Wir haben gezeigt, daß die Vernichtungen ein Propagandaschwindel sind, d.h., wir haben dargelegt, was den Juden nicht geschehen ist. Um unsere Untersuchung zu vervollständigen, müssen wir zeigen, was denn nun wirklich passiert ist.
Die Frage, was mit den europäischen Juden geschehen ist, kann relativ leicht beantwortet werden, wenn man nur eine allgemeine Antwort erwartet. Schwieriger ist eine Antwort schon, erwartet man eine statistische Genauigkeit. Für die allgemeine Antwort würden vielleicht die dazugehörigen deutschen Dokumente ausreichen, z.B. um zu erfahren, was hohe deutsche Staatsbeamte über ihr politisches Vorgehen gesagt haben.
So ist die allgemeine Linie der deutschen Judenpolitik einfach zu erkennen : sie ist im NMT-Band 13 umfassend dargelegt. Die US-Anklagevertretung im Wilhelmstraßenprozeß präsentierte ein Dokument NG-2586, bestehend aus mehreren Teilen, deren jeder einzelne aus einem für die Entwicklung der deutschen Judenpolitik wichtigen Dokument besteht. Ein Teil, NG-2586-J ist eine Zusammenfassung der anderen Teile und somit eine nützliche komprimierte Darstellung des gesamten Vorgehens. Man kann kaum etwas besseres tun, als hier ganz einfach den Text eines Memorandums von Dr. Martin Luther, Vorgänger von Horst Wagner im eh. Auswärtigen Amt vom 21. August 1942 wiederzugeben : [1]
"1. Der Grundsatz der deutschen Judenpolitik nach der Machtübernahme bestand darin, die jüdische Auswanderung mit allen Mitteln zu fördern. Zu diesem Zweck wurde im Jahre 1939 durch Generalfeldmarschall Göring in seiner Eigenschaft als Beauftragter für den Vierjahresplan eine Reichszentrale für die jüdische Auswanderung geschaffen und die Leitung Gruppenführer Heydrich als Chef der Sicherheitspolizei übertragen. Das Auswärtige Amt ist im Anschluß der Reichszentrale vertreten, der entsprechende Entwurf eines Schreibens an den Chef der Sicherheitspolizei ist durch den Herrn RAM zu 83/24 B im Februar 1939 genehmigt.
2. Der jetzige Krieg gibt Deutschland die Möglichkeit und auch die Pflicht, die Judenfrage in Europa zu lösen. Mit Rücksicht auf den günstigen Kriegsverlauf gegen Frankreich schlug D III im Juli 1940 als Lösung vor : alle Juden aus Europa zu entfernen und als Gebiet für die Aufnahme der Juden von Frankreich die Insel Madagaskar zu fordern. Der Herr RAM hat grundsätzlich der Aufnahme der Vorarbeiten zur Abschiebung der Juden aus Europa zugestimmt. Es sollte im engen Einvernehmen mit den Dienststellen des Reichsführers-SS vorgegangen werden (vergl. D III 200/40).
Der Madagaskar-Plan wurde vom Reichssicherheitshauptamt begeistert aufgenommen, das nach Ansicht des Auswärtigen Amtes die Dienststelle ist, die erfahrungsmäßig und technisch allein in der Lage ist, eine Juden-
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evakuierung im Großen durchzuführen und die Überwachung der Evakuierten zu gewährleisten. Die zuständige Dienststelle des Reichssicherheitshauptamtes arbeitete darauf einen bis ins einzelne gehenden Plan für die Evakuierung der Juden nach Madagaskar und ihre Ansiedlung dort aus, der vom Reichsführer-SS gebilligt wurde. Gruppenführer Heydrich hat diesen Plan unmittelbar dem Herrn RAM im August 1940 zugeleitet (vergl. D III 2171).
Der Madagaskar-Plan selbst ist durch die politische Entwicklung überholt.
Daß der Führer beabsichtige, sämtliche Juden aus Europa zu evakuieren, teilte mir bereits im August 1940 Botschafter Abetz nach einem Vortrag beim Führer mit. (vergl. D III 2298)
Es bleibt mithin für D III die grundsätzliche Weisung des Herrn RAM bestehen, die Evakuierung der Juden im engsten Einvernehmen mit den Dienststellen des Reichsführers-SS zu betreiben.
3. Die Verwaltung der besetzten Gebiete brachte das Problem der Behandlung der in diesen Gebieten lebenden Juden mit sich. Der Militärbefehlshaber in Frankreich sah sich als erster genötigt, am 27.9.1940 eine Verordnung über die Behandlung der Juden im besetzten Frankreich zu erlassen. Die entsprechende Weisung hat der Herr RAM Botschafter Abetz auf mündlichen Vortrag unmittelbar erteilt.
Nach dem Muster der Pariser Verordnung sind gleiche Verordnungen in den Niederlanden und in Belgien erlassen worden. Da diese Verordnungen ebenso wie die deutschen Judengesetze formell alle Juden unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit erfassen, kam es zu Einsprüchen ausländischer Mächte, u.a. zu Protestnoten der Botschaft der U.S.A., obwohl der Militärbefehlshaber in Frankreich durch interne Anweisung befohlen hatte, die Judenmaßnahmen nicht auf die Staatsangehörigen der neutralen Länder anzuwenden.
Der Herr Reichsaußenminister hat auf Grund der amerikanischen Proteste entschieden, er halte es nicht für richtig, daß militärische Anweisung ergangen sei, amerikanische Juden auszunehmen. Es sei ein Fehler, Einsprüche befreundeter Staaten (Spanien, Ungarn) abzulehnen, dagegen den Amerikanern gegenüber Schwäche zu zeigen. Der Herr RAM halte es für notwendig, diese Anweisungen an die Feldkommandanturen rückgängig zu machen (vergl. D III 5449).
Entsprechend dieser Weisung sind die Judenmaßnahmen allgemein angewendet worden.
4. Durch Brief vom 24.6.1940 - Pol XII 136 - teilte Gruppenführer Heydrich dem Herrn RAM mit, das Gesamtproblem der rund 3 1/2 Millionen Juden in den unter deutscher Hoheitsgewalt stehenden Gebieten könne nicht mehr durch Auswanderung gelöst werden, eine territoriale Endlösung wäre nötig.
Aus dieser Erkenntnis heraus beauftragte Reichsmarschall Göring am 31.7.1941 Gruppenführer Heydrich, unter Beteiligung der in Frage kommenden deutschen Zentralinstanzen, alle erforderlichen Vorbereitungen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa zu treffen, (vergl. D III 709 g) Auf Grund dieser Weisung beraumte Gruppenführer Heydrich am 20.1.1942 eine Sitzung aller beteiligten deutschen Dienststellen an, zu der von den übrigen Ministerien die Staatssekretäre und vom Auswärtigen Amt ich selbst erschienen waren. In der Sitzung erklärte Gruppenführer Heydrich, daß der Auftrag Reichsmarschalls Göring an ihn auf Weisung des Führers erfolgt sei und daß der Führer anstelle der Auswanderung nunmehr die Evakuierung der Juden nach dem Osten als Lösung genehmigt habe (vergl. Seite 5 der Anlage zu D III 29/42 g). Über die Sitzung ist Staatssekretär von Weizsäcker unterrichtet worden : eine Unterrichtung des Herrn RAM ist zunächst unterblieben, weil Gruppenführer Heydrich in Kürze eine
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neue Sitzung zusagte, in der genauere Einzelheiten der Gesamtlösung besprochen werden sollten. Zu dieser Sitzung ist es infolge der Beauftragung des Gruppenführers Heydrich mit den Geschäften des Reichsprotektors in Böhmen und Mähren und infolge seines Todes nicht mehr gekommen.
In der Sitzung am 20.1.1942 habe ich gefordert, daß alle das Ausland betreffenden Fragen vorher mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt werden müßten, was Gruppenführer Heydrich zusagte und auch loyal gehalten hat, wie überhaupt die für Judensachen zuständige Dienststelle des Reichssicherheitshauptamtes von Anfang an alle Maßnahmen in reibungsloser Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt durchgeführt hat. Das Reichssicherheitshauptamt ist auf diesem Sektor in nahezu übervorsichtiger Form vorgegangen.
5. Auf Grund der zu 4. erwähnten Führerweisung wurde mit der Evakuierung der Juden aus Deutschland begonnen. Es lag nahe, gleich die jüdischen Staatsangehörigen der Länder mitzuerfassen, die ebenfalls Judenmaßnahmen ergriffen hatten. Das Reichssicherheitshauptamt richtete eine entsprechende Anfrage an das Auswärtige Amt. Aus Gründen der Courtoisie wurde über die Deutschen Gesandtschaften in Preßburg, Agram und Bukarest bei den dortigen Regierungen angefragt, ob sie ihre Juden in angemessener Frist aus Deutschland abberufen oder ihrer Abschiebung in die Ghettos im Osten zustimmen wollten. Dem Erlaß dieser Weisung haben vor Abgang zugestimmt : St.S., U.St.S. Pol., Dir. Ha Pol., Dir. Recht (vergl. D III 536 g) -.
Die Deutsche Gesandtschaft Bukarest berichtet zu D III 602 g, - die Rumänische Regierung überlasse es der Reichsregierung, ihre Juden gemeinsam mit den deutschen in die Ghettos nach dem Osten abzuschieben. Sie habe kein Interesse daran, daß rumänische Juden nach Rumänien zurückkehrten.
Die Gesandtschaft Agram teilte mit, die Kroatische Regierung danke für die Geste der Deutschen Regierung, sie wäre aber für Abschiebung der Juden nach dem Osten dankbar, (vergl. D III 624 g).
Die Gesandtschaft Preßburg berichtete zu D III 661 g, - die Slowakische Regierung sei mit der Abschiebung in die östlichen Ghettos grundsätzlich einverstanden. Die slowakischen berechtigten Ansprüche auf das Vermögen dieser Juden sollten aber nicht gefährdet werden. Die Drahtberichte sind auch dem Büro RAM wie üblich zugegangen.
Auf Grund der Berichte der Gesandten habe ich dem Reichssicherheitshauptamt zu D III 661 g mitgeteilt, die Juden rumänischer, kroatischer und slowakischer Staatsangehörigkeit könnten mit abgeschoben werden, ihr Vermögen sei sicherzustellen. Dir. Pol. IV, R IX, Ha Pol. IV haben das Schreiben mitgezeichnet.
Entsprechend wurden die Abschiebungen der Juden aus den besetzten Gebieten gehandhabt.
6. Die Zahl der auf diese Weise nach dem Osten abgeschobenen Juden reichte nicht aus, den Bedarf an Arbeitskräften dort zu decken. Das Reichssicherheitshauptamt trat daher auf Weisung des Reichsführers-SS an das Auswärtige Amt heran, die Slowakische Regierung zu bitten, 20.000 junge, kräftige slowakische Juden aus der Slowakei zur Abschiebung in den Osten zur Verfügung zu stellen. Die Deutsche Gesandtschaft Preßburg wurde zu D III 874 mit entsprechender Weisung versehen. Die Weisung haben abgezeichnet : der Herr Staatssekretär, U.St.S. Pol und Pol IV.
Die Gesandtschaft Preßburg berichtete zu D III 1002, die Slowakische Regierung habe den Vorschlag mit Eifer aufgegriffen, die Vorarbeiten könnten eingeleitet werden.
Auf diese freudige Zustimmung der Slowakischen Regierung hin schlug der Reichsführer-SS vor, auch den Rest der slowakischen Juden in den Osten
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abzuschieben und die Slowakei so judenfrei zu machen. Die Gesandtschaft wurde zu D III 1559 Ang. II mit entsprechender Weisung versehen; den Entwurf der Weisung hat der Herr Staatssekretär abgezeichnet, nach Abgang wurde er dem Büro RAM und U.St.S. Pol zur Kenntnis gebracht.
Da das slowakische Episkopat inzwischen gegen den Abtransport der Juden bei der Slowakischen Regierung vorstellig geworden war, ist in der Weisung ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden, daß es wegen der Evakuierung der Juden in der Slowakei auf keinen Fall zu innerpolitischen Schwierigkeiten kommen dürfe. Durch Drahtbericht zu D III 2006 berichtete die Gesandtschaft, die Slowakische Regierung habe sich mildem Abtransport aller Juden ohne jeden deutschen Druck einverstanden erklärt und der Staatspräsident persönlich habe dem Abtransport zugestimmt. Der Drahtbericht hat beim Büro RAM vorgelegen. Die Slowakische Regierung hat außerdem zugestimmt, daß sie für jeden evakuierten Juden als Unkostenbeitrag 500.- RM zuzahlt.
Inzwischen sind 52.000 Juden aus der Slowakei fortgeschafft. Bedingt durch kirchliche Einflüsse und Korruptionen einzelner Beamter haben 35.000 Juden Sonderlegitimation erhalten. Ministerpräsident Tuka wünscht jedoch, die Judenaussiedlung fortzusetzen und hat deshalb um Unterstützung durch diplomatischen Druck des Reiches gebeten (vergl. D III 3865). Der Gesandte ist ermächtigt, diese diplomatische Hilfe in der Weise zu geben, daß er Staatspräsident Dr. Tiso gegenüber zum Ausdruck bringen darf, die Ausschließung der 35.000 Juden würde in Deutschland überraschen, umsomehr, als die bisherige Mitwirkung der Slowakei in der Judenfrage hier sehr gewürdigt worden sei. Diese Weisung ist von U.St.S. Pol und Staatssekretär mitgezeichnet.
7. Die Kroatische Regierung ist ebenfalls mit der Aussiedlung der Juden aus Kroatien grundsätzlich einverstanden. Im besonderen hält sie den Abtransport der 4-5.000 Juden aus der von den Italienern besetzten zweiten Zone (Zentren Dubrovnik und Mostar) für wichtig, die eine politische Belastung darstellen und deren Beseitigung zur allgemeinen Beruhigung dienen würde. Die Aussiedlung kann allerdings nur mit deutscher Hilfe erfolgen, da von italienischer Seite Schwierigkeiten zu erwarten sind. Praktische Beispiele von Widerstand italienischer Behörden gegen Kroatische Maßnahmen im Interesse vermögender Juden liegen vor. Im übrigen erklärte der italienische Stabschef in Mostar, der Umsiedlung nicht zustimmen zu können, da allen Einwohnern Mostars gleiche Behandlung zugesichert sei.
Nachdem inzwischen laut telefonischer Mitteilung aus Agram die Kroatische Regierung ihre schriftliche Zustimmung zu der vorgeschlagenen Aktion gegeben hat, hält es Gesandter Kasche für richtig, mit der Aussiedlung zu beginnen, und zwar grundsätzlich für das gesamte Staatsgebiet. Man könne es darauf ankommen lassen, ob sich im Zuge der Aktion Schwierigkeiten ergeben, soweit es sich um die von Italienern besetzten Zone handelt.
Eine entsprechende Vorlage (D III 562 g) an den Herrn RAM ist von Herrn St.S. von Weizsäcker angehalten worden, da er zunächst eine Rückfrage bei der Botschaft in Rom für notwendig hielt. Die Antwort steht noch aus.
Die Frage der italienischen Juden taucht in gleicher Weise bei der Evakuierung der Juden in Frankreich auf.
Botschafter Abetz weist im Hinblick auf den in Vorbereitung befindlichen Abtransport aus den besetzten französischen Gebieten daraufhin, daß ein dringendes politisches Interesse bestünde, durch die Evakuierungsmaßnahmen zunächst die fremdländischen Juden zu erfassen. Nachdem diese als Fremdkörper empfundenen Juden an sich schon besonders verhaßt seien, würde ihre Übergehung und damit quasi Privilegierung Mißstimmung erzeugen, umsomehr, als unter ihnen verantwortliche Urheber von jüdischen Terror- und
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Sabotageakten zu suchen waren. Es sei bedauerlich, daß gerade die Achse in diesem Punkt keine einheitliche Politik zu verfolgen scheine.
Falls die Evakuierung der fremdländischen Juden nicht sofort möglich sei, sollte zunächst die Italienische Regierung veranlaßt werden, ihre Juden aus Frankreich zurückzuziehen.
Von italienischer Seite scheinen wirtschaftliche Interessen eine maßgebende Rolle zu spielen; deren Sicherung ist aber durchaus möglich, so daß an diesem Punkte kein Hindernis für die angestrebte Lösung zu liegen braucht.
Über diese Frage der italienischen Juden in Frankreich liegt eine Vortragsnotiz vom 24.7. zu D III 562 g beim Herrn RAM vor.
8. Gelegentlich eines Empfanges durch den Herrn RAM am 26.11.1941 hat der Bulgarische Außenminister Popoff die Frage der Gleichbehandlung der Juden europäischer Staatsangehörigkeit angeschnitten und auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die Bulgarien bei der Anwendung seiner Judengesetze auf Juden fremder Staatsangehörigkeit habe.
Der Herr RAM erwiderte, er finde diese von Herrn Popoff angeschnittene Frage nicht uninteressant. Schon jetzt könne er ihm das eine sagen, daß am Ende dieses Krieges sämtliche Juden Europa würden verlassen müssen. Dies sei ein unabänderlicher Entschluß des Führers und auch der einzige Weg, dieser Frage Herr zu werden, da sie nur global einer umfassenden Lösung zugeführt werden könne und Einzelmaßnahmen wenig hülfen. Im übrigen solle man auf die Proteste wegen der Juden fremder Staatsangehörigkeit nicht allzu viel Wert legen. Wir ließen uns jedenfalls auf derartige Proteste von amerikanischer Seite nicht mehr ein. Er - der RAM - werde das von Herrn Popoff angeschnittene Problem im Auswärtigen Amt einmal durchprüfen lassen.
