Die Leichenkeller der Krematorien von Birkenau
im Lichte der Dokumente

Von Carlo Mattogno


Zum Teil I | Zum Teil III | Zum Teil IV


II) Die Verwendung der Leichenkammern der Krematorien von Birkenau
in den Jahren 1943-1944

1) Die These Jean-Claude Pressacs

Die Grundthese J.-C. Pressacs zu Auschwitz ist bekanntlich die ihm zufolge ab Ende 1942 erfolgte Umwandlung der Leichenkeller 1 in den Krematorien II und III von Birkenau in Menschentötungsgaskammern. Ferner behauptet er, die Leichenkammern der Krematorien IV und V seien zuerst zur Aufbahrung der Leichen von in den sogenannten "Bunkern" von Birkenau Vergasten benutzt worden und hätten später als Aufbahrungsräume für die Opfer der angeblich in diesen beiden Krematorien selbst eingerichteten Gaskammern gedient.

Eines der wichtigsten Argumente zugunsten dieser These fußt auf dem Plan 2003 der Zentralbauleitung vom 19. Dezember 1942, bei dem es sich um ein Deckblatt der vorhergehenden Pläne 932 und 933 handelt und der die »Verlegung des Kellerzugangs an die Straßenseite« vorsieht.[1] Pressac bemerkt, daß auf der Zeichnung des Kellergeschosses die Rutsche zum Herablassen der Leichen fehlt - eine schliefe Zementebene, auf der man die Leichen von außen in die halbunterirdischen Leichenkeller der Krematorien II und III gleiten lassen konnte, und kommentiert:1

»Eine Rutsche, die zum Herabgleitenlassen von Leichen gedacht war, durch eine gewöhnliche Treppe zu ersetzen, schlägt jeder Logik ins Gesicht - außer wenn die künftigen Leichen das Krematorium noch lebend betraten und die Treppen hinabsteigen konnten.«

In seinem zweiten Buch kam Pressac auf dieses Argument zurück:[2]

»Dejaco zeichnete am 19. Dezember einen neuen Plan - Nr. 2003 - für das Untergeschoß, wobei ihm eine gewaltige "architektonische Fehlleistung" unterlief. Wenn man sich an der Beschriftung des neuen Plans orientiert, so war jetzt die Nordtreppe der einzig mögliche Zugang zu den Leichenkellern, was bedeutet, daß die Toten die Treppe hätten hinabsteigen müssen!«

Robert Jan van Pelt und Debórah Dwork haben Pressacs Gedankengang aufgegriffen:[3]

»Er [Dejaco] strich die geplante Leichenrutsche, die in den früheren Plänen der Haupteingang zu den halbunterirdischen Leichenkellern gebildet hatte. Lebende Menschen steigen Treppen hinunter. Leichen werden eine Rutsche hinabgelassen. Die Opfer würden zu Fuß in den Tod gehen.«

Selbstverständlich wurde die Leichenrutsche nicht gestrichen,[4] doch eine Umwandlung der Leichenkeller der Krematorien in »Auskleidungsräume« und »Gaskammern« hätte schwerwiegende Folgen nach sich gezogen: In den Krematorien hätte es keine Leichenkeller und Leichenhallen mehr zur Aufbahrung der Leichen der im Lager gestorbenen Häftlinge gegeben. Van Pelt ist sich dieses Dilemmas bewußt; er schreibt:[5]

»Die Situation war in Wirklichkeit viel schlimmer,[[6]] weil im Februar 1943 alle Leichenkeller in den Krematorien 2 und 3 eine neue Funktion zugeteilt bekommen hatten und so umgerüstet wurden, daß sie als Auskleideräume und Gaskammern funktionieren konnten, während die Leichenhallen der Krematorien 4 und 5 zu Auskleideräumen umfunktioniert wurden. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Krematorien besaß Auschwitz buchstäblich keinen permanenten Raum zur Aufbahrung von Leichen mehr.«

