweder vor ihrer Lagerung erfolgte oder, nachdem die Kleidung den Häftlingen zeitweilig weggenommen war. [85] Wenn es eine Sauna für ankommende Häftlinge war, so würden die Häftlinge nach deren Benutzung auf jeden Fall ein kaltes Brausebad benötigt haben. Die Leute legten ihre Kleidung in der Nähe von "Kanada" ab und gingen dann baden. Was könnte einfacher sein?
Keine verstandesmäßigen Überlegungen können bewirken, daß diese Gaskammern Wirklichkeit waren. Die Behauptung, daß die Brausebäder, die sich in denselben Gebäuden wie einige der Krematoriumsöfen befunden haben sollen, in Wahrheit Gaskammern gewesen seien, ist genau so unbegründet wie die gleiche Behauptung über das Dachauer Brausebad, das sich in dem Krematoriumsgebäude jenes Lagers befand.
Gelegentlich kommen unbedeutende Zweifel darüber auf, ob die Brausebäder sich wirklich in denselben Gebäuden wie die Krematorien IV und V befanden, weil der Lagerplan im WRB-Report die Bäder in einem besonderen Gebäude verzeichnet. Doch ist das unwichtig.
Damit ist die Analyse der in Ziffer 7 des Höß-Affidavits angesprochenen Punkte abgeschlossen.
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Abb. 18 : Eingang zum Dachauer Duschraum, der zur 'Gas-Kammer' erklärt wurde.
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Letzte Ziffer : Dies ist ein unbedeutender Punkt. Es erscheint seltsam, daß das Höß-Affidavit in englischer Sprache verfaßt ist. Wir haben keinen Anhaltspunkt dafür, daß Höß die englische Sprache verstand, doch könnte er - wie viele Deutsche - einiges davon verstanden haben.
Wie dem auch immer sei, ein verständiger Deutscher, der ein Dokument von dieser Wichtigkeit "freiwillig und ohne Zwang" zu unterzeichnen hätte, würde sich dabei nicht mit gewöhnlichen Fremdsprachenkenntnissen begnügen; entweder würde er sich selbst als Fachmann für die englische Sprache betrachtet oder darauf bestanden haben, eine deutsche Übersetzung zu unterzeichnen (ein Verlangen, dem man hätte Beachtung schenken müssen). Höß war augenscheinlich nicht in der Verfassung, auf irgendetwas zu bestehen.
Es gibt keinen Zweifel daran, daß Höß durch eine Zusammenarbeit mit der Anklagebehörde sein Leben zu erkaufen hoffte, und wahrscheinlich hat man ihm auch ein bestimmtes Angebot gemacht. Doch die Belohnung für Höß' Aussagewilligkeit bestand darin, daß er 1 Monat nach seiner Zeugenvernehmung vor dem IMT an Polen ausgeliefert wurde. In Polen verfaßte er pflichtschuldigst eine "Autobiografie" für seine Kerkermeister, in der er u.a. erklärte, bei den Vernichtungen nur auf Befehl gehandelt zu haben. Er wurde "verurteilt" und im April 1947 ermordet. Die "Autobiografie" wurde - Jahre nach seinem Tod - 1951 in polnischer Übersetzung und 1959 in deutscher und englischer Sprache veröffentlicht.
Die Rolle von Birkenau
Birkenau erfüllte die normalen Funktionen eines deutschen Konzentrationslagers. Wenn wir auf die "Rolle" von Birkenau aufmerksam machen, so verweisen wir darauf, daß Birkenau der Schauplatz grauenhafter, schauerlicher Funktionen gewesen sei.
Meiner Kenntnis nach war Birkenau dazu bestimmt, jene Häftlinge aufzunehmen, die zur Kategorie der Nichtarbeitsfähigen gehörten, aber - aus welchen Gründen auch immer - unter der Aufsicht der SS-Verwaltung von Auschwitz standen. So war Birkenau ausersehen, die chronisch oder zeitweilig Kranken, die Sterbenden, die Toten, die Unmündigen, die Alten, diejenigen, für die zeitweise keine Beschäftigung vorhanden war, und jene, für die Auschwitz als Transitlager diente, aufzunehmen. Alle diese Gruppen konnten entweder aus anderen Lagern (einschließlich der vielen kleinen Lager des Gebiets von Kattowitz) oder aus ankommenden Transporten stammen. Diese Theorie beruht auf folgenden Überlegungen. Erstens war Birkenau - wie erwähnt - deutlich das Hauptlager ("principal" camp), soweit es darum ging, den Häftlingen Tätigkeiten zuzuweisen. Auschwitz I war das "Stamm"-lager (main camp) im verwaltungsmäßigen Sinn. Es bestand nur aus umgestalteten und erweiterten Kasernenbauten, während Birkenau von Anbeginn als viel größeres Lager geplant und auf die besonderen Erfordernisse der SS-Tätigkeiten in diesem Gebiet ausgerichtet war.
Zweitens wurde bereits vermerkt, daß die aus dem Krankenhaus von Monowitz als arbeitsunfähig Entlassenen nach Birkenau geschickt wurden.
Drittens gab es Familienlager in Birkenau (das Zigeunerlager und das Theresienstädter Lager, siehe Bild 29). Wir hatten gesehen, daß deren Insassen während ihres vorbestimmten begrenzten Aufent-
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halts als "in Vorbereitung zum Transport" befindlich bezeichnet wurden, so daß diese Familienlager eindeutig als Transitlager anzusprechen sind, jenen vergleichbar, die es in Belsen und Westerbork gab. Die Bestimmung solcher Transporte wurde angedeutet und wird in einem späteren Kapitel noch weiter behandelt werden.