Der Herr RAM beauftragte mich, die zugesagte Prüfung vorzunehmen, (vergl. D III 660 g).
Auf meine grundsätzliche Vortragsnotiz vom 4.12.1941 zu D III 660 g, die ich mit den entsprechenden Akten gleichzeitig absende, bitte ich verweisen zu dürfen. Diese Vortragsnotiz hat der Herr St.S. angehalten, weil er vorher noch eine Prüfung durch die Rechtsabteilung für notwendig hielt. Nach deren Ansicht stand der deutsch-bulgarische Handels- und Schiffahrtsvertrag den von mir vorgeschlagenen deutsch-bulgarischen Vereinbarungen entgegen. Ich habe daher die Deutsche Gesandtschaft Sofia zu D III 497 g unter dem 19.6 angewiesen, unter Bezugnahme auf die Anregung des bulgarischen Außenministers Popoff bei seinem Empfang mit der Bulgarischen Regierung Fühlung zu nehmen und festzustellen, ob sie bereit sei, eine Absprache in der Judenfrage dahin zu treffen, keine Rechte aus dem Handels- und Schiffahrtsvertrag zugunsten von Juden bei Zusicherung der Gegenseitigkeit geltend zu machen.
Wenn von bulgarischer Seite die Frage gestellt werde, ob Deutschland bereit sei, Juden aus Bulgarien nach dem Osten abzuschieben, solle die Frage bejaht, hinsichtlich des Zeitpunktes der Abnahme jedoch ausweichend geantwortet werden. Dieser Erlaß ist vom Herrn St.S., U.St.S., Dir. Pol, Dir. Ha Pol, Pol IV, Ha Pol IV sowie R mitgezeichnet. Die Gesandtschaft hat entsprechende Noten mit der Bulgarischen Regierung gewechselt und berichtet, daß die Bulgarische Regierung in der Frage der Evakuierung grundsätzlich bereit ist, eine Absprache mit uns zu treffen. Damit ist die Grundlage gegeben, die bulgarischen Juden mit in die Judenmaßnahmen einzubeziehen. (D III 559 g und 569 g).
9. An die Ungarische Regierung ist wegen Judenaussiedlung noch nicht herangetreten worden, weil der Stand der Ungarischen Judengesetzgebung bisher einen ausreichenden Erfolg nicht verspricht.
10. Gemäß der zu 8. erwähnten Zustimmung der Rumänischen Regierung wurde mit der Evakuierung der rumänischen Juden aus Deutschland und den besetzten Gebieten begonnen, worauf verschiedene rumänische Konsulate und
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der Rumänische Gesandte in Berlin, die ohne Weisung ihrer Regierung geblieben waren, intervenierten. Gesandter von Killinger wurde daher um Klarstellung gebeten. Die Gesandtschaft scheint sich hierzu des ihr zugeteilten Judenberaters Richter bedient zu haben, dem die Rumänische Regierung ihre frühere Zustimmung zur Einbeziehung der rumänischen Juden in die deutschen Maßnahmen bestätigte und dem der Stv. Ministerpräsident Mihai Antonescu den Wunsch des Marschalls mitteilte, die deutschen Dienststellen möchten auch die Aussiedlung aus Rumänien selbst durchführen und sofort mit dem Abtransport der Juden aus den Bezirken Arad, Timisoara und Turda beginnen.
Wegen der Einzelheiten darf ich auf meine Vortragsnotiz vom 17.8. zu D III 649 verweisen.
11. Auf Wunsch der betreffenden Regierungen sind den Gesandtschaften Preßburg, Agram und Bukarest Judenberater zugeteilt worden. Sie sind auf Anfordern des Auswärtigen Amtes vom Reichssicherheitshauptamt zur Verfügung gestellt. Ihr Auftrag ist ein zeitlich begrenzter. Er endet, sobald die Judenfrage in dem betreffenden Lande als im deutschen Sinne gelöst anzusehen ist. Zunächst wurde davon ausgegangen, daß dies der Fall sei, sobald das bereffende Land den deutschen gleichwertige Judengesetze erlassen hat.
Daher wurde Richter bereits im vorigen Jahre durch das Reichssicherheitshauptamt aus Rumänien zurückberufen.
Auf dringende Anforderung der Gesandtschaft Bukarest wurde Richter trotz Sträubens des Reichssicherheitshauptamtes erneut der Gesandtschaft mit der ausdrücklichen Absicht zugeteilt, ihn bis zur praktischen Endlösung in Rumänien zu belassen (D III 1703 g und 1893 g).
Da alle Verhandlungen mit der Rumänischen Regierung über das Auswärtige Amt gelaufen sind, ist der vom Reichsführer-SS vorgelegte Bericht des Obersturmführers Richter nur als interner Arbeitsbericht an das Reichssicherheitshauptamt zu bewerten. Die ungewöhnliche Form, die abschließende Besprechung durch Handschreiben des Stv. Ministerpräsidenten bestätigen zu lassen, ist sofort nach Eingang des Berichts durch Erlaß vom 17. d. Mts. in scharfer Form beanstandet worden; die offizielle Behandlung der Angelegenheit soll unverzüglich nachgeholt werden. Vorgänge sind mit D III 659 g bereits dorthin vorgelegt worden.
Die vorgesehenen Abschiebungen stellen einen weiten Schritt vorwärts auf dem Wege der Gesamtlösung dar und sind im Hinblick auf andere Staaten (Ungarn) sehr wichtig. Der Abtransport nach dem Generalgouvernement ist eine vorläufige Maßnahme. Die Juden werden nach den besetzten Ostgebieten weiterbefördert, sobald die technischen Voraussetzungen dazu gegeben sind.
Ich bitte daher, die Weiterführung der begonnenen Verhandlungen und Maßnahmen unter diesen Voraussetzungen in der vorgesehenen Form zu genehmigen.
Luther"
Das Material, das mit den Worten beginnt "Wenn von bulgarischer Seite die Frage gestellt werde" und mit den Worten endet "Die Unterlagen sind dort bereits unter D III 659, Geheim", ist im NMT-Band 13 weggelassen worden. Das Datum 24. Juni 1940 des Dokumentes Pol XII 136, im 4. Abschnitt scheint dem Zusammenhang entsprechend ein Irrtum zu sein; es muß 1941 heißen.
Dieses ist kein für sich allein stehendes Dokument. Es ist nicht nur die Zusammenfassung einer bestimmten Zahl von Dokumenten zu Maßnahmen der deutschen Reichsregierung gegenüber den Juden, sondern es umreißt alle Dokumente, die sich auf die Judenpolitik
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beziehen, außer denen, die wir als Fälschungen festgestellt haben. Die "Endlösung" bedeutete die Vertreibung aller Juden aus dem deutschen Einflußbereich in Europa. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion bestand ihre spezifische Bedeutung in der Umsiedlung dieser Juden nach dem Osten. Die deutschen Dokumente dieser Stufe (von denen, die erhalten geblieben sind) drücken dieses unmißverständlich aus. Selbst von den Vernichtungs-Mythologen wird dies eingeräumt, indem sie dieses eben eine verschlüsselte Formulierung für Vernichtung bezeichnen. [2]
Mehrfach haben wir bereits auf diesen Umsiedlungsplan nach dem Osten hingewiesen. Am deutlichsten kommt er in dem Auszug aus dem Bericht des Roten Kreuzes zum Ausdruck, der - ungeachtet seiner doppeldeutigen Bemerkungen über "Vernichtung" - eine Darstellung gibt, die sich ziemlich eng an die Schilderung im Dokument NG-2586-J hält, einen Plan zur Auswanderung aus dem Jahre 1939. Waren die Juden in der nachfolgenden Kriegszeit bezüglich der Slowakei zur "Zwangseinwanderung in unter deutscher Herrschaft stehende Gebiete" vorgesehen, so vollzogen sich andere Umsiedlungen weniger zielgerichtet : So kehrten z.B. viele rumänische Zwangsumsiedler aus dem Osten zurück, obwohl es dort entsprechende Gelegenheiten gegeben hätte, sie zu vernichten, so dies vorgesehen gewesen wäre. Trotz der mehrfachen vagen und doppeldeutigen Bemerkungen über "Endlösung" oder auch "Vernichtung" bestätigt der Rote Kreuz Bericht in seiner Konsequenz, daß die Deutschen das taten, was aus ihren nach dem Krieg vorgelegten zentralen Dokumenten zu entnehmen war.
Diese deutschen Dokumente werden nicht nur von kompetenten neutralen Stellen bestätigt, sondern auch von den ehemaligen Gegnern selbst. Auf Seiten 141/142 haben wir von den nach Auschwitz geschickten Theresienstädter Juden gesprochen, wie es auch im WRB-Bericht (War Refugee Board) steht. Die Art ihrer Behandlung hat nur einen Sinn, wenn Birkenau ein Durchgangslager für sie war. Darüber hinaus ist der im Kap. IV angeführten israelischen Quelle zu entnehmen, daß die Theresienstädter Juden tatsächlich in den Osten verbracht wurden. Damit berichten auch gegnerische Quellen, daß die Deutschen das taten, was ihre Dokumente besagen.
Die große Mehrheit der deutschen Juden war auf Grund des Drucks schon vor Ausbruch des Krieges ausgewandert. Den Deutschen war es ziemlich gleichgültig, wohin die Juden auswanderten. Palästina schien auf Grund der britischen Balfour-Erklärung von 1917 eine gute Möglichkeit zu bieten, doch verliefen derartige Verhandlungen mit den Briten nicht sehr erfolgreich, wollten diese doch ihre guten Beziehungen zu den Arabern erhalten, die damals die Mehrheit der Bevölkerung Palästinas bildeten. Dennoch fand eine ständige jüdische Auswanderung von Europa nach Palästina statt, die aber schließlich durch die im britischen Weißbuch vom Mai 1939 bekanntgegebene Politik zu einem dünnen Gerinnsel reduziert wurde. [3]
Der Madagaskar-Plan, so fantastisch er heute wirken mag, ist von den Deutschen durchaus ernstgenommen worden, wenngleich nichts dabei herauskam. Der im Juni 1941 beginnende Rußlandfeldzug veränderte die Gesamtlage : Er verhärtete die Fronten grundsätzlich und eröffnete neue Umsiedlungsmöglichkeiten, was zu Görings
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bekanntem Schreiben zur "Endlösung der Judenfrage" unter dem 31. Juli 1941 führte : [4]
"In Ergänzung der Ihnen bereits mit Erlaß vom 24.1.1939 übertragenen Aufgabe, die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigen Lösung zuzuführen, beauftrage ich Sie hiermit, alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa.
Sofern hierbei die Zuständigkeiten anderer Zentralinstanzen berührt werden, sind diese zu beteiligen.
Ich beauftrage Sie weiter, mir in Bälde einen Gesamtentwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Vorausmaßnahmen zur Durchführung der angestrebten Endlösung der Judenfrage vorzulegen."
(handschriftlich) Göring
Dieser Brief wird gewöhnlich unter Auslassung des Hinweises auf die "Auswanderung und Evakuierung" zitiert. [5] Im Einklang mit Görings Bezugnahme auf die "Zuständigkeiten anderer Zentralinstanzen" berief Heydrich am 20. Januar 1942 die sogenannte "Wannsee-Konferenz" (in Berlin Wannsee) ein. Zumal weder Himmler noch Heydrich - selbst Göring nicht! - eine Befehlsmöglichkeit gegenüber anderen Ministerien hatte, konnte Heydrich lediglich untergeordnete Beamte anderer Ministerien zu einem zwanglosen Informations- und Arbeitstreffen bzw. -essen einladen, was er dann auch tat. Eichmann hatte darunter den zweitniedrigsten Rang. Sinn der Besprechung war es, die Zielvorstellungen Görings bekanntzumachen und eine freiwillige Koordinierung der anderen Ministerien in diesen Angelegenheiten zu empfehlen.
Die Besprechung diente der gegenseitigen Information; dort wurde nichts "abgestimmt", auch nichts "beschlossen", natürlich auch keinerlei Direktive weitergegeben oder erteilt. Der Gehilfe der amerikanischen Anklage, der eh. deutsche Emigrant Dr. Kempner, präsentierte dem NMT ein "Protokoll" jener Konferenz, das auch insofern recht mysteriös ist, als es keine Unterschrift und kein Fertigungsdatum enthält. Niemand hat bisher dieses "Protokoll" sachkritisch auf seine Echtheit hin geprüft, was jedoch nicht hindert, es unentwegt als "authentisch" zu verbreiten. Dieses "Protokoll" erhielt vom IMT die Dokumenten-Nr. "NG-2586-G"; es ist relativ lang, doch der Kern des Projektes kam dabei wie folgt zum Ausdruck : [6]
"Inzwischen hat der Reichsführer-SS und der Chef der Deutschen Polizei im Hinblick auf die Gefahren einer Auswanderung im Kriege und im Hinblick auf die Möglichkeiten des Ostens die Auswanderung von Juden verboten.
Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere Lösungsmöglichkeit - nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer - die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten.
Diese Aktionen sind jedoch lediglich als Ausweichmöglichkeiten anzusprechen, doch werden hier bereits jene praktischen Erfahrungen gesammelt, die im Hinblick auf die kommende Endlösung der Judenfrage von wichtiger Bedeutung sind.
Unter entsprechender Leitung sollen im Zuge der Endlösung die Juden in
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geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird.
Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesen zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist. (Siehe Erfahrung der Geschichte).
Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa von Westen nach Osten durchgekämmt. Das Reichsgebiet einschließlich Protektorat Böhmen und Mähren wird allein schon aus Gründen der Wohnungsfrage und sonstiger sozialpolitischen Notwendigkeiten vorweggenommen werden müssen.
Die evakuierten Juden werden zunächst Zug um Zug in sog. Durchgangsghettos verbracht, um von dort aus weiter nach dem Osten transportiert zu werden. - Wichtige Voraussetzung, so führte SS-Obergruppenführer Heydrich weiter aus, für die Durchführung der Evakuierung überhaupt, ist die genaue Festlegung des in Betracht kommenden Personenkreises.
Es ist beabsichtigt, Juden im Alter von über 65 Jahren nicht zu evakuieren, sondern sie einem Altersghetto - vorgesehen ist Theresienstadt - zu überstellen. Neben diesen Altersklassen - von den am 31. Oktober 1941 sich im Altreich und der Ostmark befindlichen etwa 280.000 Juden sind etwa 30% über 65 Jahre alt - finden in den jüdischen Altersghettos weiterhin die Schwerkriegsbeschädigten Juden und Juden mit Kriegsauszeichnungen (EK I) Aufnahme. Mit dieser zweckmäßigen Lösung werden mit einem Schlage die vielen Interventionen ausgeschaltet.
Bezüglich der Frage der Auswirkung der Judenevakuierung auf das Wirtschaftsleben erklärte Staatssekretär Neumann, daß die in kriegswichtigen Betrieben im Arbeitseinsatz stehenden Juden derzeit, solange noch kein Ersatz zur Verfügung steht, nicht evakuiert werden können.
SS-Obergruppenführer Heydrich wies darauf hin, daß diese Juden nach den von ihm genehmigten Richtlinien zur Durchführung der derzeit laufenden Evakuierungsaktionen ohnedies nicht evakuiert würden.
Staatssekretär Dr. Bühler stellte fest, daß das Generalgouvernement es begrüßen würde, wenn mit der Endlösung dieser Frage im Generalgouvernement begonnen würde, weil einmal hier das Transportproblem keine übergeordnete Rolle spielt und arbeitseinsatzmäßige Gründe den Verlauf dieser Aktion nicht behindern würden ... Von den in Frage kommenden etwa 2 1/2 Millionen Juden sei überdies die Mehrzahl der Fälle arbeitsunfähig ... Er hätte nur eine Bitte, die Judenfrage in diesem Gebiet so schnell wie möglich zu lösen..."
Ich glaube, daß das Protokoll wahrscheinlich echt ist, doch könnte ich Unrecht haben. Jedoch gibt es keinen Zweifel, daß die Konferenz stattfand. Auf jeden Fall steht nichts von einer Ausrottung in dem Wannseeprotokoll. Es war doch schon vor Kriegsbeginn unmöglich, Kabinettsitzungen abzuhalten, ohne daß noch am selben Abend BBC-London darüber Einzelheiten wußte, so war es doch mit Sicherheit auszuschließen, daß für einen solchen "Vernichtungsplan" 30 Reichsdienststellen durch untergeordnete Beamte hierüber im Kriegsjahr 1942 informiert worden sein sollen, - und darüber hinaus, daß die Weltöffentlichkeit dies erst nach der deutschen Kapitulation im Jahre 1945 erfahren habe.
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Die deutsche Politik zielte darauf ab, die Juden nach dem Osten zu evakuieren. Im übrigen war es nicht einmal erforderlich, wollte man diese Tatsache herausfinden, deutsche Dokumente zu erbeuten. Während des Krieges war das wohlbekannt, und in den Anfängen des Umsiedlungsplanes ist dies ungezählte Male in der alliierten Presse berichtet und kommentiert worden. Im Fall der Anfang 1941 nach Polen verbrachten Wiener Juden hat die "New York Times" sogar geschrieben, "sie hätten ihre neuen Behausungen sehr viel komfortabler gefunden als sie erwartet oder auch zu hoffen gewagt hätten". Spätere Berichte über das Umsiedlungsprogramm lauteten nicht so günstig, doch hat die Presse wenigstens in etwa berichtet, was dort vorging. [7]
[...]