Dies hätte gravierende hygienisch-sanitäre Probleme heraufbeschworen, denn man hätte die Einäscherung der im Lager gestorbenen registrierten Häftlinge nicht mehr im voraus planen können, und diese wären tage- oder gar wochenlang herumgelegen,[7] bis die Leichen der (angeblichen) Vergasten in den Leichenhallen und Leichenkellern der Krematorien verbrannt gewesen wären. Wäre Pressacs These richtig, so müßten die Dokumente über die Aufbahrung der Leichname gestorbener Häftlinge in den Leichenräumen des Lagers sowie ihren Transport in die Krematorien ausdrückliche Hinweise auf die dadurch entstandene prekäre hygienisch-sanitäre Lage sowie Proteste und Lösungsvorschläge des SS-Standortarztes enthalten. Was aber steht in den Dokumenten?

2) Die Dokumente über die Verwendung der Leichenhallen und Leichenkeller in den Krematorien von Birkenau

Am 20. März 1943 schrieb der SS-Standortarzt von Auschwitz, SS-Hauptsturmführer Wirths, dem Lagerkommandanten Rudolf Höß einen Brief, auf den wir im nächsten Abschnitt näher eingehen wollen. Im Zusammenhang mit einem allgemeinen Plan zur Erweiterung des Häftlingskrankenhauses von Birkenau hob Dr. Wirths hervor:[8]

»Für den Abtransport der Leichen aus dem HKB zum Krematorium müssen 2 gedeckte Handwagen beschafft werden, die den Transport von je 50 Leichen gestatten.«

Mit dem »Krematorium« meinte Wirths das Krematorium II, das am 20. Februar seinen Betrieb in beschränktem Ausmaß aufgenommen hatte und am 20. März immer noch das einzige funktionsfähige war.

APMO, BW 30/34, S. 47

Am 20. Juli 1943 stellte Wirths der Zentralbauleitung ein Schreiben folgenden Inhalts zu:[9]

»In den bereits belegten Lagern des Bauabschnittes II fehlen noch betonierte beziehungsweise gemauerte Leichenkammern, deren Erstellung vordringlich ist.

In den bisher zur Verfügung stehenden Holzschuppen sind die Leichen außerordentlich stark dem Rattenfraß ausgesetzt, so daß beim Abtransport der Leichen kaum eine Leiche ohne Zeichen von Rattenfraß festzustellen ist. Die Ratten werden durch die Leichen außerordentlich stark angezogen und vermehren sich so, daß deren Bekämpfung praktisch unmöglich wird.

Der Rattenfloh ist der Überträger der Pest. Auftreten von Pest im Lagerbereich kann unvorstellbare Folgen sowohl für die Truppe als auch für die Häftlinge des KL Auschwitz im Gefolge haben und kann nur durch die hygienisch einwandfreie Aufbewahrung der Leichen und gleichzeitig intensive Rattenbekämpfung vermieden werden.

Der SS-Standortarzt Auschwitz bittet deshalb dringend, die erforderlichen Leichenkammern, wenn auch mit einfachsten Mitteln, sofort zu erstellen.«

Der damals verwendete Typus von Leichenbaracken entsprach den Direktiven des Hauptamts Haushalten und Bauten (HHB) vom 25. November 1941.[10]

Bischoff antwortete Dr. Wirths am 4. August:[11]

»Zu o.a. Schreiben wird mitgeteilt, daß auf Grund der Besprechung vom Sonnabend, den 31. Juli 1943, zwischen dem SS-Standartenführer Dr. Mrugowski, SS-Hauptsturmführer Dr. Wirths und dem Unterfertigten von der Erstellung je einer Leichenhalle in den einzelnen Unterabschnitten des KGL entsprechend dem o.a. Antrage des SS-Standortarztes Abstand genommen wird.

