Anhang E

Die Rolle des Vatikan

Die Anwendung der Lüge im Umfang des jüdischen Vernichtungsschwindels kann nicht von isolierten Kräften wie Israel oder den "Zeitgeschichtlern" des Zweiten Weltkrieges allein zum Tragen kommen. Vor wenigen Jahren wurde herausgestellt, daß während des Krieges und danach Papst Pius XII. sich niemals für eine Verdammung der Ausrottung der Juden ausgesprochen hat. Diese Tatsache schuf natürlich einige Probleme für die Propaganda über die Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Das besondere Ereignis, das allgemeine Kontroversen ausgelöst hat, war Rolf Hochhuths Theaterstück "Der Stellvertreter". Vorgeblich begründet auf den "Gerstein-Bericht", vollbringt das Stück in skrupelloser Weise ein Attentat auf Pius XII., indem es Ereignisse, die in dem Bericht erwähnt sind, mit Pius XII. in Verbindung bringt, weil eine Erfindung auf die andere getürmt wird. Jedoch war das Hochhuth-Stück fraglos der Katalysator für die Diskussion eines recht wichtigen Tatbestandes, obgleich die anhaltende Diskussion, die unter dem Volk ausgetragen wird, das total vom Schwindel erfaßt ist, überhaupt nichts klären kann und nur die Konfusion vermehrt.

Es ist hier nicht mehr notwendig zu erklären, warum Pius XII. nicht über die Vernichtung der Juden gesprochen hat. Jedenfalls ist es nicht notwendiger als zu klären, warum er nicht gegen die Ausrottung der Eskimos protestiert hatte. Dennoch ist die Rolle des Vatikans von einigem Interesse gegenüber unserem Untersuchungsgegenstand, so daß hierzu einige Worte angemessen sind.

Zunächst einige Hintergrundanmerkungen. Während der Zeit von 1920 bis 1945 betrachtete der Vatikan den Kommunismus als die alleinige Hauptgefahr in der Welt. In diesem Sinne war er für freundliche Beziehungen mit den Faschisten nach deren Machtergreifung in Italien im Jahre 1922. Das Konkordat von 1929, das die anfängliche vor-faschistische antiklerikale Politik der italienischen Regierungen veränderte, war die Grundlage für Beziehungen, die im allgemeinen und zwar bis zum Machtverlust Mussolinis im Jahre 1943 als gut zu bezeichnen waren. Als Hitler 1933 an die Macht kam, hegte der Vatikan ähnliche Hoffnungen auf ein anti-kommunistisches Regime, das seinen häuslichen Frieden mit der Kirche machte. Zu Anfang schien es, daß die Ereignisse gleichermaßen wie in Italien ungeordnet waren, wohingegen das Konkordat, das seit 1933 mit Hitler weiterhin in Kraft blieb und der Kirche einen Steueranteil sicherte und die Kompetenzbereiche von Kirche und Staat näher definierte, die Erwartung einer auskömmlichen Zusammenarbeit verstärkte.

Die Verhältnisse entwickelten sich jedoch nicht so gut. Obgleich das Konkordat die Rechte im Erziehungsbereich und der

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Jugendkultur allgemein zur Zufriedenheit des Vatikans definierte, fanden die Nationalsozialisten es schwierig, mit solchen Bedingungen zu leben, und fanden verschiedene Wege, die katholische Position zu unterlaufen, ohne die Bedingungen des Konkordates zu widerrufen. Z.B. wurde den katholischen Jugendorganisationen verboten, sich im Sport zu engagieren, wobei man darauf spekulierte, daß solche Einschränkungen gegenüber Verbindungen, die sich zu den Sphären der geistigen Welt hingezogen fühlen, zu ihrem allmählichen Verwelken beitragen würden. Da gab es auch verschiedene Arten von Einschüchterungen gegenüber den Eltern, die darauf bestanden, ihre Kinder in katholische Schulen zu schicken.

Darüber hinaus waren nationalsozialistische Veröffentlichungen wie das "Schwarze Korps" (SS-Magazin) und "Der Stürmer" offen anti-christlich; sie häuften auf den Papst und die katholische Geistlichkeit ständig allgemeine Verachtung, indem sie Anklagen begünstigten, daß die heiligen Männer homosexuell wären oder Liebschaften mit Jüdinnen hätten. Obgleich die Nationalsozialisten sich niemals um die wichtigste Bestimmung des Konkordates, die Zurverfügungstellung von Steuereinkünften, drückten, wurde die gegenseitige Feindschaft so groß, daß viele fühlten, daß es stets gute Gründe für einen zweiten Kulturkampf gab (Kulturkampf war der Begriff für Bismarcks erfolglosen Versuch von 1871/1875, die Macht der Römischen Kirche in Deutschland zu vermindern) .

Die Feindschaft zwischen dem Nationalsozialismus und dem Vatikan führte im Jahr 1937 zu der höchst ungewöhnlichen päpstlichen Enzyklika "Mit brennender Sorge". Herausgegeben in Deutsch anstatt wie gewöhnlich in Latein, stellte es eine der stärksten Attacken dar, die der Vatikan jemals gegen irgendeinen Staat unternommen hatte. Der Papst damals war Pius XI, während Eugenio Kardinal Pacelli, der im Jahre 1939 Pius XII. werden sollte, Staatssekretär des Vatikans war. Pacelli, ein Diplomat mit weltweiter Erfahrung, zehn Jahre lang päpstlicher Nuntius in Deutschland und fließend deutschsprechend, wurde bereits als der offensichtliche Nachfolger Pius XI angesehen, und seine Bedeutung war in den Reihen der internationalen Diplomatie nicht in Frage gestellt. "Mit brennender Sorge" war unter seiner Oberaufsicht geschrieben worden. [1]

Trotz der unbestrittenen Feindschaft zwischen der Kirche und dem Nationalsozialismus sollte im Gedächtnis behalten werden, daß der Kommunismus in den Augen des Vatikans noch der Hauptfeind war. Mit einem Gegner wie dem deutschen Nationalsozialismus gab es für die Kirche noch genügend Spielraum zum Manövrieren, doch die Kommunisten hatten sich bis zu jenem Zeitpunkt als totale und tödliche Feinde gezeigt. Mehr noch : Deutschland war nicht der einzige europäische Staat, mit dem der Vatikan unzufrieden war. Frankreich und die Tschechoslowakei hatten stark antiklerikale Regierungen. Auf diese Weise konnte der Vatikan, als der Krieg kam, obgleich er natürlich offiziell neutral blieb, weder begeistert für die eine noch die andere Seite sein. Seitdem der Kommunismus als der Hauptfeind angesehen wurde, ist es wahrscheinlich korrekt, daß der Vatikan eher die Achsenseite vorzog. Aber von seiner Sicht her betrachtet war es definitiv die Wahl des kleineren Übels. Darüber hinaus gab es innerhalb der Kirche eine beträchtliche Meinungsver-

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schiedenheit über die Vorzüge dieses oder jenes Regimes. So war z.B. der päpstliche Nuntius in Berlin während der Kriegszeit, Msgr. Cesare Orsenigo, offensichtlich mit dem deutschen Sieg über Frankreich 1940 zufrieden und drückte gegenüber dem Deutschen Auswärtigen Amt die Hoffnung aus, daß die Deutschen nach Paris über Versailles einmarschieren würden. Auf der anderen Seite war der Jesuiten-kontrollierte Vatikan-Rundfunk so anti-deutsch, daß die Briten ihn als wirkliche Ausweitung ihres eigenen Propagandadienstes betrachteten. [2]

So viel über den politischen Hintergrund der Vatikan-Situation während des Krieges. Wir kehren zurück zur Betrachtung des päpstlichen Schweigens über die Vernichtung der Juden. Es wäre nicht zu bewerkstelligen, hier die Ansichten all derer wiederzugeben, die zu der Kontroverse beigetragen haben. So werden wir uns in dieser Hinsicht zurückhalten.

Zunächst ist es der Vatikan selbst, der hauptsächlich durch 9 Bände der Kriegszeitdokumente dargestellt ist, die in den Jahren 1967-1975 veröffentlicht worden sind : "Actes et Documents du Saint Siège relatifs à la Seconde Guerre mondiale". Der Hauptherausgeber dieser Serien war Robert A. Graham, ein anerkannter Jesuit und früherer Herausgeber des Jesuiten-Magazins "America". Graham, der die Ausrottungslegende bejaht, hat sich in diesen Angelegenheiten als der Hauptsprecher des Vatikans herausgestellt. Unglücklicherweise sind die einzigen Bände von den neun, die ausschließlich den Kriegsopfern gewidmet sind, die letzten beiden. Sie wurden in den Jahren 1974-1975 veröffentlicht und führen nicht über den Dezember 1943 hinaus.

Die verschiedenen Positionen unter den zahlreichen Autoren der Kontroverse sind gut abgesteckt in den beiden kürzlich erschienenen Büchern "Der Vatikan im Zeitalter der Diktatoren" von Anthony Rhodes (London 1973), einem Verteidiger des Vatikans, und "Die Juden des Papstes" von San Waagenaar (London 1974), einer Kritik des Papstes.