Der einzige tatsachengerechte Aspekt in dem Evakuierungsplan in den Osten, der generell in Einklang mit den Vernichtungsbehauptungen steht, ist, daß viele in die polnischen Lager verbrachten Juden nicht zurückgekommen sind, zumindest nicht zu ihren ehemaligen Wohnorten. Dieses ist offenbar der Grund, warum viele Menschen, mit mehr oder weniger Wissen aus erster Hand über bestimmte Personen die Vernichtungsbehauptungen akzeptiert haben. Doch ist auch in dieser Frage eine Klärung an sich einfach. Diese Lager dienten dem Evakuierungsplan zufolge als Durchgangslager für den Transport in den Osten. So war auch Birkenau, wie bereits vermerkt, auch Durchgangslager für Juden aus Theresienstadt und Auschwitz allgemein Durchgangslager auch für holländische Juden. Sogar das ehemalige Kriegsgefangenen- und anschließende Konzentrationslager Lublin (Maidanek) hatte zuweilen diese Funktion ebenfalls. [9] Das Arbeitslager Treblinka, das anscheinend nicht dem WVHA unterstand, diente eindeutig ebenfalls - vornehmlich für Warschauer Juden - als Durchgangslager. Wie im Falle Auschwitz hält Reitlinger die nach dem Kriege unterbreiteten Unterlagen bezüglich Vergasungen in Treblinka nur schwer miteinander vereinbar. Sobibor ist ausdrücklich als Durchgangslager bezeichnet worden. [10]
Es mag den Leser verwundern, daß die von uns untersuchten Dokumente, die beweiskräftig das Nichtvorhandensein eines Vernichtungsplanes belegen, von den Förderern der Vernichtungslegende nicht mit Schweigen übergangen worden sind, sondern uns kühn als "Beweis" dafür, daß es einen Vernichtungsplan gegeben habe, ins Gesicht geschleudert werden. Dieser Sachverhalt liegt nicht nur der Sammlung von Dokumenten im NMT-Band 13 zugrunde; Reitlinger und Hilberg ist es offensichtlich völlig ernst damit, diese Unterlagen für ein Vernichtungsprogramm als relevant anzusehen. Dementsprechend wird die "Evakuierung in den Osten" zu einem Deckwort für "Vernichtung" "interpretiert", bzw. "gemacht".
Die Förderer der Vernichtungslegende haben sich darauf festgelegt, daß den Einsatzgruppen in Rußland die Aufgabe übertragen worden war - u.a. natürlich -, Juden zu vernichten, nur deshalb, weil sie Juden waren, und daß diese Aufgabenstellung ein Teilbereich des gesamten "Endlösungsplanes" darstellte. Diese "Interpretation" schließt jedoch ein, daß ein solcher Entschluß nicht erst 1942, sondern bereits schon zu Beginn des Rußlandfeldzuges - im Sommer 1941 - gefaßt worden sein mußte. Daher versteifen sich sowohl Reitlinger als auch Hilberg auf dieses Datum,
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ungeachtet dessen, daß Görings Schreiben an Heydrich vom 31.7.1941 deutlich sagt, daß die "Endlösung" ein Plan zur Auswanderung und Evakuierung war, der auf den vorangehenden Vorstellungen zur Auswanderung aufbaute. Dabei stört es sie beide offenbar darüber hinaus auch nicht, daß sie selbst eingestanden haben, daß die Deportationen reichsdeutscher Juden nach Rußland und den baltischen Staaten im Herbst 1941 eingesetzt hatten. [11]
Auch die Wannsee-Konferenz deuten sie beide als getarnte Erörterung der Vernichtungsabsicht aus, wobei sie sich über ihrer grundsätzlichen Einstellung entgegenstehende Begriffe und Formulierungen hinwegsetzen und andere Formulierungen mit ihren eigenen Interpretationen in den Vordergrund stellen wie z.B. den Satz vom "verbleibenden Restbestand", bei dem es sich "um den widerstandsfähigsten Teil" handele, der "entsprechend behandelt werden soll". Diese Worte könnten vielerlei bedeuten. Die Version des "Wannsee-Protokolls", die im NMT-Band 13 abgedruckt ist, enthält übrigens die Worte "bei Freilassung" nicht; die Herausgeber haben sie gestrichen. Dieses läßt durchblicken, daß die Herausgeber selber die Worte vielleicht als eine Empfehlung interpretiert haben, daß der "Restbestand" "freigelassen werden" sollte. In seinem Kommentar zu dem "Wannsee-Protokoll" bemerkt Reitlinger - "was aber Heydrich diskreterweise verschwieg", daß "die Abfassung umsichtiger Protokolle eine der großen Kunstfertigkeiten des Hitler'schen Reiches" gewesen sei. Hilberg klärt den Mangel an Deutlichkeit einiger der Passagen (aus seiner Sicht) mit den Worten, daß "wir aus der Sprache der Einsatzgruppen-Berichte wissen, daß man Töten meinte". [12] Dies läuft darauf hinaus, daß Hitlers Reich "umsichtig" in seiner Formulierung von Protokollen geheimer Konferenzen gewesen sei, jedoch nicht umsichtig in der Wortwahl, die ausgerechnet für die ungewöhnlich weitgefächerten Verteiler der Einsatzgruppen-Berichte verwendet wurde.
Auf Grund anderer Zusammenhänge sieht sich Reitlinger genötigt, an anderer Stelle zu erklären, daß Rudolf Höß tatsächlich den Sommer 1942 als Zeitpunkt gemeint haben müsse, zu dem er seine konspirativen Vernichtungsbefehle von Himmler mündlich erhalten habe. Er wie auch Hilberg setzen voraus, daß die Deportationen in den Osten dafür vorgesehen waren, die Juden auf die eine oder andere Weise umzubringen, und daß es sich lediglich um eine Änderung der Methode gehandelt habe, als Mitte 1942 in Polen Gaskammern errichtet worden sind.
Diese Theorie steht nicht in Einklang mit den Daten für die Planung und die vorhergehenden Arbeiten an den Krematorien in Auschwitz, die für Vernichtungen vorgesehen worden sein sollen. Damit lenkt uns die Behauptung, die Dokumente müßten in dem, was sie besagen, anders ausgelegt werden als was sie beinhalten, zu unlösbaren Widersprüchen und Schwierigkeiten.
Auch in Grayzels "History" ist vermerkt, daß die Deutschen das taten, was in dem vorgenannten Dokument ausgesagt worden war :
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"Danach nahmen sie Massendeportationen vor. Sie wählten eine Anzahl von Orten in Osteuropa aus, wohin sie Juden aus anderen Gebieten konzentrierten, im Einklang mit der von ihnen freimütig bekannten NS-Politik, ganz Europa vom jüdischen Einfluß zu befreien."
Im nachfolgenden Absatz widerspricht Grayzel dieser seiner Feststellung, indem er schreibt, daß die Deutschen das taten, wovon die alliierte Propaganda berichtete, nämlich Vernichtungen vornahmen, Gaskammern bauten etc. Grayzel unternimmt keinen Versuch, diese Widersprüche aufzuklären. [13]
Man mag sich darüber wundern, warum die Urheber des Schwindels uns die Dokumente serviert haben, die ganz allgemein das deutsche Vorgehen schildern. Die Betrüger standen vor folgenden Tatbeständen :
(a) daß die Deutschen den Europäern erklärten, als die Deportationen in Gang gesetzt würden, die Juden würden umgesiedelt;
(b) daß über den Umsiedlungsplan in der alliierten Presse berichtet wurde;
(c) daß es im Hinblick auf die Dokumente notwendig war, unter drei Möglichkeiten zu wählen :
Den Umständen gemäß schien die dritte dieser Möglichkeiten die geeignetere. Es war sichtlich besser, ein von Göring unterzeichnetes echtes Papier vorzulegen, das von der "Endlösung" der Judenfrage handelte, als ein gefälschtes oder gar keines vorzulegen. (Diese Darlegung bezog sich jetzt natürlich nicht auf das "Wannsee-Protokoll", zumal Göring dort gar nicht anwesend war, sondern nur auf sein Schreiben an Heydrich vom 31.7.1941).
Obgleich "Endlösung" als "Auswanderung und Evakuierung" klar definiert ist, war der Sachverhalt nicht zu umgehen, daß die Nationalsozialisten ihre Zielsetzung in solche termini gefaßt haben. Folglich behaupteten die Vertreter der Vernichtungslegende einfach, daß es sich halt um eine verschlüsselte Ausdrucksweise handele.
In den Kriegsjahren war die Reichsregierung darangegangen, die Grenzen im Osten Deutschlands zu revidieren, aber auch Umsiedlungen vorzunehmen. So war es das Hauptziel des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS, ausgesuchte Reichsdeutsche und Volksdeutsche Osteuropas in die an Deutschland im Osten angrenzenden, vornehmlich ehemals deutschen Gebiete um- und anzusiedeln. Juden und Polen wurden aus diesen Bereichen vertrieben und in verschiedene Plätze des Generalgouvernements verbracht, so z.B. in einigen Fällen auch auf Bauernhöfe, die von Volksdeutschen geräumt worden waren, aber auch in besondere Ghettos oder in sog. "Z-Dörfer" in Polen. Es würde sicher in unserer Geschichte etwas fehlen, wären nicht auch diese Umsiedlungen, die sich vor aller Öffentlichkeit vollzogen, zumal sie die Deutschbalten und Wolhyniendeutschen und auch andere Deutsche aus dem Balkan einschlössen, nicht auch irgendwie in die Vernichtungslegende eingebaut worden.
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"Starhistoriker" für diese Kombination ist R. L. Koehl, jener sonderbare Kerl, der im halbwissenschaftlichen Metier schreibt und von dem man nicht weiß, ob er es ernst meint, was er schreibt, von dem aber zu befürchten ist, daß doch manche es glauben mögen, was er schreibt. Koehl bestätigt einen "Vernichtungsplan", doch ist seine diesbezügliche Darstellung höchst merkwürdig : [14]
"Die offizielle Version betont, daß die Juden weiter nach Osten in erobertes sowjetisches Gebiet verbracht worden seien, um sie nachhaltiger aus der deutschen Lebenssphäre zu entfernen. Wie viele andere deutsche Bekanntmachungen enthielt diese Version mehrere Körnchen Wahrheit :
1. Mit Juden gefüllte Eisenbahnzüge aus dem Reich wurden so weit wie möglich nach Osten zur Liquidierung verbracht, oftmals Nichtdeutschen wie Ukrainern oder Angehörigen baltischer Völker an Hand gegeben.
2. Die Polen sollten entsprechend dem anfänglichen Plan von Alfred Rosenberg als Minister für die Ostgebiete zur Umsiedlung in sowjetisches Gebiet (Smolensk) gelangen, um so das Generalgouvernement für deutsche Ansiedlung freizumachen."
Koehl bietet keinerlei Beweise für die Tötungen durch Ukrainer oder Angehörige baltischer Völker; die hierfür zitierten Quellen enthalten keine derartigen Bekundungen. Und dann wendet er sich den Vernichtungslagern zu : [15]
"Im Herbst und Winter 1941/42 wurden die letzten 240.000 Juden der angrenzenden Provinzen in die neu errichteten Vernichtungslager von Kolo, Belczek, Maidanek und Sobibor verbracht."
Die Liste schließt Auschwitz aus, das im übrigen in Koehls Buch lediglich mit einer Äußerung über einige Deutsche vorkommt, die dorthin im Zusammenhang mit der "Aktion Reinhardt" (siehe unten) zur Bestrafung kamen, sowie in folgendem : [16]
"(Dr. Klukowski) erklärte, daß von 691 Dörfern des Kreises Zamosc 297 bis zum Juli 1943 ganz oder teilweise geräumt worden seien. Er schätzte, daß 110.000 Polen und Juden aus dem Gebiet herausgenommen worden seien, von denen die Männer und Frauen im arbeitsfähigen Alter zur Zwangsarbeit in die Auschwitzer Hydrieranlage, die übrigen in die anderen 394 ("Z") Dörfer verbracht worden seien."
Daraus ziehe man seine eigenen Schlüsse. Koehls Buch "German Resettlement and Population Policy 1939-1945" ("Deutsche Umsiedlungs- und Bevölkerungspolitik 1939-1945") sei dem Leser empfohlen, der sich ein ausführliches Bild der NS-Bevölkerungspolitik machen will, vor allem im Zusammenhang mit dem deutschen Nationalbewußtsein, der NS-Rassenlehre und der internen Parteipolitik der NSDAP, wobei er gleichzeitig auf unsere eingangs erwähnten Einwände hingewiesen sei.
Viele europäischen Juden wurden nach dem Osten deportiert, und wir müssen uns nunmehr etwas genauer mit diesem Deportationsprogramm befassen. Dazu erheben sich mehrere naheliegende Fragen : Wer wurde deportiert, wieviel, wohin, wie war das Leben dort, wohin sie verbracht wurden, und was geschah mit ihnen. Bis zu
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einem gewissen Grade sind hier nur teilweise oder provisorische Antworten möglich.
Zunächst müssen wir die Zahlen und Herkunftsorte der von diesem Umsiedlungsplan betroffenen Juden in Augenschein nehmen. Damit geraten wir in die Probleme, die bereits im Kap. I erörtert wurden. Eine Zählung der Juden kann schwierig sein. Doch sind wir nicht auf statistische Präzision aus, sondern auf die Größenordnung allgemein, auf annähernde Zahlen, die man auf Grund stichhaltiger Angaben verwenden kann, um zu zeigen, daß die deportierten Juden trotz allem leicht überleben konnten. Es mag somit für die erwogene Diskussion genügen, einfach nur bestimmte von Reitlinger und Hilberg angegebene Zahlen zugrundezulegen, obwohl man sich mit ihnen darüber in die Haare kriegen könnte. Die Zahlen beziehen sich auf Schätzungen von angeblich Getöteten. Man mag uns zubilligen, solche Zahlen allenfalls auf in den Osten Deportierte bzw. Umgesiedelte zu beziehen. Im Fall Reitlinger nehmen wir seine höhere Schätzung : [17]
Deutschland Österreich Tschechoslowakei Dänemark Frankreich Belgien Luxemburg Norwegen Holland Italien Jugoslawien Griechenland insgesamt | Reitlinger 180.000 60.000 251.000 65.000 28.000 3.000 700 102.700 8.000 58.000 60.000 816.400 | Hilberg 160.000 53.000 271.000 1.000 70.000 50.000 2.000 1.000 120.000 17.000 63.000 62.000 870.000 |
In gewissem Grad gründen sich diese Zahlen auf deutsche Dokumente, vornehmlich den "Korherr-Bericht" - "Dokument NO-5193-8". Teilweise sind auch neutrale Quellen wie die des niederländischen Roten Kreuzes mit den Zahlen für Holland einbezogen. Darin ist gleichermaßen ein gewisses Maß an demoskopischer Spekulation eingeschlossen. Jedenfalls bin ich der Ansicht, daß zumindest die angegebenen Gesamtsummen einer richtigen Größenordnung entsprechen.
Wir haben Ungarn nicht in die Aufstellung aufgenommen, da das, was Reitlinger wie auch Hilberg darüber angeben, nämlich, daß alle ungarischen Juden umgebracht worden seien, reine Erfindung ist; sie sind noch nicht einmal in den Osten deportiert worden! Etwas weniger als 100.000 von ihnen wurden gegen Kriegsende zur Arbeit nach Deutschland verbracht; ganz wenige davon müssen in den chaotischen Zuständen der letzten Kriegsmonate umgekommen sein, doch ihre Zahl zu ergründen ist unmöglich.
Rumänien soll ebenfalls 200.000 bis 370.000 Juden durch Vernichtung verloren haben, aber wie Reitlinger bemerkt, liegen verläßliche Angaben hierüber nicht vor. Es kann sich somit nur um annähernde Schätzungen handeln. Zur gleichen Kategorie sollen
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auch die größten Gruppen angeblich umgebrachter Juden gehören : 2.350.000-3.300.000 aus Polen und 400.000-700.000 aus der UdSSR. Diese Zahlen sind reine demoskopische Spekulation mit keinerlei stützenden Beweisquellen außer den Erklärungen kommunistischer Nachkriegsregierungen.
Diese Zahlen werden wir noch weiter untersuchen. Hier wollen wir zunächst daran erinnern, daß die aus Frankreich und Belgien deportierten Juden keine französischen und belgischen Juden waren, daß hingegen jene aus den Niederlanden tatsächlich holländische Juden waren. Der Grund dafür ist anscheinend ein rein juristischer Kniff gewesen. Frankreich und Belgien hatten formal kapituliert und mit den Deutschen einen formalen Waffenstillstand geschlossen. In den Niederlanden war lediglich das Königshaus nach England geflohen, und so sahen die Deutschen Holland als ein Land ohne unabhängigen Status an. [18] Das deutsche Recht war dementsprechend in Holland ausgedehnter. Natürlich beabsichtigten die Deutschen im Endeffekt alle Juden aus Europa zu entfernen, doch begannen sie begreiflicherweise dort, wo sie einem Minimum an Schwierigkeiten begegneten.
Der Auszug aus dem Rote-Kreuz-Bericht, den wir im Kap. V. behandelt haben, ist sicherlich mit den Vernichtungsbehauptungen im Fall der rumänischen Juden unvereinbar. Mit gutem Grund ist davon auszugehen, daß die Masse der im sowjetisch beherrschten Territorium lebenden Juden, das von den Deutschen nach dem 22. Juni 1941 erobert wurde, ins Landesinnere entkam, bevor die deutschen Truppen einrückten, eine Ansicht, die auch Reitlinger (S. 256) vertritt. Jedenfalls gibt es keinen Beweis, daß die Deutschen mehr getan haben, als den zurückbleibenden Juden jene Art wachsamer und feindseliger Haltung entgegenzubringen, die durch die Partisanengefahren geboten war. Die polnischen Juden bildeten die Mehrheit der von den Deutschen zum Wohnwechsel getriebenen Juden und verursachten im Hinblick auf ihre Aufenthaltsbestimmung und die entsprechenden Umstände für eine ausführliche Analyse ihres Falles die größten Schwierigkeiten. Wir können nur in generellen Zügen rekonstruieren, was mit ihnen geschah.