SS-Standartenführer Mrugowski hat bei der Besprechung am 31.7 erklärt, daß die Leichen zweimal am Tage, und zwar morgens und abends in die Leichenkammern der Krematorien überführt werden sollen, wodurch sich die separate Erstellung von Leichenkammern in den einzelnen Unterabschnitten erübrigt.«

Anfang 1944 setzte der SS-Standortarzt den Bau einer gemauerten Leichenbaracke durch, welche die Bezeichnung Bauwerk 8a erhielt.[12]

Im Mai 1944 brachte er das Thema der massiven Leichenkammern für den Bauabschnitt II von Birkenau wieder aufs Tapet, und zwar in einem Schreiben an SS-Sturmbannführer Bischoff, dem Leiter der Bauinspektion der Waffen-SS und Polizei Schlesien. Darauf schrieb Bischoff am 15. Mai einen Brief an SS-Obersturmführer Jothann, den Chef der Zentralbauleitung von Auschwitz, um ihn über Wirths Antrag zu unterrichten:[13]

»Der SS-Standortarzt Auschwitz hat die Errichtung einer massiven Leichenhalle im Bauabschnitt II - KL II Auschwitz - beantragt.

Die Zentralbauleitung Auschwitz hat im Einvernehmen mit der SS-Standortverwaltung Auschwitz den Bau zu planen, die entsprechenden Baumittel- und GB-Bauanträge[[14]] umgehend zu erstellen.

Als dienstliche Veranlassung ist das in Abschrift beiliegende Schreiben des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes vom 12.5.44 dem Bauantrag vorzuheften.

Der Dringlichkeit des Bauvorhabens wegen kann mit den Arbeiten sofort begonnen werden.«

Am 22. Mai 1944 fand in Auschwitz eine Besprechung zwischen SS-Obersturmbannführer Höß, SS-Sturmbannführer Bischoff, SS-Hauptsturmführer Baer (der am 11. Mai 1944 zum Kommandanten von Auschwitz I ernannt worden war), SS-Sturmbannführer Bischoff sowie SS-Obersturmführer Jothann statt. Jothann verfaßte einen Aktenvermerk, in dem die Ergebnisse der Unterredung zusammengefaßt wurden:[15]

RGVA, 502-1-170, S. 262

»Vorgenannte Besprechung wurde angesetzt, um die Lage und Größe der geforderten L.[eichen]Hallen festzulegen. Hierbei zeigte sich, daß eine Einfügung in den Lageplan nicht ohne weiteres gegeben ist. Es müßte zur Schaffung eines geeigneten Platzes zur Errichtung der L.-Hallen zu mindestens ein Teil der Abort- bezw. Waschbaracken abgebrochen werden. Auf die Baracken kann jedoch nach Lage der Dinge schwer verzichtet werden.

SS-Obersturmbannführer Höß weist darauf hin, daß nach einer bestehenden Anweisung der tägliche Anfall von L.[eichen] durch einen eigens hierfür bestimmten Lastwagen in den Morgenstunden eines jeden Tages abzuholen sind, bei Einhaltung dieses Befehls somit ein Ansammeln von L. gar nicht erfolgen kann und daher eine zwingende Notwendigkeit für die Errichtung der vorgenannten Hallen nicht erforderlich ist.

SS-Ostubaf. Höß bittet daher, von dem Bau der zur Erörterung stehenden Hallen vorerst Abstand nehmen zu wollen.«

Doch Wirths gab sich nicht geschlagen und brachte das Thema am 25. Mai in einem Schreiben an den SS-Standortältesten[16] von Auschwitz abermals zur Sprache:[17]

»Unter dem 20.7.43 habe ich der Zentral-Bauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz mitgeteilt, daß im Frauenlager des KL Auschwitz II und in den Lagern des Bauabschnittes II noch betonierte und gemauerte Leichenkammern fehlen, deren Erstellung vordringlich ist, da die bisher zur Verfügung stehenden Holzschuppen für die Aufbewahrung von Leichen aus seuchenhygienischen Gründen und wegen der großen Gefahr des Rattenfraßes völlig ungeeignet sind.