Die offizielle Vatikan-Position, wie sie in der Einführung zum achten Band der "Actes et Documents" dargestellt ist, lautet :

"Während seiner kurzen Visite beim Vatikan am 26.9.1942 erneuerte der persönliche Abgesandte von Präsident Roosevelt, Myron Taylor, eine offizielle Bitte um Information. Sie haben vom Genfer Büro der Jüdischen Agentur für Palästina eine Nachricht über die verzweifelte Situation der polnischen Juden und der nach Polen deportierten Juden erhalten. Der Bericht mit Datum 30. August beschrieb die Liquidation des Warschauer Ghettos, die Vernichtung in einem "Belzek" genannten Lager, in Lemberg und in Warschau. Die Bestimmung der Deportationen war Tod : "Die Juden, die von Deutschland, Belgien, Holland, Frankreich und der Slowakei deportiert wurden", sagte der Bericht, "wurden in das Schlachthaus gesandt, während die Arier, die von Holland und Frankreich nach dem Osten deportiert wurden, wirklich zum Arbeitseinsatz kamen". Im Memorandum von Taylor an Kardinal Maglione (Staatssekretär des Vatikans) hieß es : "Ich würde Eurer Eminenz sehr dankbar sein, wenn es möglich wäre, mir zu berichten, ob der Vatikan über irgendeine Information verfügt, die den Bericht, auf den dieses Memorandum Bezug nimmt, zu bekräftigen geeignet ist. Wenn ja, würde ich gern in Erfahrung bringen, ob der Heilige Vater

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irgendwelche Vorstellungen hat, praktische Maßnahmen zu ergreifen, die Kräfte der öffentlichen Meinung der zivilisierten Welt zu mobilisieren, um die Fortsetzung dieses Barbarentums zu verhindern."

Kardinal Maglione hatte am 10. Oktober zu antworten, daß er auf seiner Seite keine besondere Information habe, die den Genfer Bericht bestätige. In Wirklichkeit war die einzige detaillierte Nachricht, die in jenen Tagen den Vatikan erreichte, die gleiche, die die USA erhalten hatten. Die Quellen waren der polnische Botschafter beim Vatikan und die jüdischen Organisationen selbst. "Die Berichte über ernste Maßnahmen, die gegenüber Nichtariern angewandt worden sein sollen, gelangten auch von anderen Quellen zum Heiligen Stuhl, aber gegenwärtig war es nicht möglich, sie auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen." Unter diesen Bedingungen erscheint es nicht angebracht, praktische Maßnahmen der angedeuteten Art in die Wege zu leiten.

Sehr bedeutsam sind die Noten, die Maglione niederschrieb, nachdem er das Taylor-Dokument erhalten hatte : "Ich glaube nicht, daß wir irgendeine Nachricht haben, die diese schwerwiegenden Neuigkeiten bestätigen. Richtig?" Ein Leser dieser Zeilen vermerkte hierzu : "Da ist Mr. Malvezzis". Die Information von Malvezzi, Leiter einer italienischen Firma, der kürzlich aus Polen zurückgekehrt war, war ernst, aber allgemein und stimmte nicht mit dem Genfer Bericht überein.

Das, was der Kardinal Staatssekretär von 'harten Maßnahmen' gehört hat, kann im Lichte der Dokumente dieser zwei Jahre gedeutet werden. Die Information, die vom Vatikan empfangen und ernstgenommen wurde, bestand aus zwei oder drei handgeschriebenen Berichten, betraf jedoch die brutale Behandlung der Juden in Ungarn, Kroatien, der Slowakei, Frankreich und anderer Länder. Welches die endgültige Bestimmung der Deportierten, welches der Plan der Nationalsozialisten war, blieb damals ein Rätsel. Als z.B. im Monat März Msgr. Burzio, der Botschaftsrat in der Slowakei, davon sprach, daß die Deportierten "in einen sicheren Tod gingen", ist klar, daß er die Behauptung auf die unmenschlichen Bedingungen der Abschiebung und die Brutalität der Wachmannschaften stützte. Nach einem solchen Beginnen war es leicht zu glauben, daß die Alten, Kranken und die Kinder nicht in der Lage waren, lange zu überleben, auch dann, wenn in den überbelegten Lagern, die auch der sanitären Anlagen ermangelten, nicht Typhus sie niederwarf. In dem gleichen Sinn ist die Bemerkung des kroatischen Polizeichefs Eugene Kvaternik aufzufassen, demzufolge die Deutschen bereits zwei Millionen umgebracht hätten und das gleiche Schicksal die kroatischen Juden erwarten würde. Später wurden diese Worte als nur zu exakt bestätigt. Es ist jedoch augenscheinlich, daß der Repräsentant des Heiligen Stuhles, Vater Abbe Marcone, beim Übermitteln dieser Nachrichten an den Vatikan nicht glaubte oder unfähig war zu glauben, daß sie wörtlich zu nehmen wären. Man nahm sie schließlich als nachhaltigen Wink auf die Tragödie, die nur in allgemeinen Zügen in Erscheinung trat.

Das Ende des Jahres 1942 sah verschiedene öffentliche Erklärungen über Deportationen. Am 17. Dezember veröffentlichten die Vereinten Nationen in London eine Deklaration über die Menschenrechte, in der in starken, aber allgemeinen Formulierungen die den Juden zuteilgewordene Behandlung verurteilt wurde. Am 24. Dezember machte Papst Pius XII. in seiner Weihnachtsadresse eine sehr klare Andeutung über die betreffenden Deportationen, welche die Welt zu jener Zeit nur mit großer Schwierigkeit in eine Vorstellung zu bringen vermochte."

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Diese Vatikan-Erklärung ist nicht annehmbar. Es ist natürlich wahr, daß nur gelegentlich Bruchstücke, die Anmerkungen über Judenvernichtungen enthalten, in ihren Dokumenten erscheinen. Darüber hinaus würde kein vernünftiger Mensch leugnen, daß die meisten dieser Bruchstücke als erfundene Propaganda klassifiziert werden müssen, denn die Behauptungen der Vernichtungen sind entweder in gewissem Sinn mit anderen Behauptungen gekoppelt, was heute niemand abstreiten würde, oder sie sind mit anderen Ungereimtheiten verquickt, die ihre Glaubwürdigkeit zunichtemachen. Z.B. eine Note von Wladislas Raczkiewicz, dem Präsidenten der polnischen Exilregierung in London, an den Vatikan vom 2. Januar 1943. In ihr wird behauptet, daß die Deutschen mit der generellen Ausrottung der polnischen Bevölkerung zusätzlich zu ihrer jüdischen Minorität begonnen hätten (in Übereinstimmung mit unserer Analyse des Kap. III erwähnt die Note das Auschwitz-Konzentrationslager mit dem Vermerk, daß es nicht eines der Vernichtungsplätze sei). [3] Wir haben bereits im Kapitel III berichtet, daß Msgr. Burzio, der päpstliche Botschaftsrat in der Slowakei, einige erfundene Geschichten nach Rom zurückschickte. Zusätzliche Bruchstücke dieser Sorte sind unten wiedergegeben.

Man muß natürlich die Vatikan-Behauptung akzeptieren, daß solche Informationen, die er während des Krieges erhalten hat, nicht als eindeutiges Zeugnis über Vernichtungen angesehen werden konnten. Das ist bereits in diesem Buch bewiesen worden. Jedoch ist das nicht der Punkt. Die Vatikan-Sprecher machen nicht nur geltend, daß ihre Information kein Vernichtungsprogramm enthüllt, aber daß die Vernichtungen im kontinentalen Maßstab stattgefunden hätten, - ohne daß den Vatikan hierüber verläßliche Informationen erreicht haben. Diese Behauptung ist völlig lächerlich. Man kann sich mit ihr einfach nicht mehr als ein paar Sekunden befassen.

Für ein Vernichtungsprogramm dieses Typs ist es nicht möglich, daß auf der einen Seite behauptet wird, es seien zeitig genügend Nachrichten nach außen gedrungen, es sich jedoch auf der anderen Seite herausstellt, daß der Vatikan keinerlei Nachrichten dieser Art erhalten hatte. Es wird vermutet, daß die Schlächtereien hauptsächlich im katholischen Polen stattgefunden haben sollen, wo die Kirche ihre Agenten, ihre katholischen Priester in jedem Dorf hat, die durch Hören, Geschwätz, Zeugen usw. zumindest soviel in Erfahrung bringen, daß keine solchen Geschehnisse wie Vernichtungen passieren konnten, ohne daß die gesamte polnische Geistlichkeit davon Kenntnis erhalten hätte. Es ist wahr, daß die polnische Geistlichkeit und der Vatikan nicht in herkömmlicher Freiheit miteinander verkehren konnten wie in der Einführung zum Band 3 des "Actes et Documents" erklärt ist. Doch wie dort ebenfalls dargelegt worden ist, gab es viele Wege, die Zensur zu umgehen, hauptsächlich über Italiener, die in Polen und in Gebieten des Ostens verschiedene Arten von Geschäften betrieben, sowie durch Botschaften, die von privaten Personen aus Polen an den päpstlichen Nuntius in Berlin übermittelt wurden, der mit dem Vatikan über privilegierte diplomatische Kanäle verkehrte.