Zunächst sei bemerkt : Wenn es gleichwohl auch angebracht ist, zwischen russischen und polnischen Juden zu unterscheiden, so ist doch der eigentliche Unterschied kaum spürbar, vorausgesetzt, es besteht überhaupt einer. Vor dem Ersten Weltkrieg waren beide Arten von Juden Untertanen des russischen Reiches.
Das erste, was den polnischen Juden zustieß, geschah weniger von Seiten der Deutschen, als vielmehr auf Grund sowjetischer Maßnahmen. Im Jahre 1939 (Sept./Okt.) hatten Deutschland und die UdSSR das polnische Staatsgebiet, das - wie erlaubt sein mag anzumerken - keineswegs nur aus Polen bestand sondern in die Millionen gehende fremde Völkerschaften einschloß - aufgeteilt. Im Zuge dieser Vereinbarung geriet die östliche Hälfte und damit ein großer Teil der polnischen Juden unter sowjetische Herrschaft. Diese Juden - aber auch eine Unmenge Polen - wurden Opfer eines sowjetischen Umsiedlungsplanes, dessen allgemeine Auswirkungen von Korzen in einem von der israelischen Regierung veröffentlichten Artikel geschildert wurden, aber auch von Edward Rozek in seinem Buch "Allied Wartime Diplomacy - A Pattern in Poland". [19]
Im Zuge dieses sowjetischen Evakuierungsplanes, der vornehmlich
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im Juni 1940 einsetzte, sind "Hunderttausende" dieser Juden über die gesamte Sowjetunion verstreut worden. Zunächst wurden viele in Arbeitslager verbracht, doch nach dem September 1941 unternahm Stalin den Versuch, die "Flüchtlinge zu Sowjetbürgern zu machen und ihren Weggang aus der Sowjetunion zu verhindern". Die Verstreuung dehnte sich bis nach Zentralasien und sogar bis zum Fernen Osten aus. Einzelheiten lassen sich nur schwer ausmachen. Viele wurden Sowjetbürger, einige treckten nach dem Krieg zurück nach Polen und zogen in vielen Fällen noch weiter nach Israel. Korzen, der sich für ein größeres Interesse an einer Untersuchung dieser Ereignisse einsetzt, bemerkt, daß die Juden, die in Polen als Führer des neuen kommunistischen Regimes zurückblieben, unter Druck gesetzt worden waren, "ihre Namen in polnisch klingende umzuwandeln, und auch, ihre jüdische Herkunft geheimzuhalten". Manche gelangten schließlich über das Ausland, z.B. auch Schanghai in Länder wie Persien und Indien. Das "Joint Distribution Committee" von New York hielt während des Krieges mit den Flüchtlingen in der UdSSR Kontakt und war ihnen nach Kriegsende bei ihren Ausreiseplänen behilflich.
Es ist auch bekannt, daß eine große Zahl Juden, die von einer Quelle mit 300.000 angegeben wird, 1939 vom westlichen ins östliche Polen geflohen ist, als die deutschen Truppen in das Innere Polens vorrückten. [20] Damit war ein erheblicher Teil, vielleicht ein Drittel, der polnischen Juden vor Ausbruch des Rußlandfeldzuges im Juni 1941 außer Reichweite Hitlers gelangt.
Obschon ein begrenzter deutscher Umsiedlungsplan, namentlich für Wiener Juden, schon früher bestanden hatte, so setzt das nationalsozialistische Umsiedlungsprogramm ernsthaft im Herbst 1941 ein, wenn man die Umsiedlung der Baltendeutschen hierbei ausnimmt. Wenn polnische Juden zunächst ausgeklammert, rumänische Juden jedoch in die Aufstellung S. 276 einbezogen werden, so sehen wir, daß die Deutschen höchstens 1 Million Juden in Ansiedlungen oder Ghettos im besetzten Osten verbracht haben. Von den Orten, die hier genannt worden sind, können wir uns eine recht gute Vorstellung machen, wo diese Ansiedlungen gelegen waren : Riga, Minsk, Ukraine, Asow'sches Meer (nördlich vom Schwarzen Meer) bilden eine zusammenhängende und plausible Linie auf der Karte.
Wie zu erwarten war, haben die alliierten Besatzer die diesbezüglichen deutschen Akten und Dokumente vernichtet, so daß wir über diese Ansiedlungen wenig mehr wissen, als daß sie existierten. Auf diese Weise sind nur Bruchstücke erhalten geblieben, die vom Umsiedlungsprogramm gewisse Einzelheiten enthalten, die der Luther-Bericht nicht erfaßt hatte (S. 263-268). Freilich unternahm die Verteidigung Baron von Steengrachts ernsthafte Anstrengungen, derartige Dokumente in Nürnberg vorzulegen. Eines der hierbei vorgelegten Dokumente - "Steengracht 64 [21]" - ist ein Schreiben Eichmanns vom 5.6.1943 an das Auswärtige Amt z. H. des Herrn Eberhard v. Thadden. Es betrifft die jüdischen Lager im Osten sowie einige Artikel, die sich in verschiedenen europäischen Zeitschriften darauf bezogen. Offenbar waren damals einige "fantastische Gerüchte" in der Slowakei über diese Lager in Umlauf, auf die sich Eichmann bezog :
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Abb. 25 : Eine Seite des Dokumentes 022-L des IMT
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"Um diesen fantastischen Gerüchten, die in der Slowakei über das Schicksal der evakuierten Juden zirkulieren, zu begegnen, sollte die Aufmerksamkeit auf die Postverbindungen dieser Juden mit der Slowakei gelenkt werden..., die z.B. über 1.000 Briefe und Postkarten im Februar-März dieses Jahr erreichten. Was die anscheinend von Ministerpräsident Dr. Tuka erbetenen Informationen über die Bedingungen in den jüdischen Lagern anbetrifft, so würden von diesem Amt keinerlei Einwände gegen eine mögliche Prüfung der Korrespondenz vor Absendung an die Adressaten erhoben werden."
Das zweite Dokument - "Steengracht 65", das auch unter der Nr. NO-1624 läuft - ist in der Berichterstattung über die Lage der Juden im besetzten Osten etwas ergiebiger. Es handelt sich um eine Weisung des Chefs vom Rasse- und Siedlungshauptamt, Obergruppenführer Hildebrandt, vom 20.8.1943, und betrifft den Umgang zwischen Deutschen und Juden im besetzten Osten :
"Ich bin von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen worden, daß das Verhalten deutscher Dienststellen gegenüber den Juden der besetzten Ostgebiete in den letzten Monaten eine Entwicklung genommen habe, die zu Bedenken Anlaß gibt. Insbesondere sollen Juden von verschiedenen Dienststellen zu Arbeiten und Dienstleistungen verwendet werden, die mit Rücksicht auf die notwendige Geheimhaltung nur ganz zuverlässigen Personen übertragen werden sollten und die sie vor der einheimischen Bevölkerung als vertraute Beauftragte der deutschen Stellen erscheinen lassen. Darüber hinaus soll es leider vorkommen, daß der persönliche Verkehr von Reichsdeutschen mit Jüdinnen jene Schranken überschreitet, die aus weltanschaulichen und rassischen Gründen besonders streng beachtet werden müssen. Neben den ortsansässigen Juden soll es sich hierbei auch um die aus dem Altreich nach den besetzten Ostgebieten überführten Juden und Jüdinnen handeln. Diese Zustände sollen bereits dazu geführt haben, daß Juden sich unter Ausnutzung ihrer angeblichen Vertrauensstellung von den Einheimischen bevorzugt mit Lebensmitteln usw. versorgen lassen. Als vor einiger Zeit im Osten Befürchtungen über den Rückzug der Deutschen laut wurden, sollen Einheimische versucht haben, sich gerade bei den von den deutschen Dienststellen beschäftigten Juden beliebt zu machen, um sich auf diese Weise eine bessere Behandlung durch die Bolschewisten zu sichern. Der anständige Teil der einheimischen Bevölkerung beobachte diese Erscheinung mit großem Befremden, weil er darin einen Widerspruch zwischen den nationalsozialistischen Grundsätzen und der tatsächlichen Haltung der Deutschen zu sehen glaubt.
Durch einen falschen Arbeitseinsatz der Juden werden das Ansehen des Großdeutschen Reiches und die Stellung seiner Vertreter geschädigt und die Notwendigkeiten einer wirksamen polizeilichen Sicherung der besetzten Ostgebiete beeinträchtigt. Schwere Gefahren können insbesondere dadurch entstehen, daß die Juden die ihnen übertragenen Stellungen zur Spionage und Propaganda im Dienste unserer Feinde benutzen.
Ich bitte daher, die nachgeordneten Dienststellen in den besetzten Ostgebieten mit folgenden Weisungen zu versehen :
1. Juden und ihnen gleichgestellte Personen dürfen nur mit körperlichen Arbeiten beschäftigt werden. Ihre Verwendung zu Büroarbeiten (wie Buchführung, Maschinenschreiben, Karteiführung, Registratur) ist untersagt. Es ist streng darauf zu achten, daß ihnen aus der Art ihrer Arbeit keine Rückschlüsse auf geheimzuhaltende Dinge ermöglicht werden.
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2. Es ist verboten, Juden zur allgemeinen oder persönlichen Bedienung, zur Erledigung von Aufträgen, zur Vermittlung von Geschäften oder zur Beschaffung von Waren zu verwenden.
3. Der private Verkehr mit Juden, Jüdinnen und ihnen gleichgestellten Personen sowie jeder Umgang mit ihnen, der über das dienstlich bedingte Maß hinausgeht, ist untersagt."
Die hier erwähnten "ihnen gleichgestellten Personen" waren wahrscheinlich Zigeuner. Wir nehmen an, daß die Verteidigung Steengrachts die Dokumente, die man in Nürnberg als noch vorhanden zuließ, gründlich geprüft hat. Hildebrandts Weisung an das RSHA wiederholte lediglich eine Weisung Kaltenbrunners vom 13.8.1943 an alle deutschen Dienststellen in den besetzten Ostgebieten (NO-1247). Der Fehler Steengrachts, NO-1247 nicht heranzuziehen, lag wahrscheinlich an der fast wörtlichen Übereinstimmung mit Dok. NO-1624. [21]
Solche Dokumente sind nur ein armseliges Überbleibsel der mit Sicherheit in Fülle vorhanden gewesenen Akten zur jüdischen Ansiedlung im Osten. Das erste dieser Dokumente "durfte" wahrscheinlich noch greifbar sein, weil es von "fantastischen, in der Slowakei umlaufenden Gerüchten" sprach. Die anderen beiden sind wahrscheinlich nur so durchgerutscht, weil ihre Bedeutung unerheblich schien.
In Boehms Buch "We survived" ("Wir überlebten") findet sich der Beitrag von Jeanette Wolff, einer deutschen Jüdin, die auch Führungsmitglied der SPD war, über ihre Erlebnisse, nachdem sie nach Riga (Lettland) deportiert worden war. Ihr Bericht über grundloses Verprügeln durch die SS, Sex-Orgien und Betrunkenheit ist unglaubwürdig. Ihr Artikel ist jedoch deshalb bemerkenswert, weil aus ihm ein großes System von jüdischen Ansiedlungen, Ghettos und Lagern in der Umgebung von Riga zu entnehmen ist. Diese Ansiedlungen beherbergten nicht nur lettische Juden, sondern auch zahlreiche aus Deutschland und anderen europäischen Ländern. An die aus Theresienstadt nach Riga deportierten Juden sei in diesem Zusammenhang noch einmal erinnert (siehe S. 142).
In allgemeinen Umrissen ist erkennbar, was den polnischen, lettischen und litauischen Juden geschah, wenn man jene "Massenvernichtungsliteratur" heranzieht, die von "Überlebenden" beigesteuert worden ist. In den größeren Orten und Großstädten waren die Juden innerhalb Polens in Ghettos untergebracht, die während des ganzen Krieges existent waren. In Polen gab es besonders große Ghettos in Lodz (Litzmannstadt), Warschau, Bialystok, Lemberg und Grodno; in Litauen in Wilna und Kowno; in Lettland in Riga. Obwohl die Literatur "Überlebender" endloses Fantasieren über Vernichtungen bietet (häufig von der Art, die nicht mit der Legende übereinstimmt, z.B. Gaskammern in Krakau im Dezember 1939 usw.), so enthält sie auch genug, um in etwa zu erfassen, wie es denn nun wirklich zugegangen war.
In jedem Ghetto gab es einen Judenrat, der als interne Verwaltung fungierte. Die Ghetto-Polizei bestand aus Juden und war dem Judenrat unterstellt. Der Judenrat wirkte üblicherweise in Zusammenarbeit mit den Deutschen, zumal es den Umständen entsprechend keinen anderen Weg gab. Häufig stellten die Deutschen
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Forderungen nach Arbeitskräften aus dem Ghetto, und der Judenrat stellte dann Listen von Ghettoinsassen auf, die sich zu stellen hatten. Auch bestanden in den großen Ghettos Widerstandsorganisationen, sogar meist gut bewaffnet, deren Mitglieder den Judenrat vielfach als aus deutschen Helfern bestehend ansahen. [22]
Dawidowiczs Buch befaßt sich in mehreren Kapiteln mit den Zuständen in den polnischen Ghettos. Obwohl die Deutschen unmittelbar nach der Besetzung Polens die jüdischen Schulen geschlossen hatten, wurde dieses Verbot wieder aufgehoben, und jüdische Kinder erhielten bald einen im wesentlichen regelmäßigen Unterricht, entweder in privat betriebenen Schulen oder solchen, die den Judenräten unterstanden. Kulturelle Veranstaltungen - Literatur, Theater, Musik - trugen dazu bei, die dunkle Seite des Ghettolebens erträglicher zu gestalten. Die jüdische Wohlfahrtorganisation ZSS (Mitte 1942 von den Deutschen aufgelöst, jedoch kurz darauf als JUS neu gebildet) bezog Lebensmittel, Bekleidung sowie Medikamente von der deutschen Zivilverwaltung, hielt auch über das Deutsche Rote Kreuz Kontakt mit ausländischen Organisationen, die ihrerseits Geld und sonstigen Bedarf lieferten. Vor Kriegseintritt der USA kam der größte Teil solcher ausländischen Spenden vom "Joint Distribution Committee" in New York, doch war dies nach dem Dezember 1941 nicht mehr möglich.
Trotz des geschützten Status der ZSS-JUS deckte diese auch manche illegale Aktivität. Die verschiedenen politischen Organisationen der Sozialisten, Kommunisten, Zionisten, Agudisten standen mit den dortigen Widerstandsbewegungen in Verbindung, deren Umtriebe sich von aktiver Sabotage bis zur Lügenpropaganda und gelegentlich auch bis zum bewaffneten Aufstand erstreckten. Die Vernichtungspropaganda setzte in Untergrund-Schriften etwas eher ein, als der Weltjudenkongreß damit begann (siehe Anhang E). Doch die jüdische Bevölkerung glaubte nicht daran, weil jene Propaganda durch ihre Erfahrungen nicht bestätigt wurde. Briefe von nach dem Osten verbrachten Juden beruhigten Freunde und Verwandte. Z. B : So schreibt Lucy Dawidowicz in ihrem Einführungskapitel im Hinblick auf die Probleme, die sich für die historische Forschung durch die "Massenvernichtung" ergeben :
"Ein Hindernis bildete die Unzulänglichkeit jüdischer Dokumentation trotz der gewaltigen Mengen ... Das Fehlen ausschlaggebender Anhaltspunkte in den Unterlagen mag sich durch das unheilvolle Obwalten von Terror und Zensur erklären. Doch durch das Fehlen von Beweismaterial, das die Vorgänge untermauert oder bestreitet, wird der Historiker niemals mit Sicherheit erfahren, ob dieser Mangel die Folge einer angeordneten Entscheidung ist, diese Dinge nicht zu behandeln, oder ob es lediglich die Konsequenz kluger Vorsicht war, solche Dinge unerwähnt zu lassen. Der Terror war so nachhaltig, daß sogar private persönliche Aufzeichnungen, jiddisch oder hebräisch abgefaßt, mit Umsicht und Rückgriff auf die Bibel und den Talmud als Form esoterischer Ausdrucksweise und selbst auferlegter Verschwiegenheit geschrieben worden sind."
Wie aus allen Arbeiten über die deutsche Bevölkerungspolitik in Polen klar hervorgeht - z.B. auch bei Dawidowicz und Koehl - gab es unter den Juden im Einklang mit der generellen deutschen
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Politik, diese Menschen so weit wie möglich im Osten zu konzentrieren, ein ständiges Hin und Her. Nach dem "Korherr-Bericht" vom März 1943 sind 1.449.692 Juden "aus den östlichen Provinzen in den russischen Osten" verlegt worden. Von diesen sind 90% durch Lager im Generalgouvernement gegangen und die übrigen durch Lager im Warthegau (hauptsächlich wohl Lodz). Das gewaltige Warschauer Ghetto ist im Frühjahr 1943 aufgelöst worden, und die meisten der dort ansässig gewesenen Juden wurden weiter nach Osten verbracht, wobei hauptsächlich Treblinka als Durchgangslager für diese Umsiedlung diente. Dies gelang jedoch nur nach wütendem jüdischen Widerstand und einem Kampf, der weltweites Aufsehen erregte. Die Umsiedlung vollzog sich jedoch nicht vollständig, weil immer noch Juden im Ghetto verblieben sind. Sobald in einem Ghetto eine Umsiedlung bekanntgegeben wurde, war es Aufgabe des Judenrates, Listen jener aufzustellen, die umgesiedelt werden sollten. Mit ganz wenigen Ausnahmen begaben sich die Umzusiedelnden friedlich auf den Weg, da es durchaus bekannt war, daß es tatsächlich eine "Umsiedlung" war.