Nicht einwandfrei aufbewahrte Leichen ziehen immer viele Ratten an. In den Häftlingsrevieren der Lager des KL Auschwitz II fallen naturgemäß täglich eine bestimmte Anzahl von Leichen an, deren Abtransport zu den Krematorien zwar eingeteilt ist und täglich 2 mal, morgens und abends, erfolgt. In Anbetracht des im KL Auschwitz bestehenden Fahrzeug- und zeitweise auch Brennstoffmangels aber kommt es vor, daß die Leichen bis zu 24 Stunden liegen bleiben.

Jedes Krankenhaus verfügt aus seuchenhygienischen Gründen über eine Leichenkammer zur kurzfristigen Aufbewahrung der anfallenden Leichen. Dabei überschreitet die Zahl der Kranken in den allgemeinen Krankenhäusern durchschnittlich die Zahl von 500 Betten nicht, während in den einzelnen Häftlingsrevieren des KL Auschwitz II die Bettenzahl durchschnittlich 3-4.000 beträgt. Es ist meines Erachtens damit doch nicht mehr als selbstverständlich, daß für die zahlreichen anfallenden Leichen entsprechende Aufbewahrungsräume vorhanden sind.

Ich habe in meinem Schreiben vom 20.7.43 und in allen übrigen vorhergegangenen Schreiben an die Zentral-Bauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz immer nur die Anlage von Leichenkammern, niemals aber den Ausbau von Leichenhallen in eigens zu errichtenden Häusern oder Schuppen verlangt und bitte, wegen der Notwendigkeit der Errichtung solcher Leichenkammern die nötigen Schritte umgehend zu unternehmen, da ich andernfalls gezwungen bin, mich an meine vorgesetzten Dienststellen zu wenden, um durch die bisherige unhygienische Aufbewahrung der Leichen nicht eine schwerste Gefährdung für das ganze Lager in seuchenhygienischer Hinsicht eintreten zu lassen.

Eine Skizze für eine Leichenkammer füge ich bei. Dringend erforderlich sind Leichenkammern im HKB des Frauenlagers, des Bauabschnittes II, Lagerabschnitt a, b, e und f. Diese Leichenkammern können entweder in die Ambulanzbaracken eingebaut oder an diese außen angebaut werden.«[18]

Dieser Brief war zwar an den Lagerkommandaten gerichtet, doch war sein Inhalt auch für den Leiter der Zentralbauleitung von Belang. Am 12. Juni sandte dieser ein Schreiben an den Chef der Bauinspektion der Waffen-SS und Polizei Schlesien; als Beilage schickte er seinen - neu auf den 30. Mai datierten - Aktenvermerk vom 23. Mai sowie Wirths' Brief vom 15. Mai mitsamt der dem Brief vom 25. Mai beigefügten Skizze einer Leichenkammer. Jothann erklärte sich bereit, den Bau von Leichenkammern in der vom SS-Standortarzt verlangten Art in die Wege zu leiten, sobald dem Ersuchen stattgegeben sei.[19]

3) Die Bedeutung dieser Dokumente

Die im vorausgegangenen Abschnitt zitierten Dokumente widerlegen Pressacs These, wonach die Krematorien von Birkenau nachträglich zu kriminellen Zwecken umgewandelt worden seien, klipp und klar. In den Briefen des SS-Standortarztes erscheint auch nicht der geringste Hinweis auf eine verbrecherische Zweckentfremdung der Leichenkammern in den Krematorien, welche die von ihm erwähnten hygienisch-sanitären Probleme ins Unermeßliche hätte steigen lassen. Aus den Briefen geht im Gegenteil hervor, daß die Leichenhallen und Leichenkeller aller Krematorien stets uneingeschränkt verfügbar waren. Ich verwende das Wort stets, weil in keinem Dokument je auf eine zeitweilige Blockierung dieser Räume durch deren Verwendung zu anderen Zwecken als der Aufbahrung der Leichen registrierter Häftlinge hingewiesen wird. Den Ausdruck "uneingeschränkt" verwende ich darum, weil in keinem Dokument irgendein Hinweis darauf erscheint, daß die Leichenkammern zu einem anderen Zweck als der Aufbahrung von Toten gedient hätten.