Rhodes anerkennt, daß die Behauptung, von Vernichtungen nichts gewußt zu haben, nicht haltbar ist, und er gesteht zu (seit er vermutet, die Vernichtungen seien geschehen), daß Papst Pius XII.

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von ihnen hätte gewußt haben müssen. Die Erklärung für das Fehlen einer unzweideutigen Aussage scheint für Rhodes eine Furcht zu sein, daß irgendeine öffentliche und ausgesprochene Verurteilung die Situation der Katholiken in Deutschland und den besetzten Ländern schlimmer gemacht hätte. Rhodes gesteht dann ein, daß "in seinen privaten Botschaften an die Staatsoberhäupter im Zusammenhang mit der Verfolgung von Juden, Pius XII. sicherlich frei heraus gesprochen habe", und gab dann zwei Beispiele von solchen privaten Botschaften, die sich auf die Slowakei und auf Ungarn bezogen, welche jedoch nichts über Vernichtungen enthielten, sondern lediglich von Deportationen und Judenverfolgungen in allgemeinen Redewendungen sprachen. [4]

Rhodes Bild eines furchtsamen Pius, ängstlich, gegen die Nationalsozialisten und deren Programme aufzutreten, läßt sich aus vielen Gründen nicht aufrechterhalten. Wie aus den Dokumenten, die Rhodes zitiert, ersichtlich ist, müßte er behaupten, daß der Papst auch zu ängstlich gewesen sei, bei vertraulichen diplomatischen Kontakten mit der Sprache herauszukommen. Der historische Bericht bestätigt nicht Rhodes Bild von einer Katholischen Kirche, die von den Nationalsozialisten mit Terror zum Schweigen gebracht worden wäre. Die deutschen Bischöfe waren keineswegs ins Schweigen hinein terrorisiert worden. Während sie - ähnlich wie ihre Gegenpartner in den alliierten Ländern - sich niemals gegen die deutschen Kriegsanstrengungen gestellt haben, waren sie während des Krieges in ihrer Opposition zu den religionsbezogenen Maßnahmen und den Werten des nationalsozialistischen Regimes recht lautstark. Sie drückten ihre Opposition in der katholischen Presse in Deutschland sowie von den Kanzeln in Deutschland aus. Im Dezember 1942 sandten die deutschen Bischöfe anläßlich ihrer jährlichen Konferenz in Fulda eine Deklaration an die deutsche Regierung, in der sie die Verfolgung der katholischen Kirche in den besetzten Ländern verurteilten. Im Januar 1943 verurteilte der Bischof von Berlin, Graf v. Preysing, öffentlich die NS-Rassentheorien und -politik. Im August 1943 verurteilten die deutschen Bischöfe öffentlich die gegen die katholische Erziehung gerichteten Maßnahmen des Nationalsozialismus, und diese Abschwörung wurde überall in Deutschland öffentlich verlesen. [5] Der unausweichliche Tatbestand ist, daß die katholische Kirche nicht mit Terror zum Schweigen gebracht worden ist.

Furcht erklärt nicht, warum Papst Pius versagte, die behaupteten Vernichtungen zu verurteilen, nachdem die Nationalsozialisten geschlagen waren. Die Rede des Papstes an das Kardinalskollegium vom 2.6.1945 war eine lange und scharfe Attacke gegen die geschlagenen Nationalsozialisten und selbst der einzige Anhaltspunkt in der Rede, der möglicherweise als eine Referenz gegenüber den Vernichtungen interpretiert werden könnte, war ein Hinweis auf die "Anwendung von NS-Lehren, die sogar so weit gingen, die ausgefallendsten wissenschaftlichen Methoden zu verwenden, um Menschen zu quälen oder auszurotten, die oft unschuldig waren." Jedoch, wenn man in der Rede weiterliest, wird einem klar, daß der Papst wie so viele andere Menschen zu jener Zeit an die katastrophalen Szenen dachte, die in den deutschen Lagern bei Kriegsende vorgefunden worden waren. Die einzigen spezifischen Opfer, die erwähnt wurden, sind die in Dachau

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interniert gewesenen katholischen Pfarrer, von denen ein hoher Prozentsatz umgekommen ist aus Gründen, die in diesem Buch reichlich ausgebreitet worden sind. Obgleich Papst Pius einen polnischen Hilfsbischof erwähnte, der an Typhus gestorben war, hinterlassen seine Bemerkungen den Eindruck, daß er glaubte, daß die Totenfälle in den deutschen Lagern seitens der Nationalsozialisten beabsichtigt gewesen seien. So beschrieb Papst Pius die in Dachau interniert gewesenen Pfarrer als solche, die "unbeschreibliche Leiden für ihren Glauben und ihre Berufung erduldet hätten." In dieser Ansprache ist nichts über Vernichtungen irgendeiner rassischen, religiösen oder nationalen Gruppe enthalten. [6]

Während der Bericht nicht andeutet, daß die Römische Kirche während des Krieges mit Terror zum Schweigen gebracht worden sei, war der Vatikan nichtsdestoweniger verwundbar gegenüber nachhaltigen außenpolitischen Einwirkungen. So haben andere als historische Gründe zu der Deklaration des Papstes geführt, die ihrerseits sehr den Tönen einer Verurteilung von Vernichtungen aus seiner Weihnachtsbotschaft von 1942 entsprach.

Im Kapitel III und soeben haben wir gesehen, daß die Alliierten den Vatikan im Herbst 1942 bedrängten, ob er irgendwelche Informationen habe, die die Vernichtungsbehauptungen von Rabbi Wise und einigen anderen vor einigen Monaten bestätigen würden, und daß der Vatikan keine solche Information hatte. Während Papst Pius und sein Staatssekretär Luigi Kardinal Maglione zweifellos Greuelpropaganda rochen, als sie solche Geschichten hörten, zeigt das Vatikan-Material, daß sie sich schließlich etwas bemühten, nachforschend in die Materie einzudringen. Auch der päpstliche Nuntius in Italien, Msgr. Francesco Borgongini-Duca traf am 10. November 1942 mit Guido Buffarini, Unterstaatssekretär im italienischen Innenministerium, zusammen, um die allgemeine militärische und politische Lage zu besprechen. Die Situation der Juden wurde diskutiert und Borgongini-Duca berichtet Maglione : [7]

Dann sprach er zu mir im Hinblick auf die Rede Hitlers (in München am 8. November), und nachdem ich ihn gefragt hatte, wenn auch in Anspielungen auf Vergeltungsmaßnahmen, ob sie Erstickungsgas anzuwenden beabsichtigen, antwortete er mir entschieden zweimal "nein".

So hatte der Vatikan im Herbst 1942 in Wirklichkeit keine Information, tendierte jedoch dazu, die Vernichtungsbehauptungen zu bestätigen. Er nahm diese Position auch im Austausch mit den alliierten Repräsentanten ein, wenn diese Angelegenheit zur Sprache kam. Im Kapitel III vermerkten wir, daß es dort eine anonyme Note gab, vermutlich von einer Vatikan-Quelle, produziert Ende November, welche die Vernichtungsbehauptungen unterstützte. Jedoch war die Note ohne Zweifel in gewisser Hinsicht eine Fälschung, zumal der Inhalt dieser Note nicht der Haltung des Vatikans entsprach. Wenn sie von einer Quelle innerhalb des Vatikans stammen sollte, so wird sie wohl von Virgilio Scattolini geschrieben, zumindest konzipiert worden sein. Scattolini war ein Angestellter der Vatikan-Zeitung "I Osservatore Romano", der sich während des Krieges als Vatikan-Insider aufspielte, um seine fabrizierte Information zu verkaufen, zurechtgeschneidert für den

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Käufer und für alle Besucher. Der OSS stufte ihn zeitweilig als "unseren Mann im Vatikan" ein. [8] Weniger wahrscheinlich ist, daß die Note von Pfarrer Pirro Scavizzi kam, mit dem wir uns noch auseinandersetzen werden.