Viertens waren nur in Birkenau jene ungewöhnlich großen Einrichtungen zur Verbrennung der Toten hergestellt worden.
Fünftens war es für einen sehr hohen Prozentsatz der Insassen von Birkenau ganz normal, nicht beschäftigt zu sein. In den zwei Jahren vom Sommer 1942 bis zum Sommer 1944 - so bemerkt Reitlinger - "war nur ein Bruchteil der halbverhungerten und an den verschiedensten Krankheiten leidenden Insassen von Birkenau beschäftigt gewesen". Am 5. April 1944 wurden 15.000 der 36.000 Insassen von Birkenau als "arbeitsunfähig" angesehen, während von den 31.000 anderen Gefangenen des Auschwitzgebietes nur ungefähr 3.000 in diese Kategorie fielen. Einen Monat später wurden zwei Drittel der 18.000 Insassen des Birkenauer Männerlagers als "transportunfähig", "arbeitsunfähig" und "nicht zugewiesen" eingeteilt und in Kranken- und Quarantäneblocks eingewiesen. [86]
Das macht es natürlich unmöglich, die oft verkündete Annahme anzuerkennen, daß Krankheit, Arbeitsunfähigkeit oder die Verschickung nach Birkenau Tötung bedeutete. Diese Annahme ist besonders in Verbindung mit kranken Leuten geäußert worden, die von Monowitz nach Birkenau verlegt wurden; bestärkt wurde sie durch die Tatsache, daß die Kleidung solcher Lagerinsassen nach Monowitz zurückkam. Die Rückgabe der Bekleidung war natürlich der Tatsache zuzuschreiben, daß die Leute vom Haushalt der IG-Farben in den Haushalt der SS übernommen wurden. [87]
Sechstens gab es eine ungewöhnlich hohe Todesrate in Birkenau, wenn auch die Zahlen - ausgenommen für besondere Zeiten - einigermaßen schwer zu schätzen sind. Das erste insoweit bedeutende Ereignis ist die Typhusepidemie des Sommers 1942, die um den 1. August herum zur Schließung der Buna-Fabrik für die Dauer von zwei Monaten geführt hat. Der Hauptbeweis hierfür ist der WRB-Report, [88] es gibt aber noch zusätzliche Beweise : (1.) Typhusepidemien in der Gegend von Auschwitz stehen außer Frage. [89] (2.) Die durch das holländische Rote Kreuz vorgelegten Unterlagen (Anhang C) belegen, daß die durchschnittliche Todesrate im Birkenauer Männerlager in der Zeit vom 16. Juli bis 19. August 1942 bei etwa 186 Toten pro Tag lag, wobei die Zahlen gegen Ende dieser Periode bemerkenswert höher waren als zu Beginn. (3.) In Amsterdam gibt es einen Einzelband des Birkenauer Totenbuchs (es ist auch im Bericht des niederländischen Roten Kreuzes erwähnt). Dieser Band enthält Todesbescheinigungen für die fünf Tage vom 28. September bis 2. Oktober 1942. Die Zahl der Toten beträgt 1.500 und die angegebenen Todesursachen entsprechen den typischen Bedingungen einer Typhusepidemie, wenn Reitlinger auch die registrierten Todesursachen wie "Herzmuskelschwäche" und andere anscheinend als "erfundene ... fantasievolle Diagnosen der Häftlingsärzte, die ihre Patienten vor der 'Transportliste' oder der Phenolspritze zu retten suchten," ansieht. [90] Tatsächlich sind solche Todesursachen typisch für Typhuserkrankungen. Unter dem Stich-
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wort "Typhus Fever" lesen wir in der Encyclopaedia Britannica (11. Auflage) folgendes :
"Typhusfieber kann in jedem Stadium der Erkrankung und zu Beginn der Genesung zum Tode führen, und zwar entweder - ein besonders häufig auftretender Umstand - durch plötzliches Aussetzen der Herztätigkeit infolge Hinzutretens einiger nervlich bedingter Erscheinungen, wie Hirnhautentzündung oder gesteigerte Schlafsucht, oder durch einige andere Komplikationen, wie etwa Bronchitis. Ferner tritt der Tod mitunter vor der Krise wegen völliger Erschöpfung ein, besonders in jenen Fällen, in denen die körperliche oder seelische Widerstandskraft infolge schwerer Arbeit, unzureichender Ernährung und zu wenig Schlaf oder durch unmäßigen Lebenswandel herabgesetzt ist."
Im Hinblick auf die Gepflogenheit, kranke Häftlinge nach Birkenau zu schicken, hat es den Anschein, daß die Opfer der Typhusepidemie ohne Rücksicht auf den Ort ihrer Beschäftigung als Todesfälle von Birkenau registriert wurden. Dem WRB-Bericht zufolge gab es während der 2 oder 3 Monate der Epidemie 15.000 bis 20.000 Todesfälle in Auschwitz. [91] Ungeachtet der Unzuverlässigkeit dieser Quelle scheint diese Behauptung wenigstens hinsichtlich der Größenordnung mit anderen Informationen übereinzustimmen, die wir für Auschwitz in bezug auf diesen Zeitraum haben, wenn sie auch etwas übertrieben scheint. Der Sommer 1942 war auch bei weitem der schlechteste in Auschwitz.