RGVA, 502-1-170, S. 260

Träfe Pressacs These zu, so hätte die Lagerleitung selbstverständlich eine Notverordnung für die Kremierung erlassen müssen und eine oder mehrere Leichenkammern der kleinen Krematorien für die Leichen der im Lager gestorbenen registrierten Häftlinge reserviert. Doch dies war nicht der Fall.

All dies belegt, daß die Leichenkammern in den Krematorien als normale Leichenkammern und sonst als gar nichts dienten, wie schon aus dem Wirths-Brief vom 20. März ersichtlich ist. An eben jenem Tag soll sich nach D. Czechs Kalendarium die Vergasung von 2.191 griechischen Juden zugetragen haben.[20] Die Verbrennung der Leichen hätte eine ganze Woche in Anspruch genommen. Die erste Vergasung im Krematorium II soll am 14. März erfolgt sein und 1.492 Opfer gefordert haben. Erst am 19. März wären diese Leichen kremiert gewesen, was die zweite, angeblich am 16. März erfolgte Vergasung[21] unmöglich gemacht hätte, weil in der "Gaskammer" noch fast 900 einzuäschernde Leichen übriggeblieben wären. Dr. Wirths machte sich jedoch nur über tatsächliche Tote Gedanken und verlangte zwei Handkarren zum Transport der Verstorbenen aus dem Krankenhaus zum Krematorium.

Der Wirths-Brief vom 20. Juli 1943 zeigt, wie gefährlich die damals noch gängige Aufbahrung der Leichen von im Lager verstorbenen Häftlingen vom hygienischen Standpunkt aus war, zumal zusätzlich zum Fleckfieber gar noch mit dem Ausbruch der Pest gerechnet werden mußte. Hätte Pressac mit seiner These recht, so wäre diese Gefahr noch erheblich gestiegen, da die Leichen der verstorbenen registrierten Häftlinge längere Zeit in den unzureichenden Leichenkammern des Lagers herumgelegen hätten und sich mit ihnen auch die Ratten gewaltig vermehrt hätten. Doch auf eine solche, hypothetische Situation spielte Dr. Wirths niemals auch nur in verschleierter Form an, sondern unterbreitete stets nur Vorschläge zur Verbesserung der wirklichen Verhältnisse im Lager; an seinen Briefen ist nichts Verdächtiges.

Bischoffs Schreiben vom 4. August 1943 nimmt Bezug auf den am 31. Juli von Dr. Mrugowski erteilten Befehl, die Leichen zweimal täglich, am Morgen und am Abend, »in die Leichenkammern der Krematorien« zu transportieren. Der Befehl bezog sich auf alle Krematorien und war zweimal täglich zu befolgen, was bedeutete, daß die betreffenden Leichenkammern uneingeschränkt verfügbar waren.

Wäre Pressacs These zutreffend, so wäre dieser Befehl nackter Irrsinn gewesen, denn am Tag, an dem er erging, wurde die Deportation der Juden aus den Ghettos von Bendsburg und Sosnowitz nach Auschwitz vorbereitet (laut der offiziellen Auschwitz-Version wurden vom 1. bis zum 12. August in den Krematorien von Birkenau über 28.000 Menschen vergast[22]), und Dr. Mrugowski als Leiter des Hygieneinstituts der Waffen-SS hätte über diese Vorbereitungen unmöglich nicht Bescheid wissen können. Dasselbe trifft auf Jothann zu. Die nachgewiesene und einleuchtende Tatsache, daß die Leichen zweimal täglich in die Leichenkammern der Krematorien geschafft wurden, stellt also eine radikale Widerlegung der Hypothese von Massenvergasungen in diesen Krematorien dar. Nachgewiesen wird diese Tatsache zunächst durch Jothanns Aktenvermerk vom 23. Mai, in dem es heißt, der Lagerkommandant habe bei der Unterredung am Vortag an den bereits bestehenden Befehl erinnert, die Leichen morgens mit einem entsprechenden Fahrzeug abzuholen. Noch eindeutiger ist der Wirths-Brief vom 25. Mai, in dem es heißt, der Transport der Leichen zu den Krematorien sei reguläre Praxis und erfolge zweimal täglich, nämlich morgens und abends. Es kann also nicht der geringste Zweifel daran bestehen, daß dieser Befehl in der zweiten Maihälfte 1944 existierte und befolgt wurde, soweit die notwendigen Kraftfahrzeuge und genügend Brennstoff verfügbar waren.