Es hat den Anschein, als wären Epidemien in den Ghettos nichts Ungewöhnliches gewesen. Die Deutschen schreiben solche "einem Mangel an Disziplin" seitens der Juden zu. Sie ergriffen alle ihnen möglichen Gegenmaßnahmen, und - wie die "New York Times" zumindest bei einer Gelegenheit berichtete - "viele Ambulanzen wurden nach Warschau entsandt, um das Ghetto zu desinfizieren". [23]
Während die Verbringung dieser Juden nach dem Osten eine feststehende Tatsache ist, existieren keine verläßlichen Angaben darüber, um genau zu rekonstruieren, wie viele Juden hiervon betroffen waren. Hauptsache ist jedoch, zu wissen, daß es sich dabei um den überwiegenden Teil jener polnischen Juden gehandelt hat, der im Warthegau und dem Generalgouvernement ansässig gewesen war. Erwähnt sei noch, daß sämtliche ehemals großen Ghettos wie Lemberg, Grodno, Wilna, Kowno und Riga nach dem Krieg von der UdSSR einverleibt worden sind, Bialystok an der östlichen Grenze Polens liegt, wohingegen Warschau und Lodz im kommunistischen Polen sich befinden, was für beide jene staatlichen Bereiche jedoch bedeutet, daß sie gegenüber einer Untersuchung durch westliche oder gar neutrale Beobachter, Forscher, Historiker so gut wie hermetisch isoliert geblieben sind - bis zur Stunde, und nur das an die Öffentlichkeit gelangte, was der kommunistischen Parteiführung in Moskau zweckdienlich erschien.
Vor dem Krieg haben etwa 3 Millionen Juden in Polen gelebt. Berücksichtigt man die Zahlen derjenigen, die 1939 aus Polen in die UdSSR geflüchtet waren, und jene, die 1940 von den Sowjets deportiert wurden, auch jene, denen es gelang, in die Slowakei, Ungarn oder in andere Länder zu entschlüpfen, und auch jene, die durch Epidemien umgekommen sind, so sehen wir, daß sich höchstens zwei Millionen Juden in verstreuten Ghettos unter deutscher Kontrolle befunden hatten und daß die überwiegende Mehrheit dieser Menschen in Gebiete verschickt worden ist, die seit dem Kriegsende als sowjetisch gelten, in einem Staatsgebiet also, in dem ein unabhängiger Informationsaustausch unmöglich gemacht worden ist.
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Angesichts dieser Umstände und den in der westlichen Welt zugänglichen Informationsquellen können wir wohl die wahre Natur der "Endlösung der Judenfrage" rekonstruieren - und zwar durchaus anhand zahlreicher Unterlagen und nachweisbaren Zusammenhänge -, doch dürfte jeder Versuch, weitere ausführlichere Einzelheiten historisch sachgerecht zu ermitteln, angesichts der beschriebenen politischen Gegenwartsverhältnisse ohne Aussicht auf Erfolg sein.
Daß diese "Endlösung" keineswegs "endgültig" war oder sein konnte und daß die Juden nach einem Wandel des politischen Klimas zurückgekehrt wären - legal womöglich oder illegal -, ist gar nicht so abwegig. Die Regierungen des 20. Jahrhunderts hängen ihren Plänen kühne, oft unrealistische Etiketts an : "Friedenskorps", "Allianz für den Fortschritt", "Krieg, um die Kriege ein für allemal zu beenden", "Vorwärts christliche Soldaten", "Befreiung unterdrückter Völker" etc. Bleibt konkret zu untersuchen, was mit all diesen Völkern wirklich geschah. Das Ergebnis ist dann meist ein ganz anderes. Die "Befreier" erweisen sich dann allzu oft als die Eroberer und Unterdrücker.
Unsere Untersuchung ist noch zu ergänzen durch die sich gegen Kriegsende abzeichnenden Lageverhältnisse :
Die Deutschen haben während ihres Rückzuges wahrscheinlich viele liquidiert, wobei Gründe zu unterstellen sind oder vielleicht auch nicht, daß diese oder jene zum Kampfeinsatz gegen die deutschen Truppen hätten verwendet werden können, zumal das brutale Vorgehen der Bolschewisten in dieser Hinsicht auf deutscher Seite sattsam bekannt war. Schon seinerzeit, als die Deutschen den Juden die Auswanderung erschwert hatten, geschah dies unter dem Eindruck dieser Befürchtung.
Dennoch sprechen zwei wesentliche Faktoren dagegen, daß deutsche Wehrmachts-, SS- oder andere Einheiten auf dem Rückzug sich mit umfangreichen Liquidierungen belastet haben. Einmal waren die fähigsten Arbeiter, die auch im Militärdienstalter standen, von den Deutschen zur Arbeit herangezogen worden. Zudem erfolgte der Rückzug zumeist unter so überraschenden, dramatischen, chaotischen, verlustreichen Verhältnissen, daß eine zielgerichtete Vernichtungsplanung dieser Art unmöglich schien - zumal die deutschen Truppen des sowjetischen Partisanenunwesens niemals Herr geworden waren. Nach sowjetischem Eingeständnis sind diesem außerordentlich, ja unvorstellbar grausam geführten Partisanenkrieg 500.000 deutsche Soldaten zum Opfer gefallen. Diese sowjetische Angabe ist schon im Jahre 1945 in einem in London und New York veröffentlichten Bericht des Generalleutnants der Roten Armee und damaligen Stabschefs für sämtliche Partisanenoperationen Ponomarenko unter dem Titel "Behind the Front Line", 1961 aber auch in Moskau in der offiziellen Geschichte "Sowjetskie Partisani" erschienen und durch Ponomarenko im Juni 1965 auf dem Historikertage in Moskau erneut bestätigt worden. [24] Angesichts solcher Umstände mußten vorhandene Kräfte tatsächlich zur Bekämpfung des - wie es auf deutscher Seite offiziell hieß - "Bandenunwesens" eingesetzt werden und nicht für militärisch sinnlose Unternehmungen, wie es die Tötung von wahllos zusammengetriebenen Menschen bedeutet haben würde.
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Und noch eines : Hätten die Deutschen tatsächlich solche Liquidierungen - dazu noch an wehrlosen Zivilisten - in größerem Stil durchgeführt, dann hätten die Alliierten dies in der Weltöffentlichkeit mittels Ortsbesichtigungen, Ausgrabungen, Fotografien, aber auch durch konkrete Beweisführungen in Prozessen groß herausgestellt. Anstelle des Unsinns über die "Gaskammern" hätte man echtes und rechtmäßiges Anklagematerial für Vernichtungen gehabt.
Während das Beweismaterial besagt, daß die oberste deutsche Führung während der Rückzüge Massenliquidierungen weder befohlen noch inszeniert hatte, so ist angesichts der damaligen Verhältnisse doch zu unterstellen, daß Einzelpersonen und kleine Gruppen doch zahlreiche Massaker an Juden, und zwar auf eigene Faust durchgeführt haben. Hierfür kommen sowohl einige deutsche, als auch ungarische und rumänische Truppenteile, wohl auch einige europäische Zivilisten, deren anti-jüdische Einstellung durch den katastrophalen Verlauf des Krieges sich erheblich verstärkt hatte, in Frage. Bekanntlich hatte die deutsche Führung zu Beginn des Rußlandfeldzuges, als Osteuropäer versucht hatten, Pogrome gegenüber Juden nach Abzug der Roten Armee und vor Ankunft der deutschen Truppen anzuzetteln, diese sofort niedergeschlagen und verboten. [25] Jedenfalls kümmerten sich die Deutschen unter den Bedingungen eines chaotischen Rückzuges sehr viel weniger um antijüdische Pogrome, als um die Sicherung der eigenen Front.
Nun zu den Sowjets : Sie haben nachweislich viele, viele liquidiert, vor Beginn des Krieges, während des Krieges und auch nach Kriegsende. Wir vermerken dies nur, weil Rußland ein solches Rätsel ist, und vor allem unter dem Herrschaftssystem des Bolschewismus Willkür, Rechtlosigkeit und Terror an der Tagesordnung sind, bzw. eingestandenermaßen unter Stalin waren. Fanden die sowjetischen Massenliquidierungen gegenüber den polnischen Offizieren im Wald von Katyn schon im April 1940 statt, jene gegen Balten und Ukrainer nach Beginn des Rußlandfeldzuges im Zuge des sowjetischen Rückmarsches, so ist jedoch von sowjetischen Massenliquidierungen gegen Kriegsende, sofern man die Vertreibungsgreuel an der ostdeutschen Bevölkerung ausklammert, kein Beweismaterial vorhanden.
Weitere Verlustzahlen kamen auf Grund der Zustände in den Lagern oder Ghettos zustande. Die dortigen Gesundheitsbedingungen waren außerordentlich unterschiedlich und schwankend. Mangel an Versorgung, so natürlich vor allem militärisches und somit auch organisatorisches Chaos mußten sich auf die Gesundheitslage verhängnisvoll auswirken. Und wir hatten bereits gesehen, daß die Deutschen Epidemien nicht zu verhindern vermochten, als sie damals - wie z.B. in Auschwitz - noch Herr der Lage waren. Daher besteht durchaus die Möglichkeit, daß viele Juden in den Ghettos während der chaotischen Zustände ums Leben kamen, die mit dem deutschen Rückzug einhergingen. Auch Korzen ist der Ansicht, daß viele Juden, die 1940 in die UdSSR überwechselten, in sowjetischen Lagern gestorben sind, in die man sie verbracht hatte. Gleichermaßen bleibt zu erwägen, daß viele in den Ghettos verbliebene Juden auf Grund der sowjetischen Verwaltungsmethoden gestorben sind, - im Zuge der "Befreiung", sozusagen. Oder auch integriert in die sowjetische Gesellschaft, verschickt irgendwohin in das riesige Land.
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Bekannt ist, daß die UdSSR nach dem Jahre 1945 die Einbürgerung von Juden gefördert hat, wovon hauptsächlich die 1940 aus Polen deportierten Personen betroffen waren.
Ein anderes Beispiel stellt die Karpatho-Ukraine dar, die als ehemalige tschechoslowakische Provinz nach 1945 von der UdSSR annektiert wurde. 10.000 Juden, ehemalige Einwohner der Karpatho-Ukraine, besaßen im Frühjahr 1946 in der Tschechoslowakei den Flüchtlingsstatus. Die UdSSR bestand auf der Repatriierung dieser Juden in die Sowjetunion, was dann auch geschehen ist. [26]
Man sollte auch um die Existenz des besonderen jüdischen "autonomen Staates" Birobidschan innerhalb der Sowjetunion wissen, der an der mandschurischen Grenze am Amur in Fernen Osten liegt. Birobidschan wurde 1928 von den Sowjets als jüdische Enklave gegründet. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in New York der "Einstein-Fonds von Ambijan" (Deckname für 'Amerikanisches Birobidschan Komitee') geschaffen, dessen Zweck es war, die "Flüchtlingskolonisation in Birobidschan" zu unterstützen. Auch noch andere New Yorker Hilfsaktionen nach dem Zweiten Weltkrieg für die nach Birobidschan umgesiedelten Juden sind bekannt. Selbst jüdische Organisationen wie das Joint Distribution Committee unterstützten die Juden in anderen Teilen der Sowjetunion gleichermaßen. In New York gab es den Hilfsausschuß für Minsk und umliegende Städte. Dazu sind die UNRRA-Programme in Weißrußland und der Ukraine zu nennen. Albert Einstein, der sich diesem Hilfsprogramm nach 1945 mit Nachdruck anschloß und seine Anerkennung gegenüber der UdSSR zum Ausdruck brachte, weil sie "hunderttausenden jüdischer Menschen helfe und ihnen Heimat gewähre", war nur einer unter vielen anderen jüdischen Exponenten in den USA, der damit das Leben dieser seiner Artgenossen bestätigte. [27]
Die Sowjetunion schloß mit der kommunistischen Regierung Polens ein Sonderabkommen über die Repatriierung jener polnischen Staatsbürger, die in den von den Sowjets annektierten Gebieten ansässig gewesen waren, aber auch jene, die 1940 in das Innere der Sowjetunion verbracht worden waren, einbezog (Juli 1945). Es sah auch vor, daß die Betroffenen die sowjetische oder die polnische Staatsbürgerschaft wählen konnten. Was die Juden anbelangt, so wurde schließlich entschieden, daß der Stichtag für diese Option der 30.6.1946 sein sollte.
Reitlinger räumt ein, daß die jüdische Bevölkerung der UdSSR in der Nachkriegszeit gut und gern die Vorkriegszahlen überstiegen haben dürfte, und zwar auf Grund des zusätzlichen Anteils polnischer, baltischer und anderer Juden. Er betrachtet die Schätzung des "Jewish Observer", wonach 500.000 polnische Juden vorzogen, in der UdSSR zu verbleiben, als "sehr konservativ" und konzediert in diesem Zusammenhang enorme und nicht überwindbare Ungewißheiten. Und so förderten die Russen, wenngleich sie bereit waren, polnische Juden vor dem Stichtag des 30.6.1946 hinauszulassen, dennoch deren Einbürgerung in die Sowjetunion. Dieses betraf sicherlich eine beachtliche Anzahl von Juden, die durch die Deutschen in den Osten umgesiedelt worden waren. Doch ist es sinnlos, zu versuchen, irgendwelche Schlußfolgerungen aus angeblichen Bevölkerungsstatistiken zu ziehen, die von Russen oder
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von jüdischen Organisationen stammen. [28] Wenn die Sowjets, wenn auch nur zeitbegrenzt, polnischen Juden die Ausreise aus der UdSSR gestattet hatten, so müssen wir annehmen, daß Moskau eine ähnliche Politik auch gegenüber anderen Juden, d.h. Juden anderer Staatsangehörigkeit praktiziert hatte.
Auf den ersten Blick könnte es so aussehen, als wenn es für jeden ausgesiedelten Juden eine klare logische Konsequenz gewesen wäre, im Zuge der "Befreiung" nach dem Krieg dorthin zurückzukehren, wo er ehemals gelebt hatte. Doch dieses ist aus verschiedenen Gründen nicht der Fall. Auf der einen Seite - vielleicht betraf dies sogar die Mehrheit der Fälle - war nichts mehr von dem vorhanden, wohin sie hätten zurückkehren können. Hauptgrund dafür war der deutsche Plan "Aktion Reinhardt", wonach die in den Osten deportierten Juden von fast all ihrem Besitz enteignet wurden; ihre Möbel, alles Vieh, Geschäftseigentum, ihr Schmuck, alle Kleidung, die sie nicht mittragen konnten und fast alles Bargeld bis auf eine Summe im Wert von etwa 25 Dollar - in welcher Währung auch immer - wurden einfach im Verlauf der Umsiedlung beschlagnahmt (unter Umständen konnte einiger Geschäftsbesitz mit ausgesiedelt worden sein). Die Lager in Lublin und Auschwitz waren die Hauptsammelstellen für viele dieser Besitztümer, wo auch immer sie beschlagnahmt worden waren. [29] Folglich hatten viele Juden, die weder Besitz noch Verwandte in ihren ursprünglichen Wohnorten hatten, keinen sehr zwingenden Grund, dorthin zurückzukehren. Der deutsche Plan war wahrlich eine Entwurzelung gewesen.
Sollten die Berichte zutreffen, daß gegen Ende des Jahres 1945 und auch 1946 im osteuropäischen Raum zahlreiche anti-jüdische Pogrome stattgefunden haben, so mag auch dies ein Beweggrund gewesen sein, alte Ansiedlungsgebiete zu verlassen. Sollten jedoch derartige Berichte lediglich auf zionistische Propaganda zurückzuführen sein, dann wäre zu folgern, daß man auf diese Weise Juden aus Osteuropa herauszuholen versucht hat. Wie dem aber auch sei : in jedem Fall ist aus solchen Berichten eine Abwanderung von Juden aus Osteuropa zu entnehmen.
Auf der Jalta-Konferenz im Jan./Febr. 1945 waren sich Churchill, Roosevelt und Stalin darüber einig, daß "es jüdischen Flüchtlingen unmöglich sein würde, nach Polen zurückzukehren, um dort wieder ins normale Leben integriert zu werden". [30] Obwohl es sicher sein dürfte, daß viele Juden in ihre alten Heimatländer zurückgegangen sind, so gab es doch auch viele triftige Gründe, sie davon abzuhalten. Wenn es wahr ist, daß eine bedeutende Anzahl polnischer Juden sowjetisches Gebiet verlassen hat, dann müssen viele auf dem Weg über Polen in andere, darüber hinausgehende Bestimmungsorte gelangt sein, denn die zionistische Führung hatte andere Heimatorte für sie im Sinn.