Die Information, über die der Vatikan im Dezember 1942 hinsichtlich der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten verfügte, ist in einer Botschaft von Msgr. Giuseppe Di Meglio wiedergegeben, der dem Stab von Orsenigo angehörte, dem päpstlichen Nuntius in Berlin. Di Meglio hat sie dem Vatikan am 9. Dezember 1942 zugeleitet. Die Botschaft behandelt langatmig die deutsche Politik gegenüber den Juden, und es ist gut zu vermuten, daß solches Material als Antwort auf eine Anfrage von Orsenigo dem Vatikan geschrieben worden ist. Die Berliner Nuntiatur war zweifellos als beste Quelle für eine solche Information innerhalb der Kirche bekannt, da, wie bereits vermerkt wurde, die Verbindungen zwischen Polen und dem Vatikan zu einem beträchtlichen Umfang durch Orsenigos Berliner Büro gingen. Der Kern der Botschaft, der sich mit den Juden befaßte, war : [9]

"Seitdem viele vor Ankunft der deutschen Truppen aus dem russisch besetztem polnischen Gebiet sowie aus dem eigentlichen russischen Territorium geflohen waren, schätzt man, daß gegenwärtig im Reich und in den besetzten Gebieten einschließlich Böhmen und Mähren mehr als 4 Millionen Juden leben, das sind ein Viertel der jüdischen Weltbevölkerung. Maßnahmen :

1.) Institution von Ghettos.

Stadtviertel einiger Städte werden als offizielle Wohngebiete für Juden festgelegt, mit dem Recht auf eigene Verwaltung, Polizeitruppen und angemessene Nachrichtenmittel.

Von den bis jetzt errichteten Ghettos sind die wichtigsten Litzmannstadt (Lodz) und Warschau. Einige Ghettos sind auch in den baltischen und in den besetzten russischen Gebieten errichtet worden.

2.) Konzentrationslager.

Da es offensichtlich ist, daß in den städtischen Ghettos nicht für alle Juden Platz geschaffen werden konnte, wurden große Konzentrationslager geschaffen, wo sie ein hartes Leben führen. Ihnen wird wenig Nahrung gegeben, sie sind für außerordentlich schwere Arbeitsbedingungen ausersehen, die für viele einen schnellen Tod bedeuten. Es wird gesagt, daß solche Konzentrationslager bis jetzt in Polen gegründet sind, daß die östlichen Gebiete, besonders Polen in den Plänen der deutschen Regierung als die definitive Residenz für die jüdische Bevölkerung Europas ausersehen sind. Allgemein, um nicht die Aufmerksamkeit der Bevölkerung zu sehr darauf zu lenken, sind sie gezwungen, ihre Behausungen mitten in der Nacht zu verlassen. Ihnen wird erlaubt, ein wenig Kleidung und nur eine kleine Summe Geld mitzunehmen.

3.) Der Stern.

Seit September 1941 wurde zwangsweise für alle Juden ein Identifikationsmerkmal eingeführt, ein gelber Stern mit sechs Zacken, der auf der Brust zu tragen ist mit der Inschrift in der Mitte : Jude! Die Ansicht dieser blassen und ausgemergelten Kerle (ihre Lebensmittelrationen sind viel geringer als jene der Deutschen, einige Nahrungsmittel sind ihnen gänzlich vorenthalten), die zu vorgeschriebenen Zeiten des Tages auf den Straßen gehen, oder wenn sie fahren, sich in den Ecken zusammendrängen, erwecken ein durchdringendes Gefühl von Schrecken und Mitleid.

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Unmenschliche Behandlung in den besetzten Gebieten und in den Deutschland politisch unterworfenen Völkern. Ein aus Rumänien zurückgekehrter italienischer Journalist gab mir vor einiger Zeit einen langen Bericht über die von jenem Land angewandten brutalen Methoden gegen die Juden, die hauptsächlich von den Deutschen angestachelt worden wären. Er berichtete mir, daß ein Zug voll mit Juden war; jede Öffnung war geschlossen, so daß keine Luft eindringen konnte. Als der Zug an seinem Bestimmungsort ankam, gab es nur noch ein paar Überlebende und zwar jene, die sich in der Nähe einiger unvollständig verriegelter Öffnungen befanden und ein bißchen Luft schnappen konnten...."

Di Meglio schloß diesen Bericht seiner Botschaft, indem er den anti-christlichen Charakter von Alfred Rosenbergs "Institut für Erforschung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben" erwähnte, sowie die Teilnahmslosigkeit der deutschen Priesterschaft gegenüber den Vertreibungen der Juden.

In verschiedener Hinsicht war die Information Di Meglios offensichtlich irrig. Z.B. können wir eine gute Vorstellung der wirklichen Bedingungen der Deportationen der rumänischen Juden dem Bericht des Internationalen Roten Kreuzes entnehmen, sowohl dem hier im Kapitel V abgedruckten Auszug als auch anderen Teilen, [10] sowie aus Niederschriften von J. G. Burg. Es ist sicher, daß die Ereignisse in der Geschichte, die von dem anonymen italienischen Journalisten geschildert wurden, Erfindungen waren. Di Meglios scheint willig, das Schlimmste anzunehmen.

Di Meglios Behandlung der Rolle der Konzentrationslager läßt einige Mißdeutungen aktueller Bedingungen zu. In einer Hinsicht behauptet er, daß viele Juden in Konzentrationslager geschickt worden seien, weil es in den Ghettos für sie nicht genügend Platz gegeben habe. Dies ist nicht korrekt. Juden und auch andere wurden in Polen in Lager verbracht, entsprechend der dort erforderlich gewordenen Arbeitsanforderungen. Di Meglio erweckte gleichzeitig den Eindruck, daß die Lager hauptsächlich zur Zusammenfassung der Juden ausersehen gewesen seien, was ebenfalls nicht wahr ist. Außerdem übertreibt er wahrscheinlich die Knappheit der Lebensmittel in den Lagern, jedoch war er, wie wir im Kapitel IV gesehen haben, offensichtlich korrekt in bezug auf die hohe Sterberate in den Lagern zur Zeit seines Berichtes, obgleich Überarbeitung nicht der Grund für die Todesursache war.

In anderen Worten : Di Meglios Beschreibung der Situation war die allgemeine oder annähernde Wahrheit mit einigen Ungenauigkeiten und getrübt mit seinem Willen, das schlimmste davon zu glauben. Es ist eindeutig, daß er keine Information von der Existenz eines Vernichtungsprogramms hatte, das auch nur geringfügig dem ähneln würde, was damals in der alliierten Propaganda Gestalt anzunehmen begann und welches von verschiedenen alliierten Diplomaten und jüdischen Organisationen dem Vatikan zugetragen wurde.

Die Weihnachtsbotschaft des Papstes machte ohne besonderen Hinweis auf die Juden einen beiläufigen Vermerk über "die hunderttausende, die ohne eigene Schuld und nur weil sie einer bestimmten Nation oder Rasse angehören, zum Tode oder moderner Vernichtung verurteilt würden". Berlin reagierte auf diese Botschaft in unterschiedlicher Weise. Das RSHA betrachtete sie als einen direkten Angriff auf das NS-Regime, während das Deutsche

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Auswärtige Amt es anscheinend mehr oder weniger als heiliges Geschwätz aufgefaßt hat. Die Alliierten haben offiziell die Vernichtungsbehauptungen in einem Bericht am 17. Dez. 1942 verkündet, in dem die "Zahl der Opfer mit vielen hunderttausend Juden errechnet" angegeben war. Dennoch waren sie mit der Botschaft des Papstes nicht zufrieden und hielten sie für nicht deutlich genug. [11]

Jedoch von unserem Gesichtspunkt aus scheint der Hinweis in der päpstlichen Weihnachtsbotschaft zunächst verwirrend hart, wenn man berücksichtigt, daß der Vatikan sich auf die Informationen von der Berliner Nuntiatur gestützt hat und daß diese doch sehr harte Anmerkung einer solchen Kategorie bereits in einem so frühen Stadium des Krieges gemacht worden und nie mehr wiederholt worden ist.

Die Erklärung für das Aufscheinen dieses Hinweises auf den "Tod oder moderne Vernichtung" in der päpstlichen Weihnachtsbotschaft, die zudem jegliche Arten von Kriegsereignissen in sich schließen konnte - und zwar aller Länder -, findet sich in den Kriegszeitdokumenten des Vatikans. Gegen Ende 1942 und Anfang 1943 bestand eine der diplomatischen Hauptbemühungen des Vatikans darin, eine Zusage von den Alliierten zu erhalten, Rom nicht zu bombardieren. Die Briten bestanden besonders hartnäckig auf ihrem Recht, Rom mit Bomben zu belegen, - verglichen mit den Amerikanern, die über eine zahlreiche katholische Minderheit in den USA verfügten, die zu einem sehr wichtigen Bestandteil der politischen Basis des Roosevelt'schen "New-Deal-Progamms" geworden war. Die Briten versteiften sich auf die Haltung, daß Rom keine Sondervorrechte eingeräumt bekommen dürfte und bombardiert werden würde, sofern militärische Erwägungen eine solche Aktion rechtfertigen. In Verfolg seines Anliegens verhandelte der Vatikan nicht nur mit den Alliierten, um zu versuchen, sie von ihrem offensichtlichen Kurs abzubringen, sondern auch mit den Deutschen und Italienern, um sie zu überreden, Rom von jeglichen militärischen Operationen auszusparen. (Es gab in der Stadt keine oder so gut wie keine Kriegsindustrie, jedoch befanden sich dort militärische Hauptquartiere und Kasernen.) Im Dezember 1942 stimmte die italienische Regierung zu, ihre militärischen Kommandostäbe aus Rom abzuziehen. Im Gefühl, daß im Sinne seines Anliegens einiger Fortschritt erreicht worden ist, traf Kardinal Maglione am 14. Dezember mit dem britischen Botschafter beim Vatikan, Sir F. D'Arcy Osborne zusammen, um diese Entwicklung den Briten mitzuteilen und um das Bombardierungsthema durchzusprechen. Osborne jedoch blieb unbeeindruckt und führte aus, daß weiterhin italienische Truppen in der Stadt verblieben seien. Magliones Notizen über dieses Treffen hielten folgendes fest : [12]

"Der Botschafter führte aus, daß man den Eindruck habe, der Vatikan sei in bezug auf die italienischen Städte besonders voreingenommen, wenn er von Bombardierungen spreche, nur weil sie italienisch seien. Ich gab ihm zu bedenken :

1.) daß für Rom besondere Erwägungen maßgebend seien. Ich zählte sie ihm auf und versäumte nicht zu wiederholen, daß, wenn Rom bombardiert würde, der Heilige Stuhl protestieren würde.