Genau im selben Zeitraum, der zweiten Maihälfte 1944, setzte auch die Deportation der ungarischen Juden nach Auschwitz ein, worüber die Lagerverantwortlichen, angefangen bei Rudolf Höß, selbstverständlich Bescheid wissen mußten. Die ersten Transporte trafen am 17. Mai in Auschwitz ein; bis zum 22. Mai, dem Datum der erwähnten Unterredung, waren mehr als 62.000 Juden aus Ungarn eingetroffen, von denen laut offizieller Geschichtsdarstellung nicht weniger als 41.000, also rund zwei Drittel, vergast worden sein sollen.[23] Die Krematorien von Birkenau sollen zur Einäscherung der Leichen nicht ausgereicht haben, so daß zu deren Verbrennung zusätzlich mehrere Gruben ausgehoben worden sein sollen. Dies heißt natürlich, daß die Leichenkammern der Birkenauer Krematorien während dieses Zeitraums permanent mit den Leichen der Vergasten gefüllt gewesen wären - wie konnte Rudolf Höß da seelenruhig den erwähnten Befehl zum zweimal täglich zu erfolgenden Abtransport der Leichen im Lager gestorbener, registrierter Häftlinge in eben diese Leichenkammern in Erinnerung rufen? Auch in diesem Fall - und erst recht in diesem Fall - stellt eine nachgewiesene und einleuchtende Tatsache die kategorische Widerlegung einer Hypothese dar: jener von der Massenvernichtung ungarischer Juden in den Krematorien.

Zusammenfassend können wir nun feststellen: Im Licht der Dokumente über die Verwendung der Leichenkammern der Birkenauer Krematorien ist klar, daß diese schon vom Zeitpunkt ihrer Inbetriebnahme im März 1943 an nicht als »Entkleidungsräume« und »Gaskammern« dienten und auch gar nicht als solche dienen konnten, so daß die Behauptung, in ihnen habe sich ein Massenmord durch Vergasen zugetragen, jeglicher historischen Grundlage entbehrt.