Viele Juden haben sich nach Kriegsende weder in der Sowjetunion noch in ihren Herkunftsländern niedergelassen, sondern hauptsächlich in den USA sowie in Palästina. Über die Zahlen hierüber gibt es naturgemäß Unsicherheiten. Bis zum November 1943 bestand beim us-amerikanischen Amt für Einwanderung und Einbürgerung unter der Rubrik "Rassen und Völker" - eine Sparte "Hebräer", doch wurde diese Praxis dann eingestellt. Seither gibt es keine amtlichen Registrierungen mehr über Einwanderungszahlen von Juden. [31]
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Ein weiteres Problem, die jüdische Einwanderung gegen Kriegsende darzustellen, ergibt sich daraus, daß wir mitten in das "War Refugee Board" - WRB (Kriegsflüchtlingsamt) und die UNRRA (Hilfsaktions- und Wiederaufbauausschuß der Vereinten Nationen) geraten. Wie erinnerlich, wurde das WRB Anfang 1944 als ein offenbar gemeinsames Unternehmen des US-Außenministeriums, des US-Schatzamtes und des US-Kriegsministeriums gegründet, obwohl es in Praxis dem Finanzminister Henry Morgenthau jr. unterstand. Das Amt hatte ungewöhnliche Vollmachten erhalten, besondere Attachés mit diplomatischem Status zu ernennen. Ein weiteres höchst irreguläres Kennzeichen war, daß das WRB sehr eng mit privaten Organisationen zusammenarbeitete. Der Kontakt mit dem "Joint Committee", dem Weltjudenkongreß und verschiedenen anderen jüdischen und zionistischen Organisationen war sehr ausgedehnt. Auch befaßten sich einige nicht-jüdische Verbände mit entsprechenden Initiativen, vornehmlich der Ausschuß für amerikanischen Freundesdienst. Das WRB und die drei genannten US-Ministerien waren ausdrücklich ermächtigt, "die Dienste oder Spenden privater Personen aus Organisationen" anzunehmen. [32] Wir haben es also hier mit einem ziemlich schlüpfrigen Gebilde zu tun, das sich sowohl der Propaganda als auch der Hilfeleistung verschrieben hatte, und zwar mit den Rechten einer Regierungshandlung, sobald ein offizieller Status angebracht war, und den Rechten einer privaten Organisation, sofern der Anstrich des Privaten vorteilhaft schien.
Hilfsaktionen des WRB liefen von ungefähr Mitte 1944 bis Mitte 1945, in einer Zeit, in der die Aktionen internationaler Reichweite nahezu gänzlich in den Händen der UNRRA lag. Diese Organisation war im November 1943 gebildet worden und hat bis März 1949 internationale Arbeit geleistet. Ihr erster, von Roosevelt ernannter Leiter war Herbert Lehman, Ex-Gouverneur des Staates New York und ein führender New-Deal-Demokrat ("New Deal" war ein Bündel von Gesetzen und Initiativen zur Wiederbelebung der US-Wirtschaft in den dreißiger Jahren gewesen, dem jedoch bis Kriegsbeginn der eigentliche Erfolg versagt geblieben war, - d.Ü). Die Wahl Lehmans motivierte Roosevelt seinerzeit so : "Es wäre ein prächtiges Lehrstück für Toleranz und Brüderlichkeit, wenn diese Aktion ein Jude leite, und ich meine, Herbert wäre prächtig". [33] Lehmans Nachfolger war (Anfang 1946) Fiorello LaGuardia, eh. Bürgermeister von New York. Obwohl LaGuardias Vater kein Jude war und er es verständlicherweise für nützlich hielt, die umfangreiche Zahl italienischer Wähler in New York zu poussieren, zählt er in Wirklichkeit zu den jüdisch-zionistischen Politikern und wird auch als solcher ausdrücklich in der Encyclopaedia Judaica erwähnt. Damit können wir sicher sein, daß die hier zur Debatte stehende Gruppe grundlegend die gleiche ist, wie beim WRB. Als der Kongreß z.B. im September 1945 forderte, es müsse dem staatlichen Revisionsamt gestattet werden bzw. sein, die UNRRA-Aktivitäten zu prüfen, da staatliche Gelder hiervon betroffen seien (es verlautete, die USA würden rund zwei Drittel der UNRRA-Kosten zahlen, doch ist zu vermuten, daß dieser Anteil noch darüber hinausging), erklärte Lehman, das ginge den Kongreß nichts an. [34]
Die UNRRA hatte eine beträchtliche Reichweite. Das meiste der UNRRA-Hilfe ging nach Osteuropa, und der nach Polen überwiesene
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Betrag stand nur zweitrangig hinter dem, der nach China ging. Die Unterstützung floß auch nach Weißrußland und in die Ukraine. [35] Mitte 1944 unterhielten das Kriegsflüchtlingsamt (WRB) und die UNRRA ein ausgedehntes System von Flüchtlingslagern in Nordafrika, Italien und Palästina. Diese Lager bestanden fast ausschließlich aus Juden. Seit 1944 waren massive Evakuierungen von Juden aus Europa in diese Lager im Gange. Viele wurden aus dem Balkan über Istanbul geholt, auch gab es eine Schwarzmeerroute via Istanbul. Für viele dieser Menschen wurde die Einreise in die USA oder in südamerikanische Länder beantragt, die auch noch während des Krieges genehmigt wurde. In diesem Zusammenhang wurde auch das Lager in Oswego, New York, am See Ontario, nahe der kanadischen Grenze, eingerichtet. Irgendwie erreichten es viele, die nicht gleich zu Beginn nach Palästina gelangen konnten, dort untergebracht zu werden. [36]
Nach dem Zusammenbruch Deutschlands verwaltete die UNRRA die sog. "DP-Lager" (benannt nach "Displaced Persons", entwurzelte Personen - vorwiegend ehemalige "Ostarbeiter"), vornehmlich in der britischen, amerikanischen Besatzungszone Deutschlands und gleichermaßen im westlichen Besatzungsbereich Österreichs. Natürlich gab es in jenen Lagern viele Nicht-Juden, doch Juden galten als Privilegierte und waren in vielen Fällen in Häusern und Hotels untergebracht, die für sie beschlagnahmt worden waren. [37]
Die UNRRA-Tätigkeit in Deutschland bildete einen der Skandale der Besatzungsära. Berüchtigt waren die Razzien in deutschen Häusern, um Kinder "zu retten". Während des Krieges entsprach es einer Maßnahme der NS-Führung, wurzellose Waisenkinder rassisch untersuchen zu lassen, um sie im Fall arischen Ursprungs zur Adoption für deutsche Familien freizugeben bzw. zu empfehlen. Diese Kinder wurden dann genau wie deutsche Kinder aufgezogen, was dann später die UNRRA-Behörden wieder unterbanden. Was aus den Kindern geworden ist, ist nicht bekannt geworden. [38]
In den UNRRA-Lagern der DP's gab es zuweilen üble Verhältnisse. Der prominente Historiker der US-Militärregierung in Deutschland schrieb hierzu : [39]
"Sie aßen nicht nur Unmengen, sondern zeigten auch viele der psychoneurotischen Züge, die man bei Leuten erwarten kann, die jene Trübsal durchmachten, an denen viele der Displaced Persons gelitten haben. Es war für sie an der Tagesordnung, vorzugeben, sie würden von den Alliierten Dienststellen nicht so rücksichtsvoll behandelt, wie sie es verdienten. Oft hatten sie Einwände gegen die Lager, in denen sie lebten, und behaupteten, es wirke sich auf ihre Lage nachteilig aus, in Lagern untergebracht zu sein. Manche forderten, es sollten die besten deutschen Häuser geräumt und ihnen zur Verfügung gestellt werden, insbesondere den Juden. In manchen Fällen weigerten sie sich, ihre Unterkünfte einigermaßen wohnlich zu halten, wobei sie auf dem Standpunkt beharrten, es sei nicht ihre Sache, irgendwie selbst mit anzufassen. In dieser Zeit oblag die eigentliche Betreuung der DP's für einige Monate der UNRRA, aber die oberste Instanz dafür war die Militärregierung, und diese hatte sich um die Beschwerden zu kümmern, wie sie in der Presse über unzulässige Behandlung laut wurden.
Darüber hinaus setzten die DP's ihren Untergrundkampf mit der deutschen
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Bevölkerung fort, trotz all der Versprechungen und Bemühungen von seiten der UNRRA und des Personals der amerikanischen Armee. Die Plünderungen auf dem Lande hörten überhaupt nicht auf. Einige DP's ergriffen jede Gelegenheit, Streit mit den Deutschen anzufangen. Als Folge der nahezu täglichen Plünderungen deutschen Eigentums, Tötung von Deutschen und Vergewaltigung deutscher Frauen breitete sich unter der Bevölkerung bitterer Groll aus, vor allem, da sich niemand gegen die Schußwaffen verteidigen konnte, die die DP's sich verschafft hatten."
Einem weithin publizierten Vorfall zufolge haben jüdische und polnische DP's mit Unterstützung einiger US-Armeeangehöriger deutsche Bewohner einer Stadt unter Schlägen und Tritten gezwungen, kürzlich zuvor beerdigte Leichen auszugraben, das verweste Fleisch von den Knochen zu entfernen und diese zu reinigen. [40] Doch wie immer dem auch sei : Wir sind in erster Linie an der politischen Rolle interessiert, die diese DP-Lager gespielt haben, und die simple Tatsache dabei ist, daß die jüdischen DP-Lager und die ihnen zugeordneten anderen Unterkünfte als Durchgangs- und militärische Ausbildungslager für die Invasion Palästinas gedient haben.
Die Welt hatte Gelegenheit, dies bereits im Januar 1946 zu erfahren. Wie das in "internationalen Organisationen" zuweilen vorkommt, war nicht jede Personalstelle wunschgemäß besetzt : Leiter der UNRRA-Aktionen in Deutschland war der britische General Sir Frederick E. Morgan, ein selbständig denkender Mann und kein zionistischer Dienling. Obgleich ihm nur ein Teil der UNRRA in Deutschland unterstand, erfuhr er doch das Wesentliche von dem, was geschah, und unterrichtete hiervon die Öffentlichkeit. Auf einer Pressekonferenz in Frankfurt/Main beschwerte er sich, daß eine organisierte Gruppe von Juden einen Transfer von Juden aus Polen in die amerikanische Zone von Deutschland fördere. Spöttisch ließ er sich über "all das Geschwätz über Pogrome innerhalb Polens" aus und wies darauf hin, daß Juden, die in ganzen Eisenbahnzügen in Berlin ankämen, wohlernährt, gut gekleidet und reichlich mit Geld versehen seien : "Sie sehen ganz bestimmt nicht wie Verfolgte aus. Nach meiner Ansicht haben sie einen Plan, einen konkreten Plan, aus Europa wegzugehen". Morgan ergänzte, ihr Geld bestehe zu einem großen Teil aus von den Russen gedruckter Besatzungsmark. Der Leser wird sich erinnern, daß eine der spektakulärsten Taten des Sowjetagenten Harry Dexter White, dem wir im Kap. III als Boß der internationalen Operationen des US-Schatzamtes begegnet waren, jene gewesen ist, den Sowjets die Druckplatten für die US-Besatzungswährung zu liefern.
Chaim Weizmann rügte Morgans Erklärung als "spürbar antisemitisch", und Rabbi Wise stellte fest, das rieche nach schlimmstem Nazismus und erinnere an die gefälschten Protokolle der Weisen von Zion. Im UNRRA-Hauptquartier in den USA gab man bekannt, Morgan sei entlassen worden, doch Morgan verneinte das. Wise, Henry Monsky (Präsident der B'nai B'rith - jüdischer Geheimdienstorden) und andere prominente Juden machten sich daraufhin an Lehman heran und "versicherten Gouverneur Lehman, es sei den Umständen entsprechend unklug, den Fall gegen Morgan zu strapazieren", da Morgan offenbar genügend Beweise zur Erhärtung seiner Feststellung habe.
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Im späteren Verlauf des Jahres 1946 gab es eine Untersuchung des jüdischen Problems durch einen anglo-amerikanischen Ausschuß, der entschied, daß Morgan die Situation unterschätzt habe. In den jüdischen DP-Lagern "änderten sich die Gesichter von Tag zu Tag und neue Personen antworteten auf alte Namen in den Lagerlisten, je näher die zionistischen Organisationen die Juden an Palästina heranschafften". Die Juden, vorwiegend polnische, strömten aus dem Osten nach Westdeutschland hinein und durchliefen die von der UNRRA betriebenen Lager. In diesen Lagern erhielten viele von ihnen eine militärische Ausbildung für die Invasion Palästinas, und zwar durch Reserveoffiziere in Uniformen der britischen und amerikanischen Armee. Obwohl es so war, daß niemand recht eigentlich nach Palästina wollte, hingegen aber in die USA, wurden alle Mittel angewendet, die Einwanderung nach Palästina zu erzwingen. Im Rückblick auf seine Mitarbeit in der UNRRA schrieb General Morgan in seinen Memoiren 1961 "Peace and War" ("Frieden und Krieg") : "Einem solchen Haufen (outfit) zu dienen, ist einfach nicht zu beschreiben."
Jahre später haben zionistische Autoren durch lobende Schilderungen des organisierten Auszugs von Juden aus Europa Morgans Feststellungen rechtgegeben. [41]
Im August 1946 warf LaGuardia Morgan hinaus, weil dieser sich beschwert hat, daß die UNRRA als "Abschirmung für sowjetische Geheimagenten und kriminelle Elemente, die sich mit Großhandel in Drogen und Schmuggel befaßten", diene. Morgan wurde durch Meyer Cohen aus dem Washington-Büro der UNRRA ersetzt. Dieser Schritt wurde zu einer Zeit vollzogen, als ein weithin berichteter Krach zwischen der UNRRA und militärischen Dienststellen in Deutschland herrschte. LaGuardia war damals nach Deutschland gekommen, um sich mit verschiedenen Problemen zu befassen, u.a. auch mit Morgan. Anläßlich einer Pressekonferenz, die unmittelbar nach Morgans Hinauswurf stattfand, gab es einen wütenden Disput zwischen LaGuardia und Hal Foust von der "Chicago Tribune", mit dem wir uns schon im Kap. I befaßt haben. Foust hatte gefragt, wieviel Geld andere Staaten außer den USA zur UNRRA beigesteuert hätten. LaGuardia beantwortete jedoch keine der Fragen Fousts und begründete dies damit, daß dies Fousts "dreckiges lausiges Blatt dies sowieso nicht abdrucken würde". Auf Fousts wiederholte Bitten um die erbetenen Informationen kreischte LaGuardia "Halten Sie den Mund" ("Shut up"). [42]
Morgan war nicht der erste hochrangige Offizier der Alliierten, der mit den Zionisten zusammenstieß. Im Sommer 1945 hatte der an das Weiße Haus gesandte "Harrison-Bericht" behauptet, die Juden in der US-Zone von Deutschland würden nahezu genauso schlecht behandelt wie unter den Nationalsozialisten. Obgleich viele Juden in den Lagern diese Behauptungen als lachhaft verspotteten, suchte General Eisenhower, der oberste Befehlshaber der Alliierten, General George S. Patton jr. (Befehlshaber der 3. US-Army und Militärgouverneur von Bayern) auf, "las ihm den aufrührerischen Bericht vor und erstaunte ihn mit der Äußerung, daß er das auch genau meine, wenn er sage, die Deutschen müßten, wenn nötig, aus ihren Häusern raus, um es ihren Opfern bequem zu machen". Kurz darauf enthob Eisenhower Patton seines Postens, angeblich, weil dieser öffentlich gesagt habe, es würde allzu viel Theater um die
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Entfernung von Nationalsozialisten aus Schlüsselpositionen gemacht, und der Unterschied zwischen Nationalsozialisten und Nicht-Nationalsozialisten sei ähnlich dem zwischen Republikanern und Demokraten, und der Schlüssel zu einem Erfolg der Besatzungspolitik in Deutschland läge darin, den Deutschen zu zeigen, "was für großartige Kerle wir sind". Dieses wurde justament das bekannteste Beispiel für die allgemeine "Zurückhaltung der Besatzungsbehörden in ihrem Tätigkeitsbereich, so hart vorzugehen, wie es die von den Staatsoberhäuptern in Berlin-Potsdam und von General Eisenhower selbst verlautbarten Maßnahmen kundtaten." Patton erhielt den Auftrag, den Vorsitz einer Gruppe zum Schreiben einer Militärgeschichte zu übernehmen, doch erlitt er im Dezember 1945 einen "Autounfall" und erlag 2 Wochen später seinen schweren Verletzungen. [43]
Eisenhowers Einstellung den Zionisten gegenüber war stets äußerst freundschaftlich gewesen. Kurz vor Kriegsende hatte die zionistische Organisatorin Ruth Klieger, gebürtige Rumänin und vor dem Krieg in Palästina ansässig, Eisenhowers Hauptquartier SHAEF in Paris aufgesucht, um Richter Rifkind, Eisenhowers Berater für DP-Fragen, ihre Mission darzulegen, Judentransporte von Deutschland nach Palästina zu organisieren. Sie wurde auf der Stelle zum Oberst der US-Army befördert und erhielt für ihre Mission in Deutschland die notwendigen Papiere. Damit waren Eisenhowers Dienste noch nicht beendet, denn der Truppentransporter "Ascania", dessen Befehlsgewalt im SHAEF mündete, wurde daraufhin den Zionisten zur Verfügung gestellt; er trug 2.400 Juden nach Palästina. Die Briten stellten sich ihm bei seiner Ankunft entgegen, wünschten aber darüber keinen Ärger mit SHAEF und gestatteten die Landung in Palästina. Eisenhower wurde später Präsident der Vereinigten Staaten. [44]
Wie bereits angedeutet, verblieben die aus der Sowjetunion nach Polen abgewanderten Juden zum überwiegenden Teil nicht in jenem Land, unterstützt vom "Joint Committee" und den damit verbundenen Organisationen (Spenden an diese waren in den USA steuerfrei) [45], zogen die Juden weiter nach Deutschland, die Tschechoslowakei, Italien, wo es ebenfalls UNRRA-Lager für sie gab, aber auch nach Frankreich, und, wie gesagt in die USA. Im Zuge dieser mehr oder weniger hektischen und "illegalen" Abwanderung wurden Pässe, Identitätskarten oder sonstige Regularien nicht respektiert. Griechische Personalausweise wurden in Massen hergestellt, und viele Juden gaben sich als aus Polen heimkehrende Griechen aus. Als die griechische Regierung dahinterkam, entsandte sie einen Beamten zur Untersuchung, doch war dieser ein aktiver Zionist, der die Zionisten-Organisation lediglich wissen ließ, daß er zwar die bisherigen Ungesetzlichkeiten decken könne, die "Griechen-Masche" jedoch aufgegeben werden müsse. Sie hatte aber ihren Zweck bereits durchschlagend erfüllt. [46]
In den Anfängen der Massenwanderung hatte die Zionisten-Organisation erkannt, daß die zu erfassenden Juden zu undiszipliniert und demoralisiert waren, um sich in eine wirkungsträchtige Bewegung einzuordnen. Sie verlegte sich daher auf die Methode der Haßpropaganda, um die Kampfmoral der Juden in den verschiedenen Lagern anzufeuern. Sie begannen, "diesen Juden tiefe Abneigung und Haß gegen die Deutschen einzuflößen, ja, gegen ihre
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gesamte nichtjüdische Umwelt, gegen die "Gojim" um sie herum". Im Winter 1946 inspizierte ein anglo-amerikanischer Untersuchungsausschuß die Judenlager in Deutschland und war "von diesem "Anti-Goyismus" unter den Lagerinsassen und von der Unmöglichkeit, irgendeinen Kontakt zwischen diesen heimatlosen Juden und den britischen und amerikanischen Völkern aufrechtzuerhalten, überwältigt." [47]
Die US-Besatzungsbehörden in Deutschland waren natürlich sehr über die Tatsache besorgt, daß so viele Menschen, äußerst dürftig als "Flüchtlinge" ausgewiesen, in ihren Machtbereich hereinströmten, zögerten aber, dies unverblümt zu äußern. Jedenfalls verursachte das ständige Anwachsen der "Flüchtlinge" Probleme, die man nicht ignorieren konnte. Im Juni 1946 kam eine Gruppe amerikanischer Redakteure und Zeitungsverleger als erster Station einer Deutschlandreise in Frankfurt an und wurde von "hohen US-Offizieren" darüber unterrichtet, daß Juden in einer Zahl von "monatlich 10.000" in die US-Zone strömten und damit ein "Problem schwerwiegender Art" bereiteten. Es hieß, "viele von ihnen kommen aus Rußland, und wenn sie sich denen in Polen in einer offenbaren Massenwanderung nach Palästina anschließen, dann werden wir unter Umständen von ihnen 3 Millionen zu betreuen haben". Von besonderem Interesse in dieser Erklärung ist, woher "viele" dieser Juden kamen, nicht minder aber auch die Tatsache, daß die US-Militärbehörden es für plausibel gehalten hatten, eine Zahl von 3 Millionen anzuführen (kein Druckfehler!) Natürlich übertrieben sie die Situation, um irgendeine entsprechende Aktion hervorzurufen, denn es hat niemals eine Möglichkeit für die Einreise von 3 Millionen Juden in die US-Zone Deutschlands bestanden. Nichtsdestoweniger ist die Anführung einer solchen Zahl und die Hervorhebung, daß "viele" jener Juden "aus Rußland kommen", höchst kennzeichnend. [48]
Das Problem erregte seinerzeit so viel Aufmerksamkeit, daß der amerikanische Militärgouverneur, General McNarney Anfang [August] 1946 bekanntgab, daß "die US-Zonengrenzposten jüdische Flüchtlinge aus Polen in organisierten Reisezügen und Lastwagen nicht hereinlassen würden. McNarney setzte jedoch hinzu, daß "wenn Verfolgte einzeln über die Grenze kommen, dies selbstverständlich etwas anderes wäre und wir sie aufnehmen würden." Es mag viele Beobachter überrascht haben, daß diese scheinbar unwichtige Eingrenzung die Zionisten derart zufriedenstellte, daß Rabbi Wise und andere kurz darauf "die Haltung Gen. Joseph McNarneys ... gegenüber ... dem Gesamtproblem" öffentlich würdigten. Das Rätsel löste sich im darauffolgenden November, als berichtet wurde, daß 35.000 Juden, ein Rekord, im September von Polen nach Westdeutschland eingereist wären (der überwiegende Teil in die US-Zone), und daß der "dünne Zustrom", der im November floß, sich auf "150-200 Personen täglich" belief. [49]
In den Nachrichtenmeldungen jener Zeit wurden oftmals die Juden, die aus Rußland nach Polen "zurückkehrten", als die 1940 in die UdSSR Deportierten bezeichnet. Eine derartige Ausdrucksweise der Presse war zu erwarten, da die anderen ja tot sein sollten. Doch solche Auslegungen können außer acht gelassen werden, obwohl zu jenen Gruppen, wie Korzen schreibt, ebenfalls Deportierte des Jahres 1940 aus Ostpolen zählten.