Die "Phenolspritzen", die Reitlinger erwähnt, treten im übrigen an so vielen Stellen der Literatur auf, daß es sie wirklich gegeben zu haben scheint. Demzufolge werden todkranke Konzentrationslagerhäftlinge - zuweilen - durch Phenolinjektionen ins Herz getötet worden sein. [92]
Die tatsächlich sehr hohe Todesrate in Auschwitz während des Sommers 1942 gibt natürlich im besten Fall nur mittelbar Stoff für irgendein "Vernichtungs"-Problem, da es sich um registrierte Todesfälle infolge üblicher Todesursachen handelt, nicht dagegen um Tötungen, deren Durchführung man geheimzuhalten suchte. Sie haben auch nichts mit den Juden als solchen zu tun, obgleich einige der Opfer Juden waren.
Reitlinger untersucht die hohe Todesrate in Auschwitz und gibt eine geschätzte Zahl von 160 bis 179 Toten täglich als normale Todesrate an. Doch beziehen sich die von ihm zugrundegelegten Zahlen im wesentlichen auf den Sommer 1942, der eine besonders katastrophale Zeit war. Im Zusammenhang mit den hohen Todesraten sollten wir die Tatsache beachten, daß die Vertreter der Vernichtungslegende Reitlinger und Hilberg solche Ereignisse in Auschwitz stark herausstellen, obwohl sie den Unterschied zwischen hohen Todesraten und Vernichtungen anerkennen. Daher ist fast unglaublich, daß sie die Möglichkeit einer Existenz der Krematorien wegen dieser hohen Todesraten überhaupt nicht in Betracht ziehen. Im Gegenteil gehen beide davon aus, daß die Krematorien ursprünglich dazu vorgesehen waren, das Vernichtungsprogramm durchzuführen.
Für Industriebetriebe und sonstige Arbeitsvorhaben waren diese hohen Todesraten selbstverständlich untragbar. Ende 1942 wurden daher besondere Maßnahmen in Gang gesetzt, um die Todesraten der
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Konzentrationslager zu vermindern. Und Himmler befahl am 28. Dezember 1942 "die Zahl der Todesfälle in den Konzentrationslagern um jeden Preis herabzusetzen". [93] Am 20. Januar 1943 ordnete Glücks in einem Rundschreiben an alle KZ-Kommandanten an, "mit allen Mitteln zu versuchen, die Sterblichkeitsziffer im Lager herunterzudrücken". Am 15. März 1943 schrieb Pohl am Himmler, [94]
"daß der Gesundheitszustand ... der durch die Justizverwaltung überstellten Häftlinge katastrophal ist. In allen Lagern ist mit einem Verlust von wenigstens 25-30% zu rechnen ... bis jetzt waren es 10.191 Gefangene von denen 7.587 Mauthausen-Gusen zugewiesen wurden. Insgesamt starben hiervon 3.853; von diesen starben 3.306 in Mauthausen-Gusen. Die Ursache ... ist wahrscheinlich die, daß die zahlreichen Gefangenen, die Jahre hindurch in Haft waren, infolge der Überführung in ein anderes Milieu körperlich geschwächt sind ... eine große Zahl von Tuberkulosekranken wurde ebenfalls eingeliefert."
Am 10. April erbat Pohl Himmlers Zustimmung zum Entwurf eines Briefes an den Reichsminister der Justiz. In diesem von Himmler gebilligten und vermutlich auch abgesandten Brief wird ausgeführt, daß von 12.658 an die Konzentrationslager überstellten Häftlingen bis zum 1. April 5.935 verstorben waren. Pohl beklagte sich in diesem Brief darüber, daß diese
"erschreckend hohe Sterblichkeitsziffer darauf zurückzuführen ist, daß die Haftanstalten buchstäblich nur solche Insassen abgegeben haben, die in schlechtester körperlicher Verfassung sind (und) daß trotz aller ärztlichen Bemühungen der ... Tod der Gefangenen nicht aufgehalten werden kann ... Ich wünsche nicht, in den Konzentrationslagern eine Quarantänestation zu unterhalten..."
Was hier hineinzuspielen scheint, sind Ressortrivalitäten oder zumindest ein Interessenkonflikt. Die deutschen Gefängnisverwaltungen hatten zweifellos ihre eigenen wirtschaftlichen Vorstellungen und zögerten nicht nur, sich von ihren gesunden Gefangenen zu trennen, sondern waren auch bestrebt, vor allem die kranken Häftlinge abzugeben.