Zum Teil I | Zum Teil III | Zum Teil IV


Anmerkungen

[1]J.-C. Pressac, Auschwitz: Technique and Operation of the Gas Chambers. The Beate Klarsfeld Foundation. New York 1989, S. 302.
[2]Jean-Claude Pressac, Die Krematorien von Auschwitz. Die Technik des Massenmordes. Piper Verlag, München-Zürich 1994, S. 81.
[3]D. Dwork, R. J. van Pelt, Auschwitz 1270 to the present. W. W. Norton & Company, New York-London 1996, S. 324.
[4]Die Rutsche der Krematorien II und III, 6,8 m lang, wurde von der Fa. Huta - Hoch- und Tiefbau AG mit Sitz in Kattowitz erbaut für 37,40 RM. Bericht der Fa. Huta mit dem Betreff »Ausgeführte Bauarbeiten d. Krematoriums 2« vom 7.5.1943 (APMO, BW 30/26, S. 36) und Rechnung Nr. 2 ebenfalls vom 7.5.1943 mit Betreff »Ausgeführte Bauarbeiten des Krematoriums 3 lt. Angebot vom 13.7.42« (RGVA, 502-1-306, S. 31). Die Rutsche des Krematoriums II ist außerdem gut sichtbar in dem Plan Nr. 2197[a](r) E 2197 [b] (r) als Anhang zur Dokumentation der Übergabeverhandlung des Krematoriums (J.-C. Pressac, Auschwitz: Technique..., aaO. (Anm. 1), S. 311f.) und wird auch ausdrücklich erwähnt in der entsprechenden »Gebäudebeschreibung« (RGVA, 502-2-54, S. 78).
[5]The Pelt Report, S. 210. Hervorhebung von mir.
[6]Dies bezieht sich auf die von van Pelt einige Zeilen zuvor festgestellte Herabsetzung des Fassungsvermögens der Leichenhallen in Birkenau.
[7]In den Krematorien II und III hätte die Verbrennung von 2000 Opfern jeweils fast eine Woche gedauert, in den Krematorien IV und V je rund zehn Tage.
[8]Brief des SS-Standortarztes an den Kommandanten des KL Auschwitz vom 20. März 1943 zum Thema »Häftlings-Krankenbau-KGL«. RGVA, 502-1-261, S. 112.
[9]Brief des SS-Standortarztes an die Zentralbauleitung vom 20. Juli 1943 zum Thema »Hygienische Sofortmaßnahmen im KL«, RGVA 502-1-170, S. 263.
[10]Brief des HHB an die Zentralbauleitungen von Lublin und Auschwitz vom 25 November 1941 zum Thema »Leichenschuppen«. RGVA, 502-1-170, S. 249.
[11]Brief Bischoffs an Wirths vom 4. August 1943 zum Thema »Hygienische Sofortmaßnahmen im KGL: Erstellung von Leichenhallen in jedem Unterabschnitt«. RGVA, 502-1-170, S. 262.
[12]Erläuterungsbericht zum Ausbau des Kriegsgefangenenlagers der Waffen-SS in Auschwitz O/S, »Errichtung von 1 Leichenbaracke (Effektenkammer) massiv«, 20 Februar 1944. RGVA, 502-1-230, S. 201-203. Brief des Leiters der Bauinspektion der Waffen-SS und Polizei Schlesien (Bischoff) vom 30. März 1944 zum Thema »Bauantrag zur Errichtung einer Leichenbaracke (Effektenkammer) im KGL Auschwitz«. RGVA, 502-1-230, pp. 200-200a. Auch der Plan der Baracke sowie eine Skizze ihrer Position sind erhalten. RGVA, 502-1-230, p. 206.
[13]Brief Bischoffs an die Zentralbauleitung von Auschwitz vom 15. Mai 1944 zum Thema »Errichtung einer Leichenhalle im KL II Auschwitz«. RGVA, 502-1-170, S. 259.
[14]GB: Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft (Albert Speer).
[15]Aktenvermerk Jothanns vom 23. Mai 1944 zum Thema »Errichtung von Leichenhallen im Bauabschnitt II, Lager II Birkenau«. RGVA, 502-1-170, S. 260.
[16]Rudolf Höß, der SS-Standortältester, SS-Oberstumbannführer und Kommandant war.
[17]Brief des SS-Standortarztes an den SS-Standortältesten vom 25. Mai 1944 zum Thema »Bau von Leichenkammern im KL Auschwitz II«. RGVA, 502-1-170, S. 264.
[18]Brief des SS-Standortarztes an den SS-Standortältesten vom 25. Mai 1944 zum Thema »Bau von Leichenkammern im KL Auschwitz II«. RGVA, 502-1-170, S. 264.
[19]Brief des Chefs der Zentralbauleitung an den Chef der Bauinspektion der Waffen-SS und Polizei Schlesien vom 12. Juni 1944 zum Thema »Bau von Leichenkammern im KL. Auschwitz II«. RGVA, 502-1-170, S. 251.
[20]D. Czech, Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1989, S. 445.
[21]Ebenda, S. 442.
[22]Ebenda, S. 560-572.
[23]Siehe hierzu meinen Artikel »Die Deportation ungarischer Juden von Mai bis Juli 1944. Eine provisorische Bilanz«, in: VffG, 5(4) 2001, S. 381-395.

Quelle: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 7(3&4) (2003), S. 365-369.


Zurück zum Inhaltsverzeichnis