2.) daß der Heilige Stuhl gegen die Bombardierung der Zivilbevölkerung der

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italienischen Städte jetzt interveniert, weil solche Bombardierungen ein immer stärkeres Ausmaß annehmen. Der Botschafter vergaß nicht, daß der Heilige Vater gegen die Bombardierung verteidigungsunfähiger Bevölkerungen bei anderen Gelegenheiten bereits Einspruch eingelegt hatte. Als die englischen Städte mit Bomben belegt worden waren, wußte jeder, daß sich der Heilige Vater sogleich mit harten Worten dagegen gewandt hatte. Der Botschafter anerkannte die Richtigkeit meiner Darlegung und erklärte dann : Aber warum interveniert der Heilige Vater nicht gegen das schreckliche Abschlachten der Juden?

Ich rief ihm in Erinnerung zurück, daß der Heilige Vater bereits in seiner Weihnachtsmesse mit Nachdruck auf das Recht auf Leben, auf friedliche Existenz und auf ausreichenden Anteil an den Gütern dieser Welt für alle Menschen, ungeachtet ihrer Rasse und Religion, verwiesen habe. Man darf nicht vergessen, fügte ich hinzu, wieviel der Heilige Vater getan hat und weiterhin tut, um die mißliche Lage der Juden zu erleichtern. Diese Leute wissen das und danken dem Heiligen Vater oft dafür, was er für sie schon alles getan hat.

Der Botschafter bestand darauf, daß der Heilige Vater intervenieren müsse, um die Massaker der Juden zu beenden. (Ende der Note)."

Später am gleichen Tage eilte Osborne in das Sekretariat von Msgr. Domenico Tardini (dem Auswärtigen Amt des Vatikans) und versicherte Tardini unter Hinweis auf den Abzug der italienischen Kommandostäbe aus Rom, daß "dies nichts ändere"! Tardini faßte sein Gespräch mit Osborne in seinen Notizen zusammen, die damit endeten, daß [13]

"der Abzug der italienischen Kommandostäbe helfen mag, stärker deutlich zu machen, daß, wer immer Rom bombardiert, barbarisch ist (und so ist es gut, daß der Heilige Stuhl eine interessierte Partei ist); doch es wird Rom Bombardierungen nicht ersparen."

So sehen wir den Hintergrund der päpstlichen Weihnachtsbotschaft. Dem Vatikan gegenüber, so erscheint es dem Gespräch zwischen Osborne und Maglione zufolge, versuchten die Engländer ein Geschäft vorzuschlagen : Der Papst verurteilt die Vernichtung der Juden und die Alliierten verzichten darauf, Rom zu bombardieren, - eine überzeugende Sachlage, die selbst einen Heiligen Vater hätte beeindrucken können. Abgesehen von irgendwelchen ethischen Betrachtungen war es dem Vatikan augenfällig, daß er seine offizielle Neutralität nicht aufs Spiel setzen könne, indem er öffentlich die Deutschen mit völlig aus der Luft gegriffenen Anklagen überschüttet. Und da die Deutschen zu jener Zeit noch die militärisch dominierende Macht auf dem Kontinent darstellten, erschien der Hinweis in der Weihnachtsbotschaft ohne jeglichen Hinweis auf Juden oder Deutschland (gleichermaßen wie andere Anmerkungen, die mehr oder weniger anti-deutsch klangen, wenn auch sie nicht spezifiziert waren). Jedoch verschwanden die alliierten Bombendrohungen gegenüber Rom nach der Weihnachtsbotschaft 1942 nicht. So gab es mit Ausnahme eines kurzen, ähnlich gehaltenen Hinweises in einer langen päpstlichen Botschaft vom 2. Juni 1943, der von der Weltpresse ignoriert wurde, kein Gespräch dieser Art mehr seitens des Vatikans. In seinem Brief vom 30. April 1943 an seinen Freund v. Preysing vermerkte Papst Pius einen

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politischen Hinweis, aber selbst in dieser vertraulichen Mitteilung waren seine gezielten Worte milder als jene Bemerkungen in der Weihnachtsbotschaft. [14]

Obwohl der Vatikan in Osbornes Bemerkungen mit Recht einen besonderen Vorschlag erblickte, scheint es höchst wahrscheinlich, daß dies eine Fehldeutung war und Osborne nicht geglaubt hat, seinerseits etwas angeboten zu haben. Es ist auch möglich, daß Osborne gefühlt hat, daß Maglione eine verhältnismäßig unnachgiebige Haltung einnahm und auf diese Weise etwas außerhalb des Rahmens aufgegriffen hat, um die Argumentation auf seiner Seite in der Diskussion zu verstärken. Die offizielle alliierte Erklärung über die Vernichtung der Juden kam drei Tage später und somit lag die Angelegenheit zweifellos irgendwie beim diplomatischen Korps in der Luft und gelangte natürlich auch zu Osborne.

Rom wurde erstmalig am 19. Juli 1943 bombardiert (von den Amerikanern). Die Ziele waren Eisenbahnknotenpunkte, die die deutschen und italienischen Truppen nach der Landung der Alliierten in Sizilien am 9. Juli begonnen hatten zu benutzen. Im Verlauf der nachfolgenden Angriffe fielen Bomben auch gelegentlich auf den Vatikan, doch war der Schaden an historischen und religiösen Schätzen sowohl im Vatikan als auch anderswo in Rom geringfügig.

Der einzige andere Punkt von einigem Interesse hinsichtlich der Rolle des Vatikans ist, daß seine Bemühungen, die Hilfe gegenüber den Juden auszuweiten, ziemlich ausgedehnt waren, was Rhodes zugestand. Jedoch sollte in diesem Zusammenhang auch Waagenaar gelesen werden, der einige Fehler aufzeigt, die Rhodes an einigen Punkten unterlaufen sind. Jedoch vom Standpunkt, bei dem es nur auf die Analyse der Vernichtungslegende ankommt, ist die einzig bedeutsame Schlußfolgerung aus solchen Aktivitäten des Vatikans, daß sie weitere Anhaltspunkte dafür bieten, wie der Vatikan zu jener Zeit mit den jüdischen Verhältnissen in Europa befaßt war. Somit war es nicht möglich, daß eine Vernichtung hätte vor sich gehen können, ohne daß der Vatikan davon gewußt hätte.

Während die bedeutenden diesbezüglichen Anhaltspunkte für die Rolle des Vatikans nicht viele sind und auch zugedeckt wurden, gibt es doch einige seltsame Sachverhalte, die es wert sind, in dieser Abhandlung bekanntzumachen.

Ein seltsamer Charakter, der in den Kriegszeitdokumenten des Vatikans in Erscheinung tritt, ist Piero Scavizzi, ein recht einfacher Priester, der auf italienischen Militärlazarettzügen mitgenommen wurde, die zwischen Italien und der Ostfront hin- und herfuhren. Er wurde "Fürsorger" genannt und verabreichte den verwundeten italienischen Soldaten all jene Tröstungen, die in solchen Umständen vergeben werden konnten. Indem er auf diese Weise so viel herumreiste, wurde er jedoch auch häufig als Kurier benutzt, und sein häufig enger Kontakt zu hochrangigen Prälaten, der sich aus dem Überbringen solcher Botschaften ergab, scheint seine Fantasie angefeuert zu haben.