Wir wissen nicht, ob Pohl mit den Gefängnisverwaltungen eine bessere Zusammenarbeit erreichte. Am 30. September 1943 war er jedoch in der Lage, über Fortschritte zu berichten, die hauptsächlich hygienischen, ernährungsmäßigen und verfahrensmäßigen Maßnahmen zuzuschreiben waren; er legte dem Reichsführer-SS die folgenden zwei Übersichten mit der Versicherung vor, daß die erreichten Erfolge in Anbetracht des Einsetzens der kühlen Witterung von Dauer sein würden : [95]
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Todesfälle in Konzentrationslagern, Juli 1942 bis Juni 1943
Monat Juli 1942 August September Oktober November Dezember Januar 1943 Februar 1943 März April Mai Juni | Zahl der Insassen 98.000 115.000 110.000 85.800 83.500 88.000 123.000 143.100 154.200 171.000 203.000 199.500 | Tote 8.329 12.217 11.206 8.856 8.095 8.800 9.839 11.650 12.112 8.358 5.700 5.650 | Prozent 8,5 10,62 10,19 10,32 9,69 10,00 8,0 8,14 7,85 4,71 2,80 2,83 |
Todesfälle für den Monat August 1943
Konz. Lager | Zahl der Insassen | Tote | Prozentsatz (August) | Prozentsatz (Juli) | Änderung des Prozentsatzes |
Dachau Sachsenhausen Buchenwald Mauthausen-Gusen Flossenbürg Neuengamme Auschwitz (Männer) Auschwitz (Frauen) Groß-Rosen Natzweiler Bergen-Belsen Stutthof (Männer) Stutthof (Frauen) Lublin (Männer) Lublin (Frauen) Ravensbrück (Männer) Ravensbrück (Frauen) Riga Herzogenbusch Insgesamt : | 17.300 26.500 17.600 21.100 4.800 9.800 48.000 26.000 5.000 2.200 3.300 3.800 500 11.500 3.900 3.100 14.100 3.000 224.000 | 40 194 118 290 155 150 1.442 938 76 41 4 131 1 882 172 26 38 1 4.699 | 0,23 0,73 0,67 1,37 3,23 1,53 3,00 3,61 1,52 1,87 0,12 3,45 0,20 7,67 4,41 0,84 0,27 0,03 2,09 | 0,32 0,78 1,22 1,61 3,27 2,14 2,96 5,15 2,69 1,63 0,39 5,69 0,00 4,62 2,01 0,76 0,24 0,33 2,23 | -0,09 -0,05 -0,55 -0,24 -0,04 -0,61 +0,04 -1,54 -1,17 +0,24 -0,27 -2,24 +0,20 +3,05 +2,40 +0,08 +0,03 -0,30 -0,14 |
So hatte Auschwitz nach mehr als halbjährigen Bemühungen, die Todesrate in den Lagern zu senken, immer noch etwa 80 Todesfälle täglich im Durchschnitt. Da sich, wie wir gesehen haben, beinahe alle Arbeitsunfähigen in Birkenau befanden, ereigneten sich fast alle diese Todesfälle dort. Auschwitz scheint außerdem ziemlich anfällige Häftlinge anderer Konzentrationslager zugewiesen bekommen zu haben. [96]
Der Bericht des Niederländischen Roten Kreuzes (Band 2) enthält auch einige Angaben über die Sterblichkeit in Auschwitz während der Jahre 1942/43. Für die Zeit vom 30. Oktober 1942 bis 25. Februar 1943 werden die Todesfälle auf durchschnittlich 360 pro Woche beziffert, für die Zeit vom 26. Februar bis 1. Juli 1943 auf ungefähr 185 pro Woche. Außerdem sollen von den holländischen Juden, die im Juli-August 1942 in Birkenau eintrafen (vgl. Seite 142), in der Zeit vom 30. Oktober 1942 bis 1. Juli 1943 insgesamt 124 gestorben sein. Doch erscheint diese Gesamttodeszahl ziemlich niedrig und schwer zu vereinbaren mit den oben angeführten Zahlen, so daß hier irgendein Irrtum oder ein Mißverständnis vorliegen könnte.
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Es ist offensichtlich, daß diese Todesfälle - so beklagenswert sie auch sind und wo und bei wem die Verantwortung hierfür auch immer liegen mag - nichts mit Völkermord oder mit den Juden als solchen zu tun hatten. Vom Standpunkt der höheren SS-Verwaltung aus waren sie "katastrophal" und man gab sich Mühe, sie unter Kontrolle zu bringen. Angesichts solcher Totenzahlen ist es in keiner Weise auffallend, daß es in Auschwitz Möglichkeiten zur Lagerung und Verbrennung von Leichen gab, die schlimmste Zeiten mit Hunderten von Toten täglich im voraus berücksichtigten.
Die Sterblichkeit in Auschwitz besserte sich während des Kriegsverlaufs nur unbedeutend. Als während des Jahres 1944 die Belegung des Lagers auf 100.000 Häftlinge oder mehr angewachsen war (wahrscheinlich in Anbetracht der Gebietsverluste im Osten, die die Evakuierung von Arbeitslagern erforderlich machten), betrug die Sterblichkeitsquote in Birkenau 350 bis 500 Menschen wöchentlich (was, wie wir gesehen haben, sich auf fast die gesamte Todesquote von Auschwitz bezog). [97]
Es ist tragisch, daß - sogar in der Neuzeit - im Kriege eingerichtete "Lager" für viele ihrer Insassen zu Todesfallen geworden sind. Die Gründe hierfür gleichen einander : ungeordnet zusammengewürfelte Menschen in übereilt aufgebauten Lagern treffen auf unzulängliche sanitäre Verhältnisse und eine unsichere Ernährungs- und Versorgungslage. So hatten während des amerikanischen Bürgerkriegs die Gefangenenlager im Norden, wie z.B. Rock Island und Camp Douglas, Todesquoten von zwei bis vier Prozent im Monat. Diese Zahlen wurden sogar noch übertroffen in Lagern des Südens, wie z.B. Florence, wo Diarrhö und Skorbut bei einer Gefangenenzahl von etwa 12.000 Menschen 20 bis 50 Todesfälle täglich zur Folge hatten. Die Bedingungen in Andersonville waren noch furchtbarer; dort kamen 13.000 der insgesamt 50.000 Kriegsgefangenen der Union um. [98] Während des Burenkrieges in Südafrika in den Jahren 1899 bis 1902 wurden in britischen Konzentrationslagern ungefähr 120.000 Nichtkombattanten der weißen burischen Bevölkerung und 75.000 schwarze Afrikaner festgehalten. Die Sterblichkeitsquote der Buren reichte von 120 bis zu 340 Toten jährlich, bezogen auf je 1000 Häftlinge (1,1% bis 3,4% monatlich), während die Sterblichkeit der burischen Kinder - vor allem aufgrund von epidemisch auftretenden Masern - im Jahr bei 600 Todesfällen pro Tausend lag (7,35% monatlich). Ungefähr 20.000 burische Frauen und Kinder starben in diesen Lagern. [99] Während des Ersten Weltkrieges legten die Deutschen russische Kriegsgefangene mit anderen Nationalitäten zusammen, was Typhusepidemien in ihren Gefangenenlagern zur Folge hatte. Die Verhältnisse waren denjenigen auffallend ähnlich, die sich in den Konzentrationslagern des Zweiten Weltkrieges ergaben. [100] Wir haben gesehen, daß die Russen in den Konzentrationslagern - besonders in Auschwitz - als Arbeitskräfte eingesetzt wurden; sie waren daher zweifellos eine der Hauptursachen für die Typhuserkrankungen. Da sie nicht als gewöhnliche Konzentrationslagerhäftlinge angesehen wurden, ist ungewiß, ob sie in den oben aufgeführten Todeszahlen der Lager enthalten sind. Doch hatten sie sicherlich ihren Anteil an der allgemeinen Sterblichkeitsziffer in den Lagern und ihre Leichen wurden in denselben Krematorien verbrannt, nur sind Zahlen nicht verfügbar.