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Im Verlauf des Jahres 1946 entsandte der US-Senatsausschuß für Kriegsforschung seinen Chefberater George Meader nach Deutschland, um die US-Besatzungspolitik zu untersuchen. Meaders Bericht, der u.a. den Vorwurf weitverbreiteter Unmoral und Schiebungen in der Army erhob, erhielt als Folge von "erheblichem Druck von seiten des Weißen Hauses, des Außen- und Kriegsministeriums und Senator Arthur Vandenbergs" sowie einer Rücktrittsdrohung des Generals Clay Publikationsverbot, doch gelangte sein Inhalt schließlich doch irgendwie in die Öffentlichkeit. Der Bericht befaßt sich kritisch damit, wie die aus Polen hereinströmenden Juden untergebracht wurden, zumal sie gar keine echten Flüchtlinge (im Sinne des Vertriebenseins bei Kriegsende) waren, sondern Teil einer Massenbewegung von Menschen, die von privaten Gruppen zugunsten einer ganz bestimmten politischen Zwecksetzung - dem Zionismus - gefördert wurde. Die U.S.A. "finanzierten somit ein politisches Programm", indem sie Juden in deutschen DP-Lagern aufnahmen, obwohl dieses Programm niemals dem Kongreß zur Erörterung vorgelegen hatte. In den Vereinigten Staaten erhoben sich daher Besorgnis über und Opposition gegen die materielle Unterstützung, die durch die "US-Flüchtlingspolitik" der Sache der Zionisten gewährt würde, doch beides kam zu spät und war zu wenig, um noch irgendeinen Einfluß auf die Vorgänge zu haben.
In seinem Bericht beklagte sich Meader über die Schwierigkeit, die jüdischen - im Unterschied zu den nicht-jüdischen - DP's dazu zu bewegen, eine Arbeit zu tun oder zu helfen, ihre eigenen Unterkünfte herzurichten. Doch beschwerten sie sich unablässig, daß man sie nicht so gut versorgen würde, wie sie es erwarteten. Meader wies darauf hin, daß illegale Umtriebe und Gewaltverbrechen durch Displaced Persons zahlreich wären, und vermerkte andererseits, daß Washington der Aufnahme von 2.250 Millionen Flüchtlingen aus Europa als Einwanderer in die USA zugestimmt hatte. [50]
Von nur geringfügigem Wert ist, hier die Zahlen anzugeben, die für die jüdischen DP's genannt wurden. Im Herbst 1946 hieß es, es befänden sich 185.000 jüdische DP's in Lagern Westdeutschlands. Setzt man jene für Österreich hinzu, dann würde die Zahl bereits 200.000 übersteigen. Auch wird gesagt, daß sich am 1.7.1947 über 400.000 jüdische Flüchtlinge in West-Europa befunden hätten. [51] Doch haben solche Zahlen keine Ausdruckskraft, weil die Lager für Juden und andere Flüchtlinge in Wirklichkeit als Durchgangslager dienten, und ein ständiger Zug - im Fall der Juden jedenfalls - nach den USA und Palästina im Gange war, größtenteils illegal oder zumindest "inoffiziell" bezüglich des letzteren Zieles und möglicherweise auch im Hinblick auf das erstere.
Die Hauptreiseziele, doch nicht die einzigen, waren Palästina und die USA. Die Zahl ist nur zu schätzen, wobei die von den britischen Behörden zusammengestellten Bevölkerungsstatistiken für Palästina des Jahres 1946 verläßlich erscheinen. [52]
1924 1929 1934 1939 1944 | Moslems 532.636 634.811 747.826 860.580 994.724 | Juden 94.945 156.481 282.975 445.457 528.702 | Christen 74.094 81.776 102.407 116.958 135.547 | andere 8.263 9.443 10.793 12.150 14.098 |
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Gegen Ende des Jahres 1946 sollen es 608.000 Juden und 1.237.000 Moslems, Christen und "andere" gewesen sein. Über diesen Punkt hinaus gibt es keine genauen britischen Zahlen mehr wegen des großen Ausmaßes der illegalen Einwanderung, zumal den Briten die Lage allmählich aus den Händen glitt. Jedenfalls in der Zeit, als sich im Juli 1949 die Lage etwas beruhigt hatte, berichtete die Israelische Regierung, es befänden sich 925.000 Juden in Israel. Es handelte sich dabei vorwiegend um Juden europäischer Herkunft, wobei die umfangreiche Einwanderung aus Nordafrika und Asien eine von der Israelischen Regierung geförderte Folgeentwicklung darstellte. Im Jahr 1957 befanden sich etwa 1.868.000 Juden in Israel und 868.000 Araber waren seit der jüdischen Übernahme in benachbarte Länder geflohen. [53]
An dieser Stelle ist es sinnvoll einzuflechten, daß viele Menschen ein völlig falsches Bild vom Zionismus und Israel haben. Heutzutage wird weithin angenommen, daß der Zionismus bei Kriegsende entstanden sei, als eine große Zahl von europäischen Juden, die zu dem Schluß gekommen waren, nicht mehr länger in Europa leben zu können, in ein durch und durch arabisches Palästina eindrangen und die arabischen Einwohner hinaustrieben. In Wirklichkeit hat der Zionismus - eine Bewegung zur Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina - eine Geschichte, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts beginnt. Im Jahre 1917 war der Zionismus zu einer derartigen politischen Kraft geworden, daß Großbritannien, verwickelt in einen blutigen Kampf mit dem kaiserlichen Deutschland, die "Balfour-Erklärung", mit der den Juden effektiv Palästina zugesprochen wurde, als Gegenleistung für jüdische Unterstützung im Weltkrieg abgab. Da England auch gewisse Abmachungen mit den Arabern getroffen hatte, wurde Palästina zu einem Land, dem "zuviel versprochen wurde".
Zionistische Organisationen förderten den Zug der jüdischen Einwanderer nach Palästina im Anschluß an den Ersten Weltkrieg und in den nachfolgenden dreißiger Jahren. Wie die dargetanen Bevölkerungszahlen andeuten, bereitete Palästina der britischen Außenpolitik die vielleicht heftigsten Kopfschmerzen, da sie vor der an sich unmöglichen Aufgabe bestehen mußte, die jüdischen mit den arabischen Ansprüchen auf Palästina unter einen Hut zu bringen.
Gegen Ende der dreißiger Jahre befand sich der Zionismus in tatkräftiger Zusammenarbeit mit der Gestapo, die regelmäßig mit Vertretern der Zionisten zusammenkam und sogar half, Bauernhöfe und landwirtschaftliches Gerät zur Verfügung zu stellen, um Ausbildungszentren für jüdische Emigranten in Deutschland und Österreich einzurichten. Die Zionisten und die Gestapo hatten das gleiche Ziel, Juden aus Europa zu transferieren. [54]
Der Zweite Weltkrieg war nicht Ursprung des Zionismus; er verschaffte ihm lediglich den weltpolischen Sieg, den er für die Endphase der Übernahme Palästinas brauchte. Die Macht in der Welt war den U.S.A. und der Sowjetunion zugefallen, und beide standen damals der Sache des Zionismus sehr wohlwollend gegenüber. Unter den obwaltenden Umständen war die Lage der Araber hoffnungslos, da sie von der Standfestigkeit sowie politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit Großbritanniens abhing, das jedoch durch den Zweiten Weltkrieg selbst in eine nahezu totale politische wie
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wirtschaftliche Abhängigkeit geraten war, ja man kann sagen, am Boden lag.
Kann man sich noch eine annähernde Vorstellung vom Umfang der jüdischen Einwanderung in Palästina machen, so steht man vor einer schier undurchdringlichen Wand bei dem Versuch, diesen für die Vereinigten Staaten zu bestimmen. Wir erinnern daran, daß die Registrierung von "Hebräern" als Einwanderern im gleichen Monat des Jahres 1943 fallengelassen wurde, als sich Washington durch Gründung der UNRRA umfassend der Betreuung der Displaced Persons annahm. Unmittelbar nach dem Krieg wurde natürlich starker jüdischer Druck ausgeübt, um die jüdische Einwanderungsquote möglichst hochzuschrauben, und im Dezember 1945 gab Präsident Truman bekannt, die Immigration würde beschleunigt, nicht ausgenutzte Quoten aus der Kriegszeit seien zwar nicht kumulativ, doch würden alle vorhandenen Regelungen respektiert. [55] Mag dies auch realisiert worden sein wie immer es wolle : Juden kamen unter der Kennzeichnung unterschiedlichster Nationalität herein : Als Deutsche, Österreicher, Niederländer, Polen usw. Dennoch gestatteten die bestehenden Vorschriften nicht, so viele Menschen zuzulassen, wie Anträge vorlagen, und so traf man eine gesetzliche Sonderregelung für die Einreiseerlaubnis von Displaced Persons, welche die "bestehenden Sperren durchbrachen". Dieses Gesetz verfügte ebenfalls die Bildung eines Ausschusses für Heimatlose ("Displaced Persons Commission") als Hilfsorgan für die Unterbringung der Einwanderer. Nach dem Rechenschaftsbericht des Ausschusses sind in der Zeit von 1948-1952 (die im Gesetz festgelegte Zeitspanne) über 400.000 solcher Personen in den Vereinigten Staaten angesiedelt worden. Der amtliche Bericht stellte dann noch fest, daß nur 16% dieser 400.000 jüdisch seien, aber das ist eben nur der amtliche Bericht einer Regierung, die besondere Schritte unternommen hatte, um sicherzustellen, daß die entsprechenden Angaben nicht existieren. [56]
Unter Vorbehalt fassen wir hier die in Frage stehenden Teile der Einwanderungszahlen zusammen, wie sie die US-Regierung veröffentlicht hat : [57]
Land | Reguläre 1941-1950 | Einwanderung 1951-1960 | DP's 1948-1952 | Gesamt |
Österreich Belgien Tschechoslowakei Dänemark Estland Frankreich Deutschland Griechenland Ungarn Italien Lettland Litauen Niederlande Polen Rumänien UdSSR Jugoslawien | 24.860 12.189 8.347 5.393 212 38.809 226.578 8.973 3.469 57.661 361 683 14.860 7.571 1.076 548 1.576 | 67.106 18.575 918 10.984 185 51.121 477.765 47.608 36.637 185.491 352 242 52.277 9.985 1.039 584 8.225 | 8.956 951 12.638 62 10.427 799 62.123 10.277 16.627 2.268 36.014 24.698 64 135.302 10.618 35.747 33.367 | 100.922 31.715 21.903 16.439 10.824 90.729 766.466 66.858 56.733 245.420 36.727 25.623 67.201 152.858 12.733 36.879 43.168 |
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Wir haben hier nur die Zahlen für einige europäische Länder wiedergegeben, von denen anzunehmen ist, daß aus ihnen viele vertriebene Juden gekommen sind. Die Summe für Ungarn 1951-1960 scheint jene nicht einzuschließen, die auf Grund eines besonderen Gesetzes anläßlich der 1956 ins Land gekommenen Flüchtlinge des ungarischen Aufstandes in den USA aufgenommen worden waren (45.000). Es sei erwähnt, daß in den Jahren 1954-1971 285.415 Personen aus Europa unter verschiedenen anderen Bestimmungen für Flüchtlinge in den Vereinigten Staaten eingebürgert worden sind. Geordnet nach Kontinenten sieht das dann so aus :
Land | Reguläre 1941-1950 | Einwanderung 1951-1960 | DP's 1948-1952 | Gesamt |
Europa Asien Nord/Südamerika Afrika Pazifischer Bereich Gesamt | 621.704 31.780 354.804 7.367 19.242 1.034.897 | 1.328.293 147.453 996.944 14.092 16.204 2.502.986 | 405.234 4.016 307 107 10 409.674 |
2.355.231 183.249 1.352.055 21.566 35.456 3.947.557 |
Für die Einwanderung in den Jahren 1941-1950 und 1951-1960 ist zu berücksichtigen, daß der letzte ständige Wohnort als Herkunfts- bzw. Heimatland galt, während für die DP's aus 1948-1952 das Geburtsland notiert wurde.