Die erste Wunderlichkeit, der wir begegnen, datiert vom Februar-März 1942. Scavizzi verfaßte einen Brief, angeblich von Adam Sapieha, Erzbischof von Krakau, über die Leiden der katholischen Priester unter den brutalen Deutschen. Wie sich aus den

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"Actes et Documents" jedoch ergibt, waren die Umstände höchst merkwürdig : [15]

"... Der Erzbischof schlug alle Vorsichtsmaßregeln in den Wind und beschrieb ... die Härte der Nazi-Unterdrückung und die Tragödie der Konzentrationslager. Aber nachdem er sein Testament bei ... Scavizzi hinterlegt hatte, bekam er es mit der Angst und sandte Scavizzi eine Mitteilung, in der er ihn bat, das Dokument zu verbrennen "aus Angst, daß es in die Hände der Deutschen fallen könnte, die alle Bischöfe und vielleicht auch andere erschießen würden". Der Priester Scavizzi vernichtete die besagte Schrift, aber nicht ohne daß er vorher eine Abschrift mit eigener Hand gefertigt und gleichzeitig sein eigenes Testament über die Tragödie und die Verzweiflung, die sich für die Katholiken in Polen täglich ergab, anzufügen."

Daß Scavizzi einen Brief verfaßt haben will, nachdem er in Erfüllung einer Bitte des wirklichen Autors dessen Testament verbrannte, ruft eine etwas eigenartige Reaktion hervor. Setzen wir uns dennoch mit ihm auseinander. Das nächste Mal erscheint er im Zusammenhang mit einem Brief, den er an Papst Pius am 12. Mai 1942 von Bologna aus geschrieben hat : [16]

"Gegenüber dem anwesenden Nuntius bedauerte der Kardinal (Orsenigo, Nuntius in Berlin) das Schweigen darüber und drückte sein Urteil dahingehend aus, daß er (der Papst) zu furchtsam und an solchen gravierenden Neuigkeiten nicht interessiert sei.

Die antijüdische Kampagne ist unerbittlich und nimmt immer mehr zu, - mit Deportationen und Massenexekutionen. Die Massaker an den Juden in der Ukraine sind bereits vollendet. In Polen und Deutschland ist beabsichtigt, sie ebenfalls mit einem System von Massentötungen zur vollständigen Ausrottung auszudehnen."

Wir haben oben gesehen, daß dies nicht den Informationen der Berliner Nuntiatur entspricht. So hat Scavizzi seine eigenen Meinungen Orsenigo unterschoben. Jedoch selbst wenn Orsenigo solche Ansicht gehabt hätte, ist es extrem lächerlich zu glauben, daß er diese dem Scavizzi anvertraut hätte, und sei es auch nur zu Scavizzis persönlicher Information. Ganz zu schweigen von dem Auftrag, sie dem Papst weiterzuleiten. Scavizzis Zuverlässigkeit muß in Frage gestellt erscheinen.

Das nächste Mal erscheint Scavizzi am 7. Oktober 1942, als er "einen Bericht über die Situation in Polen" schrieb, der auf irgendeine Weise in die Aktenbestände des Vatikans gelangte : [17]

"Die Juden : Die Ausmerzung der Juden mittels Massentötungen ohne Rücksicht auf Kinder und sogar Babies ist nahezu lückenlos. Für alle diejenigen, die von ihnen zurückbleiben und mit weißen Armbinden markiert sind, ist zivilisiertes Leben unmöglich. Ihnen ist verboten, irgendwelche Geschäfte zum Einkauf zu betreten, Straßenbahnen oder Taxis zu benutzen. Kinos aufzusuchen oder nichtjüdische Wohnungen zu betreten. Bevor sie deportiert oder getötet werden, werden sie zu harter Arbeit verpflichtet, auch dann, wenn sie einer kultivierten Klasse angehören. Die wenigen verbleibenden Juden erscheinen gelassen, fast demonstrativ stolz. Es wird behauptet, daß mehr als zwei Millionen Juden getötet worden sein sollen."

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An diesem Punkt steigt ein zweiter Verdacht auf, nämlich, daß der Vatikan - gleichermaßen wie wir auf die Notizen von Scavizzi reagiert haben - den Berichten von Scavizzi wenig Gewicht beigemessen hat. Der Vatikan hatte solches Material von Scavizzi in seinen Akten, doch betrachtete er es nicht als Bestätigung für die Behauptungen der zionistischen Organisationen, wie dies oben deutlich geworden ist.

Da die Kriegszeitdokumente des Vatikans zur Zeit der Veröffentlichung dieses Buches der Öffentlichkeit noch nicht vollständig vorlagen, ist es möglich, daß Scavizzi in den Fortsetzungsbänden dieser Dokumente nicht mehr aufscheint. Jedoch behauptete er im Jahre 1964 (um 1967 verstarb er) in einem italienischen Magazin, daß der Papst während des Krieges ihm - Piero Scavizzi - gelegentlich eines negativen Zusammenhanges anvertraut habe, daß er in Erwägung ziehe, Hitler (ein nomineller Katholik) wegen seiner Vernichtung der Juden zu exkommunizieren! [18] Das ist es. Scavizzi war offensichtlich ein Spinner, der wer weiß welche Geschichten erfand, um sich wichtiger erscheinen zu lassen, als seine niedrige Position als Begleiter von Lazarettransporten vermuten lassen würde. Daher wird klar, daß unser zweiter Argwohn richtig sein muß : Scavizzi wurde vom Vatikan für eine harmlose Nuß angesehen, dem man zutrauen könnte, letzte heilige Handlungen zu verrichten und auch Briefe zu überbringen, der aber nicht in der Lage wäre, Fakten auseinanderzuhalten. Es ist leicht amüsant, daß die Herausgeber der "Actes et Documents", so man sie von ihren Herausgeber-Kommentaren her beurteilt, Scavizzi ernst genommen zu haben scheinen. Jedoch wenn dem Leser der Dokumente ins Auge springt, daß Scavizzi ein Schwätzer von großspurigen Geschichten ist, ist es möglich, daß die Herausgeber über Scavizzi und die von ihm behandelten Themen anders gedacht haben als was sie ausgedrückt haben.

Da gibt es jedoch einen Punkt von nicht geringfügiger Bedeutung im Zusammenhang mit Scavizzis Berichten, hauptsächlich den Bericht vom 12. Mai 1942, betreffend die Aussage, die Orsenigo ihm anvertraut habe. Es ist nicht anzunehmen, daß Scavizzi unabhängig, d.h. allein die Vernichtungslegende erfunden hat, wenngleich es auch in etwa möglich ist. Wenn er die Vernichtungsbehauptungen, die in seinem Brief vom 12. Mai 1942 enthalten sind, nicht erfunden hat, muß er von ihnen irgendwo gehört haben. Dies ist ein Faktum von einigem Interesse insofern, als sein Bericht über einen Monat früher datiert ist, als die zionistischen Organisationen im Westen begannen, sich in dieser Weise zu äußern (die erste solche Erklärung vom Jüdischen Weltkongreß war am 29. Juni 1942, wie wir im Kapitel III vermerkt haben). Dies bestätigt, daß solche Propaganda in Ost-Europa bereits vor dem Juni 1942 in Umlauf war. Dies wiederum stimmt mit der Angabe von Dawidowicz überein, derzufolge die Vernichtungsbehauptungen für das Wartheland (der annektierte Teil von Polen südlich des Korridors) auf die Tötung mittels LKW-Autoabgasen bei Chelmno verweisen, die zum erstenmal in der vierseitigen jüdischen Untergrundpublikation - "Veker" - erschienen. Dort sind die ersten Vernichtungsbehauptungen auf den Seiten drei und vier in den Ausgaben vom Februar 1942 erschienen. Behauptungen von Vernichtungen im Generalgouvernement von Polen (mittels Gas in Belczek) wurden in

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der Untergrundpublikation "Mitteylungen" Anfang April 1942 aufgestellt. [19]

So ergibt sich, daß die Vernichtungslegende ihre Geburt obskuren polnischen Juden-Propagandisten verdankt, jedoch die Nährung dieser Legende bis zum Status eines internationalen und historischen Schwindels von zionistischen Kreisen vollzogen wurde, die hauptsächlich im Westen, besonders in und um New York herum ihren Sitz hatten.

Seither erscheint es, daß die Vernichtungspropaganda seit Frühjahr 1942 in Polen in Schwung war. Daher ergibt sich, daß die meisten dieser Informationen, die den Vatikan von Polen erreichten, durch das Amt des päpstlichen Nuntius in Berlin gingen. Somit mußten solche Geschichten zeitig Orsenigo begegnet sein. So war in der Tat ein Brief von Orsenigo an Msgr. Giovanni Montini (der gegenwärtige Papst Paul VI, der zur Zeit des Krieges oft an Stelle Magliones eingesetzt worden war) vom 28. Juli 1942 hauptsächlich den Klagen über die Schwierigkeit gewidmet, exakte Nachrichten über das Geschehen gegenüber den Juden zu erhalten. Nachdem er einige Kommentare abgegeben hatte über die gelegentliche Praxis der "Nazis", ausgewählten Juden plötzlich und ohne Warnung zu befehlen, sich für die Deportation bereitzumachen, schrieb er : [20]

"Wie leicht zu verstehen ist, öffnet dieses Fehlen von Nachrichten die Tür für die makabersten Mutmaßungen über das Schicksal der Nicht-Arier. Da sind ebenfalls Gerüchte in Umlauf, die schwierig auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen sind, über verheerende Transportverhältnisse und sogar Massaker an Juden. Sogar jede Intervention zugunsten der nicht-arischen Katholiken wurde mit der landläufigen Antwort zurückgewiesen, daß Taufwasser nicht das jüdische Blut verändere und daß das Deutsche Reich im Verteidigungskampf gegen die jüdische Rasse stehe und nicht gegen die Religion der getauften Juden.