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Band 5 der NMT-Protokolle, behandelt den Fall 4 - USA gegen Pohl. Teil B präsentiert "Das Konzentrationslager-System" aus dem hervorgeht, daß die Konzentrationslager bemerkenswert hohe Sterblichkeitsziffern hatten. Im Anschluß daran wird in Teil E "Das Vernichtungsprogramm" mit Dokumenten bekannt gemacht, die zeigen, daß die Deutschen die Krematorien in diesen Lagern gerade zur Zeit des Auftretens der hohen Sterblichkeitsziffern gebaut haben. Durch diesen Zusammenhang wird zwar versucht, glaubhaft zu machen, daß damit ein "Vernichtungsprogramm" bewiesen würde", doch ist diese Schlußfolgerung falsch.
Ziehen wir die unterschiedlichen Sterblichkeitsziffern in den verschiedenen Lagern in Betracht, so erweist sich, daß die Zahl der Krematoriumsöfen in Auschwitz mit jener der anderen Lager, in denen Vernichtungen nicht stattgefunden haben, durchaus vergleichbar war. Im Jahre 1942 wurden in Dachau und Sachsenhausen Krematorien gebaut; jedes von ihnen enthielt 4 Öfen. In Dachau hatte ein Krematorium mit 2 Öfen bereits vor dem Jahre 1942 bestanden; dieses ältere Krematorium wurde nach dem Jahre 1942 weiter benutzt. Es ist höchst wahrscheinlich, daß es sich mit einem früheren Krematorium in Sachsenhausen genau so verhielt. Für Buchenwald gab es vor dem Krieg Einäscherungsmöglichkeiten in den nahegelegenen Städten Weimar und Jena. Nach Kriegsbeginn wurden Krematoriumsöfen im Lager gebaut und gegen Ende des Jahres 1941 hatte Buchenwald ein Krematorium mit 6 Öfen. Es hat den Anschein, daß das Krematorium in Weimar bis zum Kriegsende weiter benutzt wurde. [101] Es ist auch möglich, daß die Öfen in den Konzentrationslagern von Auschwitz, Dachau usw. zur Einäscherung von Leichen solcher Menschen herangezogen wurden, die mit den Lagern nichts zu tun gehabt hatten (z.B. russische Kriegsgefangene).
Dies also ist unsere Ansicht über die Erscheinung der "Todeslager" unter den NS-Konzentrationslagern. Sie stimmt nicht mit der von Christophersen und Stäglich überein, die keine hohen Todeszahlen bemerkten und nicht davon überzeugt sind, daß es umfangreiche Einrichtungen zur Einäscherung in Auschwitz gegeben habe. Unsere Ansicht gründet sich auf die erheblichen Dokumente der Anklagebehörden und vergleichbares Beweismaterial. Ihre Meinung beruht auf ihren Beobachtungen in Auschwitz im Jahre 1944. Es mag scheinen, daß ihren Beobachtungen mehr zu trauen ist als dem dokumentarischen Material, doch glaube ich, daß eine sorgfältige Betrachtung der Dinge für unsere Theorie spricht, wobei ich ihre Beobachtungen nicht in Abrede stellen will.
Sehr einfache Überlegungen erklären die Beobachtungen von Stäglich und Christophersen. Zunächst sind Todesfälle keine Angelegenheit, die die Lagerverwaltung von Auschwitz ausposaunt haben würde. Die Todesfälle und die damit verbundenen Einäscherungen wären natürlich so weit wie möglich verheimlicht worden. So beschwerte sich Pohl Mitte 1943 den Lagerkommandanten gegenüber darüber, daß die Krematoriumsgebäude allzu öffentlich an ausgesprochen bekannten Stellen lägen, wo sie "von allen möglichen Leuten begafft werden können". Als Antwort auf Pohls Klage hatte Höß um die Krematorien II und III einen Grüngürtel pflanzen lassen. Darüber hinaus war es üblich, Leichen nur abends zum Krematorium zu bringen. [102] Daß Christophersen und Stäglich,
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die nur lose Berührung mit Birkenau hatten, keine Kenntnis von der hohen Todesrate und den großen Krematorien hatten, ist mithin vollkommen verständlich.