Daß im Fall der regulären Einwanderung die Nationalität dem Land des letzten Wohnsitzes zugeordnet wurde, macht eine Spezifizierung dieser Zahlen besonders schwierig. Dieses zeigt sich deutlich an der Gesamtzahl von 766.466 Personen, die aus Deutschland in die USA gekommen waren. Wir haben zu bedenken, daß Juden mit deutscher Staatsangehörigkeit nur einen Bruchteil der 766.466 ausmachen konnten, da die Mehrheit der geschätzten 500.000-600.000 deutscher, d.h. in Deutschland aufgewachsener Juden ja schon vor dem Krieg 1939 ausgewandert war. Berücksichtigt man, daß von den vor dem Krieg aus Deutschland emigrierten Juden ein Teil nach Frankreich und Belgien gegangen war und sich diese unter den - nach Reitlinger - 250.000 Personen befunden haben, die dann während des Krieges in den Osten deportiert worden sind, und nach 1945 dann von diesen etwa die Hälfte nach Palästina abgewandert sind, dann sieht es so aus, daß nicht mehr als 125.000 der "Deutschen", die nach den USA einreisten, Juden gewesen sein könnten. Doch diese Rechnung geht durch den einfachen Einwand daneben, daß der Status des "ständigen Wohnsitzes" auf viele der Juden mit mehreren Staatsangehörigkeiten angewendet worden sein dürfte, die unter verschiedenen Voraussetzungen unmittelbar nach dem Krieg in Deutschland untergebracht waren. Jener Zeitraum hat sich nicht durch striktes Einhalten von Gesetzen ausgezeichnet, und so kann man sicher annehmen, daß etwas mehr als 125.000 dieser "Deutschen" Juden waren. Mit den Zahlen für Italien ist es genau so.
Die Unklarheit des Begriffs vom "ständigen Wohnsitz" ist auch der Grund für die Einbeziehung von Einwanderungszahlen für solche Bereiche wie Nord- und Südamerika und Asien. Wir dürfen nicht erwarten, daß die heimatlosen Juden im Hinblick auf legale
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Ausweise besonders gewissenhaft waren; wir sahen dies an dem Fall der "Griechen", die durch die Tschechoslowakei gelangten. Es dürfte nicht schwierig gewesen sein, zu Ausweispapieren zu kommen, die als ständige Wohnsitze ihrer jüdischen Inhaber südamerikanische Länder oder auch vielleicht Kanada angaben. Ein Umweg über das entsprechende Land auf der Reise nach den USA könnte notwendig gewesen sein, aber ein solcher Abstecher wäre so oder so nur Tarnung gewesen. Südamerikanische Länder hätten wahrscheinlich freudig "mitgemacht", da die Juden nicht im Begriff waren, sich bei ihnen niederzulassen, und zweifellos Bestechungsgelder mit im Spiel waren.
Aus diesen Gründen bin ich der Ansicht, daß man mit Sicherheit die Einreise von mindestens 500.000 Juden in die USA annehmen kann, wobei die richtige Zahl wahrscheinlich höher liegt. Da der Stadtbereich von New York der Wohnsitz von Millionen Juden ist, könnten allein dorthin einige hunderttausend Juden gezogen sein, und niemand hätte davon mehr bemerkt, als daß er persönlich von einigen Juden erfuhr, die nach dem Krieg aus Europa nach New York gekommen waren.
In dieser Analyse sind wir natürlich davon ausgegangen, daß die große Masse der Juden, die sich nach dem Krieg woanders niedergelassen hat, vertriebene Juden waren. Statistisch gesehen wird ihnen kaum eine bedeutende Zahl von, sagen wir, französischen Juden zuzurechnen sein, die ebenso wenig Grund hatten Frankreich zu verlassen, wie jene in den USA, von dort auszuwandern. Das Ergebnis der NS-Judenumsiedlungen war, daß eine große Zahl von Juden in den Einflußbereich zionistischer Flüchtlingsorganisationen gelangte, die es dann fertigbrachten, diese Massen an Bestimmungsorte zu dirigieren, die aus politischen Motiven festgelegt waren.
Wenn wir voraussetzen, daß es am Ende des Krieges ungefähr drei Millionen vertriebener Juden gab, mit denen die Alliierten irgendwie fertigwerden mußten, dann ist anzunehmen, daß eine halbe Million nach den Vereinigten Staaten ausgewandert sind, eine halbe Million nach Palästina, eine Million von der Sowjetunion absorbiert wurden, 750.000 in Osteuropa außerhalb der UdSSR ansässig wurden und weitere 250.000 in Westeuropa untergekommen sind. Diese Aufschlüsselung fußt auf den Erkenntnissen, die aus demoskopischen Analysen zu entnehmen sind, wobei auf Grund der geschilderten Umstände eine absolute statistische Genauigkeit nicht zu erzielen ist. [58]
Versuchen wir die Anzahl der im Krieg umgekommenen Juden zu analysieren bzw. zu schätzen und zwar angesichts
dann stehen wir meiner Meinung nach erneut vor einem unmöglichen Problem. Rassiniers Schätzung beläuft sich auf 1 Million jüdischer Verluste, doch kann man gegenüber seinen
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Argumenten sehr viele Einwände geltend machen. Die Zahl von einer Million toter Juden erscheint mir, wenn auch möglich, ziemlich hoch. Doch habe ich nicht die Absicht, über diesen so makabren Sachverhalt in dieser oder jener Form zu diskutieren, solange er einen so weiten Spielraum für Unsicherheiten enthält.
Gerade die mächtigsten Gruppierungen der Welt haben sich veranlaßt gesehen, den Hergang dessen zu entstellen, was den Juden Europas während des Zweiten Weltkrieges wirklich geschehen ist, und politische Verhältnisse zu schaffen, die eine annähernd sachgerechte und vorurteilsfreie Untersuchung verhindern. So hat z.B. Korzen, obwohl in seinen Forschungen wohlwollend durch die Israelische Regierung unterstützt, Unkenntnis und Unsicherheiten in großen und wichtigen Bereichen, sowohl im Hinblick auf Zahlen als auch Einzelvorgänge in seiner Studie über die im Jahre 1940 vollzogenen sowjetischen Deportationen an polnischen Juden eingestanden. Auf der anderen Seite war ich überrascht, daß es ungeachtet dessen möglich war, statistische und quantitative Aspekte selbst in dem hier vorgelegten unvollständigen Ausmaß zu rekonstruieren.
In seinen Memoiren hat J. G. Burg eine Darstellung gebracht, die vollständig mit dem historischen Ablauf übereinstimmt. Bei Kriegsausbruch im September 1939 lebte er in Lemberg/Polen. Seine Familie floh dann alsbald nach Czernowitz/Rumänien, also in die Bukowina, die im Juni 1940 von der Roten Armee besetzt wurde. Ein Jahr später trieb der deutsche Angriff auf Rußland die Rote Armee hinaus, und ukrainische Banden leiteten Pogrome ein, die von deutschen und rumänischen Truppen niedergeschlagen wurden. Schließlich wurde Burg samt Familie nach Transnistrien deportiert, wo das Leben wenigstens erträglich war. Ein Herr Kolb vom Schweizer und Internationalen Roten Kreuz suchte ihre Siedlung Anfang 1943 auf.
Mit Zunahme der deutschen Niederlagen wuchs die Spannung zwischen den Deutschen und den Rumänen, und viele Rumänen versuchten, sich die Juden zu Freunden zu machen. Mitte 1944 begann die deutsch-rumänische Front zu wanken, und J. G. Burg kehrte mit seiner Familie wieder nach Czernowitz zurück. Überall herrschten Chaos, Hunger und sowjetischer Terror. Auch nach Kriegsende waren die Verhältnisse nicht gut, so daß J. G. Burg mit seiner Familie nach Breslau und danach weiter in ein Lager der UNRRA nahe von München/US-Zone Deutschland übersiedelte. In jenem Lager waren natürlich fast alle Juden sehr an der Möglichkeit interessiert, in die Vereinigten Staaten von Amerika zu gelangen, zumal sie erfuhren, daß viele Juden gerade das vorhatten. Doch die zionistische Organisation versuchte mit allen Mitteln, ihr Interesse von den USA weg und auf Palästina zu lenken. Auf die Frage : "Kann man nach den USA auswandern und dabei Zionist bleiben?" antwortete ein Professor Spiktor : "Wer immer in dieser Schicksalsstunde nach den USA auswandert, kann nicht nur kein Zionist sein, er verläßt damit auch sein jüdisches Volk." Sechs Monate später emigrierte Professor Spiktor in die USA. Burg und seine Familie zogen mit vielen anderen Juden des Lagers nach Palästina.
Wir sind jetzt fast am Ende unserer Studie. Die Juden Europas sind, wie sich aus den vorangegangenen Darlegungen ergibt, nicht vernichtet worden; es gab keinen deutschen Versuch, sie zu
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vernichten. Die Deutschen siedelten eine bestimmte Anzahl aus, und diese Menschen wurden schließlich nach Plänen der Alliierten wiederum umgesiedelt. Jeder der hiervon Betroffenen hat während des Krieges gelitten, mehr oder weniger viel von seinem Besitz verloren, auch gerieten sie in die chaotischen Begleitumstände der deutschen Niederlage. Doch hat jeder Europäer unter den Kriegsverhältnissen gelitten, besonders die Bevölkerung in Mittel- und Osteuropa. Die Völker, die am meisten gelitten haben, waren die Verlierer. Die Deutschen (und Österreicher) haben 10 Millionen an Toten verloren, im Felde, durch alliierte Luftangriffe, den sowjetischen Terror, dem sich vor allem der polnische und tschechische, aber auch der jugoslawische Terror parallelschaltete, bei Kriegsende, dann durch die Nachkriegsmaßnahmen der Sieger- und Mitsiegermächte, russische und französische Zwangsarbeit deutscher Kriegsgefangener und Zivilinternierter, durch die unter den brutalsten Bedingungen durchgeführten Austreibungen Deutscher aus ihrer Heimat, und schließlich durch die racheerfüllten Besatzungsmaßnahmen von 1945-1949. [59]
Die "Gaskammern" sind Fantasien der Kriegs- und Nachkriegspropaganda, in jeder Beziehung dem Unrat vergleichbar, der von Lord Bryce und Genossen (Verzeihung : "gentlemen"!) im Ersten Weltkrieg zusammengeschaufelt worden ist. Heinrich Himmler hat es wenige Wochen vor Kriegsende in einem Interview mit einem Vertreter des Weltjudenkongresses (es war Mr. Mazur) richtig und treffsicher formuliert : [60]
"... Um den Seuchen ein Ende zu bereiten, waren wir gezwungen, die Leichen einer nicht festzustellenden Anzahl von Menschen, die der Krankheit erlegen waren, zu verbrennen. Wir mußten daher die Krematorien bauen, und deshalb wird für uns die Henkersschlinge vorbereitet."
Es ist höchst unglücklich, daß Himmler ein "Selbstmordfall" war, während er sich in britischer Haft befand, denn, wäre er ein Angeklagter im Nürnberger IMT gewesen, so wäre er in der Lage gewesen, vor der Öffentlichkeit den wahren Hergang der ganzen Geschichte vorzutragen (er als vielleicht einziger war ja voll unterrichtet und hatte keine Möglichkeit, die Schuld jemandem anders zuzuschieben). Daß Himmlers Einschätzung der Gaskammer-Anschuldigungen zutreffend war, muß einem jeden offenkundig sein, der eine gewisse Zeit mit diesem Thema verbracht hat. Im besonderen aber hätten Reitlinger und Hilberg dies erkennen müssen, bevor sie auch nur Bruchteile ihrer dicken Bücher fertig hatten, die eine gewaltige Narretei darstellen.
Bücher wie das vorliegende wären unnötig gewesen, könnte man das wesentliche Material dieses Themas in den Prozeßakten des Nürnberger Siegertribunales nachlesen und sich im Inhalt und Umfang darauf verlassen.
Instruktiv dürfte zum Abschluß dieses Themas eine Information des jüdischen "Aufbau" vom 30.6.1965 sein, derzufolge sich die Zahl der Antragsteller auf deutsche Wiedergutmachung innerhalb von 10 Jahren verdoppelt habe. Bis zum Jahre 1965 hatten 3.375.000 Personen aus Gründen "rassischer Verfolgung" Wiedergutmachungsanträge in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, eine Zahl, die inzwischen auf über 4 Millionen angestiegen sein dürfte.
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Quellenangaben
[1] | NMT, Bd. XIII, 243-249 |
[2] | Hilberg, 619, 621 |
[3] | Sachar, 365-368, 412-417; John & Hadawi Bd. I, 295-326 |
[4] | NMT, Bd. XIII, 169 f |
[5] | Shirer, 881; u.a. |
[6] | NMT, Bd. XIII, 212 f; Poliakov & Wulf (1955), 119-126 |
[7] | N. Y. Times 28. Febr. 1941, 4; 18. Okt. 1941, 4; 28. Okt. 1941, 10; 9. Febr. 1942, 5; 15. März 1942, 27; 6. Äug. 1942, 1; u.a. |
[8] | Rothe, 173-196 |
[9] | NO-1611 und NO-1882 in NMT, Bd. V, 616-619 |
[10] | Reitlinger, 157 f, 294 f; Hilberg, 318, 619, 621 |
[11] | Reitlinger, 92-104; Hilberg 262 f |
[12] | Reitlinger, 108-115 (103 in engl. Ausg. 1968); Hilberg 264 f; NMT, Bd. XIII, 213 |
[13] | Grayzel, 785 f |
[14] | Koehl, 131 f |
[15] | Koehl, 146 |
[16] | Koehl, 130, 184 |
[17] | Reitlinger, 557-573; Hilberg, 670 |
[18] | Reitlinger, 398 (367 in engl. Ausg. 1968) |
[19] | Yad Vashem Studies, Bd. III, 119-140 |
[20] | Kimche & Kimche, 63 |
[21] | Steengracht 64 in NMT, Bd. XIII, 300; NO-1247, zitiert bei Reitlinger, 324 und bei Hilberg, 254. Steengracht 65 (oder NO-1624) scheint nirgendwo reproduziert zu sein |
[22] | In der "Überlebenden"-Literatur, siehe besonders Glatstein u.a., 25-32 43-112; Gringauz ( 1949 & 1950) : Friedman & Pinson |
[23] | N. Y. Times 18. Okt. 1941, 4 |
[24] | Härtle, 270; Scheidl, Bd. V, 65 |
[25] | Die beste Quelle zur Aufhellung der Motive für die antijüdischen Pogrome und deutschen Maßnahmen zur Unterdrückung der Pogrome scheint Raschhofer zu sein, Kap. II; siehe auch Burg (1962), 50 |
[26] | N. Y. Times, 30. April 1946, 8 |
[27] | N. Y. Times, 20. Juli 1945, 9; 7. Sept. 1945, 5; 25. Nov. 1945, 32; 10 März 1946, 2; 17. April 1946, 27; 13. Mai 1946, 18; 17. Mai 1946, 5; 2. Dez 1946, 5 |
[28] | Reitlinger, 558 f, 568 f; N. Y. Times 8. Juli 1945, 1; 24 März 1946, 3 |
[29] | Koehl, 198 f; NMT, Bd. V, 692-741; Bd. IV 954-973 |
[30] | N. Y. Times, 28. Juni 1945, 8 |
[31] | Davie, 33 |
[32] | US-WRB (1945), 3 f, 12 f |
[33] | Rosenman, 399 |
[34] | N. Y. Times, 21. Sept. 1945, 7 |
[35] | N. Y. Times, 23. Dez. 1945, 1 |
[36] | US-WRB (1945), 9, 16-45, 61-69, 72-74 |
[37] | John & Hadawi, Bd. 11, 34 |
[38] | Koehl, 219 f |
[39] | Zink, 121 f |
[40] | N. Y. Times, 26. Okt. 1946, 5 |
[41] | Kimche & Kimche, 88 f; John & Hadawi, Bd. II, 23-26, 34-36; Morgenthau-Diary, 79 |
[42] | N. Y. Times, 14. Aug. 1946, 10; 21. Aug. 1946, 1, 5; 23. Aug. 1946, 18 |
[43] | N. Y. Times, 1. Okt. 1945, 2; 2. Okt. 1945, 1; 3. Okt. 1945, 1 |
[44] | Kimche & Kimche, 101-103 |
[45] | Kimche & Kimche, 97 f |
[46] | Kimche & Kimche, 85-88 |
[47] | Kimche & Kimche, 81-83 |
[48] | N. Y. Times, 24. Juni 1946, 12 |
[49] | N. Y. Times 10. Aug. 1946, 4; 27. Aug. 1946, 6; 2. Nov. 1946, 7 |
[50] | N. Y. Times, 2. Dez. 1946, 3; 3. Dez. 1946, 13 |
[51] | N. Y. Times, 2. Nov. 1946, 7; Kimche & Kimche, 95 |
[52] | John & Hadawi, Bd. II, 45, 179 |
[53] | World Almanac (1950), 193; (1958), 364 f; Prittie, 149 f; McDonald, 142 f |
[54] | Kimche & Kimche, 15-19 |
[55] | N. Y. Times, 23. Dez. 1945, 1 |
[56] | U.S. Displaced Persons Commission, V, 248 |
[57] | Diese Angabe stammt letztlich vom Jahresbericht des US-Einwanderungs- und Naturalisationsamtes (-dienstes). In diesem Fall verwendete ich die Zusammenstellungen aus dem "Information Please Almanac" (1969) und dem "Statistical Abstract of the U.S." (Sept. 1972) |
[58] | Nation Europa, Heft 10, 1973, S. 43 f verweist auf die dem Luxemburg-Abkommen vorangehende Note der Israelischen Regierung vom 12. März 1951 sowohl an die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges als auch an die Bundesregierung, in der geltend gemacht wurde, daß es notwendig geworden sei, von der Bundesrepublik Deutschland 1,5 Milliarden US-Dollar zu fordern - als "Unkostenbeitrag, um rund 500.000 vor dem Nationalsozialismus nach Israel geflüchtete Juden in das Leben des dortigen Landes einzugliedern". Auch werden dort Zahlen zur Wiedergutmachung angeführt, die jedoch kaum vollständig sein dürften, zumal wir jetzt 1977 schreiben. |
[59] | Aretz, 337-346 |
[60] | Reitlinger, 544 |
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