Unter solchen schlimmen Gerüchten gibt es keinen Mangel an einigen weniger betrüblichen Nachrichten : So wird z.B. darüber gesprochen, daß in Holland, wo die Deportation der Nicht-Arier jetzt begonnen hat, ein ausgesprochener Protest der Priesterschaft, mit dem sich die katholischen Bischöfe solidarisch erklärten, Erfolg gehabt habe und die getauften Nicht-Arier von den Deportationen ausgenommen worden seien. Gleichermaßen wurde berichtet, daß in dem berüchtigten Ghetto von Litzmannstadt, im Wartheland, einem polnischen Priester, der mit einem Elan von apostolischem Heroismus darum gebeten hatte, gestattet worden sei, das Ghetto zu betreten und dort zu verbleiben, um sich um das Seelenheil der nicht-arischen Katholiken zu kümmern."

Eine Fußnote der Herausgeber vermerkt, daß die Geschichte von Holland falsch war. Wir vermerken hier, daß ein beträchtlicher Teil des Bemühens durch den Vatikan zur Hilfe für die Juden in jener Zeit hauptsächlich auf die Familien ausgerichtet war, die mit jüdischem Herkommen zum Katholizismus konvertiert waren, und deren Situation besonders tragisch insofern war, als niemand ihnen wohlgesinnt zu sein schien : Die Deutschen betrachteten sie als Juden, und die Juden betrachteten sie als Renegaten.

Die vorhergehenden Bemerkungen von Orsenigo machen deutlich, daß Scavizzi ihn zum mindesten entstellt wiedergegeben hat, macht aber ebenfalls deutlich, daß er gewisse schreckliche Gerüchte gehört

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hat, obwohl nicht sicher ist, was er unter "Massaker" (eccidi in massa) versteht. Es gab da natürlich, wie wir im Kapitel VII berichtet haben, gelegentliche Massaker von Juden während des Krieges, und die Gerüchte, die zu ihm gedrungen sind, mögen sich darauf beziehen : sie mögen aber auch ihren Ursprung in der Vernichtungspropaganda haben, die, ausgehend von jüdischen Untergrundorganisationen in Polen, kurz vorher begonnen hat. Es ist sogar möglich, daß Orsenigo an einige Hinweise gedacht hat, die Scavizzi im Zusammenhang mit der "Information", die er in seinem Brief vom 12. Mai 1942 bei der Berliner Nuntiatur hinterlassen hat. In jedem Fall zeigt der Brief Di Meglios vom 9. Dezember 1942, daß die Nuntiatur zu jener Zeit keinerlei Vernichtungsbehauptungen anerkannt hat (mit Ausnahme vielleicht der Geschichte aus Rumänien), selbst wenn ihr solche Berichte zugetragen worden sind.

Da gibt es eine Reihe weiterer Punkte, die einer Diskussion wert sind und die im Zusammenhang mit den Vatikan-Dokumenten stehen. Während des Krieges war der Vertreter des Vatikans in Griechenland und der Türkei Msgr. Angelo Roncalli, der spätere Papst Johann XXIII. Am 8. Juli 1943 berichtete er dem Vatikan von Istanbul aus wie folgt : [21]

"1. Entsprechend meinen Richtlinien, im Kontakt mit den verschiedenen Personen, selbst solchen mit Amt und Würden, vorsichtig zu sein, vermeide ich Versammlungen, die nicht besonders notwendig oder im einzelnen nützlich sind. So sah ich z.B. von Papen (deutscher Botschafter in der Türkei) nur einmal in sechs Monaten und nur flüchtig und aus gelegentlichem Anlaß meines Osterbesuches in Ankara. Zu jener Zeit gab es viel Gesprächsstoff über die Katyn-Affaire, die, gemäß von Papen den Polen hätte die Vorteile eines Umschwenkens zu den Deutschen nahelegen sollen. Ich erwiderte mit traurigem Lächeln, daß es vor allen Dingen zuerst notwendig wäre, ihnen einen Überblick zu vermitteln über das Schicksal der Millionen Juden, die nach Polen verschleppt worden seien und dort unterdrückt würden, und daß dies in jedem Fall eine gute Gelegenheit für das Reich wäre, seine Behandlung den Polen gegenüber zu verbessern.

Da nun v. Papen zurückgekehrt war, ebenso wie das gesamte Diplomatische Korps von Ankara bis Istanbul und dem Bosporus, fehlen keinerlei Gelegenheiten zum Treffen.

2. Hin und wieder kommt der vornehme Baron von Lersner, um mich zu sehen..."

In seinen nachfolgenden Notizen geht er weiter auf Sachverhalte ein, die unseren Untersuchungsgegenstand nicht berühren. Als dieses Dokument vom Vatikan publiziert wurde, berichtete die Presse, daß Roncalli "von den Millionen Juden gesprochen habe, die nach Polen verschleppt und dort vernichtet" worden seien. [22] Das führt auf eine Übersetzung zurück, bei der es auf wenige Worte ankommt. Das italienische Verb "sopprimere" (dessen Vergangenheitsform in Roncallis Note aufscheint) ist sinnverwandt mit dem englischen "to suppress" ("unterdrücken") und dem französischen "supprimer" (was wahrscheinlich gemeint war, da v. Papen und Roncalli vermutlich miteinander französisch gesprochen haben). Die italienischen und französischen Worte sind in der Bedeutung gleichartig, aber sie entsprechen nicht dem englischen Wort, zumal "sopprimere" und "supprimer" einen Zusammenhang mit Töten in

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großem Umfang impliziert, was jedoch nicht mit "Ausrottung" oder "Vernichtung" gleichzusetzen ist. Sowohl die französische wie auch italienische Sprache hat für diese beiden englischen Begriffe einen entsprechenden Ausdruck. Den Begriff "sopprimere" gegenüber einer großen Gruppe von Menschen anzuwenden, schafft einen Zusammenhang mit Tötungen nur, wenn es sich hierbei um große Zahlen handelt und kann oder mag nicht "Ausrottung" bedeuten : es hängt vom Gesamt-Inhalt ab. So ist die Möglichkeit zu unterstellen, daß Roncalli an etwas anderes dachte als an die von den Alliierten vorgebrachten Ausrottungsbehauptungen, von denen Roncalli sicherlich auch gehört hatte. Z.B. mag er an die damals aktuell gewesene und publizistisch breit ausgewalzte Niederschlagung des Warschauer Aufstandes durch die Deutschen gedacht haben, in deren Verlauf die Deutschen viele Juden getötet haben. Jedoch neige ich dazu, ein solche Deutung zurückzuweisen. Es erscheint mir eher, daß Roncalli in solchen Begriffen der Vernichtung gedacht hat, wie sie den Behauptungen der Alliierten entsprachen.

Wenn man jedoch Roncallis Darstellung aufmerksam liest, und zwar vor dem besonderen diplomatischen Hintergrund, wird es deutlich, daß es nicht besonders wichtig ist, was genau Roncalli sich bei seinen Worten gedacht hat. Er beschrieb eine Treff-Gelegenheit zwischen zwei Diplomaten, von denen einer eine Begegnung gar nicht wünschte. Entsprechend seiner "Richtlinie zur Vorsicht" dürften daher seine Worte gewählt worden sein, "um Begegnungen zu vermeiden". Was Roncalli in Wirklichkeit v. Papen gesagt hat, war, daß, sollte letzterer die Begegnung verlängern wollen, Roncalli den Disput verschärfen würde. Roncalli setzte v. Papen in diplomatischer Sprache die Haltung auseinander, die er in dem ersten Satz seines Berichtes rundheraus zum Ausdruck brachte. Roncallis Bemerkung war eine wohlbekannte diplomatische Parade, bei der es nicht besonders bedeutsam ist, was genau der Sprecher sagen will und ob er das glaubt, was er sagt. Das einzige, was an diesem Gespräch wichtig ist, ist die Tatsache, daß Roncalli mit v. Papen nicht zu sprechen wünschte, und daß dies alles war, was er v. Papen sagte. Wenn auf der anderen Seite Roncalli an einem Gespräch mit v. Papen interessiert gewesen wäre, würde er sicherlich die Unterhaltung nicht mit solch feindseligen Bemerkungen eingeleitet haben, weder unter Hinweis auf Vernichtungen oder blutige Unterdrückung von Ghetto-Revolten, ganz gleich wie immer seine eigene Meinung zu den behaupteten deutschen Grausamkeiten und Brutalitäten gewesen sein mag.