Möglicherweise sind zahlreiche Dokumente gefälscht worden. In der Tat gab es in Nürnberg eine ausgedehnte Praxis der Dokumentenfälschung. Doch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß die Dokumente über die Todesfälle in den Lagern und den Bau der Krematorien gefälscht worden sind, und zwar aus dem einfachen Grund, weil darin nichts über Vernichtung enthalten ist, wovon der Leser sich bei einer Überprüfung der "Auswahl" an Dokumenten im NMT-Protokollband 5 überzeugen kann. Sie sprechen von einer zu bestimmten Zeiten sehr hohen Sterblichkeit in Strafinstitutionen (Konzentrationslagern), die ein verhältnismäßig kleines Land, das gegen eine überwältigende Übermacht um seine Existenz kämpfte, für Arbeitsleistungen auszunutzen suchte. Daß die hohe Sterblichkeitsziffer eine Folge davon gewesen sein kann, ist durchaus einleuchtend.
Wenngleich die von uns betrachteten Dokumente nichts über Vernichtungen aussagen, bleiben sie insofern irgendwie unbefriedigend, als man daraus kein vollständiges Bild über die Ursachen der Sterblichkeit und über die Opfer erhält. Die vom Justizministerium überstellten kranken Häftlinge erklären nicht alles. Das Bild muß durch Mutmaßungen und Schlußfolgerungen vervollständigt werden. Wir wollen hierzu unsere Eindrücke wiedergeben.
Die deutschen Konzentrationslager der dreißiger Jahre hatten ausschließlich Straf- und Sicherungsfunktionen, dagegen keine wirtschaftlichen zu erfüllen. Nach Beginn des Rußlandkrieges erfuhren die Lager eine rasche Ausdehnung und erhielten außerdem ihre wirtschaftlichen Aufgaben. Auf diese Weise ereignete sich im Jahre 1942 in den Konzentrationslagern dreierlei :
(a) Die rasche Ausdehnung wurde von einem allgemeinen Chaos, unerwarteten Problemen und organisatorischen Schwierigkeiten begleitet, wie sie üblich sind, wenn neue Unternehmungen ins Werk gesetzt werden. Das trifft besonders auf Auschwitz zu, das ein neues Lager und im Begriff war, sich rasch zum größten aller Lager zu entwickeln.
(b) Die fortgesetzten deutschen Siege und Eroberungen in Rußland hatten Massen von russischen Kriegsgefangenen zur Folge, von denen ein Teil in die Konzentrationslager aufgenommen wurde.
(c) Den Lagern wurden durch das Justizministerium kranke Häftlinge zugewiesen. Es gab wahrscheinlich weitere Probleme, doch scheinen mir diese drei Faktoren eine hohe Sterblichkeit während der letzten Monate des Jahres 1942 bis zum Frühjahr 1943 ausreichend zu erklären.
Wenn auch die Sterblichkeit gegen Ende des Jahres 1943 immer noch beklagenswert hoch war, so stand sie doch - im Vergleich zu der des Vorjahres - einigermaßen unter Kontrolle und blieb es auch bis zum Zusammenbruch am Ende des Krieges. Die Aussage des Kommandanten von Birkenau (vgl. Anhang D) zeigt, daß die Todesfälle in Auschwitz während des Jahres 1944 hauptsächlich unter den gewöhnlichen Strafgefangenen auftraten, die aus den Haftanstalten überstellt worden waren. Ich habe keine Dokumente entdeckt, die den bereits untersuchten vergleichbar wären, aus
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denen sich für das Jahresende 1943 oder einen nachfolgenden Zeitraum hohe Sterblichkeitsziffern ergeben.
Die Rolle, die Birkenau in der betrügerischen Legende spielt, ist höchst einfach. Wie jedes große Industriewerk war Auschwitz zwecks größter Leistungsfähigkeit planmäßig organisiert. Die unbeschäftigten Gefangenen waren in Birkenau untergebracht. Daher waren auch die Transitlager in Birkenau. Dies erklärt die Einrichtung der dortigen Zigeuner- und Judenlager. Auch die Kranken, Schwerkranken, Sterbenden und - möglicherweise - auch die Toten wurden nach Birkenau gebracht. Eine solche Konzentration des Elends gibt Birkenau natürlich die Bedeutung eines mit Leichenräumen und Krematorien versehenen "Todeslagers", falls jemand es vorzieht, die Dinge so zu umschreiben. Tatsächlich ereignete sich die Hälfte aller Todesfälle im gesamten deutschen Konzentrationslagerbereich während der Jahre 1942 bis 1944 in Birkenau. Wenn auch die ganze Angelegenheit recht unsinnig wirkt, sobald man sie näher untersucht, so haben die Propagandisten doch mit ihrer Entscheidung, Birkenau zum Vernichtungslager zu erklären, erkennbar eine sehr überlegte Wahl getroffen. Die Sterblichkeitsquote im Konzentrationslagerbereich war sehr hoch; nahezu am höchsten war sie in Auschwitz, das das größte KZ war, und die dortigen Todesfälle konzentrierten sich auf Birkenau.
Zusammenfassung
In der Einführung zu diesem Kapitel wurde versprochen, es werde sich zeigen, daß die Auschwitz-Legende mit dem grundlegenden Kennzeichen der großen Lüge behaftet sei : einer andersartigen Ausdeutung tatsächlicher Geschehnisse. Dies ist wirklich in jeder wesentlichen Beziehung erkennbar :
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Angesichts der in dieser Untersuchung dargelegten Gesichtspunkte ist es wirklich nur Nachsicht, bezüglich dieser neun Feststellungen von der Möglichkeit einer zweifachen Ausdeutung der tatsächlichen Geschehnisse zu sprechen. Bei den auf eine Menschenvernichtung hinauslaufenden Deutungen handelt es sich offensichtlich um Lügen. Und die letzte, sich auf den Gestank beziehende Lüge ist ein "Zuviel an Tatsachen". Die Urheber der betrügerischen Legende hätten niemals die Tatsache des Gestanks mit in ihre Geschichte aufnehmen dürfen.
Die Sachverhalte, die im Widerspruch zu den Behauptungen stehen, die Ungereimtheiten und Unglaubwürdigkeiten sind herausgestellt worden. Himmler gibt seine Befehle unmittelbar an Höß und überläßt allein ihm die Mittel und Wege zu ihrer Durchführung. Die Befehlsgebung fand - wie ausdrücklich betont wird - im Sommer 1941 statt; andererseits hätte sie im Sommer 1942 stattgefunden haben müssen, denn Höß begann ein halbes Jahr nach Aufstellen der Pläne für die 4 Krematorien, die für die "Menschenvernichtung" gebraucht wurden, zu improvisieren. In Wirklichkeit bleiben die Krematorien jedoch nicht der Eingebungskraft von Höß überlassen. Auch anderes nicht. Jüdische Familien mit Kindern wohnen monatelang in Birkenau, ihre Unterkünfte sind vorher mit ebendemselben chemischen Produkt desinfiziert worden, mit dem sie schon bei ihrer Ankunft getötet worden sein sollen. Doch dann sollen sie später damit getötet werden. Doch dieses und ähnliches konnte Höß mit Sicherheit nicht selbst entscheiden.
Die Untersuchung der Auschwitz-Frage ist damit nicht abgeschlossen. Sie war bislang auf die Ereignisse innerhalb von Auschwitz gerichtet und hat noch nicht das Schicksal irgendeiner besonderen jüdischen Bevölkerungs- oder Volksgruppe in Auschwitz einer Betrachtung unterzogen. Der Vollständigkeit halber ist dies noch nachzuholen, und wir können uns insoweit kein besseres Beispiel denken als das, welches die Verbreiter der Auschwitzlegende selbst ausgewählt haben : die ungarischen Juden, deren Schicksal - oder wie immer man es sonst nennen sollte - unter besonderer Berücksichtigung der Aussagen über Auschwitz jetzt im nächsten Kapitel untersucht werden wird.
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Quellenangaben
[1] | 3868-PS |
[2] | IMT, Bd. XI, 396-422 |
[3] | Hilberg, 575; Reitlinger, 118 f |
[4] | Reitlinger, 119, 524 f, 539 f; Rotes Kreuz (1947), 95, 98, 103 f |
[5] | Langbein, Bd. II, 930 f; Naumann, 540; US-WRB (1944), Teil I, 22 |
[6] | IMT, Bd. VI, 211 |
[7] | Reitlinger, 125 |
[8] | 008-USSR; Friedman, 14 |
[9] | Reitlinger, 492-498; US-WRB (1945), 39 f |
[10] | US-WRB (1945), 49 f |
[11] | IMT, Bd. XI, 398 |
[12] | Hilberg, 556-560; Reitlinger, 113 f; documents R-129, NO-719 und 1063 (F)-PS in NMT, Bd. V, 298-303 |
[13] | Reitlinger, 114 f, 121 (engl. Ausg. von 1968, 115) |
[14] | Reitlinger, 155 f |
[15] | DuBois, 213; einiges über die chemische Zusammensetzung von Zyklon B ist in dem Artikel "Cyanide" in der Encyclopaedia Britannica aus dem Jahre 1943 diskutiert |
[16] | Hilberg, 567-571 |
[17] | IMT, Bd. VI, 225-332 |
[18] | Hilberg, 570; Reitlinger, 162 f |
[19] | Hardenbergh, 252-254, 257-259; Knipling |
[20] | IMT, Bd. VI, 211, 225, 360-364; Rassinier (1963), 87, 226 f; Rassinier (1965), 130 f; Rassinier (1965 - "L'Opération Vicaire"), 38-48; Reitlinger, 169 |
[21] | NMT, Bd. I, 865-870; IMT, Bd. XXVII, 340-342 |
[22] | Hilberg, 570 |
[23] | Reitlinger, 169; 1553-PS |
[24] | Friedländer, VII-XII |
[25] | Friedländer, XI |
[26] | Friedländer, X |
[27] | Reitlinger, 170; siehe auch Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, April 1953, 189 f; Nation Europa, Mai 1963, 50 f |
[28] | Hilberg, 567; Reitlinger, 164; Documents NO-4344 und NO-4345 in NMT, Bd. V, 362-364 |