Da der Vatikan ein Beobachter und Teilnehmer der Ereignisse des Zweiten Weltkrieges war, war es unvermeidlich, daß die Vernichtungsgeschichten, von denen die ganze Welt gehört hat, auch dem Vatikan zur Kenntnis gelangt sein mußten. Somit fanden die Geschichten natürlich auch in Passagen der Vatikan-Dokumente ihren Niederschlag. Und wenn man dort solchen Passagen begegnet, sollte der Zusammenhang mit möglichen besonderen Motiven jener Personen besonders beachtet werden, die derartige Vermerke niedergeschrieben haben. Gleichermaßen sollte dabei die Entwicklung der Propaganda berücksichtigt werden, wie wir sie in diesem Buch, besonders im Kapitel III, analysiert haben. Roncalli

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versuchte lediglich, v. Papen bei dem Treffen am 8. Juli 1943 in Ankara schnell loszuwerden, wie sein Bericht im ersten Satz andeutet.

Ein anderer Brief, den wir in den Vatikan-Dokumenten finden, war an Papst Pius im August 1942 von dem römisch-katholischen Erzbischof Andre Szeptyczkyi geschrieben worden. Der Brief verweilt in großer Breite bei unterstellten deutschen Grausamkeiten, und der Leser dürfte sehr verwirrt sein, besonders hinsichtlich des Motivs, bis Szeptyczkyi schließlich bei den letzten Zeilen auf den eigentlichen Anlaß seines Briefes zu sprechen kommt. Er vermerkt über sein Versagen, daß es ihm über mehr als drei Jahre hinaus nicht gelungen war, vom Papst einen Apostolischen Segen zu erhalten (d.h. eine päpstliche Bestätigung, höchst wichtig in der Kirchenpolitik), und führte dann aus, daß seine Leiden und Entbehrungen unter den "bösen Deutschen" sicherlich angemessene Gründe für eine schließliche Gewährung eines solchen Segens sein dürften. [23]

Daß die wenigen in den Vatikan-Dokumenten erscheinenden Passagen mit Hinweis auf Judenvernichtungen lediglich die Entwicklung der Propaganda widerspiegeln, ist offensichtlich. Im Kapitel III vermerkten wir, daß Burzio von der Slowakei aus Geschichten über Seifenfabriken dem Vatikan ausgerechnet zu einer Zeit zuleitete, als solche Geschichten Schlager der Propaganda waren. Ein anderes Beispiel ist eine Reihe von Noten, in denen Maglione am 5. Mai 1943 Vernichtungsgeschichten zum besten gab. Der Anlaß für die Zusammenstellung der Noten ist nicht klar, d.h. der Leser kann nicht ermitteln, ob Maglione seine eigenen Eindrücke oder lediglich die Behauptungen anderer wiedergibt (andere Dokumente, die von Maglione zu jener Zeit geschrieben worden sind, lassen nicht den Schluß zu, daß er die Vernichtungsgeschichten geglaubt hat). In jedem Fall sind Gaskammer-Vernichtungen bei Treblinka und in der Nähe von Brest-Litowsk erwähnt. Die Herausgeber der "Actes et Documents" vermerken offenbar verwirrt : [24]

"Die Information, wahrscheinlich von einem italienischen Beamten verbreitet, scheint ziemlich veraltet zu sein, da sie weder Birkenau noch Auschwitz erwähnt, wo der größere Teil der Vernichtungen zu jener Zeit vonstatten ging."

Weiter weisen die Herausgeber im Jahre 1943 auf [25]

"die alliierte Propaganda hin, die ausgiebig beim Thema der deutschen Grausamkeiten verweilte, jedoch über Auschwitz sich vollkommen in Schweigen hüllte, aus Gründen, die wir niemals zufriedenstellenderweise klären konnten."

Genauso wie es unvermeidlich war, daß sich in den Vatikan-Dokumenten etwas von der Propaganda widerspiegeln würde, so war es unvermeidlich, daß etwas von der Wahrheit im Hinblick auf die Sachverhalte, mit denen wir hier befaßt sind, Eingang in den Teil der Vatikan-Papiere gefunden hat, die für die Veröffentlichung ausgewählt wurden. So ergeben die Dokumente, daß der Vatikan trotz allem einigen Zugang zu Juden in Polen hatte, nicht nur polnischen Juden, sondern auch italienischen Juden, die nach der

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deutschen Besetzung Roms am 8. September 1943 deportiert worden waren. [26] Die Herausgeber des Bandes IX der "Actes et Documents" vermerkten (beim Thema der Kriegsopfer im Jahre 1943), daß Freunde und Verwandte bekannt wären, die später Post von den deportierten Juden erhalten haben, daß Mitglieder des holländischen Widerstandes, die in ständigem Kontakt mit den Juden ihres Landes stehen, in einfachen Worten berichteten, daß die Deportierten in Lagern zur Arbeit eingeteilt seien, wohingegen die Älteren in Ghettos verbracht wurden. Sie vermerkten ferner, daß die jüdischen Führer in Rom nicht von irgendeinem Vernichtungsprogramm wüßten und Deportationen nur im Zusammenhang mit "Härten des Winters und der gebrechlichen Gesundheit vieler Deportierter" fürchteten. Dies wird bestätigt "durch viele Briefe, die damals den Vatikan erreichten, und die gegenwärtig ein dickes Aktenbündel in den Archiven füllen ... Keinerlei Erwähnung findet sich über ihre brutale Vernichtung." Wir lesen auch, daß Pater Marie-Benoît (ein Priester, der in der Kriegszeit intensiv mit der Hilfe für die Juden befaßt war) im Juli 1943 einen Bericht über Judendeportationen von Frankreich mit dem Vermerk geschrieben hat, daß das Lager Auschwitz nebst seinen Nachbarlagern Arbeitslager wären, in denen "die Moral der Deportierten allgemein gut sei und sie hoffnungsvoll in die Zukunft sehen." [27]

Nachdem die Auschwitz-Propaganda erst im Jahre 1944 angelaufen war, werden wir wahrscheinlich die Auschwitz-Vernichtungsbehauptungen, wobei dann aber genau auf die Herkunft der "Informationen" zu achten wäre, in den Kriegszeitdokumenten für die Jahre 1944-1945 wiederfinden (oder ....?), sofern sich der Vatikan zu ihrer Veröffentlichung entschließen sollte. Denn alles das, was sich bisher in diesem heiklen Quellenbereich an Vernichtungsbehauptungen niedergeschlagen hat, ist Propaganda.

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Abb. 29 : Lageplan von Birkenau

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Quellenangaben

[1] Rhodes, 171-210
[2] Rhodes, 246
[3] Actes et Documents, Bd. VII, 179
[4] Rhodes, 347
[5] N. Y. Times, 22. Jan. 1943, 6; 13. Mai 1943, 8; 5. Sept. 1943, 7; 6. Sept. 1943, 7
[6] N. Y. Times, 3. Juni 1945, 22
[7] Actes et Documents, Bd. VII, 82
[8] Catholic Historical Review, Bd. 59, Jan. 1974, 719 f
[9] Actes et Documents, Bd. VIII, 738-742
[10] Rotes Kreuz (1948), Bd. III, 520 f
[11] Rhodes 272 f; Waagenaar, 409, 435 f
[12] Actes et Documents, Bd. VII, 136 f; Waagenaar, 413 zitiert den Wortwechsel zwischen Osborne und Maglione, aber zitiert nicht seinen eigentlichen Inhalt bezüglich der Bombendrohung gegenüber Rom
[13] Actes et Documents, Bd. VII, 138 f
[14] Actes et Documents, Bd. II, 326; Bd. IX, 40; Rhodes, 348 f
[15] Actes et Documents, Bd. III, 15 f; Rhodes, 288
[16] Actes et Documents, Bd. VIII, 534
[17] Actes et Documents, Bd. VIII, 669 f
[18] Rhodes, 345; Waagenaar, 431
[19] Dawidowicz, 295 f
[20] Actes et Documents, Bd. VIII, 607 f
[21] Actes et Documents, Bd. VII, 473 f
[22] N. Y. Times, 5. April 1973, 1, 5
[23] Actes et Documents, Bd. III, 625-629
[24] Actes et Documents Bd. IX, 39, 274
[25] Actes et Documents, Bd. IX, 42
[26] Actes et Documents, Bd. IX, 493, 499, 632-636
[27] Actes et Documents, Bd. IX, 38, 42 f, 395 Anm.

Letzte Anm. des Üb. :

Von amtlicher ungarischer Seite wurden die personellen Kriegsverluste der Zivilbevölkerung Ungarns für die Zeit von 1939-1945 - inkl. aller dazugehörigen Volksgruppen - auf insgesamt 44.000 beziffert. In dieser Zahl sind die Zivilkriegsopfer der Ungarn-deutschen mit 3.000-4.000 enthalten. Quelle : "Die deutschen Vertreibungsverluste" hrsg. vom Statistischen Bundesamt, Wiesbaden; Stuttgart 1958 S. 393

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