[29] | Hilberg, 565; Reitlinger 166 |
[30] | Langbein, Bd. II, 930 f; Naumann, 540 |
[31] | Reitlinger, 163-166 |
[32] | US-WRB (1944), Teil I, 19-21, 37-38; Reitlinger, 190 f; Blumental, 105 |
[33] | IMT, Bd. VI, 218 |
[34] | Reitlinger, 191 |
[35] | Yad Vashem Studies, Bd. VII, 109 f, 113 |
[36] | Reitlinger, 189; Boehm, 292 f |
[37] | Reitlinger, 124-127; De Jong, behandelt die Briefe von Auschwitz |
[38] | Cohen, 38 f |
[39] | Rotes Kreuz (1947), 91 f |
[40] | NMT, Bd. VIII, 320 |
[41] | DuBois, 53, 173, 231; US-WRB (1945), 48-55 |
[42] | Lerner, 152 f |
[43] | Friedman, 13 f |
[44] | Cohen, 119 |
[45] | Cohen, 60 |
[46] | Friedman, 14 f; Reitlinger, 181; Hilberg, 587; Blumental, 109 f; eines der Dokumente ist wiedergegeben bei Poliakov & Wulf, 198 |
[47] | NO-4634 in NMT, Bd. IV, 1166; Eichmann, Sitzung 79, W1-Y1 |
[48] | IMT, Bd. XI, 336-339 |
[49] | Poliakov & Wulf (1956), 299-302; Eichmann, Sitzung 79, Y1I-Bb1; Sitzung 101, Hh1-Mm1; Sitzung 107, U1-V1; Sitzung 109, F1-H1, NI, O1; NG-5077 |
[50] | Der überwiegende Teil des Korherr-Berichtes ist wiedergegeben bei Poliakov & Wulf (1955), 240-248; Eichmann-Sitzung 77, Y1, Z1 |
[51] | Reitlinger, 583; Dok. wiedergegeben bei Poliakov & Wulf 197 f |
[52] | IMT, Bd. XI, 400 f |
[53] | IMT, Bd. XI, 420; Central Commission, 87 f |
[54] | Central Commission, 83 f; Rassinier (1963), 93 |
[55] | Reitlinger, 166; Hilberg, 565; NO-4472 |
[56] | Central Commission, 83; Rassinier (1963), 93; NO-4461 |
[57] | Reitlinger, 159 in engl. Ausgabe; NO-4353, NO-4400, NO-4401 in NMT, Bd. V, 353-356; NO-4445, NO-4448; Bild auch in Nyiszli und in Schoenberner, 152 |
[58] | Friedman, 54 |
[59] | NMT, Bd. V, 619 f; Reitlinger, 167 |
[60] | 008-USSR |
[61] | NO-4466 in NMT, Bd. V, 624 |
[62] | Friedman, 20, 74, 78; Hilberg, 632 |
[63] | 008-USSR; Central Commission, 88; US-WRB (1944), Teil I, 14-16; Fyfe, 158; Blumental, 100 |
[64] | Rassinier (1963), 242-245 |
[65] | DuBois, 221, NO-1245 |
[66] | Cohen, 81, 125; Fyfe, 159; siehe auch hier Anhang D |
[67] | NMT, Bd. V, 624 f; Blumental, 100 |
[68] | Polson, 138, 143-145 |
[69] | Polson, 138 f |
[70] | DuBois, 340 f |
[71] | IMT, Bd. XI, 421 |
[72] | DuBois, 218, 230, 232 |
[73] | Polson, 137-146 |
[74] | Reitlinger, 158 f in engl. Ausg. 1968 |
[75] | Polson, 142 |
[76] | 008-USSR, Central Commission, 89 |
[77] | Johnson & Auth, 259-261 |
[78] | Polson, 141 |
[79] | N. Y. Times, 30. Aug. 1944, 1 |
[80] | NMT, Bd. V., 622 f |
[81] | Hilberg, 566 |
[82] | Groschs Zeugenaussage ist vermutlich in den Unterlagen des Falles 4, 3565-3592, doch fehlen diese Seiten in der von mir geprüften Kopie. Vermutlich stimmt seine Aussage mit seinem Affidavit NO-2154 überein |
[83] | NO-2154, zitiert bei Rassinier (1963), 92 f; auch bei Poliakov & Wulf (1955), 136. Groschs Schwanken vor den Gerichtsverhandlungen wird im Ortmann Memorandum dargelegt, das dem Dokument NO-4406 beigefügt ist |
[84] | Central Commission, 41, 43; Naumann, 239, 318, 540 |
[85] | IMT, Bd. VI, 211 |
[86] | Reitlinger, 132; NO-021 in NMT, Bd. V, 385; Fyfe, 729; hier Anhang D |
[87] | DuBois, 192, 220 |
[88] | US-WRB (1944), Teil I, 30, 32; Reitlinger, 129 |
[89] | DuBois, 209 |
[90] | Reitlinger, 128 f. Das Totenbuch befindet sich in dem Rijksinstituut voor Oorlogsdocumentatie und ist vom Niederländischen Roten Kreuz beschrieben in Bd. I, 8-12 |
[91] | US-WRB (1944), Teil I, 32 |
[92] | Burney, 108 f, u.a. |
[93] | Reitlinger, 134; 2172-PS |
[94] | NO-1523 und NO-1285 in NMT, Bd. V, 372-376 |
[95] | 1469-PS in NMT, Bd. V, 379-382 |
[96] | NO-1935 in NMT, Bd. V, 366 f |
[97] | Fyfe, 729, auch hier im Anhang D. Fall 6, Abschrift, 14326 |
[98] | Hesseltine, 152, 156, 192, 203; Encyclopaedia Britannica, Ausgabe XI, Bd. I, 960 |
[99] | Amery, Bd. V, 252 f, 601; Bd. VI, 24 f |
[100] | Encyclopaedia Britannica, Ausgabe XII, Bd. XXXII, 157 |
[101] | Komitee der Antifaschisten, 86; M. J. Smith, 95; NO-3863 und NO-3860 in NMT, Bd. V, 613-616. Internationales Buchenwald-Komitee, 206 f und Abb. 55; Musiol, Abb. 88-91 |
[102] | NO-1242 und NO-4463, zitiert bei Hilberg, 556; Fyfe, 731, sowie hier Anhang B |
375-377
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